Gerz, Julia (2017). Prähistorische Mensch-Umwelt-Interaktionen im Spiegel von Kolluvien und Befundböden in zwei Löss-Altsiedellandschaften mit unterschiedlicher Boden- und Kulturgeschichte (Schwarzerderegion bei Halle/Saale und Parabraunerderegion Niederrheinische Bucht). PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Das Mitteldeutsche Trockengebiet ist aufgrund der fruchtbaren Löss-Schwarzerden eine seit dem frühen Neolithikum (ab 5500/5300 v.Chr.) bewirtschaftete Altsiedellandschaft. Trotz der archäologisch sehr gut erschlossenen Besiedlungsgeschichte ist über die Mensch-Umwelt-Interaktionen vergleichsweise wenig bekannt. Um mehr über die holozäne Entwicklung der Landschaft und den Eingriff des Menschen in seine Umwelt seit Beginn des Ackerbaus zu erfahren, wurden in verschiedenen Gebieten des nördlichen und südlichen Mitteldeutschen Trockengebietes geoarchäologische Untersuchungen mit den archäologischen Grabungen interdisziplinär vor Ort verknüpft. Dazu wurden kolluvial abgelagerte Sedimente in natürlichen Reliefpositionen sowie in archäologischen offsite-Befunden anhand geochemischer und sedimentologischer Laboranalysen sowie der „Optisch Stimulierten Lumineszenz“ (OSL)-Datierung untersucht. Das Ziel der Untersuchungen war die Erarbeitung einer Charakterisierung und gut datierten regionalen Gliederung von Kolluvien und deren möglichen Zusammenhang mit archäologischen Siedlungsepochen für die Gebiete im mitteldeutschen Schwarzerdegebiet. Die Bodeneigenschaften der archäologischen Befundfüllungen sowie der kolluvialen Ablagerungen enthalten als Geoarchive wertvolle Informationen zur Landnutzung und Kolluviationsgeschichte holozäner Landschaften. Anhand der geochemischen und sedimentologischen Eigenschaften sowie der OSL-Datierung an archäologischen Befundverfüllungen konnten zusätzlich Fragen zur Art und Weise ihrer Verfüllung beantwortet werden. Eine aktive Verfüllung der Befunde durch den Menschen konnte weitestgehend ausgeschlossen werden. Die archäologischen Befunde wurden sukzessive durch quasi-natürliche Prozesse verfüllt. Zusätzlich wurden erstmals anhand der OSL-Datierung Grubenreihen und Schlitzgruben, als „Rätselbefunde“ der Archäologie, chronologisch in die Bronzezeit, bzw. in das Neolithikum eingeordnet. Die wenigen für das Mitteldeutsche Trockengebiet vorhandenen Informationen zur Landschaftsentwicklung und Kolluviationsgeschichte wurden anhand der geoarchäologischen Untersuchungen vor allem für die fruchtbaren Löss-Schwarzerde-Gebiete im südöstlichen Harzvorland deutlich erweitert. Anhand der OSL-Datierung und der Pollenanalyse wurde hier eine nahezu kontinuierliche Kolluviationsgeschichte nachgewiesen. In einem weiteren Schritt wurden die neuen Erkenntnisse zur holozänen Landschaftsentwicklung und Kolluviationsgeschichte im Mitteldeutschen Trockengebiet mit dem Rheinland, einer weiteren Altsiedellandschaft mit ebenso fruchtbaren Löss-Parabraunerde-Böden, verglichen. Geoarchäologisch ist die holozäne Landschaftsentwicklung im Rheinland, vor allem für die Niederrheinische Bucht bereits gut untersucht. Die geoarchäologischen Untersuchungen bei Inden-Pier am sog. „Güldenberg“ ergänzen und bestätigen die bisher gewonnenen Erkenntnisse zur Kolluviations- und Landnutzungsgeschichte in der Region (z. B. Becker, 2005; Fischer, 2010; Protze, 2014; Schmidt-Wygasch, 2010; Schulz, 2006). Hier wurden ebenso wie im Mitteldeutschen Trockengebiet für die unterschiedlichen Gebiete innerhalb der Region Disparitäten in der lokalen Landschaftsentwicklung erkennbar. In einem überregionalen Vergleich wurde der Blick besonders auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Landschaftsentwicklung und Kolluviationsgeschichte beider Regionen hinsichtlich ihrer unterschiedlichen kulturellen und pedogenetischen Entwicklungen gelegt. Dabei stellte sich vor allem die Frage nach einer messbaren Auswirkung dieser Disparitäten auf den Boden. Der Mensch bildet den einflussreichsten Faktor in der Landschaftsentwicklung und das auch bereits seit dem frühen Neolithikum (ab 5500/5300 v.Chr.). In beiden Regionen fand bei ähnlicher Besiedlungsdichte und kleinräumiger Nutzungsweise der Gebiete ein verhältnismäßig geringer menschlicher Eingriff in die Landschaft statt, der eine ebenso ähnliche geringmächtige Kolluviation in den Dellen und Senken des Mikroreliefs hauptsächlich auf den Hochflächen und in den Hangbereichen