Einleitung: Stadt Braunschweig. Kloster Riddagshausen und eingemeindete Dörfer

1. Vorwort, Vorbemerkungen und Benutzungshinweise

1.1 Vorwort

Der vorliegende Inschriftenbestand wurde im Auftrag der Inschriftenkommission der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen erstellt. Die Arbeiten wurden zu Beginn des Jahres 2022 aufgenommen und Ende März 2023 abgeschlossen.

Im Laufe meiner Tätigkeit wurde ich von einer Reihe Pfarrerinnen und Pfarrer, Kirchenvögten, Gemeindesekretärinnen und Ortsheimatpflegern in äußerst freundlicher Weise unterstützt, die mir nicht nur Zugang zu ihren Inschriftenobjekten gewährten, sondern mich auch vor Ort auf meiner Suche nach Inschriften begleiteten sowie mit allerlei Informationen und Literaturhinweisen versorgten.

Des Weiteren danke ich dem Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, namentlich Frau Dr. Regine Marth, herzlichst für die kooperative Zusammenarbeit und den Zugang zu den im Museum befindlichen Objekten.

Zu danken ist ferner den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Niedersächsischen Landesarchivs, Abteilung Wolfenbüttel sowie des Landeskirchlichen Archivs Wolfenbüttel für ihr freundliches Entgegenkommen und der Bereitstellung der für die Bearbeitung erforderlichen Materialien.

Ein großer Dank gilt meinen Kolleginnen und Kollegen der Göttinger Arbeitsstelle, ohne deren Unterstützung der Inschriftenbestand nicht in dieser Form hätte bearbeitet werden können. Dr. Katharina Kagerer hat die lateinischen Übersetzungen geprüft, Irrtümer beseitigt sowie Übersetzungen für die anspruchsvolleren Inschriften angefertigt. Dr. Jörg H. Lampe hat alle Artikel Korrektur gelesen und einer kritischen Überprüfung unterzogen, mich mit wertvollen Hinweisen versorgt und auf Verbindungen aufmerksam gemacht. Bei der Korrektur der Register haben mich neben den Genannten Dr. Daniel Berger, Louisa-Marie Nehmer, M. A. und Ernst Leon Hahne unterstützt. Letzterer erwies sich darüber hinaus als tatkräftige Stütze auf meinen Aufnahmefahrten.

Mein ganz besonderer Dank gilt Dr. Christine Wulf, die nicht nur ihr Vertrauen in mich gesetzt hat, sondern die Entstehung des Inschriftenbestandes durch alle Phasen – von den Aufnahmefahrten bis zum letzten Korrekturgang – mit gutem Rat und tatkräftiger Unterstützung begleitet hat.

Göttingen, im März 2023 Anna Weissmüller

1.2 Vorbemerkungen und Benutzungshinweise

Die vorliegende Edition umfasst die Inschriften der in die Stadt Braunschweig eingemeindeten Ortschaften bis zum Jahr 1650. Sie dient als Ergänzung der beiden bereits erschienen Bänden zu den Inschriften der Stadt Braunschweig, deren topographische Grenze die fünf mittelalterlichen Weichbilder innerhalb der Stadtmauern umfasst.1) Für die Aufnahme der Inschriften gilt das Provenienzprinzip, d. h. es werden nur diejenigen Inschriftenobjekte berücksichtigt, die sich im Bearbeitungszeitrum in den heute zur Stadt Braunschweig gehörenden Ortschaften befunden haben. Aufgenommen wurden sowohl original erhaltene als auch kopial überlieferte Inschriften; dabei ist Vollständigkeit, so weit wie möglich, angestrebt. Die Aufnahme und Anordnung der Inschriften sowie die Einrichtung der einzelnen Artikel folgt den Richtlinien der Interakademischen Kommission für die Herausgabe der Deutschen Inschriften.2) Entsprechend wurden die Inschriften aufgenommen, die auf dauerhaften Materialien angebracht und nicht mittels Feder auf Papier oder Pergament geschrieben wurden. Ferner sind Inschriften, die aus serieller Produktion stammen oder Gegenstand anderer Spezialdisziplinen wie der Numismatik oder Sphragistik sind, ausgeklammert worden.

Der Katalogteil

Die Inschriften sind chronologisch angeordnet. Für undatierte Inschriften wurde eine möglichst enge Eingrenzung ihres Entstehungszeitraums angestrebt. Sie sind jeweils an das Ende des ermittelten Zeitraums gestellt. Konnte ein Terminus post oder ante quem ermittelt werden, ist der Katalogartikel vor oder nach dem nächstliegenden Datum eingeordnet.

Jeder Katalogartikel fasst die Inschriften eines Objekts zusammen. Die Katalogartikel sind untergliedert in Kopfzeile, Beschreibung, Wiedergabe des Inschriftentextes, Kommentar und Apparat.

Die Kopfzeile enthält die laufende Nummer, die Bezeichnung des Standortes und die Datierung(en) der Inschrift(en).

Ein Kreuz neben der laufenden Nummer kennzeichnet Inschriften, deren Original verloren ist.
†? Ein Kreuz mit Fragezeichen steht bei kopial überlieferten Inschriften, deren Original möglicherweise noch erhalten ist, aber nicht zugänglich war und folglich nicht nach Autopsie wiedergegeben werden kann.
um 1500? Ein Fragezeichen bezeichnet eine zweifelhafte Datierung.

Die Beschreibung enthält Angaben zur Ausführung der Inschrift(en) und des Inschriftenträgers, zu seinen früheren Standorten und gegebenenfalls zu den Verlustumständen. Die Beschreibung erfolgt vom Blickpunkt des Betrachters aus, nur für die Wappenbeschreibungen wird entsprechend den Regeln der heraldischen Fachsprache umgekehrt verfahren. Mehrere Inschriften auf einem Inschriftenträger werden mit A, B, C etc. bezeichnet. Für original überlieferte Inschriften werden die Maße des Inschriftenträgers, die Buchstabenhöhe (gemessen ist im Regelfall N bzw. n) und die Schriftart angegeben. Bei kopial überlieferten Inschriften ist die für die Edition maßgebliche Quelle genannt.

Der Inschriftentext ist eingerückt. Die Zeilenumbrüche des Originals werden bei der Wiedergabe der Inschriften nicht eingehalten, sondern durch Schrägstriche bezeichnet. Verse werden auch dann voneinander abgesetzt, wenn das Original den Text fortlaufend wiedergibt. Der originale Zeilenumbruch ist durch Schrägstrich gekennzeichnet.

