Das Wissen von Kindern über Berufe : Struktur, Veränderbarkeit und elterliche Einflüsse

Die berufliche Entwicklung ist ein längerfristiger, mehrdimensionaler Prozess, in dessen Zentrum die Entwicklung eines beruflichen Selbstkonzeptes steht. Dieser Prozess beginnt bereits in der Kindheit. Daher sollte er möglichst früh angeregt und gefördert werden. Um eine solche Anregung und Förderung wissenschaftlich fundiert entwickeln zu können, ist zunächst ein Verständnis der grundlegenden kognitiven Konzepte sowie ihre Erweiter- und Veränderbarkeit notwendig. Deshalb wurde für das Dissertationsvorhaben auf der Grundlage berufswahltheoretischer und entwicklungspsychologischer Annahmen eine Methode entwickelt, welche der Erfassung von Struktur und Veränderbarkeit des kindlichen Berufsbegriffs von 9- bis 11-jährigen Kindern dienen sollte. Das entwickelte Instrument stellt mit Fähigkeiten und Interessen zentrale Aspekte des Berufsbegriffs, welche von Kindern dieser Altersstufe spontan nur selten genannt werden, in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. In kurzen Narrationen wurden diese eher abstrakten Begriffe in Anlehnung an die Dynamic Skill Theory von Fischer (1980) auf ein altersangemessenes repräsentationales Niveau transformiert und in berufliche Kontexte eingebettet. Diese wurden in zwei Studien mit 33 bzw. 44 Kindern nach der Abfrage ihres Berufsbegriffs präsentiert, um eine Optimierung desselben zu erreichen. Die Kinder nannten nach der Intervention mehr Aspekte von Berufen. Die Integration der neu präsentierten Bereiche Fähigkeit und Interesse gelang zudem in beiden Untersuchungen. Aus diesen Ergebnissen kann auf eine prinzipielle Erweiterbarkeit des Berufsbegriffs im Grundschulalter geschlossen werden. Eine zweite Frage, die in dieser Arbeit verfolgt wurde, beschäftigt sich mit der Bedeutung der Eltern für das kindliche Wissen über Berufe. Insbesondere wurde hier die elterliche Kommunikation über Berufe und berufliche Themen fokussiert. Angenommen wurde, dass der elterliche Beruf und die Kommunikation über diesen eine besondere Rolle bei der beruflichen Begriffsbildung von Kindern spielen. Ziel war es hier, ein Instrument zu entwickeln, das elterliche Kommunikationsthemen abbildet. Außerdem sollte festgestellt werden, ob die Kommunikation über Berufe mit dem elterlichen Bildungshintergrund, elterlichen Bildungsaspirationen, erlebten Belastungen am Arbeitsplatz (Work-family-spillover) und der Qualität des kindlichen Berufsbegriffs in Verbindung steht. Auch für diese Fragestellungen wurden zwei Untersuchungen durchgeführt. In der ersten Studie zeigten sich die erwarteten positiven Zusammenhänge zwischen elterlichem Bildungshintergrund und elterlicher Bildungsaspiration und dem Umfang elterlicher Kommunikation über Berufe. Ein Zusammenhang zwischen der elterlichen Kommunikation über Berufe und der Qualität des kindlichen Berufsbegriffs fand sich nicht. Es zeigte sich jedoch, dass die elterliche Bildungsaspiration in einem positiven Zusammenhang mit der Qualität des Berufsbegriffs im Grundschulalter zum zweiten Messzeitpunkt stand. Außerdem konnte ein nicht erwartungskonformer Zusammenhang zwischen der elterlichen Kommunikation über Berufe und dem Work-family-spillover, der überwiegend aus Müttern bestehenden Stichprobe, festgestellt werden. Diesem Befund wurde in der zweiten Studie, welche zwischen der Kommunikation über allgemeine und emotional konnotierte berufsbezogene Themen unterschied, weiter nachgegangen. Außerdem wurde ein weiteres Berufsmerkmal (Arbeitszufriedenheit) und die familiären Merkmale „mit dem Kind verbrachte Qualitätszeit“ und „Familienorientierung“ mit in die Untersuchung aufgenommen, um genauere Aussagen über die Bedingungen von elterlicher Kommunikation über Berufe machen zu können. Es zeigten sich unterschiedliche Kommunikationsmuster von Vätern (n = 39) und Müttern (n= 74). So sprachen Mütter insbesondere dann mehr über emotionale berufliche Themen, wenn sie einen starken Work-family-spillover erlebten. Väter hingegen sprachen vor allem dann über ihren Beruf, wenn sie mit der Arbeit zufrieden waren und eine hohe Familienorientierung aufwiesen. Die Qualität des kindlichen Berufsbegriffs stand allein mit der mütterlichen Bildungsaspiration in einem signifikanten Zusammenhang. Die vermuteten Zusammenhänge zwischen der Kommunikation über Berufe und dem kindlichen Berufsbegriff fanden sich demnach auch in der zweiten Untersuchung nicht. Dieses Ergebnis ist neben der geringen Stichprobengröße evtl. auch darauf zurückzuführen, dass beide Messinstrumente noch Optimierungspotenzial aufweisen. Nichtsdestotrotz zeigen die Analysen unterschiedliche Kommunikationsmuster für Mütter und Väter und deuten auf einen Zusammenhang der elterlichen Bildungsaspiration mit der elterlichen Kommunikation über Berufe und der Qualität des kindlichen Berufsbegriffs hin, der künftig weiter verfolgt werden sollte.

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