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Graduale (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1150)

Bibliographische Beschreibung

Sammeltitel
Graduale
Entstehungsort
Köln, St. Klara
Entstehungszeit
gegen 1360
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
307 Blätter [mehrere Foliierungen, s. unten Anm. d. Bibl.]
Format
457 mm x 314 mm
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3778 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Diözesanbibliothek
Signatur
Cod. 1150
Katalogsignatur
Handschriftencensus Rheinland: 1280

Überblickbeschreibung

Graduale

Die Handschrift wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Kölner Dominikanerinnenkloster St. Gertrud am Neumarkt in Köln geschaffen, das in den 1280er Jahren in diesen Orden inkorporiert worden war. Stützen kann sich diese Aussage zum einen auf die im Anschluß an das Formular für die Kirchweihe eingefügte Sequenz für die heilige Gertrud (155v-156v). An dieser Stelle findet sich traditionell eine Würdigung des betreffenden Kirchenpatrons. Im 'Proprium de sanctis' (Heiligenfeste) ist zum anderen auf Folio 169v das Fest der heiligen Gertrud mit vollem Meßformular und Bildinitiale ausgestattet. Diese zeigt die Heilige mit Äbtissinnenstab und Buch sowie einem pelzverbrämten Fürstenhut, der attributiv auf ihre vornehme Abkunft verweist.

Maßgeblich für die Datierung der Handschrift ist der auf Folio 199v im 'Commune sanctorum' (Feste für bestimmte Gruppen von Heiligen) dargestellte betende Mönch, den eine Beischrift als Iohannes de Bacheym cantor ausweist. Dieser urkundlich im Kölner Benediktinerkloster St. Pantaleon nachzuweisende Mönch führte ab 1343 den Titel eines Kantors und verstarb vor 1385. Ältere Forschungshypothesen sahen in Johannes de Bachem den Schreiber und Illuminator der Handschrift, doch ist er nach Maßgabe neuerer Untersuchungen eher als Stifter des Graduales zu identifizieren. In betender Haltung vor der L-Initiale zum Fest eines Märtyrers mit der Darstellung des hl. Pantaleon empfiehlt sich Bruder Johannes dem Patron seines Klosters, wobei seine Funktion als 'cantor' ihn in besonderer Weise für die Stiftung einer für den liturgischen Gesang verwendeten Handschrift prädestiniert haben mag. Vermutlich ließ der Benediktinermönch den von ihm gestifteten Codex im Kölner Klarissenkloster schreiben und illuminieren. Die Nonnen von St. Klara fertigten wiederholt illuminierte Handschriften für Auftraggeber außerhalb ihres Konvents. Nichts weist darauf hin, daß das Graduale im Dominikanerinnenkloster St. Gertrud selbst illuminiert worden wäre. Ein Skriptorium läßt sich zudem in diesem Kloster urkundlich erst Mitte des 15. Jahrhunderts belegen. Diözesan Hs. 150 steht in enger Stilverwandtschaft zu den Einzelblättern mehrerer Gradualien im Kölner Wallraf-Richartz-Museum (Graphische Sammlung; s. Benecke 1995, Kat.Nrn. 17-35, 37-45), an deren Ausstattung laut Eintrag auf einem dieser Blätter die Franziskanerin Loppa von Spiegel (de Speculo) beteiligt war. Diese Nonne des Kölner Klosters St. Klara war auch für ein 1350 datiertes Antiphonar in Stockholm verantwortlich (Kungliga Bibl., A 172). Als Werkstattkennzeichen der Kölner Klarissen sind kleine adorierende Gestalten auf dem linken Blattrand anzuführen, wie sie auch die ausgestellte Handschrift wiederholt zeigt. Eine weitere Gemeinsamkeit sind vegetabile Rankenausläufer, aus denen vielfach Figuren herauszuwachsen scheinen: in der Regel weltliche Musiker, die in der marginalen Bildzone als humoristische Kontrafaktur zur sakralen Musik fungieren. Das Skriptorium der Kölner Klarissen kennzeichnet weiterhin ein klar zu umreißendes Repertoire an Drôleriemotiven, die sich in mehreren Handschriften nachweisen lassen, beispielsweise die auch in dieser Handschrift mehrmalige Darstellung einer Glucke oder eines Hahns mit Küken und einem Käfig (16r, 178r, 189r) in der "bas de page"-Zone.

Gegenüber den mit Loppa von Spiegel zu verbindenden Handschriften belegt das ausgestellte Graduale eine Reduktion und tendenzielle Erstarrung vegetabiler Zierformen. Vermutlich haben eine oder mehrere in der künstlerischen Nachfolge Loppas arbeitende Nonnen das ausgestellte Graduale illuminiert. Alle skizzierten stilistischen Charakteristika machen eine Datierung der Handschrift in die späten 1350er Jahre plausibel.

Autor des Textes: Markus Müller

[Anm. d. Bibl.: Die Zählung folgt der zeitgenössischen Foliierung in roten römischen Ziffern: 1-156, 157-215 (216-225 irrtümlich übersprungen), 226-240, fortgesetzt durch moderne Bleistiftfoliierung in Klammern bis 293. Die Nachträge zwischen foll. 156 und 157 folgen der frühneuzeitlichen Paginierung 313-358. - Ein Digitalisat von fol. 247r fehlt derzeit.]

Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3778
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3778
Lizenzangaben

Die Bilder sind unter der Lizenz CC BY-NC 4.0 veröffentlicht

Diese Beschreibung und alle Metadaten sind unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 veröffentlicht

Klassifikation