Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 263

Bibliographische Beschreibung

Sammeltitel
Antiphonar
Entstehungsort
Köln
Entstehungszeit
um 1310
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
396 Blätter
Format
435 mm x 310 mm
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-8735 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Dombibliothek
Signatur
Cod. 263

Überblickbeschreibung

Zwei Antiphonare

In der Dombibliothek befinden sich zwei Antiphonare für das Chorgebet, die bisher unter zwei unterschiedlichen Provenienzen erfaßt waren (Dom Hs. 263: Dom; Diözesan Hs. 149: St. Maria ad Gradus). Stilistische Ähnlichkeiten bemerkte schon Paul Heusgen 1933 , S. 24). Beim detaillierten Vergleich zeigt sich, daß beide Handschriften nicht nur in demselben Skriptorium gefertigt wurden, sondern darüber hinaus in Inhalt, Bildprogramm und Ergänzungen weitgehend übereinstimmen. Beide Antiphonare umfassen nur den Sommerteil des Kirchenjahres von Pfingsten bis zum 25. Sonntag nach Pfingsten. Sie müssen im Wechsel mit zwei heute nicht mehr nachweisbaren oder noch nicht identifizierten Winter-Bänden im Dom für den Offiziumsgesang gedient haben: In beiden Handschriften ist das Formular für die Kirchweihe innerhalb der Heiligenfeste am Weihetag des Kölner Domes zwischen den Festen des hl. Mauritius und des Erzengels Michael plaziert (Dom Hs. 263, 168v; Diözesan Hs. 149, 155r ).

Die Hochfeste des Kirchenjahres (Pfingsten, Trinitatis, Fest der hll. Petrus und Paulus, Mariä Himmelfahrt) sind mit historisierten Initialen hervorgehoben, die auf den Anlaß des Festes verweisen, während Jakobs Traum von der Himmelsleiter das Fest der Domweihe markiert. In Diözesan Hs. 149 wurde zudem die erste Nocturn des Allerheiligenfestes durch eine historisierte Initiale mit dem lehrenden Christus hervorgehoben (vgl. Holladay 1997, S. 8). Die Illustration zum Kirchweihfest ist ungewöhnlich, man würde hier normalerweise die Darstellung einer Altarweihe erwarten. Vielleicht war dem Initiator des Bildprogramms jedoch eines der Gradualien des aus Valkenburg bei Maastricht stammenden Buchmalers Johannes von Valkenburg bekannt (Bonn, Universitäts- und Landesbibl., S. 84), in dem der Introitus zur Kirchweihe Terribilis est locus iste (Gen 28,17: Wie ehrfurchtgebietend ist dieser Ort!) in eben dieses Bild umgesetzt ist (vgl. Oliver 1978, S. 25). Anders als in den Gradualien war in den Antiphonaren der unmittelbare Textbezug nicht gegeben. Statt dessen eröffnen die Initialen mit Jakobs Traum nun den Anfang des Responsoriums In dedicatione templi. Von den illuminierten Initialen gehen am linken Spaltenrand Zierstäbe mit stark stilisierten Ranken aus, die auf dem Fußsteg von jeweils einem kleinen zweibeinigen Drachen mit Hasen-, Katzen- oder Hundekopf bevölkert werden. Einmal ist ein spielender Hund dargestellt (Diözesan Hs. 149, 14v). In Diözesan Hs. 149 sitzen zudem Vögel auf den oberen Ranken. Es fehlen die für Johannes von Valkenburg typischen kleinen Goldkugeln auf den Spitzen der wellenförmig geschnittenen Rankenprofile, weshalb die Schmuckmotive in Dom Hs. 263 und Diözesan Hs. 149 nur entfernt an dessen anspruchsvollen Buchschmuck in den Gradualien aus dem Jahr 1299 erinnern (siehe Diözesan Hs. 1b, Kat.Nr.88).

