Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken – Nein, Danke!? : eine kommunikationswissenschaftliche Studie zum Einfluss medialer Kommunikation auf Einstellungen gegenüber Atomkraft

In dieser Studie wurde der Einfluss der individuellen Mediennutzung auf Einstellungen gegenüber Atomkraft am Beispiel der im Jahr 2010 geplanten Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke untersucht. Die Studie wurde im Zwei-Methoden-Design durchgeführt. In einer repräsentativen Telefonbefragung wurden die Einstellungen und das Mediennutzungsverhalten von n=551 Thüringern erhoben. Die Argumente in der Berichterstattung für bzw. gegen eine Laufzeitverlängerung wurden durch eine quantitative Inhaltsanalyse von n=480 Medienbeiträgen erfasst. Bei der Datenverknüpfung wurden Variablen zum individuellen Medieninput an Argumenten aus der Berichterstattung gebildet. Auf Basis dieser Variablen wurden dann Einstellungseffekte geprüft. Die Befunde zeigten, dass der individuelle Medieninput an Argumenten die Einstellungen gegenüber Atomkraft sowohl mittel- als auch langfristig beeinflusste. Deutlich wurde auch, dass sich Einstellungen gegenüber der Laufzeitverlängerung besser durch generelle Einstellungen zu Atomkraft, Energie und Politik vorhersagen ließen, als durch die individuelle Nutzung medialer Kommunikationsinhalte.

The present study examined the influence of the individual use of media on attitudes towards nuclear power with focus in the run-time extension of German nuclear power plants, planned by the German government in the year 2010. The theoretical framework for explaining media effects on attitudes based on opinion research as well as on the second-level agenda setting. For the investigation of individual media effects, this study was carried out in a two-method-design to combine survey data and content analysis data on an individual level. From 16.08.2010 to 05.09.2010 the data on attitudes towards the planned run-time extension, nuclear power, energy, policy as well as individual media usage was collected in a representative telephone survey of n=551 people in Thuringia. In a quantitative content analysis the pro and contra arguments about the planned run-time extension in n=480 articles and news items, published during six months before the political decision, were analysed. The findings of the content analysis showed that the media reported from 08.03.2010 to 05.09.2010 overall positively about the planned run-time extension and that the coverage intensity increased significantly shortly before the political decision. The main focus was on arguments regarding the efficiency and security of supply. By combining the content analysis data with the media usage data, new variables (sum and average value indices) for the specific individual media input of arguments about the run-time extension were formed. With these variables medium- and long-term media effects on attitudes towards nuclear power were tested. The results of the regression analyses showed that the individual media input on arguments about the run-time extension influenced a) the evaluation of the planned run-time extension in a medium-term and b) the general evaluation of nuclear power in a long-term. Furthermore, the findings illustrated that attitudes towards the run-time extension could be explained better by general attitudes towards nuclear power, energy and politics, than through the use of media. Overall, the present findings suggest that the second-level agenda-setting is suitable to explain media effects on attitudes, but further investigations, in particular on conflicting effects and the communicator credibility of arguments, are needed.

In dieser Studie wurde der Einfluss der individuellen Nutzung medialer Kommunikation auf Einstellungen gegenüber Atomkraft am Beispiel der im Jahr 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung geplanten Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke untersucht. Zur theoretischen Fundierung von medialen Einstellungseffekten wurden sowohl Erkenntnisse aus der Einstellungsforschung als auch das Second-Level Agenda-Setting herangezogen. Zur Untersuchung individueller Medienwirkungseffekte wurde die Studie im Zwei-Methoden-Design durchgeführt, um Befragungs- und Inhaltsanalysedaten auf Individualdatenebene zu verknüpfen. In einer repräsentativen Telefonbefragung vom 16.08.2010 bis zum 05.09.2010 wurden Einstellungen gegenüber der Laufzeitverlängerung, Atomkraft, Energie und Politik sowie das Mediennutzungsverhalten von n=551 Thüringern erhoben. In einer quantitativen Inhaltsanalyse von n=480 Medienbeiträgen wurden die Argumente in der Berichterstattung vor dem Beschluss der Laufzeitverlängerung erfasst. Die inhaltsanalytischen Befunde zeigten, dass die Medien im Zeitraum vom 08.03.2010 bis zum 05.09.2010 überwiegend positiv über die geplante Laufzeitverlängerung berichteten und die Intensität der Berichterstattung kurz vor der politischen Entscheidung deutlich anstieg. Der argumentative Schwerpunkt lag auf den Begründungen Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit. Bei der Verknüpfung der Inhaltsanalysedaten mit der individuellen Mediennutzung wurden Variablen (Summen- und Mittelwertindizes) zum individuellen Medieninput an Argumenten für und gegen die Laufzeitverlängerung aus der Berichterstattung gebildet. Auf Basis dieser Medieninputvariablen konnten dann Medienwirkungseffekte auf Einstellungen gegenüber Atomkraft geprüft werden. Die Befunde der Regressionsanalysen zeigten zum einen, dass der Medieninput an Argumenten a) mittelfristig die Bewertung der Laufzeitverlängerung und b) langfristig die generellen Bewertungen von Atomkraft beeinflusste. Zum anderen machten die Befunde deutlich, dass sich Einstellungen gegenüber der konkreten Laufzeitverlängerung besser durch generelle Einstellungen zu Atomkraft, Energie und Politik vorhersagen ließen, als durch die Nutzung medialer Kommunikationsinhalte. Insgesamt legten die vorliegenden Befunde nahe, dass sich das Second-Level Agenda-Setting als theoretischer Erklärungsansatz für Einstellungseffekte durch Medien empirisch eignet, es aber weiterführender Studien, insbesondere zu theoretisch so nicht erwarteten Einstellungseffekten und zum Einfluss der Glaubwürdigkeit der Urheber von Argumenten, bedarf.

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