Untersuchungen zur Diskrepanz zwischen Nahrungsmitteldiversität und Ernährungsdiversität in Gemeinden der Shuar im Nangaritza-Tal, Südecuador

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2004

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Ernährungsdiversdiät ist bereits seit längerem als Indikator für Ernährungssicherheit bekannt. Bei Besuchen der Shuar-Gemeinde Shaime im Nangaritza-Tal, Südecuador, zeigte sich, dass die Bewohner über eine ungewöhnlich hohe Diversität an Nahrungsmitteln aus verschiedenen Nahrungsmittelquellen verfügen. Traditionell bewirtschaften die Shuar Haus- und Waldgärten, jagen, fischen und sammeln essbare Waldprodukte wie Blattgemüse, Früchte, Palmherzen, Pilze, Insekten und andere Kleintiere. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden in einem dreimonatigen Feldaufenthalt die verfügbaren Nahrungsmittel in den 3 Untersuchungsgemeinden Shaime, Napints und Chumbias inventarisiert. Mit Hilfe strukturierter Interviews, 24-Stunden-Recalls und Food-Frequency-Questionnaires wurde die Ernährungsdiversität in 31 Familien erfasst und in verschiedenen Indizes ausgedrückt. Die anthropometrischen Daten aller in den Familien lebenden Kinder zwischen 6 Monaten und 8 Jahren wurden erhoben. Es konnte gezeigt werden, dass die Ernährung der Shuar in den Untersuchungsgemeinden hauptsächlich auf kohlenhydratreichen Anbauprodukten der Haus- und Waldgärten basiert. Der Anteil gesammelter unkultivierter Nahrungsmittel in der Ernährung war während des Untersuchungszeitraums gering. Als wichtigste Einweißquelle konnte Fisch identifiziert werden. Beim Fleischkonsum spielten Haustiere eine entscheidendere Rolle als erjagte Wildtiere. Aus dem relativ hohen Anteil gekaufter Nahrungsmittel in der Ernährung konnte geschlossen werden, dass die Shuar in der Untersuchungsregion die traditionelle Subsistenzwirtschaft zunehmend zugunsten einer marktwirtschaftlich orientierten Beschäftigung einschränken. Die Ernährungsdiversität in den untersuchten Familien ist im Durchschnitt geringer als beispielsweise in einer peruanischen Studienpopulation ermittelt wurde. Wegen der saisonalen Verfügbarkeit vieler essbarer Waldprodukte ist jedoch denkbar, dass eine Untersuchung zu einem anderen Zeitpunkt höhere Werte ergeben hätte. Auffällig war die geringe Diversität traditioneller Nahrungsmittel, die während des Untersuchungszeitraums verzehrt wurden. Häufig wurde der Ersatz traditioneller Nahrungsmittel durch zugekaufte stärkehaltige Produkte wie Reis und Nudeln beobachtet. Die geringere Nährstoffdichte vieler moderner Nahrungsmittel im Vergleich zu traditionellen, v.a. wilden Nahrungsmitteln lässt diese Entwicklung bedenklich erscheinen. Die Auswertung der anthropometrischen Daten zeigte, dass 75% der untersuchten Kinder im Vergleich zur Referenzpopulation des National Center for Health Statistics zu klein für ihr Alter (stunted) sind. Als mögliche Ursache werden Mikronährstoffmängel (v.a. Zink) und die massive Prävalenz intestinaler Parasiten diskutiert. Die Studie identifiziert wichtige Einflussfaktoren für Ernährungsdiversität. Faktoren wie die Abnahme der Artenvielfalt und Artendichte sowie die durch Transition und Akkulturation bedingten Kenntnisverluste für die Nutzung wilder Nahrungsmittel haben eine verringerte Verfügbarkeit traditioneller Nahrungsmittel zur Folge. Gleichzeitig verbessern die erweiterte Infrastruktur und die wachsende Zahl an Familien, denen Einkommen zur Verfügung steht, den Zugang zu modernen, käuflich erworbenen Nahrungsmitteln. Weitere die Ernährungsdiversität beeinflussende Faktoren bieten einen möglichen Ansatz zur Stabilisierung bzw. Verbesserung der Ernährungsdiversität: Die Konservierung traditionellen Wissens besonders in Bezug auf die Nutzung wilder Pflanzen und Tiere würde auch kommenden Generationen die Nutzung dieser Nahrungsmittelquellen ermöglichen. Als besonders kritisch stellte sich das Fürsorge-Verhalten von Eltern gegenüber Kleinkindern dar. Durch eine Förderung von Verhaltensweisen wie dem responsive feeding könnte die Ernährungsdiversität von Kleinkindern in Zukunft positiv beeinflusst werden. Die Studie gelangt zu dem Schluss, dass die abnehmende Verfügbarkeit traditioneller Nahrungsmittel und die zunehmende Akkulturation der Shuar eine Ernährungstransition in den Untersuchungsgemeinden zur Folge hat. Die Auswirkungen dieses Wandels auf die Ernährungsdiversität und den Ernährungsstatus sind dabei nicht zwangsläufig negativ. In naher Zukunft sind jedoch Maßnahmen zur Festigung und Erhöhung der Ernährungsdiversität sowie eine Verbesserung der sanitären Bedingungen und der Gesundheitsversorgung erforderlich, um den hohen Anteil an Kindern, deren Wachstum verzögert ist, langfristig zu senken.


