Geschäft oder Bildung? : Ambivalenzen im Umgang mit dem europäischen Kulturerbe - das Beispiel Weimar

  • Kategorien wie "nationales" oder "europäisches" Kulturerbe sind [...] nicht selbsterklärend. Immer aber werden sie mit großen Ansprüchen verbunden, sollen "Identität" stiften, zivilgesellschaftliche Normen beglaubigen oder den Bürgern eines bestimmten Landes dessen kulturelle und politische Bedeutung suggerieren. Touristisch vermarktet werden dabei zumeist die ästhetisch ansprechenden, politisch korrekten, also eher die unproblematischen und kulturell angenehmen Überlieferungen. Die negativen Seiten der Geschichte, die verstörenden Ereignisse der Vergangenheit und die Traumata der individuellen wie kollektiven Biographie sperren sich eher gegen eine glatte Nutzung im kulturtouristischen und ökonomischen Sinne. Mit ihnen kann man sich professionell in der Abgeschiedenheit von Akademien und Universitäten leichter beschäftigen als im Streit der öffentlichen Meinungen oder im Kontext touristischer Event-Kultur. [...] Die Tourismusindustrie und deren Werbung setzen immer wieder auf die Beschwörung der Präsenz längst gestorbener Geister. So behauptet beispielsweise das diesjährige Prospekt der "Thüringer Tourismus GmbH" mit dem saisonal bedingten Titel "Schiller lockt", dieser "klassische" Autor sei noch heute an den Stätten seines ehemaligen Wirkens "präsent". [...] In dem vor einigen Jahren erschienenen Sammelwerk "Deutsche Erinnerungsorte" steht auch ein Artikel über "Schiller" [...] Doch wird dort festgestellt, dass Schiller heute kein "deutscher Erinnerungsort" mehr sei, sondern ein Fall für Spezialisten und ein lebendiger Autor für allenfalls einige Hunderttausend Bundesbürger, die regelmäßig ins Theater gehen und dort ab und zu auch ein Stück von Schiller sehen. [...] Die Diskrepanz zwischen der nüchtern, wissenschaftlich konstatierten Bedeutungslosigkeit eines Dichters für das nationale Selbstverständnis der Nation und der emphatischen Behauptung der Tourismusbranche, der Autor sei bis heute präsent, verweist auf spezifische Probleme und Widersprüchlichkeiten im Umgang mit dem kulturellen Erbe, denen ich mich [...] etwas genauer zuwenden möchte, und zwar am Weimarer Beispiel.

Volltext Dateien herunterladen

Metadaten exportieren

Weitere Dienste

Teilen auf Twitter Suche bei Google Scholar
Metadaten
Verfasserangaben:Justus H. UlbrichtGND
URN:urn:nbn:de:hebis:30-1156401
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):Practical aspects of cultural heritage : HERMES Symposium / 27 - 29 Oktober 2005, Krakau - 2005
Dokumentart:Konferenzveröffentlichung
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):05.07.2010
Jahr der Erstveröffentlichung:2005
Veröffentlichende Institution:Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg
Beteiligte Körperschaft:Hermes Symposium (2 : 2005 : Krakau)
Datum der Freischaltung:05.07.2010
GND-Schlagwort:Weimar; Rezeption; Literarisches Leben; Kulturerbe; Geschichtsbild
Seitenzahl:11
Bemerkung:
Überarbeitete, durch einige weiterführende Literaturangaben ergänzte, jedoch nicht erweiterte Version des Krakauer Beitrags.
Quelle:(in:) Practical Aspects of Cultural Heritage : HERMES Symposium / 27 - 29 October 2005, Kraków/PL. - 2005
HeBIS-PPN:234505281
DDC-Klassifikation:8 Literatur / 83 Deutsche und verwandte Literaturen / 830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Sammlungen:Germanistik / GiNDok
Germanistik / GindokWeimar
BDSL-Klassifikation:03.00.00 Literaturwissenschaft / BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.03.00 Studien
Lizenz (Deutsch):License LogoDeutsches Urheberrecht