Kaaden, Sabine: Entwicklungsneuropsychologische Aspekte kognitiver und hirnmorphologischer Veränderungen bei Temporallappenepilepsie. - Bonn, 2010. - Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Online-Ausgabe in bonndoc: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-21428
@phdthesis{handle:20.500.11811/4249,
urn: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:5-21428,
author = {{Sabine Kaaden}},
title = {Entwicklungsneuropsychologische Aspekte kognitiver und hirnmorphologischer Veränderungen bei Temporallappenepilepsie},
school = {Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn},
year = 2010,
month = jun,

note = {Ziel dieses Forschungsvorhabens war es, klärend zu der Diskussion beizutragen, ob die kognitiven Leistungen von Patienten mit chronischer TLE Ausdruck einer Entwicklungsbehinderung oder eines Abbauprozesses sind.
Ein frühes Erkrankungsalter bei Temporallappenepilepsie (TLE) wird seit längerem mit einem negativen Einfluss auf Kognition und Hirnentwicklung in Verbindung gebracht. Demgegenüber steht die Annahme, dass es sich bei dem beobachteten adversen Einfluss des früheren Erkrankungsalters um einen Effekt der längeren Dauer in der Gruppe der Patienten mit einem früheren Erkrankungsbeginn handelt.
In dieser querschnittlichen Studie wurden das neuropsychologische Profil sowie die Hirnmorphologie von Patienten mit Temporallappenepilepsie untersucht. Die zugrundeliegende Annahme war, dass ein frühes, im Gegensatz zu einem späteren Erkrankungsalter, einen entwicklungsbehindernden Effekt zum einen auf die Kognition (hier vor allem die Intelligenzleistungen), zum anderen auf distante, extra-temporale, noch in der Entwicklung befindliche, Hirnstrukturen hat.
110 Patienten mit TLE wurden in die Studie eingeschlossen und in eine Gruppe mit einem frühen (≤14 Jahre, n=58) und einem späten Erkrankungsalter (>15 Jahre, n=52) unterteilt. Ein Mindestalter von 18 Jahren war ein wichtiges Studieneinschlusskriterium, um eine möglichst abgeschlossene Hirnreifung zu gewährleisten. Die beiden Patientengruppen wurden hinsichtlich ihrer Intelligenz- und Gedächtnisleistungen (verbal und non-verbal) verglichen. Außerdem wurde die Ausbildungsdauer analysiert da man davon ausgehen kann, dass dieses Maß von der Erkrankungsdauer weitgehend unabhängig ist und somit ein Indikator für das prämorbide Leistungsniveau darstellt. Die Analyse der strukturellen MRT-Datensätze mittels voxel-basierter Morphometrie zielte explizit auf die Untersuchung extra-temporaler Veränderungen der grauen Substanz ab vor allem deswegen, weil die Verwendung von VBM bei atrophierten Gehirnen (in diesem Fall der Temporallappen) nicht unproblematisch ist. Die Daten wurden korrigiert für die Epilepsiedauer, Alter, Geschlecht und den Einfluss der zwei verwendeten Scanner. Zur Ergänzung der VBM wurde die manuelle Volumetrie verwendet, um den Einfluss des Erkrankungsalters auf die Morphologie der temporo-mesialen Strukturen (Amygdala und Hippocampus) untersuchen zu können.
In den VBM-Analysen zeigten sich vom Erkrankungsalter abhängige Veränderungen, d.h. mehr graue Substanz in verschiedenen Hirnstrukturen, jedoch mit einem frontalen Fokus in der Gruppe mit dem frühen Beginn. Demgegenüber konnte in den volumetrischen Analysen kein Einfluss des Erkrankungsalters auf die mesialen Strukturen beobachtet werden.
Ein Überschuss an grauer Substanz ist ein auf den ersten Blick ungewöhnlicher Befund bei Patienten mit TLE, da sich bei diesen Patienten im Vergleich mit Gesunden zumeist Reduktionen der grauen Substanz zeigen lassen. Vor dem entwicklungsneuropsychologischen Hintergrund dieser Arbeit könnte der Befund mehr grauer Substanz eine negative Interferenz der TLE mit der Hirnentwicklung und der erfahrungsabhängigen Ausformung neuraler kognitiver Kreise reflektieren. Das Mehr an grauer Substanz würde somit dysfunktionales Gewebe repräsentieren, welches normalerweise durch Reifungsprozesse (Pruning) eliminiert worden wäre. Interessanterweise sind diese Veränderungen zum Großteil in Regionen lokalisiert, die mit Intelligenzleistungen in Verbindung gebracht werden. Dies erhält weitere Bedeutung durch den Befund einer reduzierten Intelligenz in der Gruppe mit dem frühen Erkrankungsalter. Dahingegen weisen die Gedächtnisfunktionen des primär affektierten Temporallappens lediglich eine schwache Assoziation zu dem Erkrankungszeitpunkt auf. Diese Assoziation zeigte sich vorzugsweise bezüglich der von Intelligenzleistungen abhängigen Gedächtnisparameter, nicht aber für den Verlust von Gelerntem als Intelligenz-unabhängigsten Parameter und Indikator für mesiales Funktionieren. Diese Ergebnisse sind auch konkordant mit der Diskussion bezüglich einer sekundären kortikalen Dysplasie bei TLE.
Eine zweite Erklärung für den beobachteten Überschuss an grauer Substanz in der Gruppe mit dem frühen Erkrankungsalter könnte sein, dass es sich um eine primäre kortikale Dysplasie handelt. Sie ist möglicherweise zu subtil, um per visueller MRT-Inspektion festgestellt zu werden, ist aber mit Hilfe von VBM detektierbar.
Auf Basis der theoretischen und praktischen Plausibilität wird die Annahme einer Entwicklungshinderung vorrangig in den sich spät entwickelnden Strukturen favorisiert.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen einmal mehr die Wichtigkeit quantitativer Analysemethoden für die Detektierung von subliminalen, extra-temporalen, sekundären Pathologien bei Patienten mit fokaler Epilepsie.
Unabhängig davon, welcher Erklärungsansatz sich womöglich zukünftig als zutreffend herausstellen wird, unterstreichen die Ergebnisse die Wichtigkeit einer frühestmöglichen Intervention bei Kindern mit therapieresistenter Temporallappenepilepsie.},

url = {https://hdl.handle.net/20.500.11811/4249}
}

Die folgenden Nutzungsbestimmungen sind mit dieser Ressource verbunden:

InCopyright