Befinden sich mehrere mit A, B, C etc. bezeichnete Inschriften auf einem Inschriftenträger, markiert ein Kreuz hinter dem jeweiligen Buchstaben eine im Unterschied zu anderen Inschriften desselben Trägers nicht erhaltene Inschrift.
[ ] Eckige Klammern kennzeichnen bei einer original überlieferten Inschrift Textverlust oder nicht eindeutig erkennbare Buchstaben und schließen die Ergänzungen der Bearbeiterin und aus der kopialen Überlieferung ein.
[...] Eckige Klammern mit Punkten darin bezeichnen Textverlust, bei dem sich die Zahl der ausgefallenen Buchstaben einigermaßen genau bestimmen lässt. Ein Punkt steht jeweils für einen ausgefallenen Buchstaben.
[‒ ‒ ‒] Eckige Klammern mit Strichen darin stehen für Textverlust, dessen Umfang sich nicht bestimmen lässt.
( ) Abkürzungen werden in runden Klammern aufgelöst. Bei der Auflösung der Abkürzungen ist AE- oder E-Schreibung je nach Usus der Inschrift eingesetzt, ebenso U- oder V-Schreibung. Wenn die Inschrift keinen Anhaltspunkt gibt, wird bei AE nach klassischem Gebrauch verfahren, bei U nach dem Lautwert. Punkte auf der Grundlinie oder hochgestellte Punkte nach Abkürzungen werden nur dann beibehalten, wenn die Inschrift durchgehend mit Worttrennern versehen ist. Die Abkürzung einer Bibelstellenangabe innerhalb einer Inschrift wird nicht aufgelöst.
⟨...⟩ Spitze Klammern bezeichnen spätere Nachträge in Inschriften oder schließen für spätere Nachträge freigelassene Stellen ein.
‎/ Ein Schrägstrich markiert das Zeilenende.
‎// Zwei Schrägstriche markieren den Wechsel des Inschriftenfelds.
AE Die Unterstreichung zweier oder mehrerer Buchstaben bezeichnet eine Ligatur.

Fremdsprachigen Inschriften werden Übersetzungen beigegeben. Niederdeutsche Inschriften werden übersetzt, wenn sich ihr Verständnis nicht von selbst erschließt. Runde Klammern schließen in den Übersetzungen Zusätze ein, die dem Textverständnis dienen, aber keine wörtliche Entsprechung im Ausgangstext haben. Im Anschluss an die Übersetzung wird bei metrischen Inschriften das Versmaß und gegebenenfalls die Reimform angegeben. Die Wappenzeile verzeichnet die im Zusammenhang mit den Inschriften überlieferten Wappen. Bei Ahnenproben gibt das Druckbild die Anordnung der Wappen wieder. Die Wappen werden im zugehörigen Anmerkungsapparat beschrieben.

Der Kommentarteil enthält Erläuterungen zu verschiedenen mit der Inschrift oder dem Inschriftenträger zusammenhängenden Fragestellungen. Diese können sich beispielsweise auf Besonderheiten der Schrift oder des Inhalts einer Inschrift beziehen, historische oder biographische Angaben enthalten oder der Erklärung ikonographischer Zusammenhänge dienen.

Der Apparat gliedert sich in Buchstaben- und Ziffernanmerkungen sowie Nachweise der kopialen Überlieferung. Die Buchstabenanmerkungen beziehen sich auf textkritische Fragen der Inschrift. Sie enthalten abweichende Lesarten der Parallelüberlieferung, soweit diese relevant sind, und weisen auf orthographische Besonderheiten oder fehlerhafte Stellen in der Inschrift hin. Die Ziffernanmerkungen enthalten Erläuterungen und Literaturnachweise. Die am Schluss des Artikels aufgeführten Literaturangaben stellen in chronologischer Folge die wichtigsten kopialen Überlieferungen sowie ältere Editionen und Abbildungen der Inschrift zusammen. Vollständigkeit ist hier nicht angestrebt. Ist die Inschrift lediglich kopial überliefert, steht an erster Stelle die Quelle, nach der die Inschrift ediert wird.

2. Das Bearbeitungsgebiet

Zwischen 1931 und 1974 wurden in die Stadt Braunschweig insgesamt 30 Ortschaften eingemeindet, die sich in einem Umkreis von wenigen Kilometern um das alte Stadtgebiet erstrecken. Ein Großteil der Gemeinden stammt aus dem ehemaligen Landkreis Braunschweig, der im Zuge der Niedersächsischen Gebietsreform am 01. März 1974 aufgelöst und auf die Stadt Braunschweig sowie die umliegenden Landkreise Wolfenbüttel, Peine und Helmstedt aufgeteilt wurde. Neben den acht bereits seit 1931 (Veltenhof) bzw. 1934 (Gliesmarode, Lehndorf, Melverode, Ölper, Querum, Riddagshausen und Rühme) zur Stadt Braunschweig eingemeindeten Ortschaften, gelangten durch die Gebietsreform 18 Gemeinden aus dem Landkreis Braunschweig in die Stadt Braunschweig; drei weitere Gemeinden wurden der Stadt aus dem Landkreis Wolfenbüttel (Geitelde, Leiferde und Stiddien) und eine aus dem Landkreis Gifhorn (Harxbüttel) zugesprochen.

Seit der Teilung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg 1269 gehörte ein Großteil der heute zur Stadt Braunschweig gehörenden Dörfern zum neu entstandenen Teilherzogtum Braunschweig (später als Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel bezeichnet); einige wenige, im Norden bzw. Nordosten gelegene Ortschaften standen hingegen unter der Herrschaft des Fürstentums Lüneburg. Aufgrund ihrer Grenzlage kam es im Laufe der Zeit zu zahlreichen Grenzstreitigkeiten zwischen den Fürstentümern, die zu wechselnden Gebietszugehörigkeiten einzelner Ortschaften führten. Besonders betroffen waren hiervon die dem Amt Campen zugehörenden Gemeinden. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts gelangten die Gemeinden Bevenrode, Waggum und Bienrode sowie Schapen, Volkmarode und Dibbesdorf endgültig in den Besitz der Wolfenbüttler Linie.3)

Die im Gebiet des Fürstentums Braunschweig(-Wolfenbüttel) gelegene Stadt Braunschweig blieb bei der Teilung des Herzogtums gemeinsames Herrschaftsgebiet beider Fürstentümer und fungierte zunächst als Residenz der Braunschweiger Linie. Das wirtschaftliche Erstarken der Stadt sowie ihr verstärktes Autonomiebestreben führten jedoch zu einer allmählichen Verdrängung des Landesherrn aus der Stadt, der schließlich 1432 seine neue Residenz in Wolfenbüttel bezog. In der folgenden Zeit führte die Frage der Huldigung des Landesherrn durch die Stadt, d. h. die offizielle Unterwerfung unter die Hoheit des Landesherrn, sowie der Bestätigung der städtischen Privilegien seitens des Herzogs zu einer Reihe von Auseinandersetzungen. Verstärkt wurden diese durch die Einführung der Reformation. Bereits 1528 bekannte sich die Stadt Braunschweig zur Reformation und stand damit im konfessionellen Gegensatz zu Herzog Heinrich d. J. (reg. 1514–1568), der bis zu seinem Tod am katholischen Glauben festhielt. Erst unter seinem Nachfolger Julius (reg. 1568–1589) kam es auch im Fürstentum zur endgültigen Einführung der Reformation. Die Spannungen zwischen Stadt und Landesherrn blieben jedoch noch bis zur endgültigen Einnahme und Unterwerfung der Stadt durch Herzog Rudolf August (reg. 1666–1704) 1671 bestehen, die dem Autonomiebestreben der Stadt ein Ende setzte.4)

