Entwicklung und Evaluation eines silbenbasierten Leselehrgangs bei Schülerinnen und Schülern mit geistiger Behinderung

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2018

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Trotz insgesamt unzureichender Datenlage deuten nationale wie internationale Untersuchungen an, dass ein bedeutender Teil der Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung das Schriftlesen im engeren Sinne erlernen kann. Allerdings zeigen internationale Studien, dass die Lernprogression im Vergleich zu nichtbehinderten Kindern deutlich verzögert ist. Eine besonders kritische Hürde im alphabetischen Leseerwerb stellt für Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung die Lautsynthese beim rekodierenden Lesen dar. Meist sind Kinder zwar in der Lage, die Buchstaben graphemweise in Laute zu übersetzen, sie können diese aber häufig nicht miteinander verschmelzen (Euker, Koch &

Kuhl, 2016). Kuhl, Euker und Ennemoser (2015) konnten zeigen, dass sich deutschsprachige Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung durch eine Förderung mit dem silbenbasierten Material des Kieler Leseaufbaus (Dummer-Smoch &

Hackethal, 2011) im rekodierenden Lesen von Pseudowörtern verbesserten. Ein Trainingseffekt auf das Dekodieren von Wörtern, also das Entschlüsseln von Wortbedeutungen, blieb allerdings aus. Die Autoren führen dies u.a. auf das für Kinder mit geistiger Behinderung vergleichsweise komplexe Trainingsmaterial zurück. Ziel der vorliegenden Arbeit war daher die Entwicklung und empirische Evaluation eines silbenbasierten Lesefördermaterials (Adaption des Kieler Leseaufbaus: Dummer-Smoch &

Hackethal, 2011), welches die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit geistiger Behinderung berücksichtigt. Der Lehrgang richtet sich an Schülerinnen und Schüler in allen Klassenstufen, die zwar über grundlegende Vorläuferkompetenzen verfügen (Buchstabenkenntnis und Phonologische Bewusstheit), aber dennoch beim alphabetischen Leseerwerb scheitern (Euker, Koch &

Kuhl, 2016). Im Rahmen einer motivierenden Geschichte mit Außerirdischen werden die Schüler in einem dreiphasigen Lehrgangskonzept vom Lesen erster einfacher KV-Silben über die Synthese unbekannter KV-Gruppen bis hin zum Lesen einfacher, lauttreuer Wörter geführt. Wesentliches Merkmal des Förderkonzepts ist die Betrachtung von K(onsonant)-V(okal)-Gruppen. Die Ausnutzung der Reimanalogie zwischen KV-Silben soll den Schülern einen Zugang zur Lautsynthese ermöglichen. Lehrgangsbegleitend finden in allen Phasen Übungen zu den Vorläuferkompetenzen sowie zur Automatisierung gelernter Inhalte statt.Über einen Zeitraum von sechs Monaten erhielten 63 Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung (8 bis 17 Jahre) wöchentlich zwei bis drei Schulstunden entweder eine silbenbasierte Leseförderung mit dem adaptierten Fördermaterial oder folgten als Kontrollgruppe dem üblichen Leseunterricht. Die Förderung wurde von zuvor geschulten Lehrkräften der Schulen durchgeführt. Beide Gruppen waren in den Vortestwerten hinsichtlich ihrer schriftsprachlichen und phonologischen Kompetenz sowie der Intelligenz- und der Arbeitsgedächtnisleistung vergleichbar. Mit einem Prä-Posttest-Follow-Up-Design wurden die Trainingserfolge überprüft. Die Follow-Up Erhebungen fanden drei bzw. sechs Monate nach dem Ende der Förderung statt. Die eingesetzten Erhebungsinstrumente überprüften die Rechtschreibung, das Lesen von Konsonant-Vokal-Verbindungen, das Rekodieren von Pseudowörtern, das Dekodieren sowie die schriftsprachlichen Vorläuferkompetenzen. Zur Analyse der Trainingseffekte wurden Kovarianzanalysen (ANCOVAs) eingesetzt. Zum Posttest zeigte die Silbenfördergruppe im Rekodieren von Konsonant-Vokal-Verbindungen signifikant größere Lernzuwächse als die Kontrollgruppe. Dieser Vorsprung vergrößerte sich drei bzw. sechs Monate nach der Förderung. Effekte auf das Rekodieren von Pseudowörtern und das Dekodieren von Wörtern zeigten sich erst zu den Follow-Up Erhebungen. Dieses Ergebnis korrespondiert mit den Befunden von Allor, Mathes, Roberts, Jones und Champlin (2010), die signifikante Fördereffekte auf das Wortlesen ebenfalls erst nach einem Jahr Förderung feststellen konnten. Die langfristige Wirkung trotz des vergleichsweise kurzen Interventionszeitraums von sechs Monaten wird auf das implementative Setting zurückgeführt. Die Ergebnisse der Studie lassen insgesamt darauf schließen, dass Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung von einer individualisierten, längerfristigen, konsistenten und expliziten silbenbasierten Leseförderung profitieren können.

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