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Biblia sacra (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1)

Bibliographische Beschreibung

Handschriftentitel
Bibel
Entstehungsort
Tours
Entstehungszeit
zwischen 857 und 862 (?)
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
382 Blätter (nach fol. 20 fehlt ein ungezähltes Blatt; Schluss unvollständig)
Format
498 mm x 358 mm
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3052 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Dombibliothek
Signatur
Cod. 1
Alternative Signatur
Dom Hs. 1
Katalogsignatur
Jaffé/Wattenbach: I.
Frühere Signatur
Darmst. 2003
Katalogsignatur
Handschriftencensus Rheinland: 964
von-Euw: 4.
Alternative Signatur
Köln, Dombibliothek Hs. 1
Katalogsignatur
HMML Microfilm-No.: 34,984

Überblickbeschreibung

Bibel

Um bessere Ausbildung des z.T. analphabetischen Klerus bemüht, forderte Karl der Große ( 768-814) in einem Rundschreiben aus dem Jahr 789 die Einrichtung von Schulen an Klöstern und Bischofssitzen. Die für die Lehre notwendigen Bücher sollten in einer gut lesbaren Schrift geschrieben und der Text orthographisch und grammatikalisch korrekt wiedergegeben sein. Im Rahmen dieses verordneten geistigen Neubeginns nahm man sich in verschiedenen Skriptorien auch der Bibel an. Zu einem Zentrum der Produktion entwickelte sich das Martinskloster in Tours, in dem unter Abt Alkuin von York ( 796-804) und seinen Nachfolgern zahlreiche Pandekten hergestellt wurden, in denen die Einheit von Altem und Neuem Testament durch die Beschränkung auf einen Band sinnfällig werden sollte. Noch heute sind ca. fünfzig Exemplare nachweisbar, die sich durch große Einheitlichkeit in Aufbau, Beiwerk (Capitula, Prologe) und Ausstattung auszeichnen. Der Text selber wurde wohl keiner grundlegenden Revision unterzogen. Vielmehr scheint Alkuin sich unterschiedlicher, in der Gegend von Tours gebräuchlicher Textvarianten bedient zu haben, die in voneinander abweichenden Vorlagen den Schreibern zur Verfügung standen. Dabei beschränkte er sich jedoch auf die Vulgata, die lateinische Bibelübersetzung des hl. Hieronymus ( 347/348-419/420), und schloß altlateinische Fassungen aus, während er für den Psalter die auch in der karolingischen Hofschule gebräuchliche gallikanische Textvariante wählte ( Fischer 1971). Unter seinen Nachfolgern wurde die Textredaktion mehrfach überarbeitet und ergänzt, z.B. um den apokryphen Paulusbrief an die Laodizener ( 369r), der erst seit der Amtszeit von Fridugisus (gest. 834) in den touronischen Bibeln nachzuweisen ist.

Die große Produktivität des touronischen Skriptoriums setzte eine straffe Organisation voraus. Das einheitliche Erscheinungsbild der Bibeln wird durch die annähernd gleiche Größe der Codices, die konstanten Abstände der Liniierung, die fast immer gleichbleibende Zeilenzahl und die Homogenität der Schrift garantiert, die die Unterscheidung von Schreiberhänden selbst innerhalb einer Handschrift erschwert. Die Hierarchie der Schriftarten ist normiert: Capitalis Quadrata für die Titel und Initialen, Rustica für die Explicits, Halbunziale für die auf die Initialen folgenden Zeilen, Minuskel für den Text. Die Initialen folgen zwei verschiedenen Typen: bei den größeren werden die umlaufenden, meist goldenen Randbänder miteinander verflochten, während sich die etwas kleineren durch üppig rankende Ziermotive auszeichnen, die aus dem Buchstaben hervorwachsen ( Koehler 1963). In der Kölner Bibel kommt ein weiterer Typus hinzu, bei dem die breiten Buchstabenkörper mit farbigen und goldenen Ranken gefüllt sind (z.B. 327v). Die einzelnen Bücher beginnen meistens auf einer neuen Seite, wenn möglich sogar auf einer neuen Lage, was die Aufteilung unter mehrere, wohl bis zu 24 Schreiber erleichterte. So ist z.B. in Dom Hs. 1 die Zeilenzahl auf Folio 117v erhöht, um den Text noch in dieser Lage abschließen zu können ( Collegeville 1995 ). Die Reihenfolge der Bücher, Prologe und Capitula ist zudem relativ konstant, wenn sie auch in der Kölner Bibel zu späterer Zeit durch eine neue Bindung verändert wurde. Die zu diesem Zweck erstellte Lagenzählung, die dem Buchbinder die Arbeit erleichtern sollte, ist nicht vollständig. Vermutlich fehlt ein Doppelblatt (nach der späteren Zählung bV/cV), das ursprünglich den Beginn des Codex bildete ( Collegeville 1995 ). Wenn man schließlich bedenkt, daß zur Herstellung einer solchen einbändigen Bibel bis zu 200 Tiere ihr Leben lassen mußten, wird auch der wirtschaftliche Faktor eines derartigen Unternehmens deutlich.

Die Kölner touronische Bibel Dom Hs. 1 wurde dem Dom von Erzbischof Hermann I. ( 889/890-924) gestiftet ( 1r), doch wird sie früher entstanden sein. Genaue Anhaltspunkte für die Datierung gibt es nicht. Weder die eng verwandten Evangeliare der Slg. Chester Beatty in Dublin (Cod. 8) und der Nationalbibliothek in Paris (Lat. 267) noch das Fragment in Dijon (Archives de la Côte-d'Or, no. 494) geben Hinweise auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung. Die im Vergleich zu den hypothetisch früheren Handschriften kraftloser aus den Initialen hervorwachsenden Ranken und Stauden werden als Zeichen zunehmenden Qualitätsverlustes gedeutet, der als Reaktion auf die seit 853 stattfindenden Normanneneinfälle gilt ( Koehler 1963). Die Kölner Bibel wird daher in die erste Ruheperiode zwischen den verschiedenen Zerstörungen dieser Zeit um 857-862 datiert.

Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 158-160 (Ulrike Surmann)

Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3052
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3052
Lizenzangaben

Die Bilder sind unter der Lizenz CC BY-NC 4.0 veröffentlicht

Diese Beschreibung und alle Metadaten sind unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 veröffentlicht

Klassifikation