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Bauforschung an der Pfarrkirche St. Marien in Berlin-Mitte

Beiträge zu ihrer mittelalterlichen Baugeschichte

Sonnleitner, Andrea

Die Erforschung der Baugeschichte der Marienkirche am Alexanderplatz war bislang erst in Ansätzen begonnen. In dieser Arbeit wird erstmals ihre Errichtung und Erweiterung bis zur Einführung der Reformation in Brandenburg im Jahr 1539 detailliert dargestellt und nachvollziehbar zeitlich eingeordnet. Möglich wurde dies durch von der Autorin seit 2009/10 sanierungsbegleitend durchgeführte Bauforschung und die umfassende Revision und Neuerschließung schriftlicher und bildlicher Quellen. Am bestehenden Kirchenbau lassen sich neun Bauphasen unterscheiden. Sechs davon betreffen den in horizontal übereinander liegenden Etappen errichteten Westturm, die anderen drei die in jeweils einem Zug erfolgte Errichtung von Langhaus, Chor und Alter Sakristei. Durch eindeutige Baufugen mit stumpf anstoßendem Mauerwerk konnte bewiesen werden, dass das durch schräg gestellte Eckstrebepfeiler markierte dreischiffige kreuzgewölbte Hallen-Langhaus, entgegen der gängigen Meinung, der älteste Bauteil der Kirche ist. Bei der Auslegung des Grundrisses wurde mit einer erstaunlichen Genauigkeit in der Ausführung der rechten Winkel und unter Einhaltung eines Moduls von genau 8 m vorgegangen. Die Langhauspfeiler liegen hingegen nicht auf den gleichen Querachsen wie die von Anfang an mit den Wänden errichteten Strebepfeiler. Das spricht für eine Planänderung oder –anpassung, die erst nach der Ausführung der Wände erfolgte. Vermutlich blieb der Vorgängerbau innerhalb des Neubaus stehen bis dieser unter Dach war. Diese Beobachtung sowie die gut begründbare Datierung des Backsteinbaus mit teils hohen Feldstein-Unterwänden und Kalksteindetails auf erst ab 1290 und nicht schon um 1270 untermauern archäologische Befunde, die auf einen Vorgängerbau aus Feldstein aus der 1. Hälfte des 13. Jhd. hinweisen. Die aufgrund einiger heterogener Gestaltungsmerkmale und der vergleichenden Einordnung der Backsteinformate anzunehmende lange Bauzeit des zunächst vermutlich flach geschlossenen Langhauses war wohl erst um 1340 endgültig abgeschlossen. Bauphase 2 umfasst den um 1395 erfolgten Bau des einschiffigen eingezogenen Chors und des in seiner Gestaltung darauf Bezug nehmenden Ostgiebels. Im Vergleich zum Langhaus fällt – bei grundsätzlicher Beibehaltung der Bauweise mit über den eigentlichen Sockel hinausgehenden Obersockeln aus Feldsteinen und darüber folgendem Backsteinmauerwerk – die zwischenzeitlich erlangte Perfektionierung der Mauertechnik und die viel größere Schmuckfreudigkeit auf. Völlig unbekannt war bislang, dass der Chorraum durch einen Lettner vom Langhaus abgegrenzt war. Die abgeschlagenen Ansätze des mit dem Chormauerwerk errichteten Lettners und seitliche Nischen mit Treppensturz sind unter dem Wandputz erhalten. Mit dem Anbau des Chors wurde das unmittelbar anschließende östlichste Gewölbefeld des Mittelschiffs abgebrochen und durch ein in der Region seltenes Springgewölbe ersetzt, das den darunter befindlichen Laienaltar betonte. Im ersten Drittel des 15. Jhd. wurde die Erweiterung der Kirche in Richtung Westen begonnen. Innerhalb von drei Bauphasen entstanden bis 1437 unter maßgeblicher Beteiligung von Meister Michel von Görlitz eine Verlängerung des Langhauses und der untere Teil eines auf Pfeilerarkaden ruhenden mittleren Einturms mit Seitenhallen. Die dreischiffige Turmhalle war nach Entfernung der früheren Westwand zum Langhaus geöffnet. Der Westbau einschließlich des ersten Turmobergeschosses wurde als Feldsteinbau mit Kanten und Ausgleichslagen aus Backstein sowie Zier- und Ausbauelementen aus Kalkstein errichtet. Bevor man am Turm weiterbaute, wurde um 1440/50 als Bauphase 6 vor dem zweiten Joch der Südfassade die Alte Sakristei angebaut. Mit einem 1818 abgebrochenen und daher nicht näher datierbaren mittelalterlichen kapellenartigen Anbau an der Nordseite erreichte die Kirche die größte flächenmäßige Ausdehnung während des Mittelalters. In der zeitlich nahen, eventuell zum Teil überschneidenden Bauphase 7 wurden vermutlich von Meister Steffen Boxthude das Gewölbe des Westanbaus mit jochbezogenen Parallelrippengewölben und einem erweiterten Knickrippenstern im Mittelschiff des verlängerten westlichsten Langhausjochs sowie der Großteil des zweiten Turmobergeschosses ausgeführt. Die äußeren Mauerschalen dieses Geschosses von um 1450 und des in Bauphase 8 um 1490 aufgesetzten obersten Turmgeschosses bestehen aus Kalkbruchsteinmauerwerk mit Hintermauerung aus Backsteinen, wobei sich die jeweils verwendeten Steinformate signifikant voneinander unterscheiden. Unmittelbar nach einem 1518 im Turm entfachten Brand wurden in Bauphase 9 die im Wesentlichen bis heute erhaltenen Dachkonstruktionen neu aufgebaut. Die Neigung dieser Dächer ist steiler als die der vorherigen. Außerdem wurde die Turmtraufe erhöht, sodass die Pultdächer der Turmseitenhallen als Verlängerung des Langhausdachs erscheinen. Damit erhielt die Marienkirche bis auf spätere Anbauten und den Turmaufsatz von Langhans ihre heutige Gestalt.
