Dokument: Kausale Strukturen: Fiktion oder Realität? -- Kausale Bayes-Netze von quantenmechanischen Experimenten

Titel:Kausale Strukturen: Fiktion oder Realität? -- Kausale Bayes-Netze von quantenmechanischen Experimenten
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URN (NBN):urn:nbn:de:hbz:061-20220405-095706-7
Kollektion:Dissertationen
Sprache:Deutsch
Dokumententyp:Wissenschaftliche Abschlussarbeiten » Dissertation
Medientyp:Text
Autor: Retzlaff, Nina [Autor]
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Dateien vom 27.03.2022 / geändert 27.03.2022
Beitragende:Prof. Dr. Schurz, Gerhard [Betreuer/Doktorvater]
Prof. Dr. Schrenk, Markus [Gutachter]
Dewey Dezimal-Klassifikation:100 Philosophie und Psychologie
Beschreibung:Sind kausale Strukturen Fiktion oder Realität?
Als Kausalität wird der Zusammenhang zwischen Ereignissen (oder Eigenschaften) bezeichnet, die in einer Ursache-Wirkungs-Relation zueinander stehen. Was Kausalität genau ausmacht und wie sie von anderen Relationen zwischen Ereignissen, z. B. der Korrelation, abzugrenzen ist, wurde bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt. Dennoch liegt es in der Natur des Menschen, Ereignisse nach Ursache und Wirkung zu ordnen. Kausalität ist als Kategorie unseres Verstandes ein Fundament der Erkenntnis. Sie verleiht uns Ordnung und Struktur, ohne sie könnten wir unsere Umwelt nicht verstehen. Eine mutmaßlich evidenzbasierte Gewissheit gegenüber diesen Thesen wird dann ausgehebelt, sobald quantenmechanische Prozesse eine Rolle spielen. Hinsichtlich gewisser quantenphysikalischer Phänomene greifen kausaltheoretische Interpretationen nicht.

In dieser Arbeit wende ich die Theorie der kausalen Bayes’schen Netze (Pearl 2000; Spirtes, Glymour & Scheines 1993) auf quantenmechanische Experimente an, um die metaphysische Grundannahme dieser Theorie, dass stabile probabilistische Abhängigkeiten in der Welt auf zugrundeliegende kausale Strukturen basieren, zu überprüfen. Als Resultat verletzen sie allesamt in den erzeugten Kausalmodellen die kausale Markov-Bedingung, durch welche die metaphysische Grundannahme dieser Theorie zum Ausdruck gebracht wird. Müssen wir in der Konklusion ihre metaphysische Grundannahme aufgeben oder zumindest im Bereich des Quantenkosmos fallen lassen? Oder ist es möglich, die Theorie der kausalen Bayes’schen Netze so zu modifizieren, dass sie auch den Bereich des Quantenkosmos erfasst?

Ich komme zu dem Schluss, dass wir die Theorie der kausalen Bayes’schen Netze (Pearl 2009; Spirtes, Glymour & Scheines 2000) derart modifizieren können, sodass sie auch auf quantenmechanische Prozesse anwendbar ist. Für diesen Zweck sind die Klassen der bis dato als ontologisch real gerechtfertigten Kausalstrukturen um eine weitere zu ergänzen, entweder um die Klasse der interaktiven gemeinsamen Ursachenstruktur (vgl. Schurz 2017) oder um eine Klasse von spezifischen nicht-kausalen Strukturen (vgl. Gebharter & Retzlaff 2018). Eine Erweiterung der kausalen Bayes-Netz-Theorie um die Struktur der interaktiven gemeinsamen Ursache verlangt eine Revision der kausalen Markov-Bedingung, indem ein schwächeres Abschirmkriterium zu formulieren ist, um die Eigenschaften von interaktiven Ursachen mit einbeziehen zu können (vgl. Schurz 2017). Eine Erweiterung um jene nicht-kausale Strukturen würde hingegen das kausale Problem der Quantenphänomene vermeiden, indem sie sich auf die ursprüngliche Markov-Bedingung bezieht. Oder aber die Quantenmechanik ist nur epistemisch wertvoll, da sie zwar die korrekten Prognosen abbildet, allerdings das ontologische Spiegelbild so verzerrt, dass Alternativtheorien wie die Bohmsche Mechanik in Hinblick auf metaphysische Fragestellungen diskutiert werden sollten, um ein angemesseneres Weltbild zu schaffen. Verhält sich der Mikrokosmos so, wie es die Bohmsche Mechanik vermittelt, dann entstehen kausaltheoretische Probleme erst gar nicht.
Quelle:Gebharter, A., Retzlaff, N. (2018): “A new proposal how to handle counterexamples to Markov causation à la Cartwright, or: Fixing the chemical factory”. In: Synthese 197, S. 1467-1486.

Pearl, J. (2000): Causality. Cambridge: Cambridge University Press.

Spirtes, P., Glymour, C., Scheines, R. (1993): Causation, prediction, and search. Dordrecht: Springer.

Schurz, G. (2017): „Interactive Causes: Revising the Markov Condition“. In: Philosophy of Science 84(3), S. 456-479.
Lizenz:In Copyright
Urheberrechtsschutz
Fachbereich / Einrichtung:Philosophische Fakultät
Dokument erstellt am:05.04.2022
Dateien geändert am:05.04.2022
Promotionsantrag am:30.11.2020
Datum der Promotion:13.10.2021
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