Bedingt durch ihre Lage in diesem konfliktträchtigen Spannungsfeld hatten die umliegenden Gemeinden häufig unter den zahlreichen Kampfhandlungen zu leiden und waren den verheerenden Plünderungen und Zerstörungen ausgeliefert.5) Besonders betroffen war hiervon das unweit der Stadt Braunschweig gelegene Zisterzienserkloster Riddagshausen. Bereits seit seiner Gründung 1145 stand das Kloster in unmittelbarer Nähe zu den welfischen Herrschern. So ging zwar die erste Initiative für die Klostergründung von dem herzoglichen Ministerialen Ludolf von Wenden aus, die Wahl des Standortes, in unmittelbarer Nähe zum herzoglichen Hauptsitz, dürfte jedoch, wie auch die Ausstattung des Klosters, auf eine Entscheidung des welfischen Herrschers Heinrichs des Löwen (reg. 1142–1180) zurückgegangen sein. Dieser hatte dem Kloster 1146 das Dorf Riddagshausen übertragen und sorgte, wie auch seine Nachfolger, für eine Reihe von Privilegien und Rechten für das Kloster und seine Angehörigen.6)

Auch nach der Teilung des Herzogtums und der Verlegung der Residenz nach Wolfenbüttel verblieb das Kloster in enger Beziehung zum Landesherrn. Aufgrund seiner räumlichen Nähe zur Stadt Braunschweig diente das Kloster bei den wiederholten Auseinandersetzungen zwischen der Stadt mit den Wolfenbüttler Herzögen als Quartier der herzoglichen Truppen und zog auf diese Weise den Zorn der Braunschweiger Bürger auf sich, der sich nach Abzug der herzoglichen Truppen in den wiederholten Zerstörungen des Klosters zwischen 1492 und 1606 entlud.7) Nach einem gescheiterten Versuch des Riddagshäuser Abtes Lambert von Balven (1536–1553), durch eine List 1549 die Stadt Braunschweig einzunehmen, erhielt das Kloster von den Braunschweiger Bürgern schließlich den Spottnamen Verrätershausen.8)

Inwieweit das Kloster unter den Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu leiden hatte, ist nicht sicher belegt, doch muss auch in dieser Zeit von allerlei Zerstörungen, Plünderungen und Verwüstungen ausgegangen werden, wie sie auch die umliegenden Gemeinden betrafen. Besonders verheerend erwiesen sich die Kriegsfolgen für die südlich der Stadt Braunschweig gelegenen Gemeinden. Diese hatten im Zuge der Belagerung der Stadt Wolfenbüttel in den Jahren 1627 und 1641 nicht nur die Truppen der Belagerer zu beherbergen, sondern wurden auch nach dem Abbruch des sog. Schwedendamms, der durch die Aufstauung der Oker zu einer Überschwemmung der Stadt Wolfenbüttel geführt hatte, vollständig überflutet.9)

Der auch nach dem Dreißigjährigen Krieg noch bestehende Konflikt zwischen der Stadt Braunschweig und seinem Landesherrn, der auch weiterhin zu schwerwiegenden Verheerungen in den umliegenden Gemeinden führte, wurde schließlich nach der Belagerung der Stadt 1671 – Riddagshausen diente abermals als Lager der herzoglichen Truppen – und der Einverleibung der Stadt in das Herzogtum endgültig beendet.

3. Überlieferung

Von den insgesamt 73 erfassten Inschriftenträgern sind 43 im Original ganz oder teilweise erhalten, 30 Inschriften konnten hingegen nur nach älteren Abschriften ediert werden. Die kopial überlieferten Inschriften machen demnach für den Gesamtbestand einen Anteil von etwa 40 Prozent aus, für das Kloster Riddagshausen liegt der Anteil sogar bei etwa 52 Prozent. Der hohe Anteil der nur noch kopial überlieferten Inschriften ist zum einen durch die zahlreichen und wiederholten Zerstörungen während der landesherrschaftlichen und religiös geprägten Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Braunschweig und den Herzögen von Braunschweig-Wolfenbüttel zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert zu erklären, die unter anderem zu dem Verlust der gesamten mittelalterlichen Ausstattung der Riddagshäuser Klosterkirche führten.10) Dazu kommt, dass im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche Renovierungsarbeiten sowie Neu- und Umbauten der Kirchengebäude stattfanden, denen oftmals die gesamte Inneneinrichtung zum Opfer fielen. Zum anderen kann der hohe Anteil kopialer Überlieferung zugleich durch die relativ dichte Überlieferungslage für das Kloster Riddagshausen erklärt werden.

Die älteste Überlieferung für das Kloster Riddagshausen stellt die von dem Dichter und Historiker Heinrich Meibom (1555–1625) verfasste Riddagshäuser Klosterchronik dar. Meibom, der von 1583 bis zu seinem Tod an der Universität Helmstedt als Professor für Dichtkunst und Geschichte tätig war, erstellte die Klosterchronik in Form einer Abtsliste, die er durch biographische und historische Erzählungen anreicherte. Auftraggeber und Finanzier war der mit ihm befreundete Riddagshäuser Abt Peter Windruwe (Kat.-Nr. 47). Die Chronik erschien erstmalig 1605. Eine zweite, berichtigte Auflage erfolgte 1620, nachdem ein von Meibom zuvor unbekannter Abt entdeckt wurde. 1688 erfolgte schließlich die dritte Auflage, die von Meiboms gleichnamigen Enkel posthum veröffentlicht wurde. Lediglich vier Inschriften gibt Meibom in seiner Chronik wieder, von denen jedoch drei nur noch durch ihn überliefert sind; wahrscheinlich gingen sie bei den Zerstörungen des Klosters nur ein Jahr nach der Fertigstellung der Chronik 1606 verloren. Auf Angaben zu den Inschriftenobjekten oder der Gestaltung der Inschrift verzichtete Meibom bei seiner Verzeichnung.