The investigation of the building history of St. Mary’s church on Alexanderplatz was only in the beginning so far. This thesis explains and dates its construction and expansion until the introduction of the Reformation in Brandenburg in 1539 for the first time in a detailled and argumented way. This became possible by accompaning building archaeology during its renovation since 2009/10 and a revision of the known and research for new source material. There are nine phases of construction. Six oft them concern the tower which was built in clearly different horizontal layers. The other three apply to the erection of the nave, the choir an the old vestry that each took place in just one though partly long-lasting process. Contratry to the popular view the clearly adjoining brickwork of the choir proves that the aisled and cross-vaulted nave was built first. The layout of the nave was carried out in remarkably accurate right angles using a module of exactly 8m. But the piers of the nave do not correspond to this system. They are not on the same traverse axis with the buttresses. This points to a modification or adjustment of the original plan. Presumably a predecessory church remained in function within the walls of the larger new building until it was roofed. This observation alongside the well-proofed dating of the brick-structure with partly high rising lower sections made of field-stone and details of limestone not earlier than around 1290 underline archaeological evidence of a predecessory structure of field-stone dating in the first half of the 13th century. Several distinct features in the shaping of the building and the dating of the bricks that changed in size during the process of the construction give some reason to believe in a comparatively long duration of the building process. It was finalised only around 1340 and resulted most likely in a rectangular church with flat eastern termination. In phase 2, which took place around 1395, the single-nave choir and the eastern gable of the nave were built. The walls are again made of brick and a base of field-stone but in comparison to the nave, it is carried out with far more elaboration and adornment. Completely unknown until now was the existance of a rood screen separating the chancel from the nave. Under the partly removed plaster of the chancel-walls beaten off brickwork on its points of attachment and walled up niches beside them came into light. They prove that the rood screen was an original part of the choir. The addition of the choir lead to the replacement of the adjoining cross-vault of the nave by a so-called Springgewölbe which is rare in the region. The rich arrangement of the ribs with two keystones in one vault pointed out the altar of the laymen situated beneath. In the first third of the 15th century the enlargement of the western parts of the church was beginning. In three phases until 1437 and under substantial participation of master Michel of Görlitz the nave was elongated and the lower parts of the single tower with flanking sidehalls were erected. The aisled hall in the floor-ground of the tower was open to the nave because the old western wall was completely torn down. These first parts of the tower are made of field-stone with edges in brick and additional parts in limestone. Before the tower was finished the old vestry on the southside was added in phase 6 around 1440/50. Another chapel-like annex on the northside completed the church in medieval times but remaines undated and undescribed because it was pulled down in 1818. Shortly after or partly during the building of the old vestry master Steffen Boxthude vaulted the new western parts with rectangular and stellar vaults and added the major parts of a third floor to the tower. The outside of these walls from around 1450 are made of limestone with backings of brickwork. The same material was used for the upper floor of the tower which was erected later around 1490 as phase 8. One can easily distinguish phase 7 from phase 8 because of the very different sizes of both stones and bricks. After a fire in 1518 all the roofs had to be rebuilt in phase 9. The nearly fully preserved wood-constructions were erected more steep and the eaves ot the tower were raised. Since then the roofs of the sidehalls of the tower look like an elongation of the nave’s roof. This gave the characteristic shape to the church we know today apart from the clearly non-medieval later annexes and the top of the tower by Carl Gotthard Langhans.