auslöste. Ein intensiver Eingriff des Menschen und eine aktive Gestaltung der Landschaft fanden in beiden Regionen ab der Bronzezeit (2200-750 v.Chr.) bis zum Ende der Eisenzeit (750-60 v.Chr.) statt. Für das Mitteldeutsche Trockengebiet wurden erstmals kolluviale Ablagerungen für die Eisenzeit nachgewiesen. In den Gebieten, die in direktem Zusammenhang mit Fließgewässern stehen, fand die Kolluviation hauptsächlich auf den Hochflächen und in den oberen und mittleren Hangbereichen statt, die unteren Hang- und Talbereiche blieben stabil. Möglicherweise steht dies in Zusammenhang mit den Fließgewässern in den Tälern vor Ort, die die Bevölkerung als wichtige Lebensgrundlage und für die Weidewirtschaft vor der Zerstörung durch die Kolluviation schützten. Ab der römischen Kaiserzeit wurde die unterschiedliche regionale Nutzungsintensität der Landschaften deutlich. Im Rheinland zeigte sich vor allem der Einfluss der römischen Bevölkerung mit einer flächendeckenden ländlichen Besiedlung und stark technisierten Bewirtschaftung der Flächen, die eine erhöhte Kolluviation mit teilweise mächtigen Sedimentablagerungen bis in die Täler bewirkte. Währenddessen trat im Mitteldeutschen Trockengebiet eine relative Ruhephase in der Kolluviation ein, die dort bis in das frühe Mittelalter andauerte. Ab dem Mittelalter (1050-1500 v.Chr.) nahm die Bevölkerung in den Regionen wieder zu und es setzten auch in Mitteldeutschem Trockengebiet und Rheinland großflächige landwirtschaftliche Tätigkeiten ein. Die Größe der zeitweise vegetationsfreien Flächen lösten in Zusammenhang mit den mechanischen Eingriffen in den Boden und wiederkehrenden feuchteren klimatischen Phasen mit hohen Niederschlagsereignissen während der „kleinen Eiszeit“ (15.–19. Jh.), eine intensive Kolluviation aus. Seitdem kam es auch im Mitteldeutschen Trockengebiet in allen untersuchten Gebieten zu flächigen Erosionsprozessen, die die Sedimente bis in die Täler transportierten und dort ablagerten.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Translated abstract:
AbstractLanguage
Due to its fertile Loess-Chernozem soils, the arid Central German area (‘Mitteldeutsches Trockengebiet’) is an intensively used agricultural landscape since the early Neolithic (from 5500/5300 B.C.). Although its settlement history is documented rather well due to archaeological research, relatively little is known about human-environment-interaction which formed the landscape. To learn more about the development of the holocene landscape and the environmental influence of man since the beginnings of agriculture, geoarchaeological analyses were combined with archaeological excavations in several areas of northern and southern parts of the arid Central German area. Therefore, colluvial deposited sediments in natural relief positions and in archaeological offsite-findings were analyzed with geochemical and sedimentological laboratory analyses as well as with “Optically Stimulated Luminescence” (OSL) dating. The aim of the analysis was to elaborate a characterization for the exact dating and regional classification of colluvial deposits and their possible connections with archaeological settlement epochs for the areas of Central German Chernozem soils. As geoarchives, the soil characteristics of backfillings of archaeological records and colluvial deposits contain valuable information about land use and colluvial history of Holocene landscapes. By looking at geochemical and sedimentological characteristics as well as the OSL-dating, additional questions regarding to the type of backfilling were solved. An active colluvial deposition through man could be widely excluded. The archaeological features were backfilled gradually via quasi-natural processes. Additionally, for the first time pit alignments and slot pits, as “enigma treatments” of archaeology, were classified chronologically as belonging to the Bronze Age respectively to the Neolithic period. The few available information regarding the development of landscape and colluvial history were extended via geoarchaeological analysis particularly for the fertile Loess-Chernozem-areas in the south-eastern Harz foreland. Based on the OSL-dating and pollen analysis, an almost continually colluvial history was verified. In an additional step, the new results for holocene landscape development und colluvial history in the arid Central German area were