Untersuchung des Einflusses gerinnungsaktiver Präparate auf die Proliferation humaner Gliome

Gliome stellen die häufigsten primären Hirntumore dar. Das Glioblastoma multiforme ist als WHO-Grad-IV-Tumor durch einen besonders hohen Grad an Malignität gekennzeichnet. Die bisherige Therapie bestehend aus operativer Exstirpation, Radiatio und Chemotherapie kann nicht zu einer dauerhaften Heilung führen. Die Einführung des Chemotherapeutikums Temozolomid kann jedoch die mediane Überlebenszeit von 12,1 Monate auf 14,6 Monate erhöhen und die 2-Jahres-Überlebensrate von 10% auf 26% anheben (Stupp et al. 2005). Inzwischen überblickt man die 5-Jahres-Überlebensrate, die sich unter der oben genannten Therapie auf 9,8% erhöht hat, verglichen mit der 5-Jahres-Überlebensrate von 1,9% bei einer alleinigen Radiotherapie. Bereits Trousseau beschrieb 1865 eine veränderte Blutzusammensetzung bei Tumorpatienten, die zu einem gehäuften Auftreten von Thrombosen führt. Auch Ornstein konnte 2002 bestätigen, dass Patienten mit malignen Gliomen vermehrt zu tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien neigen (Ornstein, D. L. et al. 2002). Die Inzidenz der TVT variiert sehr stark. Bis zu 60% der Patienten, die an einem Hirntumor operiert werden, können innerhalb der ersten sechs postoperativen Wochen eine TVT entwickeln (Sawaya R. et al. 1992). Doch nicht nur die systemische Blutgerinnung ist bei Glioblastompatienten pathologisch sondern auch im Tumor selbst kann eine Hochregulation des Gerinnungssystems nachgewiesen werden (Rodas 1998), was für die Versorgung und damit das Wachstum des Tumors essenziell ist. Thrombin spielt als Schlüsselenzym der Gerinnungskaskade hierbei eine zentrale Rolle. Kaufmann hatte 1998 nachgewiesen, dass Gliomzellen den Thrombinrezeptor PAR 1 exprimieren, über den Thrombin seine proliferative Wirkung entfalten kann. Hua bestätigte dann mit seinen Studien den wachstumsfördenden Effekt von Thrombin auf Gliomzellen (Hua et al. 2005, 2008; Arbit 2006). Neben Thrombin spielen auch andere von Glioblastomzellen exprimierte Gerinnungsfaktoren wie Faktor X eine wichtige Rolle in Bezug auf das Wachstum der Tumorzellen. Shikamoto bestätigte 1999 die Expression von Faktor X durch Glioblastomzellen (Shikamoto 1999). Dieser kann über die Aktivierung des PAR 2 auf der Oberfläche der Tumorzellen zu einer gesteigerten Proliferation der Zellen führen (Coelho 2003). Ziele der vorliegenden Arbeit sind es nun zu zeigen, dass medizinisch genutzte thrombinhaltige Präparate wie FloSeal®, TachoSil®, Tissucol®, aber auch der Gerinnungsfaktor X und Albumin sowie das den Thrombinrezeptor aktivierende synthetische Peptid TRAP-6 einen wachstumsfördernden Effekt auf humane Glioblastomzellen haben und dass im Gegensatz dazu gerinnungshemmende Substanzen wie Heparin, Antithrombin III, Enoxaparin, Nadroparin, Hirudin und PPACK zu einer Proliferationshemmung der Tumorzellen führen können. Weiterhin soll die Auswirkung einer kombinierten Gabe eines Gerinnungsaktivators und –inhibitors auf das Wachstum der Glioblastomzellen untersucht werden. Grundlage für die Versuchsreihen sind die beiden humanen Glioblastomzelllinien U87MG und U373MG. Nach Applikation der zu untersuchenden Substanz erfolgt eine Auszählung der Zellen unter dem Lichtmikroskop mithilfe einer Neubauer-Zählkammer. Die Zugabe der thrombinhaltigen Substanzen FloSeal®, TachoSil® und Tissucol® zu den Glioblastomzellen führte in allen Versuchsreihen bei beiden Zelllinien zu einer hoch signifikanten Steigerung der Proliferation der Zellen. Auch TRAP-6 und der Gerinnungsfaktor X konnten wie vermutet das Wachstum der Zellen erhöhen. Selbst Albumin als Substanz, die keinen Einfluss auf das Gerinnungssystem hat, führte zu einer Zunahme der Proliferation. Im Gegensatz dazu bewirkte die Applikation der Gerinnungsinhibitoren Heparin, Hirudin, Enoxaparin, Nadroparin, AT III und PPACK in allen Versuchsreihen eine hoch signifikante Reduktion des Wachstums der Glioblastomzellen. Besonders interessant sind die Ergebnisse der kombinierten Gabe eines Aktivators und eines Hemmstoffes der Gerinnung auf die Glioblastomzellen. Der proliferationsfördernde Effekt der thrombinhaltigen Substanzen FloSeal®, TachoSil® und Tissucol® konnte durch zusätzliche Applikation eines Gerinnungshemmers aufgehoben werden. Für die Verwendung dieser Stoffe im Klinikalltag ist dieses Resultat von großer Bedeutung, denn eine zusätzliche Behandlung des Patienten mit einem Antikoagulanz könnte dadurch einen positiven Effekt auf das Überleben des Patienten ausüben. In weiteren Versuchsreihen konnte gezeigt werden, dass auch eine Antagonisierung der proliferativen Wirkung von Faktor X durch den Zusatz eines Gerinnungshemmers möglich ist. Wie bereits erwähnt wird der Faktor X durch die Glioblastomzellen selbst exprimiert und bewirkt über PAR 2 eine Neoangiogenese im Tumor. Eine Therapie des Patienten mit einem der untersuchten Gerinnungshemmstoffe kann dazu führen, dass dieser Mechanismus blockiert wird, was zu einer Reduktion des Tumorwachstums führen kann. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen neue Therapieoptionen für das Glioblastom auf, wobei sie die Resultate von Versuchen in vitro sind und durch klinische Studien überprüft werden müssen.

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