Loading…
Thumbnail Image

Arzneimittelversorgung in der GKV und 15 anderen europäischen Gesundheitssystemen

Ein systematischer Vergleich

Busse, Reinhard; Panteli, Dimitra; Henschke, Cornelia

Working papers in health policy and management

Die Arzneimittelversorgung für gesetzlich Krankenversicherte und im Speziellen die Problematik der Bildung der Erstattungspreise bleibt auch nach den jüngsten gesetzlichen Änderungen in Deutschland ein zentrales Thema der gesundheitspolitischen Diskussion. Aktuell werden Erstattungsbeträge für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zwischen GKV-Spitzenverband und pharmazeutischen Unternehmen im Rahmen der AMNOG-Verhandlungen vereinbart. Grundlage dieser Verhandlungen sind die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses über den Zusatznutzen eines neuen patentgeschützten Arzneimittels. Für Arzneimittel ohne festgestellten Zusatznutzen, die einer Festbetragsgruppe zugeordnet werden können, finden diese Verhandlungen nicht statt. Das übergreifende Ziel der Studie ist es, die Arzneimittelversorgung auf Grundlage eines systematischen Ländervergleichs anhand ausgewählter Kriterien darzustellen und ein umfassendes Bild der regulatorischen Mechanismen aufzuzeigen, welches die Arzneimittelversorgung in europäischen Ländern im Vergleich zu Deutschland prägt. Im Fokus der vergleichenden Analyse stehen hierbei Regulierungsmechanismen, welche auf die Zulassung, Postlizenzierungsevaluation, Preisbildung und -aktualisierungen, finanzielle Beteiligungen der Patienten, Maßnahmen der Wirtschaftlichkeits- oder Qualitätssicherung sowie Regulierungsmechanismen für Generika fokussieren. Des Weiteren wird untersucht, wie sich die Preise bedingt durch Regulierungsmechanismen in den Vergleichsländern unterscheiden. Die Studie basiert auf einer umfassenden Stichprobe von 16 europäischen Gesundheitssystemen (Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schottland, Schweden, Spanien und Polen). Um eine grundlegende Informationsbasis für die Vergleichsländer zu beschaffen, wurden quantitative Daten von der OECD, landesspezifische regulatorische Dokumente sowie publizierte und graue Literatur herangezogen. Aufbauend auf der Systematisierung und tabellarischen Darstellung der länderspezifischen Informationen, wurden Experten im jeweiligen Land zum Review dieser Informationen herangezogen. Die Arzneimittelversorgung in der deutschen GKV weist im Vergleich zu den betrachteten europäischen Ländern auch nach den Änderungen durch das AMNOG eine sehr geringe „Verzögerung“ zwischen Marktzulassung eines neuen Arzneimittels und der tatsächlichen, öffentlich finanzierten Nutzung dieses Präparates auf. Eine Erstattungsfähigkeit besteht für praktisch alle Präparate und je Produkt für alle zugelassenen Indikationen, während Einschränkungen auf bestimmte Indikationen oder Patientengruppen in anderen Ländern häufig auftreten. Diese vergleichsweise „großzügige“ Erstattungsfähigkeit von rezeptpflichtigen Arzneimitteln – sowie die verhältnisweise mäßigen Zuzahlungen – spiegeln sich in sehr hohen öffentlich finanzierten Arzneimittelausgaben pro Kopf wider. Auch unter Einbezug der privaten Gesundheitsausgaben weist Deutschland überdurchschnittlich hohe Arzneimittelausgaben auf. Da der Anteil an Generika in Deutschland auf verhältnisweise hohem Niveau liegt, dürfte dies zum einen auf das überdurchschnittliche Preisniveau und zum anderen auf die Nutzung von neuen (und teureren) Arzneimitteln zurück zu führen sein. Insgesamt sieht sich Deutschland primär weder vor der Herausforderung einen besseren Zugang zu neuen Arzneimitteln zu gewährleisten, noch niedrigere finanzielle Hürden für Patienten einzuführen. Kosten und Qualitätsaspekte verdienen weiterhin die meiste Aufmerksamkeit. Um den „Value for Money“ zu erhöhen, könnte eine gezieltere Nutzungsteuerung bei neuen Arzneimitteln etwa durch eine Differenzierung der Erstattungsfähigkeit erwogen werden. Da die Nutzenbewertung bereits auf der Ebene von Subgruppen stattfindet, liegen die hierfür notwendigen Informationen vor und können bei der Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit (und nicht nur über den Erstattungspreis) genutzt werden.
Pharmaceutical care in the statutory health insurance system remains among the main topics in the health policy debate in Germany, not least regarding the benefit-oriented pricing and reimbursement amount negotiations introduced by the most recent changes in legislation. Prices for newly authorized pharmaceuticals are to depend on patient benefit. The Federal Joint Committee determines whether new patented pharmaceuticals have an additional benefit compared to existing alternatives and what it amounts to. Reimbursement amounts are agreed on by the manufacturers and the Federal Association of Sickness Funds (AMNOG negotiations), unless no additional benefit has been demonstrated and the pharmaceutical can be incorporated into a reference price group. The objective of this systematic country comparison was to contextualize pharmaceutical care in the statutory health insurance system in Germany by illustrating its main characteristics and underlying regulatory mechanisms in relation to other European health systems. The investigation spans measures related to marketing authorization; pricing and price updates; post-marketing evaluations guiding coverage decisions (health technology assessment); patient cost-sharing; specific cost and quality control measures targeting individual stakeholder groups (industry, wholesalers/pharmacists, prescribers); generic substitution; and resulting price levels. Including Germany, a sample of 16 European health systems was selected (Austria, Belgium, Denmark, England, Finland, France, Germany, Greece, Ireland, Italy, the Netherlands, Poland, Portugal, Scotland, Spain, and Sweden). Quantitative data from the OECD, country-specific regulatory documents as well as published and grey literature were combined to form an initial evidence base in the form of health system profiles, which were then sent to relevant experts for review and validation. Compared to the other health systems in the sample, pharmaceutical care in the statutory health insurance system in Germany is characterized by a very short delay between marketing authorization of new pharmaceuticals and their statutory reimbursement (i.e. actual patient access), as well as high availability of such products. While in other health systems reimbursement restrictions based on indication or patient group are not uncommon, virtually all authorized products and all authorized indications per product are eligible for reimbursement in the German statutory system. This comparatively generous reimbursement, in conjunction with moderate copayments, is reflected in the public pharmaceutical expenditure per capita, which is among the highest in the sample. Total pharmaceutical expenditure is also relatively high, both per capita and as a share of GDP. Given that the share of generics in Germany is quite high, it is likely that above-average price levels and the utilization of new (and more expensive) pharmaceuticals contribute to this phenomenon. Thus, enabling better access to innovative pharmaceuticals and lowering financial hurdles for patients do not seem to be the main challenges for the German pharmaceutical market. However, cost and quality aspects merit continued attention. To increase value for money, a more targeted utilization control could be considered, for example by differentiating reimbursement eligibility for newly authorized pharmaceuticals. Since benefit assessments by the Federal Joint Committee already consider evidence at subgroup level, the necessary information is already available and could be used to inform decisions on reimbursement eligibility in addition to pricing.
Published by Universitätsverlag der TU Berlin, ISBN 978-3-7983-2767-2 ISSN 1869-6287
  • Gedruckt erschienen im Universitätsverlag der TU Berlin unter ISBN 978-3-7983-2766-5 (ISSN 2197-8123)