Sex-specific differences in dispersal propensities and their consequences for grey mouse lemurs (Microcebus murinus)
Geschlechtsspezifische Abwanderungsraten und deren Konsequenzen für den grauen Mausmaki (Microcebus murinus)
von Susanne Schliehe-Diecks
Datum der mündl. Prüfung:2012-07-16
Erschienen:2012-10-22
Betreuer:Prof. Dr. Peter M. Kappeler
Gutachter:Prof. Dr. Peter M. Kappeler
Gutachter:Prof. Dr. Eckhard W. Heymann
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Zusammenfassung
Englisch
Dispersal, the permanent relocation or change of social group of an organism, is an almost ubiquitous phenomenon among taxa. Sex-biased dispersal (SBD) propensities and/or distances are of one of the most common general dispersal patterns. With the invention of genetic tools the number of studies identifying dispersal trends has increased exponentially. Still, aspects of the dispersal process remain unknown for most species, impeding not only our understanding of the evolution of SBD, but also knowledge about the connectivity of populations, which finally determines the dynamics of populations. Consequently, many of the assumptions about the costs induced by dispersal like increased mortality remain of theoretical nature. In this thesis, I investigated proximate aspects of the dispersal process and consequences of sex-biased natal dispersal of a small, solitary primate, the grey mouse lemur (Microcebus murinus) by means of behavioural observations and radio-tracking of 90 subadult grey mouse lemurs as well as capture-mark-recapture and genetic analyses. I found that male grey mouse lemurs have a uniform movement strategy during dispersal with highly directed movements and spatially very concentrated explorative activity. The length of the whole dispersal process varied, because individuals varied in the period during which they commuted between natal home range and prospected sites. This observation indicated that unfamiliarity with the habitat during immigration presented the biggest challenge during dispersal for grey mouse lemurs in terms of dispersal-related costs. This assumption was further supported by another finding, derived from capture-mark-recapture and genetic data collected for a long-term study. Prior to emigration, grey mouse lemurs needed to accomplish a minimum degree of development and growth. This minimum level of maturity required for dispersal served probably as a preparation for the negative effects of dispersal on the energy balance. Such condition-dependent dispersal strategies seem to be very common, since they allow for flexibility in dispersal behaviour such as the exact timing of emigration, which probably helps to increase the success probability of dispersal. Possibly, such preparations freed dispersal distances from constraints of physical condition in grey mouse lemurs, which was neither determined by body mass nor by body condition. Once the critical threshold was overcome other factors determined the exact timing of emigration. Which proximate factors, remains to be determined, but promising directions for future investigations represent the study of personality differences or physiological changes. In this thesis, I also introduced an approach that could be used to detect behavioural changes during dispersal and how these changes are related to factors such as personality of hormonal changes. The approach was exemplified by modelling feeding sequences of subadult males and females. Finally, I used a ten-generation capture-mark-recapture and genetic data set collected for a long-term study to evaluate, whether male-biased natal dispersal effectively eliminated the risk of inbreeding, which is one of the factors which is generally accepted to play an important role in the evolution of SBD. No signs for inbreeding depression in terms of survival could be detected and natal dispersal decreased inbreeding risk substantially. However, only in combination with demographic (such as mortality) and behavioural factors (roaming of males during mating season and promiscuity) was inbreeding risk reduced to such an extent, that additional dispersal of either males or females becomes unnecessary. This situation probably allowed SBD propensities to become and stay an almost fixed event in the life history of male grey mouse lemurs, which is rather insensible to external cues and deterministic concerning the emigration decision, but allows for some flexibility in the timing of dispersal, which enables males to improve their prospects of successful dispersal. However, which factors caused the evolution of SBD in grey mouse lemurs remains to be determined.
Keywords: sex-biased dispersal; mate bias; Microcebus; dispersal movements; translocation; primate
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Abwanderung, definiert als eine permanente
Verlagerung von Streifgebieten, Territorien oder als ein
permanenter Wechsel zu neuen sozialen Gruppen, ist ein nahezu
omnipräsentes Phänomen. Ein weit verbreitetes Muster im Tierreich
sind geschlechtsspezifische Abwanderungsraten (SBD) und/oder
-distanzen. Mit der Entdeckung und dem Fortschritt genetischer
Analysemethoden hat sich die Anzahl der Studien, die
geschlechtsspezifische Abwanderungsraten in den verschiedensten
Tierarten untersuchen, exponentiell vervielfacht. Im Gegenzug dazu
bleiben Aspekte wie der Abwanderungsprozess weitgehend unerforscht.
