Bitte benutzen Sie diese Kennung, um auf die Ressource zu verweisen: http://dx.doi.org/10.18419/opus-9362
Autor(en): Hinner, Lars Pieter
Titel: Enzymatische und chemische Studien zur Veresterung und Löslichkeit von Cellulose in ionischen Flüssigkeiten
Sonstige Titel: Enzymatic and chemical esterfication of cellulose and solubility studies in ionic liquids
Erscheinungsdatum: 2017
Dokumentart: Dissertation
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-ds-93791
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/9379
http://dx.doi.org/10.18419/opus-9362
Zusammenfassung: Cellulose ist der Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwand und daher die häufigste organische Verbindung auf unserem Planeten. Dieses nachwachsende Biopolymer wird heutzutage hauptsächlich für die Produktion von Papier und Zellstoff verwendet oder verbrannt und somit als billiger Energieträger genutzt. Viele alternative Anwendungsgebiete sind aufgrund von unzureichenden Materialeigenschaften schwierig zu realisieren. Insbesondere thermoplastische Anwendungen sind nicht durchführbar, da Cellulose keinen Schmelzpunkt besitzt. Auch die chemische Modifikation der Cellulose - mit dem Ziel, andere Materialeigenschaften zu generieren - ist schwierig, da Cellulose nicht in Wasser oder in üblichen organischen Lösungsmitteln gelöst werden kann. Bis dato wurden daher industriell heterogene Synthesen entwickelt, um Cellulose im nicht gelösten Zustand zu modifizieren. Hierbei sind allerdings aufwendige mechanische und chemische Vorbehandlungen notwendig, um eine effiziente Verarbeitung bzw. Modifizierung der Cellulose zu gewährleisten. Zusätzlich sind heterogene Synthesen zur Produktion von Celluloseestern, aufgrund der starken sterischen Hinderung der nicht gelösten Cellulose, auf kurzkettige Acyldonoren (C2-C4) beschränkt. Somit ist es mit heterogenen Prozessen nicht möglich, das komplette Spektrum an potenziellen Celluloseestern zu erzeugen. Es gibt allerdings ein steigendes Interesse an neuartigen Celluloseestern, da beispielsweise Celluloseacetat nur eine schlechte thermoplastische Prozessierbarkeit aufweist. Die Herstellung von neuartigen Celluloseestern kann in homogenen Synthesen besser realisiert werden, in denen Cellulose vollständig gelöst vorliegt. Als Reaktionsmedium können unter anderem spezielle ionische Flüssigkeiten genutzt werden, welche in der Lage sind, Cellulose zu lösen. In diesem Kontext wurden verschiedene Synthesen entwickelt, welche reaktive Acyldonoren verwenden. Der Einsatz von derartigen Acyldonoren, wie beispielsweise Carbonsäurechloriden ist allerdings problematisch, da diese sowohl das Cellulosegrundgerüst, als auch die ionische Flüssigkeit zersetzen können. Daher erscheint eine homogene enzymatische Synthese von Celluloseestern als interessante Alternative, da durch die Verwendung von enzymatischen Katalysatoren weniger reaktive Acyldonoren, wie beispielsweise Ester, genutzt werden können. Angesichts der Herausforderung, unter moderaten Bedingungen zu katalysieren, lag ein Fokus der hier vorgelegten Arbeit in der Entwicklung einer enzymatischen Synthese von Celluloseestern mit langen Seitenketten. Da die Analytik von niedrig substituierten Celluloseestern schwierig ist, wurden zunächst leichter zu analysierende Modellreaktionen untersucht. Einfache Veresterungs- und Umesterungsreaktionen können in Cellulose-lösenden ionischen Flüssigkeiten erfolgreich enzymatisch katalysiert werden. Die enzymatische Synthese von Glucoseestern war jedoch nur in ionischen Flüssigkeiten erfolgreich, welche Cellulose nicht lösen. Als möglicher Grund hierfür wird eine mangelnde Interaktion zwischen Enzym und Glucose in diesen polaren ionischen Flüssigkeiten postuliert. Um die Interaktion zwischen Enzym und Glucose zu steigern, wurde die Glucosekonzentration erhöht, was allerdings zu keiner erfolgreichen Synthese von Glucoselaurat führte, da die große Viskosität von hoch konzentrierten Zuckerlösungen den Massentransfer und damit die Reaktion zusätzlich inhibiert. Eine Steigerung der Interaktionswahrscheinlichkeit zwischen Enzym und Glucose durch die Erhöhung der Glucosekonzentration ist allerdings in dem ebenfalls polaren Lösungsmittel Dimethylsulfoxid (DMSO) erfolgreich und erzeugt ab einer Glucosekonzentration von 60 % w/v signifikante Mengen an Glucoselaurat. Um sich in einem nächsten Schritt an den polymeren Charakter der Cellulose weiter anzunähern, wurde die enzymatische Veresterung des Dimers der Cellulose, d.h. der Cellobiose, als weitere Modellreaktion untersucht. Hierbei katalysiert das Enzym Candida antarctica Lipase B (CAL-B) die Synthese von nur sehr geringen Mengen an Cellobioseestern, wobei andere, ebenfalls aus Glucose aufgebaute Disaccharide wie Maltose und Trehalose, deutlich besser umgesetzt werden. Neunzehn verschiedene Enzympräparationen wurden auf die Fähigkeit untersucht, Cellobioselaurat zu synthetisieren. Den höchsten Umsatz katalysiert die Schweineleberesterase (PLE), jedoch zeigte dieses Enzym keine Aktivität gegenüber Cellulose als Ausgangssubstrat. Neben der enzymatischen Katalyse wurde eine chemische Synthese, basierend auf Vinylestern, entwickelt. Diese Vinylester-basierte Synthese ermöglicht erstmals die Acylierung von Cellulose mit Vinylestern in der biologisch abbaubaren ionischen Flüssigkeit 1-Ethyl-3-methylimidazoliumacetat ([EMIM]OAc). Die Reaktion läuft in Abwesenheit von zusätzlichen Katalysatoren ab und erlaubt die Synthese von Glucoseestern und Celluloseestern mit unterschiedlich langen Seitenketten. Es war möglich, Celluloseester mit Substitutionsgraden von 0,24 bis 3,00 zu erzeugen. Um die Reaktion zu charakterisieren, wurden verschiedene Reaktionsparameter wie Reaktionszeit, Temperatur und die Menge an Acyldonor systematisch variiert und mittels 1H-NMR, FT-IR und HPLC-GPC analysiert. Der höchste Veresterungsgrad ergibt sich bei einer Synthese-temperatur von 80°C und einer Reaktionszeit von zwei Stunden. Um die Synthese mit anderen Reaktionen aus der Literatur zu vergleichen, wurde eine Fettsäurechlorid-basierte Synthese von Barthel und Heinze in der ionischen Flüssigkeit 1-Butyl-3-methylimidazoliumchlorid ([BMIM]Cl) reproduziert. Beide Reaktionen zeigen vergleichbare Substitutionsgrade (DS), jedoch ist der Polymerisationsgrad (DP) von Celluloselaurat nach der Fettsäurechlorid-basierten Synthese erheblich reduziert, während die Vinylester-basierte Synthese deutlich schonender ist und die Produktion von signifikant größeren Celluloseestern erlaubt. Bei der Vinylester-basierten Synthese in [EMIM]OAc wurde eine zusätzliche Acetylierung der Cellulose als unerwünschte Nebenreaktion identifiziert. Der Acetylierungsgrad steigt mit abnehmender Polarität und steigender sterischer Hinderung der eingesetzten Vinylester. Allgemein ist der Acetylierungsgrad nach der Vinylester-basierten Synthese in [EMIM]OAc allerdings deutlich niedriger als bei bereits beschriebenen Synthesen in [EMIM]OAc, welche Anhydride oder Fettsäurechloride als Acyldonoren nutzen. Das Produktspektrum der Vinylester-basierten Synthese konnte durch Verwendung zusätzlicher Acyldonoren wie Benzoesäurevinylester, Pivalinsäurevinylester, Neodecansäurevinylester und 2-Ethylhexansäurevinylester erfolgreich erweitert werden. Des Weiteren wurden die thermoplastischen und rheologischen Eigenschaften der Celluloseester im Rahmen einer Kooperation mit Linda Göbel vom Institut für Kunststofftechnik untersucht, wobei die thermoplastische Verarbeitbarkeit prinzipiell bestätigt wer-den konnte. Es wurde außerdem ein Upscaling der Synthese mit anschließendem Recycling der ionischen Flüssigkeit durchgeführt. Das Upscaling wurde in einem Laborreaktor mit 2,5 kg ionischer Flüssigkeit durchgeführt, wobei 233,25 g Celluloselaurat mit einem Substitutionsgrad von 2,3 synthetisiert werden konnte. Die ionische Flüssigkeit wurde mit einer durchschnittlichen Effizienz von 91 % w/w recycelt und konnte in einer nach-folgenden Synthese als Lösungsmittel eingesetzt werden. Insgesamt wurden drei Synthese-Recyclingzyklen durchgeführt, wobei der Substitutionsgrad nach den ersten zwei Synthesen bei 2,3 lag, bei der dritten bzw. vierten Synthese allerdings auf 1,8 bzw. 1,4 sank. Parallel zur Verringerung des Substitutionsgrades verkürzte sich die Lösezeit von Cellulose in der ionischen Flüssigkeit mit jedem weiteren Recyclingzyklus signifikant. Als Grund für die verbesserte Löslichkeit wurde die Bildung von 1-Ethyl-2-hydroxyethyl-3-methylimidazolium (EHEMIM) identifiziert, das durch die Reaktion einer Carben-Spezies des 1-Ethyl-3-methylimidazoliums (EMIM) mit Acetaldehyd - welches als Nebenprodukt bei der Vinylester-basierten Synthese auftritt - entsteht. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass das Vorhandensein von Wasser für das verbesserte Lösungsvermögen des [EHEMIM]-[EMIM]OAc-Systems essentiell ist. Die besten Lösungseigenschaften wurden bei einem Kationenanteil von 50 mol-% EHEMIM bzw. 50 mol-% EMIM und einem Wassergehalt von 8,5 % w/w beobachtet. Dieses optimierte [EHE-MIM]-[EMIM]OAc-Wasser-System ermöglicht das Lösen von 14 % w/w Cellulose bei 80°C innerhalb von 3 Stunden. Im Gegensatz dazu löst die ursprüngliche ionische Flüssigkeit [EMIM]OAc bzw. [EMIM]OAc mit einem optimalen Wassergehalt von 10 % w/w unter den gleichen Bedingungen lediglich 1 % w/w bzw. 2 % w/w Cellulose.
Cellulose as a part of plant cell wall is the most abundant organic compound on earth. This renewable biopolymer is nowadays mainly used for the production of paper and pulp or is simply burned as a cheap energy source. Many other applications are hampered due to its insufficient material properties. Especially thermoplastic utilization of cellulose is not possible, because cellulose exhibit no melting point. Due to its insolubility in common organic solvents, the chemical processing of cellulose, to produce novel biopolymers is challenging. Therefore, industrial processes are heterogeneous, which means that cellulose is not solubilized during the process. To overcome this limitation, laborious mechanic and chemical pretreatment steps are necessary to enable efficient processing and modification of cellulose. In addition, due to the strong steric hindrance of non-solubilized cellulose, such strategies are limited to the use of short acyl chains (C2-C4). As a result, it is not possible to produce a wide spectrum of potential cellulose esters. However, there is an increasing interest for novel cellulose esters, due to the limited thermoplastic processability of the industrial produced and available cellulose derivatives. The synthesis of novel cellulose esters can be advantageously realized in homogeneous modification procedures, which can be realized in cellulose solubilizing ionic liquids. In this context, many syntheses based on reactive acyl donors are described in literature, but e.g. the use of reactive acyl Mdonors like carboxylic acid chlorides are problematic, because it can lead to significant degradation of the cellulose backbone and the ionic liquid too. Therefore, a homogeneous enzymatic synthesis of cellulose esters might be a possibility to overcome these drawbacks by using less reactive acyl donors. The goal of the present work is to catalyze at ambient conditions with one focus on the investigation of the enzymatic synthesis of cellulose esters with long side chains in cellulose solvents. First, due to the challenging analytics of low substituted cellulose ester, model reactions were performed, which are easier to analyze. Simple esterification and transesterification reactions can be successful catalyzed enzymatically in cellulose solubilizing ionic liquids. However, the enzymatic synthesis of glucose esters was only successful in ionic liquids, which cannot solubilize cellulose. A possible explanation would be an insufficient interaction between enzyme and glucose in polar cellulose solvents. In order to increase the interaction between enzyme and glucose, the glucose concentration was increased in the cellulose solvent 1-Butyl-3-methylimidazolium-chlorid ([BMIM]Cl), but did not lead to a successful synthesis of glucose laurate, because the increased viscosity of high concentrated sugar solutions limited the mass transfer, thereby again inhibiting the reaction. Apart from that, the strategy to enhance the enzyme-glucose interaction by increasing the glucose concentration works well in the also polar solvent dimethyl sulfoxide (DMSO). In DMSO, significant amounts of glucose laurate can be synthesized by the enzyme Candida antartica lipase B (CAL-B) as soon as a glucose concentration of 60 % w/v is reached. In order to approximate the polymeric character of cellulose, the enzymatic esterification of cellobiose, which is the dimer unit of cellulose, was investigated. However, CAL-B catalyze only low amounts of cellobiose esters, while other disaccharides