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Evangeliar (sog. Limburger Evangeliar) (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 218)

Bibliographische Beschreibung

Bezeichnung
Limburger Evangeliar
Entstehungsort
Reichenau
Entstehungszeit
Anfang 11. Jh.
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
217 (219) Blätter (originales Vor- und Nachsatzblatt aus Pergament nicht mitgezählt)
Format
285 mm x 205 mm
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-2314 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Dombibliothek
Signatur
Cod. 218
Katalogsignatur
Jaffé/Wattenbach: CCXVIII.
Handschriftencensus Rheinland: 1162
Schulten-1980: Kat. 39
Clemen: 8

Überblickbeschreibung

Limburger Evangeliar

Dem Anathema auf Folio 1r zufolge befand sich das Evangeliar im 12. Jahrhundert in einem Kloster Limburg, das wohl als die von Kaiser Konrad II. (1024-1039) 1025 gegründete Benediktinerabtei an der Haardt identifiziert werden muß. Zu einer solchen Stiftung gehörte auch die Ausstattung mit kostbaren Handschriften mit den Texten für die Feier der Liturgie. Konrads Vorgänger, der deutsche König und spätere Kaiser Heinrich II. (1002-1024) z.B. bedachte den Dom des von ihm errichteten Bistums Bamberg mit einer großen Zahl von kostbaren Codices, die er in der Schreib- und Malschule der Reichenau in Auftrag gegeben hatte. Ob Konrad an diese Tradition anknüpfen wollte, indem er seiner Klosterstiftung ein Reichenauer Evangeliar aus seinem Besitz übergab (Salier 1992), ist allerdings nicht zu belegen. Um eine Bestellung Konrads für diesen Anlaß kann es sich auf keinen Fall gehandelt haben, da die Handschrift stilistisch schon zu Beginn des Jahrhunderts entstanden sein muß.

Textredaktion, Stil, Ikonographie und Motivik des Limburger Evangeliars sind typisch für die Reichenau. So stimmt nicht nur die Textfassung der vier Evangelienberichte von Leben, Sterben und Auferstehung Jesu - einschließlich der ungewöhnlichen Plazierung des Vorwortes zum Matthäusevangelium und der Leseordnung des Capitulare evangeliorum - weitestgehend mit derjenigen im Evangeliar Ottos III. (996-1002) in München (Bayer. Staatsbibl., Clm 4453) überein, sondern auch die Art der Textillustration (Mütherich 1978). Einerseits war man um eine erstaunlich korrekte Zuordnung von Text und Bild bemüht, ohne die sich daraus ergebenden Probleme des "Lay-out" zufriedenstellend lösen zu können. Das ganzseitige Bild geht immer dem Bericht voraus, so daß der Text bisweilen auf der Mitte einer Seite abbricht und erst nach der Illustration auf der folgenden Seite mit der exakt dem Bild entsprechenden Textstelle fortgeführt wird. Andererseits legte man aber auch Wert auf die Einhaltung der historischen Chronologie der Bildfolge, die in unserer Handschrift mit der Geburt Christi beginnt und mit seiner Himmelfahrt abschließt. Da die Himmelfahrt lediglich von Markus und Lukas, nicht aber von Johannes berichtet wird, bleibt nicht nur das letzte Evangelium, sondern hier sogar das des Lukas ohne Illustrationen. Schon das der Reichenauer Ikonographie zugrunde liegende Evangelistar Erzbischof Egberts von Trier (977-993) (Trier, Stadtbibl., Hs. 24) hatte aus dem gleichen Grund die Bebilderung nach der Pfingstdarstellung einstellen müssen.

Sind auch die Ikonographie und viele Motive durch Vergleiche mit Handschriften der Liuthargruppe - benannt nach dem Schreiber des Aachener Evangeliars Ottos III. (Aachen, Domschatz) - in die Tradition dieser Untergruppe der Reichenauer Schule zweifelsfrei einzubinden, so erlaubt sich der Illustrator unseres Evangeliars doch einige Eigenheiten. Die Evangelistenbilder folgen nicht einem einheitlichen Zyklus, sondern verbinden den ruhig sitzend schreibenden (vgl. Dom Hs. 12; Kat.Nr.76) mit dem in Ekstase inspirierten Autor, wie er z.B. auch in dem Münchner Evangeliar Clm 4453 auftritt. Matthäus hat sein Symbol gegen das Bild des thronend wiederkehrenden Christus (secundus adventus) getauscht, der die traditionell mit dem Evangelisten verbundene erste Ankunft Christi in der Geburt im Überzeitlichen wiederholt - Vergleichbares bietet das Matthäusbild des Reichenauer Evangeliars Clm 4454 (München, Bayer. Staatsbibl.). Bei den drei dem Evangelisten entgegentretenden Männern kann es sich eigentlich nur um Vertreter der Vorfahren Christi handeln, mit deren Aufzählung das Matthäusevangelium beginnt. Möglicherweise liegt dieser ungewöhnlichen Ikonographie das Lorscher Evangeliar (Bukarest, Bibl. Centrala) aus der Hofschule Karls des Großen (768-814) als zu variierende Anregung zugrunde, das in einer anderen Handschrift der Reichenau fast wörtlich kopiert wurde (Darmstadt, Hess. Landes- und Hochschulbibl., Hs. 1948). Der Schule motivisch fremd sind die Stadtarchitekturen als Rahmung bzw. Bekrönung eines Evangelistenbildes, die letztlich aus dem Motivschatz der spätkarolingischen Schule von Reims stammen (Rom, Bibel in S.Paolo fuori le mura, und Paris, Bibl. de l'Arsenal, Ms.1171), und einzelne Figuren wie der das Handtuch reichende Johannes bei der Taufe oder der Petrus freundlich umarmende Engel der Himmelfahrt, die erst in einigen der Liuthargruppe verwandten Handschriften wieder auftreten (Brescia, Bibl. Queriniana, Mbr. F II 1; Rom, Bibl. Vaticana, Barb. lat. 711; Padua, Bibl. Capitolare, Evangelistar des Isidor). Virtuos bedient sich der Illuminator der fremden Vorlagen und des Motivschatzes der Schule und streut sie frei über den Bildgrund. Seine Initialornamentik und seine seltsam substanzlosen, in ungewöhnlich bewegte Gewänder gehüllten Figuren sind in der direkten Nachfolge der beiden Evangeliare Ottos III. denkbar, etwa gleichzeitig mit dem Bamberger Tropar (Staatsbibl., Lit.5).

Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 357-358 (Ulrike Surmann)

Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-2314
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-2314
Lizenzangaben

Die Bilder sind unter der Lizenz CC BY-NC 4.0 veröffentlicht

Diese Beschreibung und alle Metadaten sind unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 veröffentlicht

Klassifikation