Blickbewegung als Marker für kognitive Verarbeitung beim verstehenden Lesen

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2013

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Zusammenfassung

Im Fokus der vorliegenden Untersuchungen lagen kognitive Prozesse des Textverständnisses. Um ein elaboriertes mentales Textmodell zu erstellen, sind verschiedene Teilprozesse notwendig (Kintsch, 1998). Ein wichtiger Prozess ist die Verknüpfung von Textinhalten untereinander und mit dem Wissen des Lesers - die Inferenzbildung. Graesser, Singer und Trabasso (1994) schlugen die Nutzung von Blickbewegungskameras vor, um Inferenzbildung sichtbar zu machen. Bisher wurde dieser Vorschlag wenig beachtet. Obwohl Einflussfaktoren auf die Blickbewegung während des Lesens vielfach untersucht wurden (vgl. Rayner, 1998), bleibt deren Rolle für das Textverständnis bestenfalls unklar. Manche Autoren haben über einen negativen Zusammenhang zwischen der mittleren Fixationsdauer und dem Leseverständnis berichtet (Tinker, 1936, Underwood, Hubbard &

Wilkinson, 1990, Weber, Wood, Gole &

Brown, 2011). Einen ersten Ansatz für ein näheres Verständnis bieten die Ergebnisse von Burton und Daneman (2007). Diese weisen darauf hin, dass eine geringe Arbeitsgedächtniskapazität durch eine längere Verweildauer auf relevanten Textstellen kompensiert werden kann. Allerdings beschränkte sich dies hauptsächlich auf Teilnehmer mit komplexen epistemologischen Überzeugungen. Zentrales Ziel der vorliegenden Arbeit war damit zu prüfen, in wieweit die Blickbewegung der Augen während des Lesens einen Ansatz bietet, um kognitive Prozesse, welche zum Textverständnis beitragen, zu erfassen. Darüber hinaus wurde der Zusammenhang zwischen Merkmalen des Lesers und dessen Blickbewegung untersucht.In zwei studentischen Studien und einer Studie mit Schülern der 6. Klasse ergaben sich keine Hinweise auf einen kompensatorischen Effekt durch eine längere Verweildauer auf relevanten Textstellen bei Teilnehmern mit einer geringen Arbeitsgedächtniskapazität. Hingegen deutete eine längere Verweildauer bei guten Lesern auf Probleme im Textverständnis hin. Innerhalb der untersuchten Blickbewegungsparameter bot somit die Verweildauer den besten Ansatz, um Top-Down-Prozesse zu erfassen. Auch in den vorliegenden Studien konnte ein negativer Zusammenhang zwischen der mittleren Fixationsdauer und der Textwiedergabe gefunden werden. Dieser kann am besten durch automatisierte Bottom-Up-Prozesse erklärt werden, die individuelle Lesermerkmale repräsentieren.Zusammenfassend lässt sich schließen, dass Blickbewegung, unter der Berücksichtigung von Lesermerkmalen, als Marker für die kognitive Verarbeitung beim verstehenden Lesen genutzt werden kann.


The present studies focused on cognitive processes involved in reading comprehension. To create an elaborate mental text model, various sub-processes are necessary (Kintsch, 1998). An important process is to link corresponding information within the text and with the reader s knowledge inference making. Graesser, Singer and Trabasso (1994) proposed to use eye-tracking cameras to make inferences visible. So far, this idea has received little attention. Although many influencing factors on eye-movements during reading have been found (see Rayner,1998), the role of eye-movements for text comprehension is at best unclear. Some authors reported a negative correlation between the mean fixation time and reading comprehension (Tinker, 1936, Underwood, Hubbard & Wilkinson, 1990, Weber, Wood, Gole & Brown, 2011). The results of Burton and Daneman (2007) provide a first closer hint of possible mechanisms. Their results suggest that a small working memory capacity can be compensated for by longer gaze duration on relevant passages. However, this was mainly limited to participants with mature epistemological beliefs.Therefore the central aim of this thesis was to examine whether eye-movements in reading offer an approach to capture cognitive processes that contribute to the understanding of the text. Furthermore the relation of reader s characteristics and eye-movements was examined.Two studies with university students and one further study with 6th-graders provided no evidence of a compensatory effect for longer gaze duration on relevant passages in participants with low working memory capacity. Contrary, longer gaze duration in good readers pointed to problems in text comprehension. Hence, within the examined eye-movement parameters, dwell time was the best approach to capture top-down processes. The studies also found a negative correlation between mean fixation times and reading comprehension. This effect can best be explained by automatic bottom-up processes representing individual characteristics of the reader. In summary, it can be concluded that eye-movements can be used as an indicator for cognitive processes in reading comprehension when taking the reader s characteristics into account.

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