Untersuchungen zur Bedeutung des präpartalen Progesteronentzugs in Hinblick auf die Steuerung der Geburt und die Ablösung der Nachgeburt beim Rind

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2011

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Beim Rind ist der präpartale Abfall der maternalen Progesteron (P4)-Konzentration Voraussetzung für den Eintritt der Geburt. Der P4-Abfall spiegelt beim Rind primär den Funktionsverlust des Trächtigkeitsgelbkörpers wider. Über die Bedeutung der plazentaren P4-Produktion lagen bisher praktisch keine Informationen vor. Die Rinderplazenta trägt in der Endphase der Gravidität zwar nur minimal zu den maternalen P4-Spiegeln bei, jedoch bildet sie hohe lokale P4-Konzentrationen im Bereich der feto-maternalen Kontaktzone. Diese könnten, vermittelt über P4-Rezeptoren (PR) in den maternalen Karunkeln, ein wesentlicher Faktor für die Differenzierung und Funktion der Plazentome sein. Es wurde die Arbeitshypothese entwickelt, dass der Entzug hoher lokaler P4-Konzentrationen ein wesentliches Signal für die Vorbereitung eines termingerechten Nachgeburtsabganges darstellt. Entsprechend könnte ein unvollständiges Sistieren der plazentaren P4-Produktion vor der Geburt eine wesentliche Ursache für das Auftreten idiopathischer Nachgeburtsverhaltungen sein. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden drei gravide Kühe am 270. und 271. Graviditätstag mit dem Antigestagen Aglepriston (Ap) behandelt (Gruppe D272+Ap). Dieser PR-Blocker ermöglicht die Ausschaltung aller rezeptorvermittelten P4-Wirkungen unabhängig von der P4-Quelle. Als Kontrollen dienten Tiere mit termingerechter spontaner Geburt und termingerechtem Nachgeburtsabgang (Gruppe Normalgeburt, n = 4, Trächtigkeitsdauer: 280,5 ± 1,7 Tage) sowie unbehandelte Tiere mit Schnittentbindung am Tag 272 (Gruppe D272-Ap, n = 3).Die Kühe wurden klinisch überwacht und der Geburtsverlauf dokumentiert. Von allen Tieren wurden Blutproben in regelmäßigen Abständen sowie Plazentome unmittelbar im Anschluss an die Geburt (Gruppen D272+Ap und Normalgeburt) bzw. während der Schnittentbindungen (Gruppe D272-Ap) entnommen. In den Blutproben wurden die Konzentrationen von Progesteron und Östrogenen mittels radioimmunologischer Verfahren und die 13, 14-Dihydro-15-Keto-PGF2α (PGFM)-Konzentrationen mittels ELISA gemessen. Als Parameter für die präpartale Umstrukturierung der Plazentome wurde der prozentuale Anteil der Trophoblastriesenzellen (TGC) an den Trophoblastzellen und die Reduktion des Karunkelepithels erfasst. Weiterhin wurde die Expression von Cyclooxygenase II (Cox II), PR und Glucocorticoidrezeptor (GR) auf Protein- und mRNA-Ebene beurteilt. Die Aglepristonbehandlung führte bei allen drei Kühen zu einer vorzeitigen Terminierung der Gravidität. Erste Geburtsanzeichen traten 46,3 ± 6,0 Stunden nach Behandlungsbeginn auf. Es kam zur vollständigen Öffnung der Zervix, eine adäquate Wehentätigkeit setzte jedoch innerhalb der folgenden zwei Stunden nicht ein. So wurde ein manueller Auszug der Kälber durchgeführt. Neben der Öffnung der Zervix wurde durch die Antigestagenbehandlung die Laktogenese induziert. Entgegen der eigenen Hypothese wiesen alle drei Kühe der Gruppe D272+Ap, wie die Tiere der Gruppe D272-Ap, eine komplette Nachgeburtsverhaltung auf und die Kälber beider Gruppen waren gleichermaßen prämatur. Die histomorphologischen Untersuchungen bestätigten, dass durch die Aglepristonbehandlung die präpartale Plazentareifung nicht induziert wurde. So waren, im Gegensatz zur Normalgeburtsgruppe, in den unreifen Plazentomen der Gruppen D272+Ap und D272-Ap weder ein Rückgang des relativen Anteils der TGC noch eine Reduktion des Karunkelepithels nachweisbar. Überraschenderweise wurde durch die Antigestagenbehandlung die Luteolyse induziert, erkennbar an einem steilen Abfall der P4-Werte vor bzw. während des Auszugs der Kälber. Korrespondierend mit dem Abfall der P4-Konzentrationen wurde bei den Tieren der Gruppe D272+Ap bereits präpartal ein schwacher Anstieg der PGFM-Werte beobachtet. Da bei diesen Tieren, im Gegensatz zur Normalgeburtsgruppe, keine Aufregulation der plazentaren Cox II-Expression nachweisbar war, ist anzunehmen, dass die Antigestagen-induzierte Luteolyse indirekt durch Prostaglandine extraplazentaren, vermutlich endometrialen, Ursprungs ausgelöst wurde. Zum Zeitpunkt des Auszugs waren die PGFM-Plasmakonzentrationen im Vergleich zur Normalgeburtsgruppe jedoch relativ gering (2,14 ± 1,40 ng/ml vs. 8,70 ± 2,20 ng/ml). Somit erklärt vermutlich ein Mangel an uterotonem PGF2α die Wehenschwäche bei den Aglepriston-behandelten Tieren. Die Östrogensynthese im Trophoblasten sowie die GR- bzw. PR-Expression in den Plazentomen wurden durch das Antigestagen nicht beeinflusst. Insgesamt lassen die Ergebnisse dieser Arbeit darauf schließen, dass nur ein relativ geringer Anteil der geburtsassoziierten Veränderungen direkt durch den präpartalen Progesteronentzug ausgelöst wird, nämlich die Öffnung der Zervix und das Einsetzen der Laktation. Dagegen erfordern andere wesentliche geburtsassoziierte Vorgänge, wie eine adäquate Wehentätigkeit und die Ablösung der Plazenta, offensichtlich primär Signale aus dem fetalen Kompartiment. Die eigenständige Bedeutung der plazentaren P4-Produktion bleibt unklar.


In cattle the prepartal decline in maternal progesterone (P4) levels is a prerequisite for the onset of parturition. This P4 withdrawal predominantly reflects the loss of luteal function, and virtually no information on the importance of placental P4 production is available. Despite its minimal contribution to maternal P4 levels in late gestation the bovine placenta is capable of producing high P4 levels locally at the feto-maternal interface, which mediated by progesterone receptors (PR) previously detected in the maternal caruncles could be an essential factor in placental differentiation and function. Thus, the hypothesis was put forward that a well-timed and complete withdrawal of high local P4 concentrations is a crucial signal for the timely release of the placenta.

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