Die Verbreitung der Kraepelinischen Krankheitslehre im deutschen Sprachraum zwischen 1893 und 1912 am Beispiel der Dementia praecox

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2005

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In der vorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie sich das von dem deutschen Psychiater Emil Kraepelin (1856-1926) am Ende des 19. Jahrhunderts neu formulierte Konzept psychiatrischer Erkrankungen unmittelbar in der Zeit danach in der Fachwelt durchgesetzt hat. Als Beispiel wurde die Dementia praecox (entspricht weitgehend der heutigen Schizophrenie) als ein Aspekt seiner neuen Klassifikation herausgegriffen. Als Haupquelle der Untersuchung dienten die Jahrgänge von 1893 bis 1912 der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie, die das publizistische Organ des Deutschen Vereins für Psychiatrie darstellte. In der aktuellen Literatur fehlt eine genaue Rekonstruktion der Rezeptionsgeschichte von Kraepelins Klassifikation, es finden sich jedoch zwei Hauptthesen zur Entwicklung seiner Nosologie. Die erste besagt, dass Kraepelins Konzept eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Ideen darstellt, die bereits vor Beginn seiner empirischen Forschung formuliert waren. Auf der Basis dieser vorformulierten Annahmen bezüglich der Krankheitsentität enstand ein selektiver Blickauf die Patienten. Die zweite These postuliert die Entstehung der Klassifikation aufgrund von Kraepelins Beobachtungen und ihre sofortige Akzeptanz durch die Fachwelt, geknüpft an bestimmte Veröffentlichungen von Kraepelin. Es konnte nachgewiesen werden, dass Kraepelins Nosologie sich analog der Weiterentwicklung seiner Ideen nur allmählich und gegen anfangs erheblichen Widerstand durchsetzte. Zu Beginn des betrachteten Zeitraums wird seine Klassifikation als Ganzes kritisiert und der Name Dementia praecox an sich abgelehnt. Später wird über sie wie über andere etablierte Krankheiten diskutiert, d.h Symptome zusammengetragen und verglichen und Statistiken aufgestellt. Des Weiteren werden die Diskussionsbemerkungen nach zur Dementia praecox gehaltenen Vorträgen im Lauf der Zeit weniger kritisch, und am Ende überwiegen zustimmende Meinungen. Drittens konnte Kraepelins Konzept so erfolgreich werden, weil häufig nur Teilaspekte seiner Nosologie (häufigdie schon lange diskutierte Katatonie) negativ beurteilt wurden, andere Aspekte inhaltlich nicht kritisiert wurden, und oft keine eigene schlüssigere Einteilung vorgelegt wurde. Anhand der eben beschriebenen Ergebnisse, lässt sich eine allmähliche Verbreitung von Kraepelins Klassifikation nachvollziehen.


This thesis considers the question of how the classification of psychiatric disorders that was newly formulated by the German psychiatrist Emil Kraeplin (1856-1926) at the end of the 19th century spread through the scientific community directly after its inception. Dementia praecox (which corresponds largely to what is today classified as schizophrenia) was chosen as an example for one aspect of his classification.The volumes from 1893-1912 of the Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie, the official journal of the Deutscher Verein für Psychiatrie, served as the main source for this investigation. The current literature contains two main theses on how Kraepelin s classification developed. The first thesis posits that it developed continuously from ideas that he had already formulated before starting his empirical studies and that these preconceived notions influenced his interpretationof the patients conditions. In contrast, the second thesis holds that Kraepelin s nosology grew out of his observations and was accepted as an immediate consequence of certain key publications. To date, the literature does not contain a detailed reconstruction of how Kraepelin sideas were received in the scientific community of the time.We were able to show that Kraepelin s classification spread only slowly and against considerable initial resistance. As evidence, three main arguments were brought forth: First, early published reactions to Kraepelin s ideas mainly criticize the new classification and the name Dementia praecox itself, while later reactions treat Dementia praecox like any established diseaseand focus on clinical and statistical aspects. Second, the acceptance of Kraepelin s ideas can be judged by the comments and discussions that talks on Dementia praecox generated. Up until ca. 1900, these talks were met mainly with scepticism, while later talks generated increasingly positive reactions; in some cases, there was no controversial discussion at all. Third, the style inwhich Kraepelin was criticized shows that even his opponents were not able to find convincing arguments against his framework as a whole but criticized only partial aspects of his nosology (e.g. catatonia, which had been the subject of intense discussion for some time).

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