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Der „Renner“: Im Eilschritt durchs Glan- und Nahetal.

Von Jörg Julius Reisek

Im Jahre 1833 veröffentlichte Major Julius von Plänckner eine „speciell-topographisch-statistische“ Beschreibung des Herzoglich Sachsen-Coburgischen Fürstentums Lichtenberg, das von 1816-1834 existierte. Dieser nüchtern gehaltenen Landesbeschreibung fügte er Reisebriefe hinzu, die seine Wanderungen durch die Region plastisch schilderten. Der 1791 im altenburgischen Penig geborene Pfarrersohn ist kein Unbekannter. Nach erlebnisreichen Jahren als Militärangehöriger während der Befreiungskriege trat er in den Dienst des Gothaischen Herzogs ein. 1832 wurde er Kommandeur des 2. Battaillons in St. Wendel und zeigte dort mehr geschichtliches als strategisches Interesse. Dort trat er u. a. für die Erhaltung des Mithrasdenkmals in Reichweiler ein. 1842 wurde er Oberst und Regimentskommandeur in Gotha und starb 1848 in Folge eines Schlaganfalles.

Plänckner gilt als der Begründer des Rennsteigtourismus und als Erforscher des Rennsteigs, den er als erster kartierte und in seiner Gesammtheit beschrieb. 1830 erwanderte er den 170 Kilometer langen Kammweg des Thüringer Waldes in fünf Tagen. Biographen errechneten, dass er mit durchschnittlich 5,5 Stunden Gehzeit pro Tag ein Tempo von 5,6 km pro Stunde erreichte (Goethe soll etwa genau so schnell gewesen sein). Seine Wegführung ist noch bis heute gültig und man bezeichnet ihn deshalb als „ersten Renner“ bzw. „Ahnherrn des Rennsteigvereins“, der 1896 gegründet wurde.

Der nachfolgende Text beschreibt die Wanderung durch das Glan- und Nahetal von Meisenheim bis zum Schloss Dhaun. Die über 30 km lange Strecke wurde sicherlich auch mit 5,6 km/h bewältigt.

...So wie man nach Kahlbach [Callbach] herabsteigt wird die Vegetation immer üppiger. Große herrliche Obstbäume begleiten den Weg, und Feld- und Weinbau scheinen sich um den Rang zu streiten. Auch die Gemüse waren viel weiter, als wir sie jetzt gesehen hatten. Mit jedem Schritt bemerkt man, daß man sich dem fruchtbaren Glanthale nähert, das wir kurz vor Meisenheim betraten, wo wir im grünen Baum, bei Ohmberger, ein recht gutes Quartier und billige Bewirthung fanden.

Dhaun, den 4...1831

Meisenheim ist die kleine, aber äußerst freundliche Hauptstadt der Landgräflich-Hessen-Homburgischen Herrschaft gleichen Namens. Sie liegt am linken Ufer des Glans, über welchen, am untern Ausgange der Stadt, eine steinerne Brücke von drei Bögen zum rechten führt, hat 250 Häuser und 2578 Einwohner. Da die Lutheraner und die Reformirten hier noch nicht zu einer gemeinschaftlichen protestantischen Gemeinde vereinigt sind, so findet man eine katholische, eine lutherische und eine reformirte Kirche. Die letztere ist ein sehr schönes Gebäude im gothischen Styl, mit einem hohen, massiven, durchbrochenen Thurme geziert, der nicht wenig zur Verschönerung der Stadt beiträgt. In dieser Kirche sahen wir die Monumente mehrerer hier ruhenden Pfalzgrafen zu Rhein, theils in Stein gehauen, theils in sehr künstlichen Holzschnitzwerk. Hinter derselben liegt das Schloß, von einem, längs dem Glan sich hinziehenden, terrasirten Lustgarten umfasst. Der heutige, abermals schöne Morgen wurde in Meisenheim verlebt. Gegen Mittag reisten wir ab. Der Weg nach Odernheim und von da nach Sobernheim, also ein Theil der Glanstraße, ist eine ähnlich alte Chaussée wie welche wir gestern von Obermoschel bis Meisenheim passirten, ja ein kurzes Stück, bis zum Einfluß des Reifelbachs, ist es derselbe Weg. Er führt am rechten Ufer des Glans hinab, durch bayrisches Gebiet, über Rehborn nach Odernheim. Bei Rehborn ist die schöne neue steinerne Brücke von drei Bögen merkwürdig, weil sie wenigstens 10.000 Fl. [Gulden] kostete, und von der Gemeinde lediglich erbaut wurde, um bequemer nach dem jenseitigen Ufer gelegenen und zu ihrem Bann gehörigen Feldern zu kommen.

