Der beziehungsunfähige Mensch : vom Umgang mit Ambiguität in psychodynamischer Psychotherapie und kognitiver Verhaltenstherapie

Die Conditio humana ist in einer Semantik der Ambiguität innerhalb einer relationalen Anthropologie beschreibbar, wonach das Menschsein unausweichlich von subjektiven Erfahrungen der Unaufgelöstheit, der Widersprüchlichkeit und der Gebrochenheit geprägt ist (II). In der psychodynamischen Psychotherapie lässt sich eine grundlegende Spannung zwischen einer Betonung unauflöslicher Konflikthaftigkeit und einer Förderung von eindeutig reifen Strukturmerkmalen verzeichnen (III). Die kognitive Verhaltenstherapie hat in ihrer pragmatisch-integrativen Entwicklung sowohl Maßnahmen zur Reduktion von Ambiguität in den Bereichen Verhalten und Kognitionen als auch Interventionen zur Verbesserung der Annahme von Ambiguität hervorgebracht, so dass mittlerweile eine Spannung zwischen Veränderungsimpetus und Akzeptanzorientierung festzustellen ist (IV). Vor dem Hintergrund einer relationalen Anthropologie liegt in der Entfaltung von Beziehungsfähigkeit als ausgewogener Balance zwischen Resonanzsensibilität und Resonanzblockade ein bedeutendes Entwicklungsziel des Menschen. Dabei trägt die Psychotherapie das relationale Potential in sich, ein Beziehungsangebot im Sinne einer feinfühligen Kommunikation mit spezifischen Techniken zu verknüpfen. In Bezug auf den Gegenstand ambiger Erfahrungen kann Beziehungsfähigkeit als Zusammenspiel zweier Modi expliziert werden, wobei stets die individuelle Pathographie als letzter Maßstab für eine angemessene „Dosierung“ der Modi anzusetzen ist. Einerseits sollte die Psychotherapie in Form einer eradikativen Therapie versuchen, ambiguitätserzeugende, resonanzbehindernde Faktoren instrumentell-direkt zu beseitigen. Auf der anderen Seite sollte in Form einer integrativen Therapie eine bewusste Induktion von ambigem Erleben angestrebt werden, um eine erhöhte Akzeptanz des Unaufgelösten anzustoßen sowie ästhetisch-kreative Gestaltungsräume zu schaffen. In unterschiedlicher, aber sich annähernder Weise gelingt es sowohl der psychodynamischen als auch der kognitiv-behavioralen Richtung durch ihre jeweiligen zahlreichen weiterentwicklungen, beide Modi in nicht-reduktionistischer Weise zur Verfügung zu stellen, wobei verschiedene Akzentuierungen bestehen bleiben (V).

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