Neben der Meibomschen Klosterchronik finden sich in der von Johannes Letzner (1531–1613) zusammengestellten Braunschweig-Lüneburgischen Chronica, die sich in einer Abschrift des späten 17. Jahrhunderts und einer, teilweise von der erstgenannten leicht abweichenden Abschrift aus dem frühen 18. Jahrhundert in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen erhalten hat, einige wenige Hinweise auf bereits zerstörte Inschriften. Bei der Wiedergabe der Inschriften ist, wie Beispiele aus anderen niedersächsischen Regionen zeigen, mit einer Normalisierung der Sprache und des Schreibstils zu rechnen.11)

Eine etwas größere Anzahl verlorener Inschriften ist durch den Braunschweiger Kupferstecher Anton August Beck (1713–1787) überliefert, der bereits für die beiden erschienen Bände der Braunschweiger Inschriften eine wesentliche Quelle darstellte.12) Alle Inschriften, die in seinem in den Braunschweigischen Anzeigen 1759 veröffentlichten Artikel aufgeführt werden, sind heute verloren; für vier der sechs Inschriften stellt er die einzige veröffentlichte Quelle dar.

Eine weitere wichtige Quelle für die zahlreichen in der Klosterkirche befindlichen Grabdenkmäler bietet das 1753 in Auftrag von Herzog Karl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1713–1780) gegebene Grabdenkmälerverzeichnis. Das Verzeichnis enthält Angaben zum Standort und Erhaltungszustand sowie eine kurze Beschreibung der Objekte und der Lesung ihrer Inschrift(en). Verzeichnet wurden alle Grabdenkmäler Vornehmer, Gelehrter und anderer eingermaßen merckwürdiger Personen. Insgesamt 56 Grabdenkmälern sind in dem Verzeichnis vermerkt; daneben findet sich auch eine Zusammenstellung der in Hondelage befindlichen Grabmäler. Ein Vergleich mit den noch erhaltenen Inschriften zeigt, dass die Wiedergabe der Inschriften oftmals in ihrer Schreibung normalisiert wurde.

Weitere Erwähnungen einzelner Grabplatten finden sich verstreut in der Literatur des 19. Jahrhunderts wieder, bieten jedoch nur vereinzelt alternative Lesungen an.

In der 1896 von dem Braunschweiger Baurat Hans Pfeifer (1849–1933) veröffentlichten Monographie über die Klosterkirche Riddagshausen sind zwei bis dahin unveröffentlichte Inschriften wiedergegeben. Wichtiger erscheint das Werk jedoch hinsichtlich seiner darin enthaltenen Fotographien und Zeichnungen, die den Zustand der Kirche und ihrer Ausstattung nach den umfangreichen Renovierungsarbeiten zwischen 1856 und 1883 dokumentieren.

Im Vergleich zum Kloster Riddagshausen liegt für die übrigen im Bearbeitungsgebiet befindlichen Ortschaften eine weniger dichte Überlieferungslage vor. Die wichtigste Quelle bilden die sogenannten Corpora bonorum, die im Auftrag des Herzogtums Wolfenbüttel von den jeweiligen Kirchengemeinden in der Mitte des 18. Jahrhunderts verfasst wurden und die neben Angaben zu Besitztiteln Abschnitte zur Geschichte, Bau und Ausstattung der jeweiligen Kirche enthalten. In welchem Umfang hierbei die an und in der Kirche befindlichen Inschriften wiedergegeben wurden, wenn überhaupt, ist dabei jedoch von Ort zu Ort verschieden.

Im Auftrag des Ortsvereins für Geschichte und Alterthumskunde zu Braunschweig und Wolfenbüttel wurde in den Jahren 1879–1890 ein Inventar von den Bau- und Kunstdenkmälern des Herzogtums Braunschweig durchgeführt. Die hierzu angefertigten Aufnahmebögen befinden sich im Niedersächsischen Landesarchiv Wolfenbüttel. Sie bilden die Grundlage der zwischen 1896 und 1922 von Paul Jonas Meier und Karl Steinacker erarbeiteten Bände der Bau- und Kunstdenkmäler des Herzogthums Braunschweig. Die meisten der in den entsprechenden Bänden und Aufnahmebögen genannten Inschriftenobjekte sind bis heute erhalten, nur für einige wenige verlorene Objekte stellen sie die einzige Quelle da. Der Vergleich mit den noch erhaltenen Objekten zeigt eine Normalisierung der Sprache und Schrift, mit der bei kopialer Überlieferung stets zu rechnen ist.

Neben den genannten waren weitere Inschriften als Streufunde in Ortschroniken oder verschiedenen Zeitschriftenartikel zu finden.

4. Inschriften und Inschriftenträger

4.1 Denkmäler des Totengedächtnisses

Rund ein Drittel der Inschriften des bearbeiteten Bestandes stammen von Denkmälern des Totengedächtnisses und bilden somit die größte Gruppe inschrifttragender Objekte. Von den 25 Grabdenkmälern stammen 18 aus der Riddagshäuser Klosterkirche (etwa 70 Prozent); die restlichen sieben verteilen sich auf vier andere Ortschaften. Erhalten haben sich gut die Hälfte der Denkmäler, die andere Hälfte konnte anhand älterer Abschriften ediert werden. Bei den meisten Objekten handelt es sich um steinerne Grabplatten, die als Abdeckung des unterhalb des Fußbodens befindlichen Grabes dienten, wohingegen die aus Holz oder Stein gefertigten Epitaphien unabhängig vom Begräbnisort an einer Wand angebracht waren; gleiches gilt für die beiden ehemals auf dem Chor der Klosterkirche befindlichen Fahnen verstorbener Soldaten (Kat.-Nr. 61). Da die meisten Grabplatten im Laufe der Zeit aufgenommen und an Wänden aufgestellt worden sind, ist eine Unterscheidung von einem Epitaph nicht immer ganz eindeutig. Lediglich zwei Grabplatten sind noch in einer liegenden Position erhalten (Kat.-Nr. 47 u. Kat.-Nr. 65); die Grabplatte des Abtes Peter Windruwe wurde jedoch von ihrem originalen Standort innerhalb der Klosterkirche versetzt.

Die frühesten Grabdenkmäler stammen aus dem 14. Jahrhundert, sind jedoch lediglich kopial überliefert (Kat.-Nr. 2 u. Kat.-Nr. 3); das erste noch erhaltene Grabdenkmal ist die Grabplatte eines Unbekannten aus dem Jahr 1440, die sich an der südlichen Außenwand der Klosterkirche Riddagshausen befindet (Kat.-Nr. 10). Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sind ausschließlich Grabdenkmäler aus der Klosterkirche nachgewiesen, erst in der folgenden Zeit lassen sich auch Grabdenkmäler außerhalb Riddagshausens nachweisen. Dies mag mitunter mit der recht dichten Überlieferungslage der Riddagshäuser Grabdenkmäler zusammenhängen (vgl. Kap. 3); von den 13 bis 1600 produzierten Grabdenkmälern sind acht nach kopialer Überlieferung ediert.

