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Studie zur Industriearchitektur in Leipzig Plagwitz 1870-1914 am Beispiel ausgewählter Bauten

Buhl, Julia Susann

Bei dem Untersuchungsgegenstand handelt es sich um zehn, aus verschiedenen Blickwinkeln möglichst unterschiedliche Objekte der Industriearchitektur. Der überdurchschnittlich gute Erhaltungsgrad der Objekte, die weder durch Kriegsschäden noch durch Umbauten während der Mangelwirtschaft des Sozialismus verändert worden waren, bot sie für eine solche Untersuchung an. Der Untersuchungsraum der Vorort bzw. Stadtteil Plagwitz ist auf Grund des außergewöhnlich musterhaften und seinerzeit einzigartigen Erschließungskonzeptes des Leipziger Industriellen Dr. Karl Erdmann Heine dem sogenannten Erschließer des Leipziger Westens von besonderem städtebaulichen Interesse. Plagwitz war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein kleines unbedeutendes Dorf westlich von Leipzig mit etwa 100 bis 200 Einwohnern. Etwa ab 1850 wurde Karl Heine (1819 1888) aktiv. Er kaufte das sumpfige Areal und begann mit der Trockenlegung. Er ließ Straßen, Brücken, einen Kanal, und ein flächendeckendes Gleisnetz nebst Bahnhöfen anlegen und begann mit der strategischen Vermarktung des Ortes an Industrielle aus aller Welt. Die Industriellen, die sich in Plagwitz niederließen, konnten nicht nur von den so geschaffenen Vorzügen profitieren, sie fanden sich zugleich im fortschrittlichen Klima eines aufstrebenden Industriezentrums unter Gleichgesinnten. Die naheliegende Schlussfolgerung, dass diese Vorreiterrolle im städtebaulichen Bereich auch eine ebenso progressive Entsprechung in der Entwicklung und Umsetzung der hier gebauten Industriearchitektur gefunden hätte, erwies sich im Rahmen der Untersuchung jedoch als nicht zutreffend. Die Plagwitzer Industriearchitektur ist bis weit nach der Jahrhundertwende ebenso durch formalen Konformismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts geprägt, wie in ganz Leipzig, Sachsen und weiten Teilen Deutschland. Der Untersuchungszeitraum ergab sich aus der hier etwa um 1860 einsetzenden Industrialisierung sowie aus der Zäsur, die der I. Weltkrieg für die Deutsche Architektur bedeutete. Die in der Arbeit angewandten Mittel sind eine quellen- und anschauungsorientierte Analyse der Untersuchungsgegenstände sowie eine auswertende Kontextualisierung der Ergebnisse. Hierzu zählte vornehmlich die verarbeitende Sichtung der Bauakten sowie die möglichst genaue Bauaufnahme der noch unsanierten Gebäude. Beides fand neben dem auswertenden Eingang in den Textteil der Arbeit noch einmal Niederschlag im Katalogteil im Anhang der Arbeit. Um die untersuchten Gebäude besser bewerten zu können, wurden verschiedene Parameter verifiziert und einzeln untersucht. Hierzu zählten v.a. eine Einordnung und vier Bautypen Baumeisterbau , Bürgerhaustyp , Palaistyp und Werkstattbau ; außerdem die Gebäudestrukturen: Flachbau, Hallenbau und Geschossbau. Eine gewisse Rolle bei der Ausformung spielten auch die Bebauungschronologie, die Firmenideologie sowie die nachmalige Nutzung der Gebäude. Neben diesen strukturellen Einteilungen wurden formelle Unterscheidungen nach Materialauswahl und Massenstrukturierung bzw. Formgestaltung der Fassaden gemacht. Der Vergleich mit zeitgleich entstandener Industriearchitektur in Leipzig und Sachsen zeigt eine deutlich stärkere Uniformierung der Plagwitzer Gebäude, was u.a. daran lag, dass es hier so etwas wie Hausarchitekten gegeben hat, die ihre Gestaltungen immer wieder generierten. Die Grundannahme der Arbeit, dass es möglich wäre, von sorgfältigen Einzelbeobachtungen ausgewählter Objekte in einem räumlich stark determinierten Bereich (nämlich zehn Einzelobjekten in Leipzig-Plagwitz) auf eine allgemeine Entwicklung der Industriearchitektur in einem größeren Bereich (also der Stadt Leipzig bzw. der Region Sachsen) schließen zu können, ließ sich nicht realisieren. Das Fazit der Arbeit ist, dass es für Sachsen als politisch-gesellschaftliche Einheit keine uniform und synchron verlaufende Entwicklung in der Industriearchitektur im entsprechenden Zeitraum gegeben hat. Die Plagwitzer Industriearchitektur ist vor allem unter den Gesichtspunkten von Interesse, als sie eine besonders geschlossenes, formales Ensemble darstellt; als sie eine einzigartige städtebauliche Erschließung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorführt und außerdem in der versuchten Wiederbelebung und Neuerschließung der Gebäudehüllen aus dem Zeitalter der Industrialisierung im postmodernen Zeitalter neue Wege geht.