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Stellenwert der interdisziplinären Diagnostik in der Klinischen Umweltmedizin bei Patienten mit vermuteter Multiple Chemical Sensitivity (MCS)

Zusammenfassung

Um Hinweise für die Ätiologie und Pathogenese der Multiple Chemical Sensitivity(MCS) zu erhalten, wurde in der vorliegenden Studie eine vergleichendeCharakterisierung von Patienten, die in Anlehnung an verschiedene Definitionen fürMCS (Cullen 1987, Altenkirch 1995, IPCS 1996) formulierte Kriterien erfüllen, undanderen umweltmedizinischen Patienten mit erheblicher gesundheitlicherBeeinträchtigung vorgenommen. Die Charakterisierung der Patienten erfolgte inBezug auf die soziodemographische Struktur, die angegebenen Beschwerden, dieKrankheitsvorgeschichte, die vermutete Beschwerdeattribuierung, die objektivierbareSchadstoffexposition sowie vorliegende - mit etablierten Verfahren diagnostizierte -somatische und psychische Erkrankungen. Darüber hinaus erfolgte eine Beurteilungdes Stellenwertes der bei der Diagnostik der Patienten angewendeteninterdisziplinären Vorgehensweise. Hierzu wurde ein Kollektiv von 99 Patienten mit schwerwiegender, unspezifischerSymptomatik, die zuvor konventionell nicht erklärt werden konnte, aus demPatientengut der Umweltmedizinischen Ambulanz im Institut für Hygiene undUmweltmedizin des Universitätsklinikums Gießen im Zeitraum von 1996 bis 2000rekrutiert. Diese Patienten wurden prädiagnostisch den genannten Gruppenzugeordnet und in einem standardisierten Vorgehen einer interdisziplinärenDiagnostik einschließlich qualifizierter Expositionsabschätzung und abschließenderBefundbewertung in einer Fallkonferenz zugeführt. Dabei zeigte sich, dass sich Patienten, die die Kriterien für Arbeitshypothese MCSerfüllen, gegenüber anderen umweltmedizinischen Patienten im Wesentlichendadurch auszeichnen, dass ihre Beschwerden nach eigenen Angaben durchverschiedene Substanzen ausgelöst werden und bereits bei Expositionen auftreten,die bei anderen Personen nicht die Ausbildung von Symptomen zur Folge haben.Der Krankheitsverlauf der Patienten des Gesamtkollektivs war in der Mehrzahl derFälle durch ein jahrelanges Doktorhopping gekennzeichnet, wobei sowohl die Zahlder angegebenen Beschwerden als auch der in der Vergangenheit in Anspruchgenommenen ärztlichen Konsultationen in der Patientengruppe mit ArbeitshypotheseMCS höher war. Darüber hinaus gab es Hinweise dafür, dass bei Patienten mitArbeitshypothese MCS vermehrt eine iatrogen bedingte Fixierung auf Schadstoffe inder Umwelt als Krankheitsursache vorliegt. Als Beschwerdeursache angenommeneBelastungen und Unverträglichkeiten gegenüber Schadstoffen ließen sich bei derüberwiegenden Zahl der Patienten jedoch nicht objektivieren. Insgesamt ließen sich durch die interdisziplinäre Diagnostik die Beschwerden vonjeweils 90% der Patienten mit Arbeitshypothese MCS und anderenumweltmedizinischen Patienten mit erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungerklären, was den hohen Stellenwert dieser Vorgehensweise in der Behandlung vonPatienten beider Gruppen gleichermaßen belegt. Die Beschwerden von einem Viertelder Patienten wurden durch somatische Krankheitsbilder, insbesondere aus denGebieten Dermatologie/Allergologie und Innere Medizin, als konventionell erklärbarangesehen. Bei zwei Drittel der Patienten wurden die Beschwerden alspsychosomatisch erklärbar eingestuft, wobei zu beachten ist, dasspsychosomatische Diagnosen unter Berücksichtigung des derzeitigen Standes derwissenschaftlichen Erkenntnisse in der Umweltmedizin lediglich als deskriptivanzusehen sind und keine Kausalität beschreiben. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung erbrachten demnach keinekonkreten Hinweise für die Ätiologie und Pathogenese der Multiple ChemicalSensitivity. Die interdisziplinäre Diagnostik ermöglichte jedoch, die betroffenenPatienten adäquaten Therapieformen zuzuführen. Entsprechende Empfehlungenwerden von den Patienten erfahrungsgemäß häufig nicht angenommen. Als Ursachehierfür ist eine - in vielen Fällen iatrogene - Fixierung der Patienten auf eine toxischeUrsache ihrer Erkrankung und der damit einhergehenden mangelnden Akzeptanzanderer Krankheitsmodelle zu sehen. Im Bereich der Umweltmedizin ist daherdringend eine Qualitätssicherung und kontrolle geboten.

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