Ein Großteil der Grabmäler waren für Geistliche, fünf für Mitglieder des Adels, drei für Frauen, drei für Militärangehörige und zwei für Kinder bestimmt. Die Grabmäler sind einheitlich mit einer umlaufenden Inschrift versehen; Ausnahmen bilden die beiden hölzernen Epitaphien in Leiferde und Bevenrode (Kat.-Nr. 60 u. Kat.-Nr. 67) sowie die Grabplatte der Kinder des Zacharias Brandshagen in Riddagshausen (Kat.-Nr. 65). Für die kopiale Überlieferung ist nicht immer sicher festzumachen, an welcher Stelle sich die Inschriften befanden. Das von der Grabschrift umschlossene Mittelfeld war zumeist mit der figürlichen Darstellung des/der Verstorbenen versehen; die Darstellung entspricht dabei dem jeweiligen sozialen Stand. Zur Veranschaulichung der adeligen Abkunft findet sich auf den Grablatten Adelsangehöriger zusätzlich das Familienwappen; die Grabplatte des im Kindesalter Verstorbenen Hans Georg von Löhneysen enthält eine vierteilige Ahnenprobe (Kat.-Nr. 39). Neben dem Adel präsentierten sich auch die beiden Äbte Johannes Lorber und Peter Windruwe mit ihren jeweiligen Abtswappen (Kat.-Nr. 38 u. Kat.-Nr. 47). Im Falle des 1440 unbekannten Verstorbenen, dessen Grabplatte sich an der südlichen Außenwand der Riddagshäuser Klosterkirche befindet, wurde zu Gunsten des Wappens auf eine figürliche Darstellung verzichtet (Kat.-Nr. 10); gleiches ist auch für die Grabplatte des 1452 verstorbenen Ludolf von Veltheim festzuhalten (Kat.-Nr. 11). Erst mit dem 1641 bei Wolfenbüttel verstorbenen schottischen Oberfeldherrn David Sibbald tritt in dem bearbeiteten Bestand eine reine Wappendarstellung wieder auf (Kat.-Nr. 60). Die häufig im sepulkralen Kontext anzutreffende Darstellung des Verstorbenen in betender Haltung vor dem gekreuzigten Christus lässt sich im Bestand in drei Fällen nachweisen. Während das Epitaph des Riddagshäuser Priors und Pastors Christian Probst den Verstorbenen allein zeigt (Kat.-Nr. 45), sind die beiden Pfarrer Johannes Hess aus Bevenrode und Hartwieg Flor aus Hondelage von ihrer Familie umgeben (Kat.-Nr. 67 u. Kat.-Nr. 41).

Ein Großteil der Grabinschriften folgt einem weitgehend festgelegten Grundformular; lediglich drei Grabmäler weichen von diesem durch ihre in Versform abgefassten Inschriften ab (Kat.-Nr. 3, Kat.-Nr. 25 u. Kat.-Nr. 26). Das Grundformular besteht aus dem Todesdatum, einem Ausdruck für „sterben“, standestypischen Attributen, dem Namen des/der Verstorbenen und gegebenenfalls der Amtsbezeichnung; beendet werden die meisten Grabschriften von einem kurzen Fürbittgebet. Das Formular ist in lateinischer sowie in deutscher Sprache gleichermaßen üblich. Findet auf den frühen Grabmälern noch ein schlichtes obiit bzw. starb/starf Verwendung, werden seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Ausdrücke wie placide in Christo servatore obdormivit bzw. in Gott seliglich entschlafen, die das sanfte Sterben betonen, gebräuchlich; ausgenommen sind hiervon die durch einen gewaltsamen Tod Verstorbenen (Kat.-Nr. 22, Kat.-Nr. 39 u. Kat.-Nr. 60). Weitere Änderungen ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zeigen sich auch durch die zunehmende Aufnahme weiterer Elemente in das Grundformular. Auf sieben Grabmälern wird das Alter des/der Verstorbenen angegeben; im Falle des im Kindesalter Verstorbenen Hans Georg von Löhneysen sogar auf den Tag genau (Kat.-Nr. 39). Auf drei Grabmälern ist die genaue Todesstunde vermerkt (Kat.-Nr. 39, Kat.-Nr. 41 u. Kat.-Nr. 44), zwei Grabplatten nennen die Amtsjahre der verstorbenen Äbte (Kat.-Nr. 47 u. Kat.-Nr. 53) und auf dem in Leiferde befindlichen Epitaph des schottischen Oberfeldherrn David Sibbald ist dessen Herkunft durch den Namen seines Vaters festgehalten (Kat.-Nr. 60). Auf den drei Frauengrabmälern ist stets der Name des Ehemannes vermerkt; im Falle der Frau des Riddagshäuser Abtes Peter Windruwe zusätzlich die Dauer der Ehe (Kat.-Nr. 44).

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts treten zusätzlich zu den reinen Grabschriften vermehrt auch Bibelzitate auf, die in einem abgetrennten Schriftfeld oder entlang der Architekturverzierungen im Mittelfeld angebracht sind. Die Quellen der Zitate sind weit verstreut, sodass sich für den bearbeiteten Bestand keine Aussagen hinsichtlich einer Präferenz treffen lassen. Neben den Bibelzitaten sind zwei Grabplatten darüber hinaus mit Herstellervermerken versehen (Kat.-Nr. 37 u. Kat.-Nr. 43); bemerkenswert ist die auf dem Epitaph der Margaretha Gercken zusätzlich angebrachte Angabe der Herstellungsdauer (IOCHIM WINTER HERVF GEARBEIT ˑ 5 ˑ TAG). Zwei weitere Grabmäler können durch einen Schriftvergleich dem Braunschweiger Bildhauer Jürgen Röttger zugesprochen werden (Kat.-Nr. 45 u. Kat.-Nr. 47), der auch für die Geschichtstafel der Riddagshäuser Kirche (Kat.-Nr. 48) verantwortlich war. Die Grabplatte des Abtes Johannes Lorber (Kat.-Nr. 38) kann zudem durch eine alte Rechnung dem Braunschweiger Bildhauer Weimar Heinemann zugewiesen werden. Die Werkstätten der restlichen Grabdenkmäler sind unbekannt.

4.2 Bau- und Hausinschriften

Von den insgesamt 15 Bau- und Hausinschriften haben sich acht im Original erhalten, die restlichen sieben konnten auf Grundlage der kopialen Überlieferung ediert werden. Die Inschriften zeugen von Neubau-, Renovierungs- bzw. Umbaumaßnahmen, die vornehmlich an kirchlichen Gebäuden vorgenommen wurden. Ein Großteil der Inschriften stammt aus dem 15. bzw. frühen 16. Jahrhundert und zeugt von einem steigenden Bevölkerungswachstum, dem sich die kirchlichen Räumlichkeiten anzupassen hatten.