Dann gleich darunter, am linken Ende des Dorfes liegt eine zweite, auch noch in gutem Stande befindliche Brücke. Bei Odernheim geht man aufs linke Ufer des Glans über. Hier verließen wir sogleich die Straße, um bei der Niedermühle den Dissibotenberg [Disibodenberg] gerade an seiner steilsten Stelle zu besteigen. Ein weit bequemerer Weg geht von der Straße hinauf, wenn man derselben bis zur Höhe von Staudernheim folgt. Mit dem Dissibotenberg, der die Ruinen eines ehemals hier gestandenen Klosters trägt, endet das Gebirge, welches von der Winterhauch herabsteigend, die Wasserscheide zwischen Nahe und Glan bildet. An seinem Fuße, da wo der Hinterbergerhof steht, geschieht die Vereinigung beider Flüsse. Bei den Ruinen hat man eine herrliche Aussicht, im Glanthal auf- und Nahethal abwärts. Am schönsten ist sie aber im letztern aufwärts, wenn man an den noch stehenden Hauptresten des alten Klosters seinen Standpunkt wählt. Uebrigens ist der ganze Berg mit Feld, Weinbergen und Obstbäumen bedeckt. Wir stiegen nach Staudernheim herab, passirten bei diesem großen Dorf mittels einer hölzernen Brücke, die auf zwei steinernen Wiederlagern und einem steinernen Pfeiler ruht, die hier 100 Schritte breite Nahe, und kamen im Thal derselben aufwärts nach Sobernheim, einem Flecken, wo, außer bedeutendem Feld- und Weinbau, auch viel Taback gezogen wird. Von Sobernheim aus biegt die Hauptstraße über Waldböckelheim nach Creuznach, wir aber setzten unsere Reise längs der Nahe aufwärts fort. Das Thal ist hier sehr breit, reizend und fruchtbar. Links, jenseits des Flusses, bemerkten wir Medersheim (Meddersheim); rechts, ganz nahe, in einem kleinen Seitethal, Monzingen. Beide Orte ziehen, so wie Merxheim, einen herrlichen Wein. Nach Weiler macht die Straße eine große Biegung rechts, um die vom Dorf herabkommende Schlucht zu umgehen. Mittels eines nahen Fußpfades kann man diesen Bogen abschneiden. Ich aber freute mich, der Straße gefolgt zu sein, denn in so üppiger Fülle wie hier hatte ich die Kirschbäume noch nie prangen sehen. In traubenähnlichen großen Büscheln hingen die Früchte an den tief gebeugten Zweigen herab. Alle Bäume waren roth überdeckt und glichen von fern den Ebereschen, wenn sie im Herbst durch ihre Beeren die Zugvögel einladen. Der Ort ist auch wegen seiner Kirschzucht weit berühmt. Bei der Gänsemühle nähert sich die Straße wieder dem Ufer des Flusses. Jetzt schließt sich das breite Thal. Steile Berge treten zu beiden Seiten heran, von welchen der auf der nördlichen, auf schroffen Felsen die alte, in der Revolution zerstörte Burg Martinstein trug. Das Dörfchen gleichen Namens mit seiner an den Felsen gebauten Capelle liegt an dieser Durchspülung, eingezwängt unter den Ruinen, und scheint jeden Augenblick von den noch stehenden Mauerresten und überhängenden Felsen begraben zu werden. Unter den hohen Rosskastanien steht dicht bei der Capelle, auf einem anmuthigen Platze, ein steinernes Crucifix. Alles aber übertrifft der Blick, der sich nunmehr, wenn man mit dem Dorfe das enge Defilée passirt hat, dem Auge bietet. In einer Thalweitung, wo die vom Hunsrück herabkommende Simmer der Nahe zuströmt, schließen die malerischen Ruinen des alten Schlosses Dhaun den Hintergrund. Nicht weit von ihrer Mündung liegen an der Simmer selbst der Friedrichs- oder Simmer-Hammer, an der Nahe der Hochstädter Hammer, dahinter Ober- und Nieder-Hochstädten, und über beiden, hoch auf dem Berge, Johannesberg, eine Kirche [ehemalige Stiftskirche St. Johannisberg], in welcher ein Erbbegräbnis der Rheingrafen war, von der Pfarrwohnung und einigen Häusern umgeben. Rechts bemerkt man Simmern, unten Dhaun, und ein steiler felsiger Berg, der Höllberg [Hellberg, heute Naturschutzgebiet], rahmt dieses herrliche Bild zur Linken ein. Schloß Dhaun zu besteigen, verließen wir die Straße, und schritten rasch auf den Simmerhammer zu. Von da führt einWiesenpfad dem engen grotesken Debouchée der Simmer näher. Hier wird das Terrain unnennbar schön, wahrhaft schweizerisch. Eine hölzerne Brücke, die man passirt, macht den Vordergrund, steile Felsenwände bilden zu beiden Seiten, gleich ehernen Pfeilern, die enge Pforte, aus welcher die schlängelnde Simmer braußt. Auf dem zur Linken stand ehedem die Rothenburg. In der Schlucht liegen nahe hinter einander die Brücken-, Berg- und Hahnenmühle. Ohnfern der zweiten, die auch Spielmanns-Mühle genannt wird, geht ein Pfad links aufwärts, an einigen noch stehenden Mauersteinen der ehemaligen Burg Prunkenstein [Brunkenstein] vorüber, zum Schlosse Dhaun. Während der heutigen Tages hatte sich der Himmel nach und nach bewölkt. Jetzt hallte der Donner zwischen den steilen Felsenwänden wieder, der Regen ergoß sich in Strömen, nöthigte uns die Schritte zu verdoppeln, und statt, meinem frühern Plane gemäß, noch nach Kirn zu gehen, in dem kleinen Dörfchen Dhaun, das die Schloßruine umgibt, bei Herrn Eppelsheim zu übernachten. Er ist Besitzer eines Theils jener Ruinen, ihrer Umgebungen und mehrerer Häuser im Dorfe, wozu auch das Wirthshaus gehört. All diese Besitzungen wurden in der Revolution versteigert.

