Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung

Schneider B (2007)
Bielefeld (Germany): Bielefeld University.

Bielefelder E-Dissertation | Deutsch
 
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OA
Autor*in
Schneider, Barbara
Gutachter*in / Betreuer*in
Hielscher-Fastabend, Martina (HD Dr.)
Alternativer Titel
Cognitive dysphasia and fear
Abstract / Bemerkung
In der vorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie sich hirnorganische Erkrankungen, die nicht die klassischen perisylvischen Sprachareale betreffen, auf sprachliche und sprachorganisierende Funktionen auswirken. Dazu wurde eine Gruppe von Patienten mit fokaler Epilepsie und Angstaura (n = 8) sowie eine Gruppe von Patienten mit Angsterkrankung (n = 8) linguistisch untersucht. Ziel war es zum einen, Kognitive Dysphasien als sekundäre Sprach- bzw. Kommunikationsstörungen infolge kognitiver Grundstörungen zu identifizieren und gegenüber primären Sprachstörungen (Aphasien) abzugrenzen. Zum anderen sollte versucht werden, das Phänomen der pathologischen Angst auf der sprachlichen Oberfläche abzubilden. Dazu wurde eine für diese Studie geeignete Batterie von Untersuchungsverfahren zusammengestellt. Diese beinhaltete sowohl standardisierte und normierte Testverfahren aus dem Bereich der Linguistik und Neuropsychologie. Zum anderen wurden aus empirischen Erkenntnissen der Psychologie abgeleitete, selbstkonstruierte sprachlich-kognitive Untersuchungsmethoden eingesetzt, um durch die Vorgabe spezifischer Stimuli emotionsgesteuerte Kognitions- und Sprachprozesse zu erfassen. Die sprachlich-kognitiven Fähigkeiten der Patienten wurden auf lexikalischer sowie auf Textebene untersucht. Die informellen Untersuchungsmethoden wurden ebenfalls an einer Stichprobe von geschlechts- und altersgematchten gesunden Versuchspersonen (n = 16) durchgeführt, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Auf lexikalischer Ebene erwiesen sich die normierten Testverfahren RWT (Regensburger Wortflüssigkeitstest) und FWIT (Farbe-Wort-Interferenztest) als eindeutig gruppendifferenzierend und sensitiv in Bezug auf Störungen der sprachplanenden und -organisierenden Funktionen. Besonders die Gruppe der Epilepsiepatienten zeigte Beeinträchtigungen steuernder, kontrollierender und inhibierender Prozesse. Aber auch die Angstpatienten wiesen unterdurchschnittliche Wortflüssigkeitsleistungen auf. Die selbstkonstruierten emotionalen Varianten dieser Verfahren konnten in ähnlicher Weise verminderte Wortgenerierung, verminderte Assoziationsfähigkeit sowie einen Interferenzeffekt nachweisen, maßen jedoch nicht spezifisch den Faktor Angst. Bei der linguistischen Analyse der prozeduralen Texte konnten die Patientengruppen von den Kontrollprobanden auf der Mikrostrukturebene durch die Parameter "Textlänge" und "syntaktische Komplexität" abgegrenzt werden. Auf der Ebene der Makrostruktur zeigten die Epilepsiepatienten im Vergleich zu gesunden Personen bei beiden Themen signifikant häufiger Kohärenzbrüche. Spezifische Reaktionen in Bezug auf die Bedrohlichkeit des Textthemas wiesen besonders die Angstpatienten auf: Sie erzählten syntaktisch komplexer und inhaltlich detaillierter. Die Epilepsiepatienten reagierten beim bedrohlichen im Vergleich zum neutralen Thema mit einer Zunahme an Redundanz. Von den linguistischen Mitteln zur Erfassung des Emotionsausdrucks der Patienten bei der Textproduktion waren die Emotionslexeme am eindeutigsten als valides Maß für die Repräsentation von Gefühlen bei allen Gruppen sowie als diskriminativ zwischen Patienten und Kontrollpersonen zu bewerten. Insgesamt sprechen die Ergebnisse in Bezug auf die Gruppe der Epilepsiepatienten für das Vorliegen einer Kognitiven Dysphasie. Aufgrund zwar weniger deutlicher, jedoch ebenso beobachtbarer sprachlich-kognitiver Defizite muss das Phänomen einer nichtaphasischen Sprachstörung auch für die Gruppe der Angstpatienten diskutiert werden. Letztere wies darüber hinaus angstspezifische Reaktionen im Sinne von Aufmerksamkeitsab- und -zuwendungen zum bedrohlichen Stimuli auf, was mit referierten Ergebnissen aus der experimentellen Psychologie übereinstimmt. Insofern konnte gezeigt werden, dass bei Angsterkrankten an der Verarbeitung emotionsspezifischer sprachlicher Stimuli sowohl unbewusste schematisch-emotionale Prozesse wie auch bewusst gesteuerte kognitive Prozesse beteiligt sind. Diese Studie konnte schließlich die diagnostische Relevanz für das Erfassen von sprachplanenden und -organisierenden Funktionen sowie emotionsgesteuerten sprachlich-kognitiven Prozessen deutlich machen und leistet einen Beitrag, die Lücke an linguistisch ausgerichteten Diagnoseverfahren in Bezug auf die o.g. Krankheitsbilder zu schließen. Die dargestellten Untersuchungsmethoden konnten im Rahmen einer Einzelfallbeschreibung ebenfalls als Verlaufsdiagnostik eingesetzt werden. Methodologisch erwiesen sich die meisten der ausgewählten diagnostischen Parameter als differentialdiagnostisch distinktiv, vor allem für die Abgrenzung beider Patientengruppen zu gesunden Personen. Die Operationalisierung emotionaler sprachlicher Prozesse sowie die valide und reliable Konstruktion entsprechender Untersuchungsmethoden konnten in einem ersten Schritt realisiert werden, bedürfen jedoch noch weiterer Entwicklung und Evaluation an größeren Stichproben.
Stichworte
Dysphasie , Angst , Kognitive Dysphasie , Epilepsie , Panikstörung , Cognitive dysphasia , Fear , Epilepsy , Panic
Jahr
2007
Page URI
https://pub.uni-bielefeld.de/record/2304799

Zitieren

Schneider B. Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung. Bielefeld (Germany): Bielefeld University; 2007.
Schneider, B. (2007). Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung. Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Schneider, Barbara. 2007. Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung. Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Schneider, B. (2007). Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung. Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
Schneider, B., 2007. Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung, Bielefeld (Germany): Bielefeld University.
B. Schneider, Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung, Bielefeld (Germany): Bielefeld University, 2007.
Schneider, B.: Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung. Bielefeld University, Bielefeld (Germany) (2007).
Schneider, Barbara. Kognitive Dysphasie und Angst : linguistische Untersuchungen bei Patienten mit Epilepsie und Angsterkrankung. Bielefeld (Germany): Bielefeld University, 2007.
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