Vergleichende klinische und morphologische Untersuchungen zur spontanen und experimentellen Vergiftung durch Ipomoea fistulosa (Convolvulaceae) bei Ziegen

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2000

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In der Literaturübersicht wird der gegenwärtige Kenntnisstand über die spontane und experimentelle Vergiftung von Wiederkäuern mit Ipomoea fistulosa, dieim Nordosten Brasiliens unter den Namen 'Canudo' und 'Mata cabra' bekannt ist, und mit Ipomoea carnea in Afrika und Asien dargestellt. Die Toxine dieserPflanzen, Swainsonin und Calystegin B2 und C1, und ihr Wirkungsmechanismus werden erläutert. Weiterhin wird eine Übersicht über lysosomaleSpeicherkrankheiten im allgemeinen, sowie über das Vorkommen bei Wiederkäuern gegeben. Die eigenen Untersuchungen befaßten sich mit spontan erkrankten Ziegen und einer experimentell induzierten Vergiftung bei dieser Tierart. Die Untersuchungder spontanen Erkrankung erfolgte an 23 Ziegen aus den im Nordosten Brasiliens gelegenen Gemeinden Petrolina/Pernambuco und Juazeiro/ Bahia sowie einerZiege aus Itaguaí/Rio de Janeiro. Drei der Tiere wurden obduziert, die übrigen nur klinisch untersucht. Experimentell wurde eine Vergiftung bei 12 adultenZiegen durch Verfütterung von Ipomoea fistulosa allein und mit Anteilen von 50% und 25% an der täglichen Futterration induziert. Die aufgenommene Mengean Ipomoea fistulosa variierte zwischen 5,2 und 14,9 g Trockenmasse/kg KM/Tag. Zwei Ziegen, die nur mit Gras gefüttert wurden, dienten als Kontrollen fürdie klinischen und morphologischen Untersuchungen. Elf Ziegen wurden nach einer Versuchsdauer zwischen 20 und 105 Tagen euthanasiert. Eine Ziege starbspontan nach einer Versuchsdauer von 83 Tagen. Alle Tiere wurden unmittelbar nach dem Tod obduziert. Für die histologischen, immunhistologischen und lektinhistochemischen Untersuchungen entnommeneProben fast aller Organe wurden in gepuffertem Formalin fixiert und in Paraffin eingebettet oder für Gefrierschnitte verwendet. Neben einer Vielzahlhistologischer Färbungen wurden immunhistologische Untersuchungen zum Nachweis von Neurofilament, saurem Gliafaserprotein undGlutaminsäuredecarboxylase (GAD) durchgeführt. Die lektinhistochemischen Untersuchungen erfolgten mit einem Panel von zehn biotinylierten Lektinen.Proben für die elektronenmikroskopischen Untersuchungen wurden in Glutaraldehyd immersionsfixiert und in Epon eingebettet. Untersuchungen zurTopographie der Hirnveränderungen erfolgten an Coronarschnitten beider Hirnhälften in 16 Schnittebenen. Das klinische Bild der spontan erkrankten Ziegen war durch Abmagerung, bilaterale symmetrische Ataxie, Paresen und abnorme Stellreaktionen mitMuskelhypertonie gekennzeichnet. Bei Tieren mit geringgradigen Störungen erwies sich die 'Aufsteh-Prüfung' als ein diagnostisch wichtiges Merkmal. Hierbeizeigten die Tiere nach Verbringen in die Seitenlage beim Versuch wieder aufzustehen deutliche Koordinationsstörungen. Alle mit Ipomoea fistulosa gefütterten Ziegen entwickelten neurologische Krankheitserscheinungen und in späteren Stadien Abmagerung. Die neurologischenSymptome ähnelten denjenigen bei spontaner Vergiftung. Alle Tiere zeigten Verhaltens- und Bewußtseinsstörungen, sowie Anomalien des Bewegungsablaufesund der Haltungs- und Stellreaktionen. Störungen der spinalen Reflexe und der Kopfnervenfunktionen waren nicht regelmäßig vorhanden. Die erstenKrankheitssymptome wurden, unabhängig von dem Anteil an Ipomoea fistulosa im Futter, zwischen