Lebensqualität nach chirurgischen Eingriffen. Eine Längsschnittsstudie an Patienten mit Darmtumoren und -entzündungen

Language
de
Document Type
Doctoral Thesis
Issue Date
2005-10-21
Issue Year
2005
Authors
Weiss, Maren
Editor
Abstract

The surgical treatment of bowel cancer and inflammatory bowel diseases has become more and more complex during the last decades. The main objective has been to reduce the percentage of surgeries leading to a permanent stoma (i.e., an artificial passage through the abdominal wall), and thus, to minimize restrictions in quality of life (qol). However, there is not enough empirical evidence concerning the impact of a stoma on qol. This study has the objective to describe the effects of bowel surgery on qol in a sophisticated way. Besides, this work also examines theoretical and methodological issues, such as conditions and correlates of qol, and advantages and disadvantages of different qol measures. The study was conducted in a multimethodal, longitudinal and interdisciplinary way. Qol was measured before surgery as well as three and twelve months after surgery. Patients with a temporary stoma were also examined three months after removal of the stoma. Qol was measured by a generic questionnaire (SF-36; Bullinger & Kirchberger, 1998), a disease-specific questionnaire (GLQI; Eypasch et al., 1993), and a semi-structured interview. Measurements were also taken on personality, coping with disease, social support, patients’ fears and expectations, and medical data (e.g., physical symptoms, treatment, complications). The sample consisted of 79 patients with bowel carcinoma or bowel inflammation, of which 51 had to live at least temporarily with a stoma. The study revealed that the use of standardized questionnaires is basically suited for the measurement of qol, but that further additions and improvements should be considered in future studies. The interview displayed additional information about social qol, disease-specific daily impairments and patients’ expectations, fears and appraisals. Patients suffering from cancer and bowel inflammation were in different situations: inflammation patients reported a significantly reduced qol before surgery and a postoperative improvement in qol, while the qol of cancer patients remained on a mediocre level over time. There is some evidence of an impaired qol in patients with a stoma, particularly concerning functional aspects (daily life, performance status, leisure activities). A stoma did not affect the patients’ emotional well-being in a significant way; psychological adjustment problems occurred rarely. However, stoma patients reported a high rate of sexual impairment. Their intimate relationships suffered more than those of the patients living without a stoma. However, stoma patients reported more often a positive reaction of their wider social relations, i.e., they felt supported by their friends, and they rarely experienced stigmatising reactions. Men had more problems in adaptation to a stoma than women. After the removal of a temporary stoma, physical symptoms increased, but this increase did not lead to a stable decrease in qol. However, many patients had expected even less problems after the removal. Physical symptoms were a relevant predictor of postoperative qol. The role of unspecific symptoms which occur in many diseases (e.g., fatigue, sleeping problems) seemed more important than disease-specific symptoms (bowel function, eating). Objective medical data, such as complication rate or chemotherapy, were weak predictors of qol. Personality served well for the prediction of qol, especially for prediction of the emotional well-being. A particularly relevant aspect of personality was the sense of coherence. The negative role of depressive coping, which is often stressed in literature, could be confirmed. The effects of social support were smaller than expected, and the postulated effect of expectations on qol could only be shown in a very restricted way. Patients with a bad preoperative qol were in high risk of a bad postoperative qol. Thus, greater attention should be paid to patients with an impaired preoperative well-being, in order to avoid postoperative adaptation disorders. More attention should also be paid to patients with a very negative attitude towards the stoma, and to patients with a labile and incoherent personality.

