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Lehren des Entwerfens - Eine Untersuchung über den Diskurs des Entwerfens in Entwurfslehrbüchern der Architektur von 1945 bis 2004

Hassenewert, Frank

Entwurfslehrbücher der Architektur versuchen einen systematischen Zugang zum Entwerfen zu erschließen. Sie sind darum bemüht den Entwurfsvorgang zu objektivieren und Handlungsanweisungen für die Gestaltung zu formulieren. Dadurch bilden sie eine Grundlage für die Lehrbarkeit der Architektur als schöpferische Disziplin, deren Tradition in der Renaissance beginnt. Die Abhandlung zeichnet den Diskurs des Entwerfens an Hand der zwölf Entwurfslehrbücher der Architektur nach, die in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von 1945 bis 2004 erschienen sind. Durch eine vergleichende Analyse der prägenden Inhalte, der Entwurfsmethoden und der Lehrdidaktik sowie ihre Einordnung in einen architekturtheoretischen Kontext werden Kontinuitätslinien und Brüche aufgezeigt und Verflechtungen offengelegt. Zwischen 1947 und 1959 erscheinen drei Lehrbücher (Walther Schmidt 1947, Martin Elsaesser 1950, Robert Karl Schlott 1959), die vom Ausgleich zwischen Tradition und Moderne bestimmt sind. Entwerfen orientiert sich am Individuum und seinem schöpferisch-kreativen Vermögen, das sich auf ein verbindliches Leitbild gründend in der Formulierung einer Idee zeigt. Die Veröffentlichungen knüpfen an vormoderne Entwurfsvorstellungen (Ostendorf) an, die sich im Prinzip des logischen Durchdenkens einer Bauaufgabe und einer daraus abgeleiteten Einfachheit in der Baukörpergestaltung zeigen. Dabei bildet die Ausrichtung des Entwerfens auf eine handwerkliche Tradition die Basis. Die Entwurfslehren distanzieren sich von einer durch die avantgardistische Moderne vorgegebenen abstrakten Funktionalität und beziehen sich vielmehr auf eine Gegenständlichkeit des Bauens durch Materialhaftigkeit (Schumacher). Darauf aufbauend werden technisch-industrielle Innovationen in die Entwurfsvorstellungen integriert. Die Kritik an einem unwissenschaftlichen Entwurfsverständnis und einer Didaktik der Nachahmung führt in den sechziger und siebziger Jahren zu einer Interpretation des Entwerfens als Planung, das sich zuerst auf den Einsatz methodischer Instrumente und Problemlösungsstrategien (Design Method Movement) bezieht. Die Entwurfslehren von Jürgen Joedicke 1976 und Jürgen Hartmann 1980 können als zusammenfassende Rückschau auf die Planungstheorie verstanden werden. Sie beschreiben analytische Hilfsmittel mit denen eine Idee im Entwurfsprozess systematisch überprüft und entwickelt werden kann. Eine methodische Lehre des Entwerfens soll der Pluralität unterschiedlicher Wertsetzungen entsprechen und löst sich von festen Vorbildern und Formvorstellungen. Die zahlreich von 1980 bis 1990 erscheinenden Entwurfslehren (Wolfgang Döring / Hans H. Hofstadt 1981, Friedrich Christian Wagner 1981, Rudolf Wienands 1985, Wolfgang Meisenheimer 1988) entdecken Entwerfen als Gestalten neu und erarbeiten auf der Grundlage der Wahrnehmungstheorie ein gemeinschaftliches Vokabular. Dabei beziehen sie sich nicht auf eine architekturtheoretische Tradition (Wölfflin, Schmarsow), sondern auf die Gestalttheorie (Ehrenfels), die experimentelle Psychologie (Schilder, Metzger, Piaget) und Kunsttheorie (Wittkower, Arnheim), die über die USA Eingang in den bundesrepublikanischen Diskurs findet. Mit ihrer Hilfe werden wissenschaftlich fundierte Kriterien, wie die Gestaltganzheit und aus der leibräumlichen Wahrnehmung hergeleitete Phänomene und Typen, für die Bewertung formaler Qualitäten im Entwurfsprozess vorgestellt. Die Diskussion um die Begründung formal-ästhetischer Gestaltung verschiebt sich im Verlauf der neunziger Jahre zu einer Betonung der künstlerisch-schöpferischen Autonomie des Entwerfers, der Wahrnehmungsmuster durch Dekonstruktion hinterfragt. Die Entwurfslehren von 1990 bis 2004 (Horst Ermel 1999 / 2004, Johannes Kister 2001, Michael Wilkens 2000) versuchen der Beliebigkeit eines formalistisch entleerten Entwerfens entgegenzuwirken. Die Vorstellung einer integrierten Funktion (Hertzberger) und ein Verständnis von Material als Baustoff, das Aspekte der Konstruktion und der Fügung berücksichtigt, bestimmt die Entwurfslehrbücher. Hierbei gilt die besondere Aufmerksamkeit der Übersetzung der inneren Struktur eines Gebäudes in seine äußere Erscheinung (Kollhoff). Nicht mehr unbedingte Originalität und Neuschöpfung ist das angestrebte Ziel des Entwurfs, sondern das Weiterbauen am Bestehenden. Von einem ganzheitlichen Verständnis des Entwerfens in der Vormoderne findet in den Entwurfslehren nach 1945 eine Behandlung von Schwerpunktthemen statt, die bis heute anhält. Dabei wird die eigene Tradition des Entwerfens und eine systematische Auseinandersetzung mit der Architekturtheorie weitgehend vernachlässigt. In ihrer Gesamtheit zeigen die Entwurfslehren den Versuch, den durch die Moderne verursachten Traditionsbruch zu überwinden. Erst in ihrer Zusammenschau bilden sie die wesentlichen Faktoren des Entwerfens umfassend ab.
