Seneszenz bei afrikanischen Sandgräbern (Bathyergidae, Rodentia) unter besonderer Berücksichtigung der Gattung Fukomys

Seneszenz ist aus evolutionsbiologischer Sicht ein hoch interessantes Phänomen. Viele Theorien sind entwickelt worden, um die ultimaten und proximaten Faktoren zu identifizieren, die dem Altern zu Grunde liegen - naturgemäß mit unterschiedlichem Erfolg. Der Prozess und die ihn bedingenden Faktoren sind so vielschichtig und komplex, dass auch heute noch kaum eine Frage zum „Wie“ und „Warum“ vollkommen geklärt ist. Konsequenterweise sind auch etablierte Theorien zur Evolution und zu den Mechanismen des Alterns nach wie vor Gegenstand lebhafter Diskussionen und Forschung. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Seneszenz bei Afrikanischen Sandgräbern (Bathyergidae, Rodentia). Ihre strikt subterrane Lebensweise bei gleichzeitig sehr unterschiedlichen Paarungs- und Sozialsystemen der einzelnen Vertreter prädestiniert diese Familie für eine Überprüfung evolutionärer Seneszenztheorien. Zu diesem Zweck wird das Alterungsmuster dieser Tiergruppe auf verschiedenen taxonomischen Ebenen charakterisiert und verglichen. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: (i) Die Familie besitzt eine überdurchschnittlich hohe maximale Lebensdauer; nach der Familie Spalacidae nimmt sie in dieser Hinsicht den zweiten Platz innerhalb von 26 verglichenen Nagetierfamilien ein. Dies ist im Einklang mit der allen evolutionären Seneszenztheorien gemeinsamen Voraussage, dass die extrinsische Mortalitätsrate negativ mit der Lebensdauer korreliert ist. (ii) Innerhalb der Familie besteht eine negative Korrelation zwischen der Körpergröße und der maximalen potentiellen Lebensspanne. Dies ist ungewöhnlich für Säugetiere und hängt neben anderen Faktoren möglicherweise mit dem Sozial- und Paarungssystem der verschiedenen Arten zusammen. (iii) Die Alterungsraten der reproduktiven und nicht-reproduktiven „Kasten“ bei zwei eusozialen Vertretern der Familie, Fukomys anselliund Fukomys mechowii, divergieren. In beiden Spezies leben reproduktive Tiere rund doppelt so lang wie nicht-reproduzierende Koloniemitglieder gleichen Geschlechts. Diese Unterschiede lassen sich weder durch intrinsische Fitnessunterschiede zwischen beiden Gruppen noch durch soziale Effekte erklären. Auch gibt es wenig Grund zu der Annahme, dass unterschiedliche Aktivitätsbudgets der einzelnen Gruppen ausschlaggebend sind. Fukomys anselli und Fukomys mechowii sind somit die ersten Säugetierarten, bei denen ein positiver (sprich: lebensverlängernder) Effekt sexueller Aktivität bzw. Reproduktion dokumentiert werden kann. Dies steht im Widerspruch zu mindestens zwei etablierten Theorien zur Evolution des Alterns. Die Faktoren, die diesem außergewöhnlichen Muster zu Grunde liegen könnten, sowie die Forschungsperspektiven, die sich daraus ableiten, werden diskutiert. Insbesondere wird eine mögliche Rolle dieser Tierarten als neue Modelle für die Erforschung der proximaten Ursachen des Alterungsprozesses hervorgehoben, denn hier sind langlebige Organismen, obwohl seitens renommierter Forscher ausdrücklich als notwendig erkannt, noch unterrepräsentiert.

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