dem 22. und 42. Versuchstag beobachtet. Sowohl bei spontaner als auch bei experimentell induzierter Erkrankung konnten bei der Sektion außer einer Abmagerung und einer inkonstanten Anämie keinebesonderen Befunde erhoben werden. Die histopathologischen Veränderungen, besonders im Gehirn, waren bei spontanen und experimentellen Vergiftungen qualitativ weitgehend identisch. Der auffälligste histopathologische Befund war eine zytoplasmatische Vakuolisierung in Neuronen des zentralen und autonomen Nervensystems, wenigerdeutlich auch in Astrozyten, Oligodendrozyten und Schwannzellen peripherer Nerven. Sie fand sich auch in Parenchymzellen von Organen, vor allem inAzinuszellen des Pankreas, Hepatozyten, Kupfferzellen, Follikelepithelien der Schilddrüse, Makrophagen des lymphatischen Gewebes und im Keimepithel desHodens. Besonders deutlich konnten die Vakuolen lektinhistochemisch mit Con-A und WGA dargestellt werden. Ultrastrukturell waren die 0,3 bis 3,3 mmgroßen lysosomalen Vakuolen von einer einschichtigen Membran umgeben und bis auf gelegentlich nachweisbare Membranfragmente, Vesikel,granulär-retikuläre Strukturen oder amorphe, dichte Substanzen und osmiophiles Material elektronenoptisch leer. Im Gehirn wurden darüber hinaus eine axonale Degeneration mit Sphäroidbildung, Ganglienzellnekrosen und eine Astrogliose festgestellt. Derimmunhistochemische Nachweis von GAD in der Mehrzahl der Sphäroide ergab, daß von der axonalen Dystrophie vor allem GABA-erge Neuronen betroffenwaren. Ultrastrukturell enthielten die Sphäroide vor allem dichte Körperchen, daneben Mitochondrien, Mikrotubuli und Neurofilamente, während lysosomaleVakuolen nur selten vorhanden waren. Während die neuronale Vakuolisierung disseminiert in allen Hirnregionen auftrat, fanden sich Sphäroide vor allem im Kleinhirn, besonders im Kleinhirnwurmund in den Kleinhirnkernen. Daneben waren sie im Nucleus vestibularis lateralis, im Nucleus cuneatus lateralis und im Nucleus olivaris der Medulla oblongata,sowie in der Substantia nigra des Mittelhirns und im Globus pallidus deutlich erkennbar. Korrespondierend hierzu fand sich in diesen Gebieten auch einedeutliche reaktive Astrogliose, welche in der Kleinhirnrinde besonders die Bergmannglia betraf. Ultrastrukturell lag eine deutliche Vermehrunggliafilamentreicher Fortsätze vor. Die Astrozytenperikarya und besonders ihre Fußfortsätze waren oft ödematisiert. Die zytoplasmatische Vakuolisierung war 20 Tage nach Versuchsbeginn in Purkinjezellen des Kleinhirnes und Neuronen des Thalamus sowie in Azinuszellendes Pankreas, in Follikelepithelien der Schilddrüse und in Makrophagen der Lymphknotensinus erstmals nachweisbar. Ab dem 40. Versuchstag war sie in allenHirnregionen erkennbar. Ab diesem Zeitpunkt waren auch axonale Sphäroide ausgeprägt nachweisbar, während ein Verlust an Purkinjezellen und eineAstrogliose erst bei Ziegen nach mehr als 50-tägiger Versuchsdauer massiver ausgeprägt waren. Die Vakuolenmembranen von neuronalen und extraneuronalen Zellen wurden durch die Lektine Con-A und WGA sehr stark markiert. LCA und S-WGAreagierten selektiv mit Vakuolenmembranen in neuronalen Vakuolen. Das lektinhistochemische Muster zeigt, daß die identifizierten nicht reduzierten Reste von[alpha]-Man, [alpha]-Glc, [beta]-1-4GlcNAc und NeuNAc oder ihre Sequenz zu den N-glykosidisch gebundenen Oligosaccharideinheiten vommannosereichen, hybriden und komplexen Typ gehören. Der Vergleich der Kinetik der histopathologischen Veränderungen mit der des neurologischen