compared with the Rhineland, another ancient settlement area with equally fertile loess-luvisols. In a geoarchaeological way, the Holocene landscape development in the Rhineland, especially in the Lower Rhine Embayment, is well known. Geoarchaeological studies of the so called “Güldenberg” close to Inden-Pier add and confirm knowledge about colluvial and land use history in the region (e. g. Becker, 2005; Fischer, 2010; Protze, 2014; Schmidt-Wygasch, 2010; Schulz, 2006). Here, as well as in the arid Central German area, disparities in local landscape development could be recognized. A large-scale comparison reveals differences in landscape development and colluvial history, mainly regarding their different cultural and pedogenetic developments. Questions arise if these disparities had effects on the soil conditions and if these can be distinguished from other influential factors such as climate, soil and people. The most influential factor of landscape development since the early Neolithic period (from 5500/5300 B.C.) is human action. In both regions, with their similar population densities and small-scale usage of soil, a relatively small human influence in landscape took place. This influence lead to similar, relatively thin colluviation in the shallow sinks of the micro relief, mainly in the plateaus and upper slope ranges. In both regions, man had intense influence and formed the different landscapes actively from the Bronze Age (2200–750 B.C.) until the end of Iron Age (750–60 B.C.). In the arid Central German area, for the first time colluvial deposits could be verified for Iron Age. In areas with direct relationship to running waters, colluviation occured mainly in the higher plateaus and in the high and middle high slope ranges, the lower slope ranges and valleys stayed stable. Eventually, this has to be seen in context with rivers in the adjacent valleys. These served as an important basis of existence and for the pasture farming and have been protected by the population of destruction through colluviation accordingly. Since the Roman Empire (from 60 B.C.), differing intensities of land use could be observed on a regional scale. In the Rhineland, the influence of Roman population was due to extensive rural settlement and highly engineered cultivation of the area; this effected an increased colluviation with partly thick sediments down to the valley. Meanwhile, in the arid Central German area, a rather calm phase of colluviation occurred, lasting until the early Middle Ages. Since the Middle Ages (1050-1500 B.C.) the population grew again, which led to highly intense agriculture in the arid Central German area and the Rhineland. The size of the temporarily vegetation-free area due to mechanical cultivation and recurring humid climate phases with strong precipitation events led to an intense colluviation during the Little Ice Age (15th–19th century). Several analyses reveal that erosion processes started by that time and last until today.English
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Gerz, JuliaJuliaGerz@gmx.netUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
Corporate Contributors: LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Bonn, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle/Saale
URN: urn:nbn:de:hbz:38-75297
Date: 2017
Language: German
Faculty: Faculty of Mathematics and Natural Sciences
Divisions: Faculty of Mathematics and Natural Sciences > Department of Geosciences > Geographisches Institut
Subjects: Geography and travel
History of ancient world
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
Landnutzungsgeschichte, Kolluvien, archäologische Befunde, Schlitzgrube, Grubenreihe, Lumineszenz, OSL, Geochemie, Sedimentologie, Rheinland, Niederrheinische Bucht, Mitteldeutsches Trockengebiet, Geoarchive, Braunkohletagebau, Löss, AltsiedellandschaftGerman
land use history, archeological finds, colluvia, slot pits, pit alignment, luminescence, OSL, geochemistry, sedimentology, rheineland, lower Rhine embayment, arid central german area, geoarchives, loess, open lignite cast mining, loess, ancient settlement landEnglish
Date of oral exam: 27 June 2016
Referee:
NameAcademic Title
Gerlach, RenateProf. Dr.
Brückner, HelmutProf. Dr.
Lehmkuhl, FrankProf. Dr.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/7529

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