Dietary diversity has long been recognized as an indicator of nutrition security. When visiting communities of the Shuar in Nangaritza-Valley, Southern Ecuador, it appeared that the inhabitants exhibit an extraordinary diversity of foods from different food sources. Traditionally Shuar people cultivate house and forest gardens, hunt, fish and collect edible forest products like leafy vegetables, fruits, palm hearts, mushrooms, insects and other small animals. Within the scope of this study, three months of field work were spent in 3 investigated communities (Shaime, Napints and Chumbias). During this stay, the inventory of available foods was raised. Using structured interviews, 24-hour-recalls and food-frequency questionnaires, dietary diversity of 31 families was recorded and expressed in different "Dietary Diversity Indices". Anthropometric data of all children between 6 months and 8 years living in the families were taken. It became obvious that the Shuars diet is based on starchy products that they cultivate in their house and forest gardens. During the investigation only a small portion of the diet came from wild foods. Fish was identified as the major source of protein. For meat consumption, domesticated animals played a greater role than game.Considering the relatively high proportion of purchased food products in the diet, it can be concluded that Shuar people in the investigation area increasingly constrict traditional subsistence economy in favour of market-orientated activities. Dietary diversity at an average was lower in the investigated families than was found for example in a Peruvian study population. Yet, the investigation might have resulted in higher numbers at another point of time because of the seasonality of many edible wild foods. It seemed noticeable that diversity of traditional food consumed during the field stay was low. Frequently the replacement of traditional foods with purchased starchy products like rice and noodles was observed. This development gives reason for concern being aware of the lower nutrient density of many modern foods compared to traditional, particularly wild foods. Analysis of the anthropometric data revealed that 75% of the examined children were classified as stunted when compared to the reference population of the National Center of Health Statistics. Micronutrient deficiencies (particularly zinc) and massive infection with intestinal parasites are discussed as possible causes for growth failure in the examined children s population. The study identifies important influential factors on dietary diversity. Factors like the reduction of species diversity and density in consequence of the ongoing destruction of the ecosystem as well as the loss of knowledge concerning the utilization of traditional food sources caused by transition and acculturation lead to a reduced availability of traditional foods. At the same time, the expanded infrastructure and the growing number of families having an income improve the access to modern commercial food. Other factors influencing dietary diversity may serve as an approach to stabilize and improve dietary diversity in the investigated communities. Conservation of traditional knowledge especially concerning the utilization of wild plants and animals could enable future generations to use these food resources. Care behaviour of parents towards toddlers was recognized as being critical in the investigated communities. The promotion of behaviour strategies like responsive feeding could positively influence the dietary diversity of young children in the future. The study comes to the conclusion that the decreasing availability of traditional foods and the increasing acculturation of the Shuar people is followed by a nutrition transition in the investigated communities. This change does not inevitably have negative effects on dietary diversity and nutritional status. In the near future though, actions to strengthen and enhance dietary diversity as well as to improve sanitary conditions and health care are needed to sustainably reduce the number of stunted children in the communities.

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