Oberstein, den 5...1831

Wir haben den ganzen Tag Regen gehabt ... Der Morgen wurde zur Besichtigung der herrlichen Ruinen von Dhaun verwendet ...

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Quelle:

  • Plänckner, Julius von: Die deutschen Rheinlande, oder speciell-topographisch-statistische Beschreibung des Herzoglich Sachsen-Coburg-Gothaischen Fürstenthums Lichtenberg und Geographische Uebersicht der Königlich Preußischen, Großherzogl. Oldenburgischen und Königlich Bayrischen, Landgräflich Hessen-Homburgischen Rheinlande, nebst einem Anhange von Briefen über dieselben von J.[ulius] v.[on] Plänckner, Herzoglich Sachsen-Coburg-Gothaischen Major. Gotha u. Erfurt: 1833.

Überarbeitete Fassung eines Beitrages aus dem Nahelandkalender 2009.

Auswahl-Literatur über das Fürstentum Lichtenberg in der HWZB:

  • Düwell, Kurt: Sachsen-Coburg-Gotha linksrheinisch: Das Fürstentum Lichtenberg (1816/19-1834). 1995. (In: Geschichtliche Landeskunde, Bd. 42)
  • Herzoglich Sachsen Coburgisches Amts- und Intelligenzblatt, 1817-1827.
  • Königlich Preußisches Amts- und Intelligenz-Blatt des Fürstenthums Lichtenberg: vom 1. Januar bis 30. April 1835.
  • Nahmer, Wilhelm von der: Entwicklung der Territorial- und Verfassungs- Verhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins, vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit, oder : Ausmittelung der, im Großherzogthum Hessen, Herzogthum Nassau, in den Königlich Preußischen Regierungsbezirken Coblenz, Trier, Aachen, Cölln und Düsseldorf, und in den rheinischen Besitzungen von Bayern, Oldenburg, Coburg und Hessen-Homburg enthaltenen früheren Territorien, und Einleitung in ihre Geschichte und älteren Staats-Einrichtungen. Ein Handbuch für Staatsmänner, Rechtsgelehrte und Verwaltungs-Beamte. Frankfurt/M. : Sauerländer, 1832.
  • Schneider, Konrad: Das Fürstentum Lichtenberg und die sachsen-coburgische Münzpolitik. 2001. (In: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 27)
  • Stepp, Hartmut: Das Fürstentum Lichtenberg 1816-1834 und sein Verkauf an Preußen. 1984. (In: Westricher Heimatblätter, 1984)

Desweiteren finden Interessierte in der Heimatwissenschaftlichen Zentralbibliothek zahlreiche Beschreibungen des Glan- und Nahetals.

Erstellt: 21.06.2010