Beide Handschriften enthalten im 'Proprium de sanctis' übereinstimmende Ergänzungen aus dem späteren 14.Jahrhundert. Ein besonders markanter Hinweis auf die gemeinsame Überarbeitung in einem Skriptorium ist die jeweils von der gleichen Hand ausgeführte Federzeichnungsinitiale zum Fest des hl. Severin (Dom Hs. 263, 362r; Diözesan Hs. 149, 340r ). Eine zweite Ergänzung erfolgte in beiden Codices im letzten Viertel des 15.Jahrhunderts. Zu Dom Hs. 263 bemerkte Heusgen 1933 ), daß dort die "Initialen mit schlichter Ornamentik nach Weidenbach-Malweise" ausgeführt seien. Aufgrund der Stilanalogien zu den Federzeichnungsinitialen in dem 'Officium defunctorum' Dom Hs. 272 (vgl. Heusgen 1933 , S. 27), das 1478 von Edmund Huydenroyd, Regularkanoniker im Kölner Augustiner-Chorherrenkloster Herrenleichnam, zum Gebrauch der Kölner Domkanoniker geschrieben worden ist, können die Ergänzungen in Dom Hs. 263 und Diözesan Hs. 149 jedoch dem Skriptorium dieses Kölner Klosters zugeschrieben werden. Diözesan Hs. 149 besitzt noch einen Anhang ( 364r-373v ) von 1533, dessen Stil tatsächlich auf das Skriptorium der Kölner Fraterherren verweist (siehe Dom Hs. 274, Kat.Nr.102).

In beiden Handschriften wurde das Fronleichnamsfest erst im letzten Viertel des 15.Jahrhunderts nachgetragen (Dom Hs. 263, 292r ff.; Diözesan Hs. 149, 272r ff. ). Die Verbreitung dieses in Vergessenheit geratenen Feiertages bewirkten die 1317 veröffentlichen 'Clementinen' (kirchenrechtlichen Bestimmungen) von Papst Johannes XXII. (1316-1334). Für den Dom wurde das Fronleichnamsfest 1318 von Gottfried und Hadwig Hardevust gestiftet (Kroos 1979/80). Die erhebliche Zeitdifferenz zwischen Stiftung und Nachtrag wird allgemein mit der Verwendung von kleinen Heftchen erklärt, die den liturgischen Text des neuen Festes enthielten und in bereits vorhandene liturgische Bücher eingelegt wurden (vgl. Rubin 1996, S. 33f.). Eine Datierung vor 1317/18 resultiert auch aus dem der französisch-flandrischen Buchmalerei verpflichteten Stil der Initialminiaturen. Er ist in den näheren Umkreis des sogenannten Bibelmeisters einzuordnen, der zu Beginn des 14.Jahrhunderts (um 1310) die Bibel aus Groß St. Martin (Düsseldorf, Staatsarchiv, Ms. A 5) illuminierte. Der von Gisela Plotzek-Wederhake (1977, S. 69ff.) zusammengestellten Gruppe (Dom Hs. 263; Köln, Archiv des Erzbistums Köln, PfA St. Margareta Brühl, 2 B 36; Darmstadt, Hess. Landes- und Hochschulbibl., Hs. 3116) ist Diözesan Hs. 149 als ein weiteres Werk aus dem gleichen Skriptorium hinzuzufügen (vgl. Kirschbaum 1977, S. 80; Holladay 1997, S. 8). Im Vergleich der unterschiedlichen Geburtsszenen nimmt die historisierte Initiale in diesem Codex eine Mittelstellung zwischen den fast identischen Szenen in Dom Hs. 263, dem Brühler Antiphonar und der motivisch abweichenden Geburt Mariens des Darmstädter Antiphonar-Fragments ein.

Autor des Textes: Johanna C. Gummlich

Zustand und Zusammensetzung

Lagenstruktur
Lagen 12+1, 2-612, 76, 8-94, 10-2012, 2112-1+3, 22-2612, 2710, 288-2, 29-348, 352, 36-376, 386+1, 39-406, 414+2 ?, 4210 ;ursprünglicher Buchblock: Fol. 1-291, 350-355, 375-386 ;
Seiteneinrichtung
Schriftspiegel 350 mm x 215 mm ;Blindliniierung und Liniierung in Tinte; einspaltig, 375v-386v zweispaltig (Hymnen); 12 Textzeilen;

Schrift und Hände

Lateinischer Text in schwarzer und brauner Rotunda, rubriziert;

Musiknotationen

darüber Hufnagelnoten auf Vierlinienschema (C-Linie gelb, F-Linie rot)

