Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 260
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Psalter
Dieser für das Stundengebet eingerichtete Psalter mit Noten wurde für ein Prämonstratenser-Kloster im deutschen Teil der Diözese Lüttich angefertigt. Die Litanei nennt zahlreiche Heilige, die in Lüttich verehrt werden, während die Responsorien des Totenoffiziums eher an Kölner Gewohnheiten anknüpfen (K. Ottosen, The Responsories and Versicles of the Latin Office of the Dead, Aarhus 1993, S. 164f.). Die Hufnagelnoten und die farbigen Notenliniensysteme waren in Deutschland üblich, doch verwendete man sie auch in Lüttich. Schon früh kam die Handschrift in den Besitz eines Klosters der Kölner Diözese. Einige Seiten wurden ersetzt und Hymnen zu Ehren Kölner Heiliger eingefügt.
Die historisierte Initiale des ersten Psalms stellt den harfespielenden König David als Autor der Psalmen dar (1v). In der oberen Schlaufe der Initiale thront Maria mit dem Kind. Ihr zu Füßen kniet betend ein nimbierter Mönch in weißem Gewand, eine Schriftrolle mit den Worten Hermani Ioseph salve in den ausgestreckten Händen. Der selige Hermann Joseph - ein Prämonstratenser-Mönch - hatte in einer Vision die mystische Hochzeit mit der Jungfrau Maria erlebt und galt daher als zweiter Joseph. Er starb 1241 in dem Prämonstratenserinnenkloster Hoven und wurde in das nahegelegene Kloster Steinfeld in der Eifel überführt (Acta Sanctorum, Aprilis 1, S. 679ff.). Seine Verehrung ist lokal begrenzt und vermutlich auf die Prämonstratenser beschränkt, da er nie heiliggesprochen wurde. Eine ähnliche Miniatur befindet sich in einem in der Mitte des 13. Jahrhunderts für die Prämonstratenser-Abtei Notre-Dame zu Parc in der Nähe von Leuven angefertigten Graduale (London, British Libr., Add. Ms.39678, Fol. 1 ). Es trägt die Schreibersignatur des Bruders Simon von Leuven, der von 1257-1266 Prior von Parc war (In Beeld Geprezen 1989, Nr. 27, S. 112ff.). In der Initiale zum 1. Advent A(d te levavi), mit der die Handschrift einsetzt, kniet wiederum ein weiß gekleideter Mönch vor der thronenden Maria mit Kind. Das Schriftband in seinen Händen ist heute leider unleserlich. Zum Zeichen für seine Aufnahme in das Königreich der Heiligen setzt das Christuskind dem Mönch eine Krone auf das Haupt.
Der Psalter ist - entsprechend der Einteilung nach Wochentagen - mit sieben historisierten Initialen illuminiert. Ihre Illustrationen setzen nach französischem Vorbild den Psalmentext wörtlich um und beziehen häufig die Darstellung König Davids ein. Die zwei singenden Kleriker zu Beginn von Psalm 97 Cantate Domino canticum novum (Singet dem Herrn ein neues Lied), die vor einem Lesepult mit einem offenen Chorbuch stehen, verdeutlichen den damaligen Gebrauch der Handschrift. Der Narr von Psalm 52, der in seinem Herzen die Existenz Gottes leugnet, reitet auf einem Hund. Kleinere Lombarden mit Fleuronnée, wie sie für das späte 13. Jahrhundert typisch sind, kennzeichnen die Psalmen 51 und 109. Mehr Eleganz zeigt dagegen die spätere Filigran-Initiale zur Totenvigil (167r): Sie führt Kreise in Kontrastfarben in das dichte Federfiligranwerk im Inneren der Initiale ein. Solche mehrfarbigen Ornamente waren im frühen 14. Jahrhundert üblich und finden sich ebenfalls in Dom Hs. 183 (Kat.Nr.49).
Die Figuren aus Dom Hs. 260 mit ihren großen gebrochenen Falten und den leicht geschlitzten Augen sind für die französische gotische Malerei aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts charakteristisch. Ihr Stil gleicht dem des Codex McClean 43 aus Cambridge (Fitzwilliam Museum), dessen Miniator in den 1270er Jahren aus dem Artois nach Lüttich kam (Oliver II 1988, Taf.72 und 102). Ähnliche Figuren und sich verjüngende Initialverlängerungen zieren auch eine Gruppe von Antiphonarfragmenten, die heute in Münster aufbewahrt wird (Westfälisches Landesmuseum, Ms. EM 29. 1-27; J. Lammers, Buchmalerei aus Handschriften vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Münster 1982, Nr. 7, S. 24f.; Oliver 1987, S. 395f., Abb. 9; In Beeld Geprezen 1989, Nr. 35, S. 126ff.). Vergleichbare Initialausläufer lassen sich zudem in folgenden maasländischen Handschriften aus der Zeit um 1280 beobachten: einem Dominikaner-Graduale aus Hainault (Düsseldorf, Universitätsbibl., Ms. D. 10a) und einem Lütticher Psalter, der ebenfalls von einem Buchmaler aus Hainault illuminiert wurde (Rochester N.Y., Memorial Art Gall., Ms.53.68).