Ein Großteil der Bauinschriften sind auf schlichten Steinquadern, die sich außen am oder im Mauerwerk des Gebäudes befinden, angebracht; die meisten Inschriften tragen nicht viel mehr als eine Jahres- bzw. Datumsangabe. Eine etwas längere Inschrift findet sich hingegen an der Stöckheimer Kirche, an deren Ostwand ein Kreuzigungsrelief (Kat.-Nr. 12) mit einer darunter befindlichen Inschrift angebracht ist, die neben dem Baujahr auch den Stifter sowie eine Aufforderung zur Fürbitte trägt. Ähnliche Kreuzigungsreliefs sind auch aus anderen Gemeinden aus dem 15. und 16. Jahrhundert bekannt.13)

Die beiden im Bearbeitungsgebiet noch erhaltenen Hausinschriften befinden sich an den beiden ehemaligen Landwehrschänken des Rüninger (Kat.-Nr. 63) bzw. Ölper Turms (Kat.-Nr. 62). Beide Inschriften sind erhaben geschnitzt und am Schwellbalken des Fachwerkbaus angebracht. Das mit reichen Schnitzereien verzierte Fachwerk beider Häuser ähnelt denen der innerstädtischen Bürgerhäuser; die Inschriften sind ähnlich kurz gehalten14): am sog. Rüninger Turm befindet sich lediglich das Baujahr, der sog. Ölper Turm ist zusätzlich mit einem in Reimvers abgefassten Hausspruch versehen.

4.3 Glocken

Von den insgesamt sieben Glocken, die im Bearbeitungsgebiet nachgewiesen sind, haben sich vier im Original erhalten; die drei jüngsten Glocken aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind nur noch kopial überliefert. Die älteste Glocke stammt aus der Kirche von Volkmarode und datiert in das 14. Jahrhundert (Kat.-Nr. 6), ihr folgt die in Lehndorf befindliche Glocke von 1488 (Kat.-Nr. 14). Beide aus dem Spätmittelalter stammenden Glocken weisen für ihre Zeit typische Glockensprüche auf. Die ihnen zeitlich nachfolgenden Glocken sind hingegen mit Gießersignaturen versehen; die kleinere der beiden aus Bienrode stammenden Glocken trägt lediglich das Herstellungsjahr (Kat.-Nr. 20).

Die drei aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammenden Glocken sind Werke regionaler Werkstätten, die mit für den Gießer typischen Spruch versehen sind; für die 1488 gegossene Lehndorfer Glocke wird der Braunschweiger Gießer Hinrik Menten d. Ä. vermutet. Die beiden in Bienrode befindlichen Glocken des 16. Jahrhunderts hingegen sind niederländischen Ursprungs. Diese wurden nach dem Raub der alten Kirchenglocke 1624 durch dänische Soldaten von der Gemeinde neu angekauft. Die Arbeit der größeren Glocke (Kat.-Nr. 28) sticht durch ihre filigrane Arbeit hervor, die von den handwerklichen Fähigkeiten ihrer beiden Gießer Wilhelm van Aelten und Thomas Both zeugt.

4.4 Kelche, Patenen und Altarleuchter

In dem bearbeiteten Bestand sind neun Kelche, zwei Patenen sowie zwei Altarleuchterpaare nachgewiesen; abgesehen von zwei Kelchen sind alle genannten Objekte noch vorhanden. Drei der Kelche sind datiert (Kat.-Nr. 55, Kat.-Nr. 57 u. Kat.-Nr. 58), zwei weitere nennen, wie die dazugehörigen Patenen, das Jahr einer späteren Stiftung (Kat.-Nr. 17 u. Kat.-Nr. 23); die restlichen Objekte sind undatiert und nur durch stilkritische Erwägungen zeitlich einzuordnen. Die beiden ältesten Kelche stammen aus der Kirche von Volkmarode und sind um 1400 zu datieren (Kat.-Nr. 42 u. Kat.-Nr. 5); die jüngsten sind die beiden Zinnkelche aus Bienrode und Bevenrode, welche während des Dreißigjährigen Krieges in den 1630er Jahren hergestellt wurden und von dem Bedürfnis der Bevölkerung zeugen, auch unter den schwierigen Kriegsumständen das Abendmahl zu feiern (Kat.-Nr. 57 u. Kat.-Nr. 58).

An den Schaftstücken sowie den Rotuli sind häufig die Namen Jesu und Marias angebracht; die Unterseite eines Kelchs und seiner Patene sind mit einer Gewichtsangabe versehen (Kat.-Nr. 17). Längere Inschriften finden sich ausschließlich in Form von Stifterinschriften wieder, die am Fuß oder der Kuppa des Kelches eingraviert sind. Insgesamt sechs Kelche sowie die beiden Patenen sind mit Stifterinschriften versehen; zwei der Kelche weisen mehrfache Stiftungen aus verschiedenen Zeiten auf (Kat.-Nr. 55 u. Kat.-Nr. 17). Als Stifter fungierten zumeist wohlhabende Bürger; in einem Fall der amtierende Pfarrer der Gemeinde (Kat.-Nr. 55). Auf drei der Kelche finden sich neben den Stifterinschriften auch die Wappen der Stifter wieder (Kat.-Nr. 55, Kat.-Nr. 17 u. Kat.-Nr. 23). Zwei der Kelche sind darüber hinaus durch ihre Meistermarken einem Goldschmied bzw. Zinngießer zuzuordnen (Kat.-Nr. 55 u. Kat.-Nr. 58).

Die beiden schlicht gestalteten Altarleuchterpaare aus Volkmarode (Kat.-Nr. 68) und Stiddien (Kat.-Nr. 24) sind wie die Kelche mit Stifterinschriften versehen, die lediglich die Namen der beiden Stifterpaare tragen.

4.5 Sonstige Kirchenausstattungsstücke

Die unter dem Oberbegriff Kirchenausstattungsstücke zusammengefassten Objekte umfassen drei Taufsteine, drei Gemälde, eine Kanzel, einen Altar, einen Taufdeckel, eine Orgel, eine Glasmalerei sowie die sog. Geschichtstafel der Riddagshäuser Klosterkirche. Von den genannten Objekten haben sich acht im Original erhalten, vier konnten anhand kopialer Überlieferung ediert werden. Neun Objekte stammen aus der Klosterkirche Riddagshausen, die restlichen drei aus anderen Ortschaften; lediglich der aus Volkmarode stammende und heute in der Kirche von Weddel (Lkr. Wolfenbüttel) befindliche Taufstein (Kat.-Nr. 72) hat sich von diesen drei Objekten erhalten.

