Abwehr und Aneignung von Geschichte: Vom Umgang mit dem Holocaust im Radio

  • Je weiter der Holocaust zurückliegt, desto wichtiger wird die mediale Darstellung seiner Geschichte. Nach welchen Regeln Journalismus Vergangenheit verarbeitet und mit welchen Mitteln er diese präsentiert, ist kaum erforscht. Die wenigen Studien beschränken sich auf visuelle Medien. Die Dissertation befasst sich mit dem Radio, das in Bezug auf die Erinnerungskultur ein allgemeines Forschungsdesiderat darstellt. Um Rückschlüsse auf die gegenwärtige Darstellung der Judenvernichtung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ziehen, ist eine qualitative Inhaltsanalyse von ausgewählten Radiobeiträgen mit einer Rezipient*innenanalyse verknüpft. Das Mehrmethodendesign berücksichtigt neben narrativen Strukturen auch die Akustik und die Phonetik der Beiträge. Die mittels der Grounded Theory herausgearbeiteten Deutungs- und Aneignungsmuster werden mit dem aktuellen kommunikationswissenschaftlichen und erinnerungskulturellen Forschungsstand in Verbindung gesetzt und abschließend stichhaltige Thesen über die gegenwärtige Darstellung des Holocaust imJe weiter der Holocaust zurückliegt, desto wichtiger wird die mediale Darstellung seiner Geschichte. Nach welchen Regeln Journalismus Vergangenheit verarbeitet und mit welchen Mitteln er diese präsentiert, ist kaum erforscht. Die wenigen Studien beschränken sich auf visuelle Medien. Die Dissertation befasst sich mit dem Radio, das in Bezug auf die Erinnerungskultur ein allgemeines Forschungsdesiderat darstellt. Um Rückschlüsse auf die gegenwärtige Darstellung der Judenvernichtung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ziehen, ist eine qualitative Inhaltsanalyse von ausgewählten Radiobeiträgen mit einer Rezipient*innenanalyse verknüpft. Das Mehrmethodendesign berücksichtigt neben narrativen Strukturen auch die Akustik und die Phonetik der Beiträge. Die mittels der Grounded Theory herausgearbeiteten Deutungs- und Aneignungsmuster werden mit dem aktuellen kommunikationswissenschaftlichen und erinnerungskulturellen Forschungsstand in Verbindung gesetzt und abschließend stichhaltige Thesen über die gegenwärtige Darstellung des Holocaust im Radio formuliert. Zwei Vorannahmen der Arbeit können bestätigt werden: Radiojournalismus gerät mit seiner Berichterstattung in ein Spannungsfeld zwischen Erinnerungskultur und gesellschaftlichen Machtverhältnissen, indem er dazu neigt, ein konventionelles Geschichtsbild des Holocaust abzubilden, das eher dem öffentlichen Grundmuster von Erinnerung als den Vorstellungen der Bevölkerung folgt. Gleichzeitig verfügt der öffentlich-rechtliche Hörfunk über Erzählformate, die die Kluft zwischen öffentlicher und privater Erinnerung überwinden können. Indem er seine Stärken gezielt ausspielt und über unkonventionelle Dialoge und Reportagen an die Gegenwart der Hörer*innen andockt, setzt er neue Impulse, die für eine Auseinandersetzung mit Geschichte aus Sicht der Hörer*innen wichtig sein können. Da diese Beiträge jedoch dann nur zu hören sind, wenn redaktioneller Raum besteht, braucht es offensichtlich eine facettenreiche Berichterstattungsstrategie, die das Thema Holocaust dauerhaft in den Medien etabliert und Redakteur*innen über die Möglichkeiten alternativer Erzählweisen informiert.show moreshow less
  • The further back the history of the Holocaust ist, the more important the question becomes of how the media portray the past. How journalism performs this task, according to which rules it processes and passes on the history of the Holocaust, is only marginally investigated. Previous studies focus on visual media. The dissertation deals with radio, which is a general gap in research with regard to the culture of remembrance. In order to answer how public broadcasting currently presents the extermination of the Jews, a qualitative content analysis of selected radio reports is combined with a recipient analysis. Employing Grounded Theory, patterns of interpretation and appropriation were worked out and linked to the current state of research in communication science and memory culture. At the end, two assumptions can be confirmed: Radio journalism and its reporting enter into a field of tension between the culture of remembrance and social power relations. It tends to depict a conventional view of the history of the Holocaust thatThe further back the history of the Holocaust ist, the more important the question becomes of how the media portray the past. How journalism performs this task, according to which rules it processes and passes on the history of the Holocaust, is only marginally investigated. Previous studies focus on visual media. The dissertation deals with radio, which is a general gap in research with regard to the culture of remembrance. In order to answer how public broadcasting currently presents the extermination of the Jews, a qualitative content analysis of selected radio reports is combined with a recipient analysis. Employing Grounded Theory, patterns of interpretation and appropriation were worked out and linked to the current state of research in communication science and memory culture. At the end, two assumptions can be confirmed: Radio journalism and its reporting enter into a field of tension between the culture of remembrance and social power relations. It tends to depict a conventional view of the history of the Holocaust that follows the public basic pattern of memory rather than the ideas of the population. At the same time, public service radio offers narrative formats that bridge the gap between public and private memory. By playing to his strengths in combining unconventional dialogues ans and reportages with the present, he sets new impulses that can be important for dealing with history from the listener's point of view. However, radio reports like these are rarely heard, because of little broadcasting space. Obviously, a multi-layered reporting strategy is needed that puts the topic of the Holocaust permanently in the media and informs editors about the possibilities of alternative narrative styles.show moreshow less

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Metadaten
Author:Wegner, Susanne
URN:urn:nbn:de:bvb:824-opus4-8114
DOI:https://doi.org/10.17904/ku.opus-811
Subtitle (German):narrative Strukturen und Deutungsmuster der NS-Verbrechen in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Advisor:Prof. Dr. Herrmann, Friederike, Prof. Dr. Thiele, Martina
Document Type:Doctoral thesis
Language of publication:German
Year of creation:2020
Date of first Publication:2023/03/01
Publishing Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Awarding Institution:Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät
Date of final examination:2020/03/06
Release Date:2023/03/01
Tag:Holocaust; Narrativ; Radiojournalismus
GND Keyword:Journalismus; Politische Berichterstattung; Öffentlich-rechtlicher Hörfunk; Nationalsozialistisches Verbrechen; Judenvernichtung
Pagenumber:226 Seiten : Karte
Faculty:Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät
License (German):License LogoCreative Commons - CC BY-SA - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International
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