Konstruktvalidierung von sozialen Einstellungen aus impliziten und expliziten Einstellungsmessungen

Die Unterscheidung zwischen impliziten und expliziten Einstellungen (z.B. Greenwald & Banaji, 1995) und die Entwicklung des Impliziten Assoziationstest (IAT, Greenwald, McGhee & Schwartz, 1998) belebten die angewandte Einstellungsforschung in ungeahntem Ausmaß. Implizite Maße wie der IAT werden als Ausdruck der unreflektierten, unkontrollierbaren, spontanen und automatischen Kognitionsinhalte von Personen angesehen und expliziten Einstellungen, die mittel direkterer Methoden wie Selbstberichtmessungen erfasst werden, im Hinblick auf den Grad der Verfälschungsanfälligkeit und differentielle Verhaltensvorhersage gegenübergestellt. Der Einsatz des IAT zur Messung automatischer Wertassoziationen konzentriert sich längst nicht allein mehr nur auf Einstellungen, sondern auf viele Bereiche der Allgemeinen-, Differentiellen-, Klinischen- und Sozialpsychologie. Neben dem IAT wurden eine Reihe weiterer indirekter Verfahren zur Messung impliziter Dispositionen entwickelt, doch nach wie vor ist ungeklärt, inwiefern diese Messmethoden gleichsam ein- und dasselbe implizite Konstrukt erfassen und inwieweit implizite Kognitionsinhalte aus einer gemeinsamen Grundgesamtheit mit expliziten Einstellungen stammen, die als reflektierter, elaborierter und kontrollierbarer charakterisiert sind. Mit vorliegender Arbeit wird eine Untersuchung dieser Konzeptionalisierung von expliziten und impliziten Einstellungen zu zwei sozialen Stereotypen über eine Konstruktvalidierung konvergenter und diskriminanter Validität verschiedener Einstellungsmaßen vorgenommen. Zu diesem Zweck werden direkte und indirekte Messmethoden einbezogen. Selbstberichtskalen und Gefühlsthermometermessungen dienen der Erfassung expliziter Einstellungen. Zwei Reaktionszeitparadigmen werden zur Messung impliziter Wertassoziationen gegenüber Homosexualität bzw. Übergewicht eingesetzt, und zwar der Implizite Assoziationstest und der Extrinsic Affective Simon Task (De Houwer, 2003). Darüber hinaus wird eine offene Assoziativmessung in Anlehnung an die projektive Methodik des Thematischen Apperzeptionstest (Murray, 1943) zur Messung von reflektierten und unreflektierten Einstellungsinhalten zu Homosexualität und Übergewicht entwickelt. Damit wird der Komplexität von Einstellungen in Form von motivationalen, kognitiven und affektiven Komponenten Rechnung getragen, wobei die Messverfahren verschiedene konzeptuelle Ebenen (direkt vs. indirekt) abbilden. Das Aufgebot dieses komplexen Methodenarsenals zur Einstellungsmessung dient der Validierung der Vorurteilskonzeption über eine latente Multitrait-Multimethod-Analyse und liefert darüber hinaus wichtige Informationen zur Evaluation der nach wie vor sehr kritisch diskutierten impliziten Maße. Zur Untersuchung der Bedeutung der verschiedenen Einstellungsmessungen werden Variablen des nomologischen Netzwerkes von Einstellungen einbezogen, und zwar persönlichkeitsnahe kognitive Konstrukte wie Ambiguitätsintoleranz oder Need for Cognition, motivationale Konstrukte wie Soziale Erwünschtheit oder die Motivation zur Vorurteilsfreiheit und relativ etablierte soziale Einstellungsprädiktoren wie Right-Wing-Autoritarismus, Soziale Dominanzorientierung, Konservatismus und Modern Racism. Neben der Gegenüberstellung der nomologischen Netzwerke expliziter und impliziter Einstellungen, ermöglicht speziell die Berücksichtigung von vorurteilsrelevanter Motivation (z.B. Motivation zur Vorurteilsfreiheit) die Untersuchung von Moderatoreffekten in Bezug auf die Beziehung zwischen impliziten und expliziten Einstellungsmaßen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Dissoziation von individuellen und kulturellen expliziten Einstellungen liegt. Im Rahmen vorliegender Dissertation werden empirische Untersuchungen durchgeführt, die einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung des Kenntnisstandes in der differentiellen Einstellungsmessung leisten.

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