Dieses Ungleichgewicht in unserem Wissensstand über SBD limitiert
nicht nur unser Verständnis zur Evolution von SBD, sondern auch
unser Wissen über die Dynamiken und Prozesse, die die verschiedenen
Populationen einer Art verbinden. Dementsprechend bleiben viele
essentielle Annahmen zu möglichen Kosten und Bedrohungen während
des Abwanderns von eher theoretischer Natur. In der vorliegenden
Arbeit habe ich proximate Aspekte des Abwanderungsprozesses für
einen kleinen, solitär aktiven Primaten, den grauen Mausmaki
(Microcebus murinus), dokumentiert, sowie die Konsequenzen von
stark einseitigen Abwanderungstendenzen junger Männchen untersucht
mittels Fokustierbeobachtungen und Telemetrie, sowie
Fang-Widerfang-Daten und genetischer Analysen untersucht. Die
dokumentierte Abwanderungsstrategie war durch uniforme, stark
gerichtete Bewegungsmuster gekennzeichnet und Erkundungsaktivitäten
waren auf einen sehr limitierten Raum beschränkt. Die Dauer des
Prozesses variierte zwischen Individuen, da diese unterschiedlich
stark und lange zwischen alten und neuen Streifgebieten pendelten,
bevor sie endgültig ihr altes Streifgebiet verließen. Diese
Beobachtung deutet an, dass die Einwanderungsphase den
schwierigsten Teil des Abwanderungsprozesses für graue Mausmakis in
Bezug auf die abwanderungsbezogenen Kosten darstellt. Diese Annahme
wurde durch einen weiteren Befund unterstützt, der auf
Fang-Wiederfang- und genetischen Daten basierte. Für abwandernde
graue Mausmakis gibt es scheinbar eine minimal erforderliche
Körpergröße für Abwanderer. Dieses Minimalmaß an Entwicklungsreife
scheint als Absicherung gegen die mit Abwanderung assoziierten
energetischen Kosten zu dienen. Abwanderungsstrategien, die einen
Abgleich innerer mit äußeren Bedingungen erlauben, sogenannte
konditionsabhängige Strategien, scheinen weitverbreitet zu sein, da
sie es einem Individuum erlauben, sein Abwanderungsverhalten und
damit die Aussicht auf Erfolg zu optimieren. Für graue Mausmakis
führt diese Strategie, eine gewisse physische Kondition zu
erreichen, anscheinend auch mit sich, dass sie weniger
eingeschränkt sind bezüglich der zurückgelegten
Abwanderungsdistanzen. Diese Annahme beruht auf der Tatsache, dass
weder Körpergewicht, noch –kondition einen Zusammenhang mit
Abwanderungsdistanzen aufwiesen. Nach Erreichen des kritischen
Wertes an körperlicher Entwicklung bestimmen andere Faktoren den
genauen Zeitpunkt für die Emigration. Welche Faktoren dies im
Einzelnen sind, muss in weiteren Projekten untersucht werden.
Persönlichkeit/Temperament oder physiologische Faktoren wie z.B.
Hormone scheinen vielversprechende Ansatzpunkte für weitere
Untersuchungen zu sein. In Bezug darauf, beinhaltet diese Arbeit
einen Modellansatz, der es ermöglicht, den Einfluss verschiedenster
Faktoren auf Verhaltensequenzen zu untersuchen, was anhand von
beobachtetem Fressverhalten für Männchen und Weibchen exemplarisch
dargestellt wurde. Dieser Ansatz könnte in Zukunft dazu genutzt
werden, Veränderungen im Verhalten im Laufe des
Abwanderungsprozesses zu untersuchen. Der letzte Teil der
vorliegenden Arbeit evaluiert die Konsequenzen von stark
einseitigen Abwanderungstendenzen junger Männchen für den
Fortbestand von Inzuchtrisiko, einem der meistgenannten ultimaten
Mechanismen für die Evolution von SBD. Es konnte kein Hinweis auf
Inzuchtdepression ausgemacht werden und SBD verringerte das
Inzuchtrisko bereits beträchtlich. Allerdings war das tatsächliche
Inzuchtrisiko noch weit geringer, da die Wirkung von Abwanderung
zusätzlich durch demografische (z.B. Mortalität) und
Verhaltensmechanismen (z.B. die weiträumige Suche nach
Paarungspartner durch Männchen) ergänzt wurde. Als Konsequenz
daraus scheint jede weitere Abwanderungsaktivität von Männchen oder
Weibchen überflüssig zu sein. Diese Situation erlaubt es scheinbar
auch, dass geschlechtsspezifische Abwanderungstendenzen ein fester
Teil männlicher „life histories“ geworden sind und als solcher
bestehen. Einzig der Abwanderungsprozess scheint einen gewissen
Grad an Flexibilität in Bezug auf den Zeitpunkt des Abwanderns zu
erlauben, was es grauen Mausmakimännchen wahrscheinlich ermöglicht,
ihre Erfolgsaussichten zu erhöhen. Indes, was die genauen Ursachen
für die Evolution von SBD in grauen Mausmakis waren, bleibt zu
ermitteln.
Schlagwörter: geschlechtsspezifische Abwanderung; Partnerwahl; Microcebus; Abwanderungsbewegungen; Translokation; Primaten