Raum und Subjektivität in Londonromanen der Gegenwart

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2013

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Ausgangspunkt der Arbeit bildet die Einsicht des transdisziplinären spatial turn, dass Räume kulturelle Bedeutungsträger sind, in denen sich kollektive Werthierarchien und Normen und damit beispielsweise Vorstellungen von Eigenem und Fremdem sowie von Zentralität und Marginalität manifestieren. Kulturelle Praktiken und die Dynamik sozialer Beziehungen sind in einem solchen Raumverständnis zentrale Aspekte der Raumkonstitution, weshalb, so die Ausgangsthese, von einer dynamischen Wechselbeziehung zwischen Raum und Subjekt ausgegangen werden kann: Das Subjekt konstituiert den Raum und wird gleichermaßen durch ihn konstituiert. Die Studie zeigt, dass die Zugrundelegung eines dynamischen und relationalen Raumkonzepts für den erzählten Raum die fiktionale Subjektkonstitution als Prozess der gegenwartsorientierten Auseinandersetzung mit Räumen beschreibbar macht. Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind drei zeitgenössische Londonromane: Brick Lane (Monica Ali, 2003), Saturday (Ian McEwan, 2005) und The Line of Beauty (Alan Hollinghurst, 2004). Die Auswahl der Romane ergibt sich aus der Beobachtung, dass sich das komplexe Wechselspiel von Raum und Subjekt besonders prägnant in Inszenierungen des fiktionalen Stadtraums Londons zeigt, vor allem, wenn, wie in dieser Arbeit, Londonromane mit unterschiedlichem geographischem Fokus sowie mit Protagonist_innen, die sich hinsichtlich Geschlecht, Ethnizität, Klasse und Sexualität unterscheiden, gegenübergestellt werden. Die exemplarischen Romananalysen zeigen, dass über die Inszenierung fiktionaler subjektiver Raumkonstitution und raumbezogener Subjektkonstitution in der britischen Gesellschaft virulente Themen und Problematiken verhandelt werden, wie beispielsweise die Herausforderungen einer multi- bzw. transkulturellen Gesellschaft (Brick Lane), soziale Verantwortung und Angst vor Statusverlust (Saturday) sowie die gesellschaftliche Position von Homosexuellen und die Rigidität von Klassengrenzen (The Line of Beauty). Um Raum und Subjekt als interdependente Kategorien in den Blick zu bekommen und ihr Wechselspiel für die Analyse literarischer Texte fruchtbar zu machen, entwirft die Arbeit einen theoretischen Bezugsrahmen. Im ersten Teil der Arbeit werden Raum- und Subjektkonzepte aus der Geographie und Soziologie expliziert und miteinander korreliert. Leitfrage ist dabei, wie Subjekte Räume konstituieren und wie sich die Bedeutungen von Räumen und Raumordnungen auf die Subjektkonstitution auswirken. Zur theoretischen Konzeptionierung von Raum wird auf relationale und dynamische Raumkonzepte zurückgegriffen, wie sie sich in der Kulturgeographie und Raumsoziologie zunehmend durchsetzen. Der im ersten Teil der Arbeit entworfene theoretische Bezugsrahmen für eine kulturwissenschaftlich fundierte Konzeptualisierung des Verhältnisses von Raum und Subjektivität bildet die Grundlage für die folgenden methodischen Überlegungen zur Inszenierung von subjektiver Raumerfahrung und raumbezogener Subjektkonstitution in Erzähltexten. In der Arbeit wird argumentiert, dass rein narratologische Definitionen des erzählten Raums nur bedingt anschlussfähig für die Fragestellung dieser Arbeit sind. Erstens ermöglichen sie es kaum, dynamische Raum- und Subjektkonstitution in den Blick zu bekommen und zweitens verfolgen sie das Ziel einer wertfreien Beschreibung der Raumdarstellung, während die vorliegende Arbeit aber gerade an der Herausarbeitung von Zusammenhängen zwischen der Inszenierung von Räumen in Literatur und soziokulturellen Strukturen und Prozessen interessiert ist. Daher wird, teilweise in Anlehnung an den Ansatz der Übertragung der possible-worlds-theory auf die Narratologie, vorgeschlagen, auch den erzählten Raum als relational und dynamisch zu konzeptualisieren, das heißt, als aufs Engste verknüpft mit Figuren, Handlung und Zeit. Erzählter Raum wird damit in dieser Arbeit nicht als Umgebung von Figuren verstanden, sondern als je nach Art der erzählerischen Vermittlung in Relation zur Perspektive einer Figur oder eines Erzählers allererst konstituierter und damit auch veränderlicher Raum bzw. Vielzahl von (möglichen) Räumen.Insgesamt werden in dieser Arbeit durch die Korrelation von Raum und Subjektivität neue Perspektiven auf beide Konzepte eröffnet und die bisherige literaturwissenschaftliche Forschung hinsichtlich der Untersuchung von sowohl Raum- als auch Subjektkonstitution ergänzt: Die Berücksichtigung der Kategorie des Raums, die diskontinuierliche Konstellationen und Gleichzeitigkeit betont, macht die Subjektkonstitution als offenen Prozess der räumlichen Verortung und Identifikation beschreibbar. Zugleich trägt die Betonung der subjektabhängigen Raumkonstitution zur Überwindung der Vorstellung von Raum als statischem Hintergrund der Handlung bei und bringt den literarischen Raum als relationales und dynamisches Ordnungsgefüge, als Ergebnis sozialer Beziehungen, symbolischer Ordnungen und individueller Aneignung in den Blick.

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