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Geschichte von unten

  • Der geschäftsführende Ausschuss des Landesvereins Badische Heimat beschloss in seiner Sitzung vom 14. Mai 1915, "eine Sammlung von Soldatenbriefen" zu "veranstalten". Mit dieser Sammlungsaktion betrat der erst seit wenigen Jahren bestehende Verein für sich Neuland. Doch es war kein unbestelltes Feld, auf dem er sich tummeln wollte. Das Sammeln von Zeugnissen des Krieges, darunter die mit einer großen Authentizität ausgestatteten Feldpostbriefe, konnte schon auf eine längere Tradition zurückblicken, die mit Ausbruch des "großen Völkerringens und der ihm zugeschriebenen welthistorischen Bedeutung einen erstaunlichen Konjunkturaufschwung verzeichnete. Die übersteigerte Euphorie zu Kriegsbeginn hatte sich nach dem Erstarren der Fronten und dem unabsehbarem Ende des Krieges in Ernüchterung und Niedergeschlagenheit gewandelt, auch ausgelöst durch die wachsende materielle Not in der Heimat. Soldaten verschonten dennoch ihre Angehörigen in der Regel mit der Schilderung der unbeschreiblichen Grausamkeit des Stellungskrieges und damit verbunden mit der hohen Wahrscheinlichkeit des eigenen Todes. Die stereotype Wiederkehr beruhigender Formulierungen wie "aber im großen Ganzen geht es mir immer gut" oder "Seid aber ohne Sorgen um mich, denn ich bin gesund und munter", dienten der Beruhigung der Angehörigen daheim, aber auch der eigenen Selbstvergewisserung und Verortung in einer aus den Fugen geratenen Welt. Beide Seiten wussten, dass die Schilderungen wenig, ja oft nicht mit der tatsächlichen Realität übereinstimmten, aber beide Seiten klammerten sich mit Macht an die konstruierte Realität, war sie doch ein Mittel der Sinnstiftung und eine Möglichkeit, der offensichtlichen Sinnlosigkeit des Kriegserlebens zu entfliehen. Insofern spiegeln Feldpostbriefe – so auch die Erkenntnisse der Forschung über die Quellengattung – eine in mehrfacher Weise gefilterte Authentizität wider. Gleichwohl bleiben sie bis heute nachwirkende autobiografische Zeugnisse der ansonsten stummen Kriegsgeneration unserer Urgroßeltern und Großeltern.

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Metadaten
Verfasserangaben:Kurt HochstuhlGND
DOI:https://doi.org/10.57962/regionalia-495
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Badische Heimat
Untertitel (Deutsch):Die Kriegsbriefsammlung des Landesvereins Badische Heimat : Entstehung, Zusammensetzung und Präsentation
Dokumentart:Wissenschaftlicher Artikel
Sprache:Deutsch
Jahr der Erstveröffentlichung:2014
GND-Schlagwort:Freiburg im Breisgau; Landesverein Badische Heimat; Weltkrieg 〈1914-1918〉; Feldpost
Jahrgang:94
Ausgabe / Heft:3
Erste Seite:151
Letzte Seite:161
DDC-Sachgruppen:300 Sozialwissenschaften / 350 Öffentliche Verwaltung / 355 Militär
Systematik der Landesbibliographie:Geistesgeschichte, Bildung, Wissenschaft und Kommunikation / Wissenschaft, Forschung und Technik außerhalb der Hochschulen / Vereinigungen zur Wissenschafts- und Kulturpflege
Zeitschriften:Badische Heimat / 94.2014 / Heft 3
Lizenz (Deutsch):License LogoCreative Commons - CC BY - Namensnennung 4.0 International