Buchschmuck

  • Cadellen mit rotem Mittelstrich; rote und blaue Lombarden mit Federzeichnung; zweizeilige Initialen mit rot-blau gespaltenem Körper, darin pergamentsichtig ausgesparte Ornamente, mit roter und blauer Federzeichnung; historisierte Initialen in Deckfarben (Minium, Blau, Hellviolett, Grau, Weiß) mit Gold und mit Randleisten am oberen, unteren und äußeren Rand des Textspiegels, auf den unteren Randleisten Drôlerien (hüpfende Drachen); in den Ergänzungen des letzten Viertels des 15.Jhs.: Cadellen mit rotem Mittelstrich und vegetabiler Federzeichnung, ab Fol. 348 auch mit Masken und ab Fol. 362 auch einzeilig; mehrzeilige Initialen mit blauem Körper, darin pergamentsichtige ornamentale Aussparungen, und roter Federzeichnung (Maiglöckchen-Fleuronnée, dreilappige Blätter, Schnabelflügelblatt) teils vor grünem Grund mit Fleuronnée-Stäben.

Hinzufügungen

Ergänzungen aus dem letzten Viertel des 15.Jhs.: Fol. 292-349 und 387-396; weitere Ergänzungen: Fol. 356-374; zahlreiche liturgische Notizen des 17.Jhs.

Einband

Einband: Schweinsleder mit Blindprägung über Holz. Mit zwei Rollenstempeln: Kranzrolle und Ornamentrolle; Streicheisenlinien: Rechteck mit Streifenrahmen; Messingbeschläge an den beiden äußeren Ecken (einer fehlt auf der Rückseite) und Lederschnallen (verloren) mit Messingschließen, von denen eine fehlt; aus derselben Werkstatt wie Cod. 274 (um 1600).

Geschichte der Handschrift

Provenienz
Köln, Domstift.

Inhaltsangabe

  • Ar [= V1] Zwischenzeitlich als Innenspiegel auf den Einbanddeckel geklebt, dadurch ist ein unter den Leimresten kaum mehr lesbarer Besitzeintrag in schwarzer Tinte spiegelverkehrt auf den Holzdeckel übertragen worden Hic liber pertinet ad pulpitum [ ] dum in latere p[rae?]posit[i?] . Av [= V2] Nachtrag Gaude Maria virgo - Dum virgo .
  • 1r-2v Titel: Antiphon des nächtlichen Stundengebetes vor Pfingsten Xpistus resurgens ex mortuis ; nachfolgend Antiphonen und Responsorien der Pfingstwoche endend mit Responsorium und Versikel zum Fest der Aposteltrennung.
  • 3r-67av Titel: Proprium de tempore (Pfingstvigil - 25. Sonntag nach Pfingsten).
    • 3r Titel: Hymnus zur Non der Pfingstvigil Incipit: Veni creator .
    • 4v Zierseite. Pfingsten Incipit: D(um complerentur): Herabkunft des Hl. Geistes.
    • 13v Zierseite. Sonntag der Fronleichnamsoktav Incipit: De sancta Trinitate. G(loria tibi Trinitas): Gnadenstuhl.
    • 22r Sonntage nach Pfingsten beginnend mit dem 3. Sonntag nach Pfingsten Incipit: D(eus omnium exauditor est).
    • 67v Ende mit dem 24. Sonntag nach Pfingsten. Der 25. Sonntag folgt ab fol. 375r .
    • 67ar-67av Nachtrag (Papier): Gesänge zum 25. Sonntag nach Pfingsten.
  • 68r-231r Titel: Proprium de sanctis (Marcellinus und Petrus - Kunibert).
    • 68r Fest der hll. Marcellinus und Petrus.
    • 77v Zierseite. Fest der hll. Petrus und Paulus Incipit: Q(uem dicunt homines): Petrus und Paulus.
    • 127r Zierseite. Mariä Himmelfahrt Incipit: V(idi speciosam): Marientod.
    • 148r Zierseite. Fest der Geburt Mariens Incipit: h(odie nata est): Geburt Mariens.
    • 159v Zierseite. Fest des hl. Lambertus.
    • 168v Kirchweihe des Kölner Domes Incipit: I(n dedicatione templi): Jakobs Traum von der Himmelsleiter.
    • 182r Fest des hl. Remigius.
    • 195ar-195av Nachtrag (Papier): Gesänge für die Feste der hll. Ewalde, des hl. Gereon und seiner Gefährten sowie der Thebäischen Legion.
    • 196r Fest des hl. Gereon.
    • 205r Fest der 11000 Jungfrauen.
    • 210v Fest des hl. Severin.
    • 219v Nachtrag der marianischen Antiphon zum Allerheiligenfest Incipit: Gaude Maria virgo .
    • 231r Fest des hl. Kunibert.
  • 261r-291bv Titel: Commune sanctorum beginnend mit dem Commune apostolorum.
    • 266ar-266av Nachtrag (Papier) zu den vorangegangenen und den folgenden Gesängen.
    • 281ar-281av Nachtrag (Papier) zu Incipit: De confessoribus .
    • 291ar-291bv Nachträge (Papier) zu Incipit: De virginibus und Incipit: De mulieribus .
  • 292r-349v Ergänzung aus dem letzten Viertel des 15.Jhs.
    • 292r Fronleichnam Incipit: S(acerdos in eternum) .
    • 298r Fest der Heimsuchung Mariä Incipit: E(xurgens autem Maria) .
    • 304r Translatio der Hll. Drei Könige Incipit: M(agorum presencia Agrippina) .
    • 307r Fest der hl. Anna.
    • 312r Fest der Verklärung Christi Incipit: S(unt de hic stantibus) .
    • 324r Fest Mariä Tempelgang Incipit: F(ons ortorum) .
    • 330v Nachträge zum Fest der Hll. Drei Könige Incipit: M(agorum presencia) mit zahlreichen liturgischen Ergänzungen.
    • 334av Nachtrag (Papier) zum Fest Incipit: B.M.V. ad nives .
    • 339v Suffragia für die Feste zwischen der Pfingstoktav und Advent mit nachfolgenden Doxologien.
    • 348r Fest der Kreuzerhöhung; in der D-Initiale Figur mit Hausmarke und den Buchstaben L G R auf einem Wappenschild, nebenstehend die Initialen F.N.H.
  • 350r-374v Ergänzung des späteren 14.Jhs.
    • 350r Fest der hl. Maria Aegyptiaca.
    • 351r Fest der hl. Helena.
    • 361r Nachtrag O lampas ardens .
    • 362r Fest des hl. Severin.
    • 369r Fest der hl. Elisabeth Incipit: Letare Germania.
  • 375r-386v Bestandteil des ursprünglichen Buchblocks.
  • 375r Ende des Proprium de tempore mit dem 25. Sonntag nach Pfingsten.
  • 375v-386v Titel: Hymnen Incipit: O (lux beata Trinitas) - In Ihesu corona virginum .
  • 387r-396v Ergänzungen aus dem letzten Viertel des 15.Jhs.
    • 387r Fest der hl. Birgitta.
    • 396r Endend mit Schlußgebet Explicit: de sanctis Marco, Sergio et ceterae in locis suis addende sunt .
  • 396v Leer (ursprünglich als rückwärtiger Innenspiegel aufgeklebt).

