Untersuchung der Herzratenvariabilität in der Schizophrenie

Die Schizophrenie ist verbunden mit einem 2-3-fach erhöhten Mortalitätsrisiko. Unter anderem werden hierfür Störungen der kardialen Erregung in Betracht gezogen. So konnte man bei schizophrenen Patienten ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herzstillstand sowie für ventrikuläre Arrhythmien gegenüber der Normalbevölkerung nachweisen. Die Beeinträchtigung kardiovaskulärer Funktionen wird mit einer Dysbalance des Autonomen Nervensystems schizophrener Patienten in Verbindung gebracht. Eine sensitive Methode zur Erfassung autonomer Dysfunktionen stellt die Messung der Herzratenvariabilität (HRV) dar. Sie misst das Ausmaß der durchschnittlichen Herzfrequenzfluktuation und reflektiert damit das Wechselspiel zwischen dem parasympathischen und sympathischen Einfluss auf den kardialen Schrittmacher. Nur wenige Studien haben die HRV bei schizophrenen Patienten untersucht. Die Ergebnisse der Studien variieren und lassen die Frage nach der Bedeutung der Schizophrenie in Bezug auf die HRV offen. Zudem gibt es kaum Studien, die explizit die HRV bei unmedizierten akut psychotischen Patienten gemessen haben. Ziel unserer Studie war deshalb die Untersuchung von Veränderungen der HRV in der akuten Phase der Schizophrenie. Hierfür haben wir bei 30 unmedizierten Patienten zu Beginn einer akuten Psychose die HRV gemessen und geprüft, ob mögliche Veränderungen autonomer Parameter in Beziehung zur akuten Phase der Erkrankung stehen. Von besonderem Interesse war, ob Schwere, Dauer sowie Art der Symptome und möglicherweise das Geschlecht maßgebend für Veränderungen im Autonomen Nervensystem bei schizophrenen Patienten sind. Um den Einfluss von Antipsychotika auf das Autonome Nervensystem schizophrener Patienten zu überprüfen, haben wir die Patienten im 2. Teil der Studie nach Beginn einer Antipsychotikatherapie erneut untersucht und die Ergebnisse beider Teiluntersuchungen miteinander verglichen. Das Ergebnis für beide Teiluntersuchungen war eine signifikant erhöhte Herzfrequenz neben signifikant verminderten parasympathischen HRV-Parametern wie dem Root Mean Squared of Successive Difference (RMSSD), der High Frequency (HF), dem Mean Circular Resultant (MCR) in der akuten Phase der Erkrankung. Außerdem konnten wir zeigen, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Positivsymptomatik und dem Anteil der Very Low Frequency (VLF) in der Spektralanalyse gibt. Dabei korreliert mittel bis schwer ausgeprägtes Wahnerleben mit einer hohen VLF. Zudem fanden wir einen Zusammenhang zwischen dem parasympathischen Marker MCR und der Erkrankungsdauer. Chronisch kranke Patienten zeigen einen signifikant niedrigeren MCR verglichen mit schizophrenen Patienten, die eine kurze Anamnese aufweisen. Des Weiteren tragen Antipsychotika in unseren Messungen weder zu einer Verschlechterung noch Verbesserung der bestehenden Veränderungen bei. Über die Mechanismen, welche der autonomen Dysfunktion zu Grunde liegen kann nur spekuliert werden. Für die akute Phase der Erkrankung wird eine Störung von kortiko-subkortikalen Kreisläufen, welche das Autonome Nervensystem beeinflussen, postuliert. Die kardiovaskuläre Aktivität wird unter physiologischen Bedingungen mit unterschiedlicher Intensität von beiden Hemisphären moduliert. Verschiedene Autoren vermuten eine Beeinträchtigung dieser Prozesse auf Grund hirnmorphologischer und funktioneller Veränderungen in der Schizophrenie. Die Funktion des ANS ist eng gekoppelt an die kognitive Verarbeitung. Möglicherweise stellen dabei psychotische Symptome eine Art mentalen Stressor dar, der die HRV vermindert. Der Einfluss der Erkrankungsdauer auf die HRV lässt sich gegebenenfalls mit einer Progression bereits vorbestehender anatomischer Veränderungen und den damit verbundenen funktionellen Defiziten erklären. Die Studie zeigt, dass unmedizierte akut schizophrene Patienten eine signifikant verminderte vagale Aktivität aufweisen, welche sich unter Medikation nicht verändert. Die Ursache dieses Befundes ist nicht geklärt. In Anbetracht der im Vergleich zur gesunden Bevölkerung erhöhten Mortalität schizophrener Patienten, die sich neben anderen Risikofaktoren auch auf eine Fehlregulation kardialer Funktionen zurückführen lässt, wird jedoch die Bedeutung weiterer Forschung offenkundig.

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