Dieser maasländische Stil wurde in Köln vorbildhaft: Er prägt die Miniaturen in dem kleinen Psalter einer privaten Sammlung in Neuss und in späteren Handschriften, die für die Franziskaner in Köln hergestellt wurden (Darmstadt, Hess. Landes- und Hochschulbibl., Ms.3116A und Baltimore, Walters Art Gall., Mss. 41 und 111; J.M. Plotzek, Andachtsbücher, Ausst.Kat. Köln 1987, Nr. 9; Oliver 1978). Alle diese Codices sind früher entstanden als das 1299 datierte Graduale des Johannes von Valkenburg in Köln (Diözesan Hs. 1b, Kat.Nr.88), wo die Initialverlängerungen gerahmt sind und Drôlerien einschließen. Eine Datierung von Dom Hs. 260 in die 80er Jahre des 13. Jahrhunderts ist wahrscheinlich.
Zustand und Zusammensetzung
Schrift und Hände
Lateinischer Text in früher schwarzer Textura, rubriziert;
Musiknotationen
Buchschmuck
- Einzeilige Lombarden in Rot und Blau; zweizeilige und mehrzeilige Fleuronnéeinitialen in Rot und Blau; große historisierte Initialen mit Blattranken und langgezogenen Ausläufern in Deckfarbenmalerei mit Gold; Restaurierung mit Papier und Textergänzungen an den beschädigten Rändern.
Einband
Einband: Schweinsleder mit Blindprägung über Holz; Einzelstempel und zwei Rollenstempel: Kranzrolle und Rankenrolle; Streicheisenlinien: Rechteck mit Streifenrahmen; zwei Schließen mit ziselierten floralen Motiven und acht Eckbeschläge (um 1600).
Geschichte der Handschrift
Inhaltsangabe
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1v-116v
Titel: Liturgischer Psalter.
- 1v Ps 1 B(EATUS VIR) : musizierender David/Devotionsbild.
- 17v Ps 26 d(ominus illuminatio mea): David, auf seine Augen zeigend.
- 27v Ps 38 d(ixi custodiam): David, der auf seinen Mund zeigt.
- 36r Ps 51 Q(uid gloriaris).
- 36v Ps 52 D(ixit insipiens): Narr, auf einem Hund reitend.
- 43r Ps 65 I(ubilate Deo).
- 46r Ps 68 S(alvum me fac): David im Wasser und Gott im Firmament.
- 57v Ps 80 E(xultate Deo): David beim Zimbelspiel.
- 69r Ps 97 C(antate Domino): zwei singende Kleriker.
- 81r Ps 109 D(ixit Dominus).
- 113r/v Papier. Ergänzung des verlorenen Textes.
- 119r Späterer Nachtrag.
- 119v Leer.
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120r-135v
Titel: Gesänge zu den Stundengebeten an den Wochen- und Festtagen
, beginnend mit dem Hymnus
Incipit: O (lux beata Trinitas).
- 129v Fest des hl. Georg.
- 133v Fest des hl. Gereon.
- 138r-166v Titel: Antiphone und Responsorien zum Stundengebet, beginnend mit der Kirchweihe Incipit: G(loria tibi Trinitas).
- 167r-211r Titel: Stundengebete zum Commune sanctorum, beginnend mit der Totenvigil Incipit: P(lacebo Domino).
- 216v-217r Nachgetragenes Verzeichnis der Psalmenanfänge.
Bibliographie
- Heusgen 1933 , S. 22f.
- J. Oliver, Mosan Origins of Johannes von Valkenburg, in: WRJb 40 (1978), S. 31 Nr. 27, Abb. 14
- Dies., The French Gothic Style in Cologne: Manuscripts before Johannes von Valkenburg, in: E. Cockx-Indestege/F. Hendrickx (Hgg.), Miscellanea Neerlandica. Opstellen voor Dr. Jan Deschamps, Leuven 1987, Bd.I, S. 394, Abb. 8
- Dies., Gothic Manuscript Illumination in the Diocese of Liège (c. 1250-c.1330), Leuven 1988, Bd.I, S. 159
- In Beeld Geprezen. Miniaturen uit Maaslandse Devotieboeken 1250-1350, Ausst.Kat. Saint Trond, Leuven 1989, S. 112ff.
- Handschriftencensus 1993, S. 703, Nr. 1189.
Quellenangabe
- Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 419-421 (Judith Oliver) [Digitaler Volltext]