Von der mittelalterlichen Kirchenausstattung der Riddagshäuser Klosterkirche hat sich kein einziges Objekt erhalten. Grund hierfür sind die wiederholten, aus konfessionellen Auseinandersetzungen hervorgegangenen Zerstörungen des Klosters zwischen den Jahren 1542 und 1606, denen zahlreiche in der Klosterkirche befindliche Objekte zum Opfer fielen.15) Die neun aus der Klosterkirche stammenden Stücke entstammen daher vorwiegend aus den Jahren nach 1606; eine Ausnahme bilden der 1562 von Abt Johannes Lorber in Auftrag gegebene Taufstein (Kat.-Nr. 30) sowie die beiden heute im Herzog Anton Ulrich-Museum befindlichen Porträts desselben und seiner Frau (Kat.-Nr. 35 u. Kat.-Nr. 36). Mit Ausnahme des Altars (Kat.-Nr. 49), der 1735 durch einen Nachfolgebau ersetzt wurde, sowie der von Heinrich Compenius geschaffenen Orgel (Kat.-Nr. 51), deren Bestandteile sich zum Teil in der 1979 gebauten Orgel wiederfinden, sind alle Stücke noch erhalten und prägen das Bild der heutigen Klosterkirche. Die Kanzel (Kat.-Nr. 54) sowie der Taufdeckel (Kat.-Nr. 52), die zu den Prinzipalstücken lutherischer Kirchenausstattungen gehören und auf deren Gestaltung besonderes Augenmerk gelegt wurde, zeigen sich in ihrem Bild- und Inschriftenprogramm als typische Stücke einer lutherischen Kirche.

5. Schriftarten und Sprache der Inschriften

Aufgrund der geringen Anzahl an Objekten lassen sich nur schwer detaillierte Aussagen über eine sprach- und schriftgeschichtliche Entwicklung im Bearbeitungsgebiet treffen. Dennoch zeigen sich einige Tendenzen, die sich auch in anderen niedersächsischen Beständen bisher nachweisen ließen.16)

5.1 Schriftarten

Die frühesten Inschriften des Bestandes sind fast ausschließlich in gotischer Minuskel gearbeitet; lediglich die in der Kirche von Volkmarode befindliche Glocke (Kat.-Nr. 6) weist noch die ältere Schriftform der gotischen Majuskel auf, wenngleich durch ihre eckigen Formen bzw. Brechungen bereits erste Einflüsse der gotischen Minuskel erkennbar sind. Die gotische Minuskel tritt im niedersächsischen Raum erstmals um die Mitte des 14. Jahrhunderts auf und bleibt bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Gebrauch. Kennzeichen der Schrift sind die Brechungen der Schäfte und Bögen, die dem Schriftbild oftmals einen gitterartigen Eindruck verschaffen. Im Bearbeitungsgebiet erscheint sie erstmals Ende des 14. Jahrhunderts an einem an der Außenfassade der Hondelager Kirche gemauerten Steinquader (Kat.-Nr. 4) und bleibt bis zum Ende des 15. Jahrhunderts dominierend. Die letzte in gotischer Minuskel verfasste Inschrift befindet sich an der Bevenroder Kirche und stammt aus dem Jahr 1522 (Kat.-Nr. 21).

Mit der frühhumanistischen Kapitalis tritt zu Beginn des 16. Jahrhunderts erstmals wieder eine Majuskelschrift auf. Bei dieser handelt es sich um eine Mischschrift, die auf Formenreservoirs verschiedener Majuskelinschriften zurückgreift, und die aufgrund ihrer dekorativen Formen in den niedersächsischen Beständen vor allem für Goldschmiedearbeiten vom Ende des 15. bis in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts verwendet wurde. Im bearbeiteten Bestand lässt sie sich an einem Kelch nachweisen (Kat.-Nr. 23).

Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts tritt die Kapitalis, eine Wiederaufnahme der antiken Monumentalschrift, als dominierende Schriftart hervor und bleibt bis zum Ende des Bearbeitungszeitraumes vorherrschend. Die Buchstabenformen sind zwar an der Kapitalis der Antike orientiert, weisen jedoch selten ebenso streng konstruierte Formen auf. Von den insgesamt elf in Stein gearbeiteten Kapitalisschriften sind sieben vertieft und vier erhaben gehauen. Die frühesten Inschriften sind, mit Ausnahme der Grabplatte des Johann von Asbeck von 1585 (Kat.-Nr. 37), erhaben ausgeführt, während ab 1610 alle erhaltenen Steinschriften vertieft gehauen sind; eine Ausnahme bildet die Grabplatte der Elsa Helmbold in Hondelage (Kat.-Nr. 44). Die Entwicklung von erhabenen zu vertieften Kapitalisinschriften, die sich im Bearbeitungsgebiet lediglich in einem sehr kleinen Rahmen zeigt, stimmt mit den im Stadtgebiet Braunschweig gemachten Beobachtungen überein, wo sich ab dem frühen 17. Jahrhundert die vertieft gehauenen Steininschriften mehren, bis sie ab dem zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts alleinige Verwendung finden.17)

Neben der zu dieser Zeit dominierenden Kapitalis tritt ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Fraktur eine weitere Minuskelschrift auf. Charakteristisch für die diese sind Schwellzüge und Schwellschäfte sowie die spitzovale Grundform der geschlossenen Bögen. Das a ist in der Regel einstöckig; die Schäfte von f und Schaft-s reichen deutlich unter die Grundlinie, die Oberlängen sind häufig in Zierschleifen ausgezogen. Den Schrifteindruck der Fraktur prägen daneben vor allem die aufwendig gestalteten Versalien. Im Bearbeitungsgebiet wird die Fraktur ausschließlich für deutschsprachige Inschriften verwendet, wie dies auch in anderen niedersächsischen Regionen zu beobachten ist. Sie findet sich auf den drei aus dem Kloster Riddagshausen stammenden Gemälden (Kat.-Nr. 35, Kat.-Nr. 36 u. Kat.-Nr. 73) sowie an der aus Holz geschnitzten Kanzel (Kat.-Nr. 54) und dem Taufdeckel (Kat.-Nr. 52). Lediglich eine Grabplatte ist in Frakturschrift gestaltet (Kat.-Nr. 44).

5.2 Sprache der Inschriften

Neben dem Wechsel des Schrifttpys zeigt sich im Bestand auch ein sprachlicher Wechsel, der mit den Entwicklungen im niedersächsischen Raum übereinstimmt. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts sind im Bearbeitungsgebiet ausschließlich Inschriften in lateinischer Sprache nachgewiesen. Die früheste deutsche Inschrift stammt von der in der Klosterkirche Riddagshausen befindlichen Grabplatte des Hans von Veltheim (Kat.-Nr. 15), die in niederdeutscher Sprache verfasst wurde. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts treten deutsche Inschriften vermehrt auf, bleiben jedoch in ihrer Häufigkeit noch deutlich hinter den lateinischen Inschriften. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gewinnt die deutsche Sprache deutlich an Gewicht und nimmt die Vorrangstellung gegenüber dem Lateinischen ein. Dies ist vor allem in den außerhalb von Riddagshausen gelegenen Ortschaften zu erkennen. Hier zeigt sich, dass die Inschriften fast ausschließlich in deutscher Sprache verfasst sind, mit einigen kleineren lateinischen Einsprengseln. Die einzige Ausnahme bildet in diesem Zeitabschnitt das in Leiferde befindliche Epitaph des David Sibbald (Kat.-Nr. 60), das vermutlich aber wegen der Herkunft des Verstorbenen aus Schottland keine deutsche, sondern eine lateinische Inschrift trägt. Im Umfeld des Klosters Riddagshausen zeigt sich hingegen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen lateinischen und deutschen Inschriften.