Abstract

Die chirurgische Behandlung von Darmtumoren und –entzündungen wurde in den letzten Jahrzehnten immer differenzierter. Dabei wurde vor allem versucht, den Anteil der Operationen, die einen dauerhaften künstlichen Darmausgang (Stoma) nach sich ziehen, auf ein Minimum zu reduzieren. Dadurch sollten Einschränkungen der Lebensqualität (LQ) verringert werden. Die Literatur zeigt aber, dass der Einfluss eines künstlichen Darmausgangs auf die LQ noch nicht endgültig geklärt ist. Die vorliegende Arbeit verfolgte das Ziel, die Auswirkungen einer Darmoperation auf die LQ der Patienten differenziert zu beschreiben. Daneben wurden in dieser Arbeit auch theoretische und methodische Hintergründe untersucht, z.B. zu Bedingungen und Korrelaten der LQ und zu Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Erhebungsverfahren. Die Studie folgte einem multimethodalen, längsschnittlichen und interdisziplinären Ansatz. Die LQ wurde vor der OP sowie drei und zwölf Monate postoperativ erfasst, bei Patienten mit temporärem Stoma zusätzlich drei Monate nach der Stomarückverlagerung. Zur Erfassung der LQ kamen ein generischer Fragebogen (SF-36; Bullinger & Kirchberger, 1998), ein krankheitsspezifischer Fragebogen (GLQI; Eypasch et al., 1993) und ein teilstrukturiertes Interview zum Einsatz. Daneben wurden Persönlichkeit, Krankheitsbewältigung, soziale Unterstützung sowie Ängste und Erwartungen erhoben, außerdem medizinische Daten wie Symptomatik, Behandlung und Komplikationsrate. Die Stichprobe umfasste 79 Patienten mit Dickdarmkarzinomen und -entzündungen, von denen 51 mindestens vorübergehend mit einem künstlichen Ausgang leben mussten. Es konnte gezeigt werden, dass der Einsatz standardisierter Fragebogenverfahren grundsätzlich geeignet zur LQ-Messung ist, dass aber einige Ergänzungen und Verbesserungen für die Zukunft wünschenswert wären. Das Interview erbrachte zusätzliche Informationen zum Sozialleben, zu krankheitsspezifischen Alltagsproblemen und zu Erwartungen, Ängsten und Bewertungen der Patienten. Es zeigte sich, dass Krebs- und Entzündungspatienten in einer sehr unterschiedlichen Situation waren: Entzündungspatienten berichteten von schlechten Ausgangswerten und einer postoperativen LQ-Steigerung, während sich die LQ der Tumorpatienten über den gesamten Untersuchungszeitraum im mittleren Bereich bewegte. Es ergaben sich Hinweise auf LQ-Einschränkungen von Stomapatienten, vor allem im funktionellen Bereich (Alltag, Leistung, Freizeit). Ein Stoma stellte in der Regel keine starke emotionale Belastung für die Patienten dar; psychische Anpassungsstörungen waren die Ausnahme. Allerdings fand sich bei Stomaträgern ein sehr hoher Anteil sexueller Einschränkungen. Auch die Partnerschaft litt stärker unter der Erkrankung als bei den Patienten ohne Stoma. Dagegen berichteten die Patienten eher von einer positiven Reaktion ihres weiteren Umfeldes, d.h. sie fühlten sich von ihren Freunden und Bekannten eher unterstützt und nur selten stigmatisiert. Männer hatten größere Schwierigkeiten als Frauen, sich an ein Stoma zu gewöhnen. Nach der Entfernung eines temporären Stomas verschlechterte sich die Symptomatik. Dennoch lagen keine Hinweise auf eine langfristige Verschlechterung der LQ vor. Allerdings hätten sich viele Patienten nach der Rückverlagerung den Krankheitsverlauf einfacher vorgestellt. Körperliche Symptome erwiesen sich als relevanter Prädiktor der postoperativen LQ. Dies betrifft weniger krankheitsspezifische Symptome (Verdauung, Ernährung) als unspezifische Symptome, die bei vielen anderen Gesundheitsproblemen in ähnlicher Weise auftreten können, z.B. Müdigkeit und Schlafstörungen. Objektive medizinische Daten (z.B. Komplikationsrate, Chemotherapie) stellten sich als schwache Prädiktoren der LQ heraus. Die Persönlichkeit war gut zur Vorhersage der LQ, vor allem im psychischen Bereich, geeignet. Dabei stellte sich insbesondere das Kohärenzgefühl als relevant heraus. Auch die in der Literatur vielfach postulierte Rolle einer depressiven Krankheitsverarbeitung für das psychische Wohlbefinden konnte bestätigt werden. Für die soziale Unterstützung waren deutlichere Zusammenhänge zur LQ erwartet worden. Ähnliches gilt für die präoperativen Erwartungen der Patienten. Patienten, die schon vor der OP eine schlechte LQ hatten, waren mit größerer Wahrscheinlichkeit auch danach in einem schlechteren Zustand. Dies legt nahe, Risikopatienten mit sehr schlechten Ausgangswerten frühzeitig zu identifizieren. Ähnliches gilt für Patienten, die einer Stomaanlage sehr ablehnend gegenüber stehen, und Patienten mit labiler und wenig kohärenter Grundpersönlichkeit.

DOI
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