Bibliographie

  • Handschriftlicher Katalog der Diözesanbibliothek Köln von Paul Heusgen, 1916, Nr. 149
  • Heusgen 1933 , S. 24
  • Kdm Köln 2/III, 1937, S. 28
  • J. Kirschbaum, in: G. Borcher (Hg.), Beiträge zur rheinischen Kunstgeschichte und Denkmalpflege II. Albert Verbeek zum 65. Geburtstag, Düsseldorf 1974 (Die Kunstdenkmäler des Rheinlandes 20), S. 107ff.
  • G. Plotzek-Wederhake, in: Vor Stefan Lochner 1974, S. 59ff., 130
  • Dies., in: G. Bott (Hg.), Vor Stefan Lochner. Die Kölner Maler von 1300-1430, Ergebnisse der Ausstellung und des Kolloquiums, Köln 1977 (Begleithefte zum WRJb 1), S. 62ff.
  • J. Kirschbaum, in: Ebda., S. 76ff.
  • J. Oliver, in: WRJb 40 (1978), S. 23ff.
  • R. Kroos, in: KDB 44/45 (1979/80), S. 61
  • Handschriftencensus 1993, S. 704f. und 754, Nr. 1192 und 1279
  • Himmel Hölle Fegefeuer 1994 , S. 370, Nr. 154 (G. Christen/M. Baltensperger)
  • M. Rubin, in: C. Meier u.a. (Hgg.), Der Codex im Gebrauch. Akten des Internationalen Kolloquiums vom 11.-13.Juni 1992, München 1996 (Münstersche Mittelalter-Schriften 70), S. 31ff.
  • J.A. Holladay, in: Georges-Bloch-Jahrbuch des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Zürich 4 (1997), S. 5ff.

Quellenangabe

  • Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 454-463 (Johanna C. Gummlich) [Digitaler Volltext]
Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-8735
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-8735
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