based on glucose, like maltose and trehalose are converted to a much higher degree. Nineteen different enzymatic preparations were tested for the ability to synthesize cellobiose laurate. The highest production of cellobiose laurate was catalyzed by pig liver ester-ase (PLE), but no conversion of cellulose could be observed. In parallel to the enzymatic approach, a chemical synthesis based on vinyl esters was developed. That synthesis allow the acylation of cellulose using vinyl ester in the biological degradable ionic liquid 1-ethyl-3-methyl-imidazolium acetate ([EMIM]OAc) for the first time. The reaction proceeds in the absence of any additional catalyst and glucose- and cellulose-esters with different chain lengths are accessible. Due to the homogeneous character of the synthesis, the degree of substitution (DS) can be adjusted by the amount of acyl donor. Cellulose esters with a degree of substitution (DS) in the range of 0.24 - 3.00 were synthesized successfully. Different reaction parameters like reaction time, temperature and substrate concentration were systematically changed and analyzed by NMR, FT-IR and HPLC-GPC. The highest DS was achieved at 80°C and a reaction time of 2 hours. Taking into consideration the literature, an often-cited synthesis from Barthel and Heinze based on fatty acid chlorides were reproduced and compared to the present vinyl ester-based synthesis. Similar DS-values were obtained, but the degree of polymerization (DP) was significantly reduced during the synthesis using fatty acid chlorides in [BMIM]Cl. In contrast, the vinyl ester based synthesis in [EMIM]OAc is gentler and allow the synthesis of significant larger cellulose esters. As an undesirable side reaction, acetates from [EMIM]OAc are bound to the cellulose backbone. The quantity of bound acetate groups during vinyl ester-based synthesis rose with decreasing polarity of the substrates but overall proved to be much lower compared to the literature described anhydride or fatty acid chloride based synthesis routes in [EMIM]OAc. This novel process was extended by using further acyl donors like vinyl benzoate, vinyl pivalate and vinyl 2-ethylhexanoate to demonstrate the broad applicability of the vinyl ester-based cellulose modification in [EMIM]OAc. As part of a cooperation with Linda Göbel from the Institut für Kunststofftechnik, the thermoplastic and rheological properties of cellulose esters were investigated, which in principle confirmed their processability. An upscaling of the reaction with subsequent recycling of the ionic liquid was conducted. That upscaling was performed in 2.5 kg [EMIM]OAc and 233.25 g cellulose laurate with a DS of 2.3 were synthesized. The ionic liquid was recycled with an average efficiency of 91 % and reused in the next batch. In total, three synthesis-recycling cycles were performed. After the first and the second reactor run the DS (2.3) remain on a high level, however after the third and fourth reactor run the substitution decreased to DS-values of 1.8 and 1.4. As a side effect, the speed of cellulose solubilization increased successive with proceeding recycling steps. It could be shown that the molecular basis of that effect is a transformation of 1-ethyl-3-methylimidazolium (EMIM) to 1-ethyl-2-(hydroxyethyl)-3-methylimidazolium (EHEMIM) by the addition of an EMIM-carbene species to the by-products acetaldehyde. The formation of EHEMIM cations was analyzed and identified by NMR. The existence of water in the [EMIM]-[EHEMIM]OAc mixtures is crucial for superior cellulose dissolution. A major increased cellulose capability was obtained at 50 cation-% EHEMIM, 50 cation-% EMIM and 8.5 % w/w water. Using these conditions the [EHEMIM]-[EMIM]OAc-water system is able to solubilize 14 % w/w cellulose within 3 hours at 80°C. In contrast to the improved system, the conventional pure [EMIM]OAc and [EMIM]OAc with 10 % w/w water (optimized water content) solubilize less than 1 % w/w and 2 % w/w cellulose applying the same conditions.
Enthalten in den Sammlungen:04 Fakultät Energie-, Verfahrens- und Biotechnik

Dateien zu dieser Ressource:
Datei Beschreibung GrößeFormat 
Doktorarbeit Lars Hinner.pdf5 MBAdobe PDFÖffnen/Anzeigen


Alle Ressourcen in diesem Repositorium sind urheberrechtlich geschützt.