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It will really knock on to everybody's door... : Die sozialen Folgen der AIDS-Epidemie in Namibia, eine Untersuchung in Katutura und Ovamboland

Datum

2003

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Zusammenfassung

Überblick

Die vorliegende Arbeit beschreibt, diskutiert und analysiert die sozialen Folgen von AIDS in Namibia aus einer Akteursperspektive. Dazu wurde ein qualitatives Vorgehen gewählt. Es wurden Interviews mit HIV-infizierten und AIDS-kranken Betroffenen und deren Familien geführt, um nachzuzeichnen, was auf der Ebene von Einzelnen, deren Haushalten und Familien passiert, wenn eine HIV-Infektion, eine AIDS-Erkrankung oder ein Todesfall zu bewältigen sind. Die Untersuchung wurde in einem urbanen Kontext in Windhoek-Katutura und in einer ländlichen Situation in Nordzentralnamibia (Ovamboland) durchgeführt. Sie stützt sich auf fünf Monate Feldforschung, in denen nahezu 80 Interviews erhoben wurden, die in der Studie ausgewertet wurden.

Ergebnisse

Die tiefgreifende Umgestaltung lokaler Sozialstrukturen und Wirtschaftsweisen, die sich in einer Linie von dem ersten Eintreffen von Händlern, Missionaren und Forschungsreisenden ab Mitte des 19. Jahrhunderts über die Etablierung von Missionsbemühungen, dem Ausbau von deutsch-kolonialer Herrschaft, der Etablierung des Apartheidssystems, des Befreiungskriegs bis hin zur Unabhängigkeit und der Errichtung eines modernen Staatswesens zieht, hat in Namibia auf breiter Basis eine gesellschaftliche Modernisierung bewirkt. Das Massenphänomen AIDS, das nahezu ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung HIV-positiv hinterläßt, hat seine Ursachen in diesen Modernisierungsprozessen, die eine Dynamik von sozialer und geografischer Mobilisierung und Enttraditionalisierung entfesselt haben und so die Grundlage für die Ausbreitung darstellen. Außerdem wirkt AIDS selbst als Katalysator von Modernisierungsprozessen, indem im Rahmen von Maßnahmen der Bekämpfung der Ausbreitung von HIV moderne und individualistische Körperkonzepte, Planungsgewohnheiten und Lebensmodelle befördert werden, die die Loslösung von traditionalen Elementen sozialer Organisation und kultureller Identität beschleunigen.

Für die Bewältigung von Infektion, Krankheit und Tod spielt der soziale Nahraum der extended family die entscheidende Rolle. Hier werden die Kranken gepflegt und versorgt; hier findet die Unterstützung und Fürsorge von Infizierten statt; hier werden zurückbleibende Waisen aufgenommen.Dabei fällt auf, daß innerhalb von kohärenten Sozialbeziehungen in den familialen Netzwerken die durch AIDS ausgelösten Krisenphänomene gut bewältigt werden können; in latent destruierten und labilen Sozialbeziehungen führt AIDS zum weiteren Auseinanderbrechen von Beziehungen, was über Ausgrenzung und Marginalisierung bis hin zu physischer Gewalt führt. AIDS wirkt als Katalysator von sozialen Desintegrationsprozessen.

Es gibt entscheidende Geschlechterunterschiede im Umgang mit einer eigenen Infektion und in der Pflege von Kranken und der Versorgung von zurückbleibenden Waisen. Dabei wird an traditionale Geschlechterrollen angeknüpft; die Erosion von geschlechtlichen Aufgabenbereichen (insbesondere der männlichen) ist aber ebenso beobachtbar und führt zu Anomie-Phänomenen wie Selbstmord und Gewalt.Zahlreiche Stadt-Land-Unterschiede lassen sich beobachten: Es gibt eine ausgeprägte Stadt-Land-Migration, bei der im Krankheitsfall die gängige Abwanderungsbewegung vom Land in die Stadt umgekehrt wird. Kranke Stadtbewohner kehren in ihre ländliche Heimat zurück, da hier die personellen Möglichkeiten der Versorgung wesentlich besser sind als im städtischen Kontext. Ein Resultat ist, daß viele AIDS-Kranke in ihrer ländlichen Heimat sterben.

Der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen ist in der Stadt wesentlich besser als auf dem Land. Insbesondere im Krankheitsfall entstehen erhebliche finanzielle Belastungen für die pflegenden Familien; diese Ausgaben sind auf dem Land höher, da große Mittel für Transportkosten aufgewendet werden müssen.

Die Ernährungslage ist für viele in den ländlichen Situationen besser, da hier durch die funktionierenden Mechanismen der Subsistenzwirtschaft ein breites Angebot an Nahrungsmitteln zur Verfügung steht. Insbesondere in den städtischen Squattercamps gibt es diese Versorgungsmöglichkeit nicht. Die Einwohner sind den Mechanismen der Geldwirtschaft ausgeliefert, obwohl zugleich die wenigsten - durch formale Beschäftigung abgesichert - voll daran partizipieren können.

Für die Bewältigung von Krankheit und Tod spielt Religiosität eine entscheidende Rolle. Auch hierbei lassen sich Stadt-Land-Differenzen beschreiben, die auf den Umgang mit einer eigenen Infektion oder der des Partners - auf Mißtrauen und Schuldzuweisungen - einen erheblichen Einfluß haben.

Generell fällt auf, daß trotz aller Bewältigungsfähigkeit die familialen Netzwerke - insbesondere aufgrund der ansteigenden Belastung durch zahlreicher werdende Krankheits-, Pflege- und Todesfälle - an vielen Stellen die Grenzen der Leistungsfähigkeit erreicht haben bzw. überschritten sind. Unter diesem Druck wandeln sich Gebräuche wie etwa das zeitweise Entsenden von Kindern zwischen miteinander verbundenen Haushalten, von einer entlastenden Funktion zu einer Bürde. Konsequenz sind neue Lebenssituationen, in denen etwa Kinder auf der Straße leben oder in Institutionen aufwachsen.

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