Im Gegensatz zum Sprachwechsel Latein/Deutsch kann aufgrund des geringen Bestands an deutschsprachigen Inschriften sowie der großen zeitlichen Lücke von 1496 (Kat.-Nr. 15) bis 1581 (Kat.-Nr. 35 u. Kat.-Nr. 36), in der keine original erhaltene deutsche Inschrift nachgewiesen ist, nicht näher bestimmt werden, in welchem Zeitraum die Ablösung des Niederdeutschen durch das Hochdeutsche im Bearbeitungsgebiet erfolgt ist. Mit Ausnahme der frühesten deutschen Inschrift von 1496 sind alle noch in Original erhaltenen deutschen Inschriften in Hochdeutsch verfasst. Einzelne niederdeutsche Formen bzw. Übergangsformen bleiben jedoch noch bis in das 17. Jahrhundert bestehen.

6. Nicht aufgenommene Inschriften

Leiferde, Kirche: Bei der Taufschale mit der in frühhumanistischer Kapitalis ausgeführten Inschrift GELVEKIEHˑ BARTˑ ALˑ ZEITˑ handelt es sich um eine serielle Fertigung.

Mascherode, Kirche: Der im Kunstdenkmälerinventar mit der Jahreszahl 1641 angegebene Taufstein18) trägt in Wirklichkeit die Inschrift 1 ‎// 6 ‎// 5 ‎// 4.

Melverode, St. Nikolaus Kirche: Der Kelch und die Patene mit der Inschrift 1577 CLOSTER STEDERBVRG werden in dem derzeit in Bearbeitung befindlichen Band zu den Inschriften des Landkreises Wolfenbüttel bearbeitet.

Melverode, St. Nikolaus Kirche: Die erstmals bei Renovierungsarbeiten 1871 freigelegten mittelalterlichen Wandmalereien der Kirche wurden bei der Instandsetzung zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem Hof- und Dekorationsmaler Adolf Quensen wiederhergestellt. Die nur noch bruchstückhaft erhaltenen Malereien wurden von Quensen zum Teil auf der Originalsubstanz wieder aufgebracht, zum Teil auf neuem Verputz bzw. Leinwand rekonstruiert und zum Teil, bei fehlendem historischen Malereibefund, neu geschaffen. Es ist unklar, inwieweit Quensen bei seiner Arbeit bei den Inschriften auf noch erhaltene mittelalterliche Reste zurückgegriffen hat.19)

Riddagshausen, Klosterkirche: Die Grabplatte des Ferdinand Voigt, die sich in der ersten Kapelle von Osten an der Nordseite des Kapellenkranzes unter dem Holzfußboden befinden soll, trug laut Werling die Inschrift Hier ruhet Ferdinandus Voigt, welcher das Licht sah, im Nov(ember) 1609 und welcher im Januar 1617 starb. Seine Eltern werden seiner ewig gedenken.20) Ein Ferdinand Voigt ist im Kirchenbuch von Riddagshausen in dem genannten Zeitraum nicht verzeichnet. Der von Werling wiedergegebene Text wirkt zeitlich später, vermutlich aus dem 18. Jahrhundert.

Riddagshausen, Klosterkirche: Die Grabplatte des Ferdinand Friedrich Gravemeier, die sich ebenfalls in der ersten Kapelle von Osten an der Nordseite des Kapellenkranzes unter dem dortigen Holzfußboden befinden soll, trug laut Werling die Inschrift D.S. Ferdinandus Friedericus Gravenmeier, welcher geb. 5.4.1608 und ging 19.1.1610 [‒ ‒ ‒] Sohn des Priors [‒ ‒ ‒].21) Laut des Grabdenkmälerverzeichnisses von 1753 verstarb dieser jedoch erst 1684 im Alter von wenigen Tagen.22)

Zitationshinweis:

DIO 7, Braunschweig III, Einleitung (Anna Weissmüller), in: www.inschriften.net,   urn:nbn:de:0238-dio007g003e008.

  1. Siehe DI 35 (Stadt Braunschweig I) und DI 56 (Stadt Braunschweig II). »
  2. Vgl. www.inschriften.net/projekt/richtlinien/edition.html»
  3. Vgl. Landkreis Braunschweig, Bd. 1, S. 5–9. »
  4. Zu den Auseinandersetzungen siehe Spieß, Geschichte, Bd. 1, S. 19–215 sowie DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XVIIXXI»
  5. Beispielhaft sei hier auf Habekost, Chronik Mascherode, S. 40f. und Bornstedt, Chronik von Stöckheim, S. 198–202 verwiesen. »
  6. Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch, Bd. 3, S. 1299–1301. »
  7. Siehe hierzu Langerfeldt, Verheerungen im Kloster Riddagshausen. »
  8. Vgl. hierzu Steding, Jericho und Verrätershausen. »
  9. Siehe hierzu u. a. Bornstedt, Chronik Rüningen, S. 192–199 und Bornstedt, Chronik von Stöckheim, S. 202–206.  »
  10. Vgl. Langerfeldt, Verheerungen im Kloster Riddagshausen. »
  11. Vgl. DI 96 (Lkr. Northeim), Nr. 7, 40, 64, 108»
  12. Vgl. DI 35 (Stadt Braunschweig I), S. XXXVIIIXXXIX u. DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXIIXXIV»
  13. Vgl. Kat.-Nr. 12, Anm. 3. »
  14. Zu den Braunschweiger Hausinschriften siehe DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXXIXXXIII»
  15. Siehe hierzu Langerfeldt, Verheerungen im Kloster Riddagshausen. »
  16. Siehe hierzu die entsprechenden Bände der Reihe Die Deutschen Inschriften»
  17. Vgl. DI 56 (Stadt Braunschweig II), S. XXXIX»
  18. Kdm. Kreis Braunschweig, S. 96. »
  19. Zur Restaurierung der Wandmalereien siehe Mainusch, Restaurierung. »
  20. Werling, Grabdenkmäler und Epitaphien, Nr. K5/linke Seite. »
  21. Werling, Grabdenkmäler und Epitaphien, Nr. K5/rechte Seite. »
  22. Vgl. NLA WO, 11 Alt Ridd, Nr. 630 (Monumenta Sepulcralia), S. 34, Nr. 33. Im Riddagsäuser Kirchenbuch ist in dem von Werling angegebenen Zeitraum kein Ferdinand Gravenmeier verzeichnet. Die Quelle für Werlings Inschriftenwiedergabe ist unklar. »