Symptomenkomplexes bei der experimentellen Vergiftung ergab,daß letzterer erst in vollem Umfang manifest wurde, wenn neuropathologisch ausgeprägte degenerative Veränderungen in Gestalt von Sphäroidbildung undGanglienzellnekrosen bzw. Ganglienzellschwund in der Purkinjezellschicht vorhanden waren. Die Untersuchungen zeigen, daß das nach Verfütterung von Ipomoea fistulosa experimentell induzierte Krankheitsbild sich nicht von demjenigen der spontanenVergiftung unterscheidet. Die Aufnahme von Ipomoea fistulosa löst eine systemische Glykoproteinspeicherkrankheit aus, die mit einer lysosomalenSpeicherung von Oligosacchariden des mannosereichen, hybriden und komplexen Typs einhergeht. Diese beruht auf der Inhibierung der lysosomalen[alpha]-Mannosidase durch das Alkaloid Swainsonin. Im Gehirn entwickeln sich darüberhinaus degenerative Veränderungen vor allem in GABA-ergenNeuronen des Kleinhirns, welche für die auf eine zerebelläre Dysfunktion hinweisenden Krankheitserscheinungen verantwortlich sind.


In the literature section, the actual knowledge about the spontaneous and experimental intoxication of ruminants with Ipomoea fistulosa, known as 'Canudo'and 'Mata cabra' in the Northeast of Brazil, and related to Ipomoea carnea in Africa and Asia, is reviewed. The toxins identified from these plants,Swainsonine and Calystegine B2 and C1, and their mechanism of action are described. Furthermore, an overview of lysosomal storage diseases in general andwith special emphasis on ruminants is given. The present investigations included studies on spontaneously and experimentally occurring intoxications in goats. 23 goats with spontaneous disease originatingfrom Petrolina/Pernambuco and Juazeiro/Bahia in Northeast Brazil as well as one animal from Itaguai/Rio de Janeiro were included in the study. Three goatsfrom this group were necropsied and the remaining animals were studied clinically only. For the experimental study, 12 adult goats were intoxicated by feedingthem Ipomoea fistulosa alone or replacing 50% or 25% of the daily diet by this plant. The ingested amount of Ipomoea fistulosa varied between 5,2 and14,9g dry matter/kg body weight/day. Two goats, that were fed with grass only, served as controls for the clinical and morphological investigations. Elevengoats were euthanized after 20 and 105 days. One goat died spontaneously after 83 days. All animals were necropsied immediately after death. For the histological, immunohistological and lectin-histochemical studies specimen from almost all organswere fixed in buffered formalin, embedded in paraffin and used for frozen sections. Besides a large variety of histological staining techniques, immunohistologicalstudies for the detection of neurofilament, glial fibrillary acidic protein and glutamic acid decarboxylase (GAD) were performed. For the lectin-histochemicalexperiments, a panel of ten biotinylated lectins was used. In addition, tissues were immersion fixed in glutaraldehyde and embedded in Epon for the electronmicroscopical studies. To specify the topography of the brain lesions, 16 coronal sections of both hemispheres were used. Clinically, spontaneously intoxicated goats showed emaciation, bilateral symmetrical ataxia, paresis and abnormal postural reactions with muscle hypertonia. Inanimals with minor changes, the 'stand up-test' proved to be of diagnostic value. Accordingly, animals that were put into a lateral position showed strikingcoordination problems.

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