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Evangeliar aus St. Maria ad Gradus (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1001a)

Bibliographische Beschreibung

Bezeichnung
Evangeliar aus St. Maria ad Gradus
Entstehungsort
Köln
Entstehungszeit
um 1030
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
222 Blätter (Fol. 11 nicht, 16, 214 und 215 doppelt vergeben)
Format
317 mm x 225 mm
Format
308 mm x 225 mm (Lage 9)
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-2371 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Diözesanbibliothek
Signatur
Cod. 1001a
Katalogsignatur
Handschriftencensus Rheinland: 1200
Bloch/Schnitzler: X

Überblickbeschreibung

Evangeliar aus St. Maria ad Gradus

Das Evangeliar befand sich noch 1752 im Besitz der im vergangenen Jahrhundert (ab 1816) abgerissenen Kölner Kirche St. Maria ad Gradus (Hartzheim 1752), die im Jahre 1057 von Erzbischof Anno II. (1056-1075) geweiht worden war. Ob es zur ursprünglichen, noch im Auftrag Annos angelegten Ausstattung gehörte, ist unsicher. Durch die Jahresringe des originalen Holzeinbandes ist die Handschrift auf jeden Fall nach 1011 und durch die stilistische Einbindung der Miniaturen genauer um 1030 zu datieren. Zusammen mit den Evangeliaren in New York (Pierpont Morgan Libr., M 651) und Bamberg (Staatsbibl., Ms. Bibl. 94) dokumentiert sie innerhalb der Kölner Buchmalerei eine Sonderform, die wegen ihres kostbaren Schmucks als 'Reiche Gruppe' bezeichnet wird und wohl im 2. Viertel des 11. Jahrhunderts entstand.

Motivisch und ikonographisch ist die Handschrift den übrigen Evangeliaren der Kölner Schule eng verbunden. Diese Einheitlichkeit erklärt sich aus der fast normativen Wirkung eines in Köln als Vorlage genutzten Evangeliars, das dem Trierer Gregormeister (tätig gegen Ende des 10. Jhs.) zugeschrieben werden kann (Manchester, John Rylands Libr., Lat. 98). Typisch ist zudem die Ergänzung der kanonischen Vorreden um Hexameter aus Kölner Feder, die das jeweilige Evangelium erläutern, oder die Erweiterung des Bildprogramms um die den Evangelien vorangestellte Maiestas und um das Autorenportrait des Bibelübersetzers Hieronymus als Verfasser der Prologe. Als Quellen sind spätkarolingische Bildtypen zu erschließen, die vielleicht schon in einer ottonischen Umformung durch den Gregormeister vorgelegen haben mögen (Bloch/Schnitzler I 1967). Um so erstaunlicher ist der stilistische Bruch, der sich um 1030mit dem Übergang von der vorangegangenen 'Malerischen' zur 'Reichen Gruppe' vollzieht, und der mit dem Einfluß neuer Vorlagen einhergeht. Der sehr vom Malgestus geprägte Pinselstrich der früheren Miniaturen wird von konstruierter Großflächigkeit abgelöst. Ob der Stilwandel auf einen unter Erzbischof Pilgrim (1021-1036) verstärkten Einfluß Reichenauer Malerei zurückzuführen oder vielleicht eher den allgemeinen Stiltendenzen der Zeit verpflichtet ist, muß hier offen bleiben. Die im Hillinus-Codex (Dom Hs. 12, Kat.Nr.76) dokumentierte Präsenz Seeoner und Reichenauer Tradition hat keine meßbaren Konsequenzen in der Kölner Malerei bewirkt - wenn man von der für die Schule ungewöhnlichen L-Initiale zum Lukasprolog unserer Handschrift (116r) absieht. Ikonographisch weichen vor allem die Evangelistenbilder der 'Reichen Gruppe' von denjenigen der älteren Kölner Handschriften ab. Die neuen Bildquellen liegen in Byzanz und spätkarolingischer Buchmalerei aus der Zeit Karls des Kahlen (840/843-877). Nur vage zu erschließende Parallelen reichen von Süddeutschland über Mainz bis nach Trier (Bloch/Schnitzler I 1967) - sie streifen nicht die Reichenau - und lassen keine eindeutigen Abhängigkeiten erkennen. Mit dem abrupten Ende der 'Reichen Gruppe' verlieren auch die neuen Vorlagen an Einfluß.

Insgesamt bestimmen die delikate Farbigkeit und die kostbaren Materialien den Eindruck der Handschrift. Der Ausstattung stehen jedoch Schwächen in der Ausführung des Textes gegenüber, die Probleme in der Zusammenführung von Text und Bild deutlich machen. Der bis auf Folio 121v-122r gute Erhaltungszustand, die Textauslassung auf Folio 179v und Mängel des 'Capitulare evangeliorum' (Beissel 1898) legen die Vermutung nahe, daß das Evangeliar nicht zum lesenden Gebrauch bestimmt war, sondern vielleicht als "Schwurbibel" Verwendung fand (Schönartz 1975).

Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 369-372 (Ulrike Surmann)

Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-2371
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-2371
Lizenzangaben

Die Bilder sind unter der Lizenz CC BY-NC 4.0 veröffentlicht

Diese Beschreibung und alle Metadaten sind unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 veröffentlicht

Klassifikation