Handlungsfreiheit und Virtualität : Zur ethischen Dimension der Computerfiktion

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2007

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Zusammenfassung

Die virtuellen Umgebungen im Bereich der Computerspiele ermöglichen dem jeweiligen Nutzer vielfältige Handlungsoptionen. Die Unterhaltungs- und Spielindustrie bietet ein fast unüberschaubares Angebot, um Phantasie, Ideen, Bedürfnisse, Neigungen und vieles mehr aktiv oder interaktiv umsetzen zu können. Auch bizarre und ungewöhnliche Nutzerpräferenzen bleiben dabei nicht unberücksichtigt. Hierbei stellt sich vor allem die Frage, ob der virtuelle Handlungs- und Gestaltungsspielraum des jeweiligen Nutzers moralischen Beschränkungen unterliegen soll oder ob erlaubt ist, was gefällt. In Politik, Gesellschaft und auch Wissenschaft gehen diesbezüglich die Meinungen weit auseinander. Wenn es speziell um gewalthaltige Inhalte einzelner Computerspiele geht, werden zahlreiche negative Konsequenzen für den jeweiligen Nutzer und seine Umgebung befürchtet. Diese Ängste und Sorgen werden in Entwicklungsdefiziten, Suchttendenzen, technologischem Autismus und vielem mehr formuliert. Deshalb wird seit geraumer Zeit erörtert, ob Verbote, Sanktionen, Einschränkungen, Beschlagnahmungen oder Zensur sinnvolle Maßnahmen und probate Mittel sein könnten.

Die vielfältigen Möglichkeiten im Bereich der Computerfiktion sind unter dem Aspekt menschlichen und gesellschaftlichen Fortschritts zu betrachten und Computerspiele sind als solche kultureller Bestandteil unseres modernen Technologiezeitalters. In den elektronisch erzeugten Handlungsräumen der Computerspiele sind individuelle und kollektive Entfaltungs-, Erfahrungs- und Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb eines programmierten Spiels erfahrbar. Dem Handlungs- und Gestaltungsspielraum des jeweiligen Nutzers oder einer bestimmten Nutzergemeinschaft werden dabei lediglich Beschränkungen innerhalb des Spielprogramms gesetzt, sowie technische Ka-pazitätsgrenzen des Computers. Im Rahmen dieser Regulierungen kann der Einzelne seine Handlungsfreiheit nutzen, erweitern oder sich selbst neu inszenieren. In virtuel-len Erlebnisräumen ist auch die Modellierung der eigenen Persönlichkeit als eine Form kreativer Lebensgestaltung zu betrachten. Den Vorlieben des Einzelnen bleibt dabei überlassen, ob er sich monströser Avatare, blutrünstiger Actionhelden, körperloser Alleskönner oder selbst kreierter Fabelwesen bedient. In unserem Grundgesetz ist das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auch die grundsätzliche Garantie der allgemeinen Handlungsfreiheit des Individuums festgelegt. Diese Handlungsfreiheit gestattet dabei jedem Einzelnen, zu tun und zu lassen wonach ihm beliebt, solange nicht die Rechte anderer Menschen oder jene der Verfassung verletzt werden. Dieses Grundrecht scheint nicht ohne Einschränkung für die virtuelle Handlungsfreiheit des Menschen zu gelten. Auf welche Weise oder aus welcher Motivation heraus der einzelne Mensch als eigenständiges Individuum seine Handlungsfreiheit in virtuellen Computerwelten gestaltet, ist derzeit leider nicht ausschließlich seinen persönlichen Entscheidungsgründen überlassen. Der virtuelle Spielraum (z. B. Computerspiele mit gewalthaltigem Inhalt) soll von Seiten des Gesetzgebers eingeschränkt werden, weil er im Verdacht steht, Kinder und Jugend verderbend zu sein, allgemein sozial- und gesellschaftsschädlich, unmoralisch, sowie geschmack- und sittenlos. Jugendschutz, Jugendmedienschutz, die Bundesprüfstelle wie auch die Strafverfolgungsbehörden unseres Landes konfrontieren die Unterhaltungs- und Spielindustrie oftmals mit Vorwürfen, Bedenken, Verboten und Zensur. Die inhaltliche Wirkungseinschätzung von Computerspielen wird oft aus mangelnder Sachkenntnis völlig überschätzt und mutiert somit zur Zielscheibe apokalyptischer Prophezeiungen. Dies ist kaum verwunderlich, wenn man die zahlreichen, in diesem Bereich existierenden Untersuchungsergebnisse aus Politik, Wissenschaft und Medienwirkungsfor-schung in ihren oftmals widersprüchlichen Aussagen betrachtet. Ein Konsens in Bezug auf Auswirkungen von fiktiver Darstellung von Computergewalt auf tatsächlich real ausgeübtes Gewaltverhalten wurde bislang nicht erzielt. Dies scheitert an der Komplexität des Untersuchungsbereichs und den oftmals unberücksichtigten Rahmenbedingungen. Versucht man dennoch vorsichtig und vorläufig eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Untersuchungsergebnisse zu wagen, so ergibt sich, dass manche Formen von Mediengewalt für einige Individuen unter gewissen Bedingungen und unter Berücksichtigung vielfältiger Einflussfaktoren, negative Folgen nach sich ziehen können.

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