Design textbooks in architecture try to establish a systematic approach towards design. They show design as an objectiv process and try to describe procedures how to design. By this a foundation for educating architecture as a creative discipline, reaching back to the age of Renaissance, is established. This survey describes the discurs of design through the twelve textbooks of architectural design published in the Federal Republic of Germany between 1945 and 2004. The analysis of significant contents, methods of design, didactic concepts and attitude towards design theory shows lines of continuity, frictions and interconnections. Between 1947 and 1959 three textbooks (Walther Schmidt 1947, Martin Elsaesser 1950, Robert Karl Schlott 1959) have been published, mainly dealing with balancing tradition and modernism in the architecture movement. Design is organized according to the individual and its creative possibilities, demonstrated by a strong ideal and the definition of an idea. The books relate to premodern concepts (Ostendorf), shown in the logic thinking of design schemes and the subsequently simplicity of building concepts. Orientation in craftmanship is a base for design. The textbooks establish a distance towards abstract functionalism dictated by avantgarde modernism. They relate to building as figurative shown in the direct perception of material (Schumacher). Based on this technical and industrial inovations are integrated into the design process. The criticism on unscientific design approaches and on the didactic of imitation leads in the sixties and seventies to an interpretation of design as planning, shown in the use of methodological instruments and problem solving strategies (Design Method Movement). The textbooks of Jürgen Joedicke 1976 and Jürgen Hartmann 1980 can be described as a summary of planning theory. They introduce analytical instruments to proof and develop the concept of idea in the process of design. Methodologic design education reflects the plurality of different value systems and removes from close ideals and form concepts. The numerous textbooks published between 1980 and 1990 (Wolfgang Döring / Hans H. Hofstadt 1981, Friedrich Christian Wagner 1981, Rudolf Wienands 1985, Wolfgang Meisenheimer 1988) discover again design and establish on the grounds of perception theory a common design vocabulary. Herein they do not relate on the tradition of architecture theory (Wölfflin, Schmarsow) but on gestalttheory (Ehrenfels), experimental psychology (Schilder, Metzger, Piaget) and art theory (Wittkower, Arnheim), introduced into the dicussion in the Federal Republic via USA. With help of these disciplines the textbooks present scientific criteria for the evaluation of formal qualities throughout the process of design. During the nineties the discussion about giving reason for design decisions acknowledges the creative autonomie of the designer, who questions patterns of perception by deconstruction. Architecture textbooks from 1990 to 2004 (Horst Ermel 1999 / 2004, Johannes Kister 2001, Michael Wilkens 2000) work against the optionality of pure formalism in design. The understanding of use as integrative function (Hertzberger) and of material in relation to construction and tectonic dominates the textbooks. Here specific attention is given to the translation of internal building patterns into outer appearance (Kollhoff). Not originality and inovation is first goal of design now, but continous development of the exisiting. The holistic understanding of design in premodernism is still refelcted in the textbooks in the fifties. Following publications interpret design according to their specific interests. Hereby the genuine tradition of design and an intergration of architecture theory is neglected. All textbooks reflect the effort to overcome the friction with the genuine tradition in architectural design caused by modernism. Only the integrative observation of all textbooks reveal all critcal elements of design.