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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Leipzig LS624 Erscheint seit dem Fahre 1S41 »schrlM U,Nch m!« Abnahme d«r 8-nn- und nachmifta«« 5 Mu für den folgenden Tag- Se,ug«p^i« bei «Eadholung monatlich 4 MI-, durch unser« AuchrLger zugetragen ln der «lad« monattlch 4.40 M!., auf dem Lande M„ durch die Post dezogen oierteljLhrlich 1Z.LV MI. mit ZusteNun,«gebühr. M« Postanstalten und Postboten sowie «Ke« «u«trLger und »-schüft«,Uli« nehmen jederzeit S-st-ftungen entgegen. 2m Falle höherer Gewalt, Krieg oder Setriebelstörungen ha« der S-zieber leinen Lalpruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung de« S-zugöpreise«. Zmertlonsprei« 1 MI. für die S gespaltene Korpu«zrile oder deren Rauen, Lotalprei« pfg., Reklamen r^S MI. Sei Wiederholung und Zahredauftrog cntspre-hender Prei«nachlaß. Aelanntmachungen im amtlichen Teil tnar non Sehörden) die r gespalten- Korpudzeile z MI. Aachwkisungs-Gebühr 50 pfg. Anzeigenannahme bi« »oemiti-g« 1V Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Zeder Rab«h- anspruch erlischt, wenn der Setrag durch Klage eingezogen werden muß »der der Auftraggeber in Koukur« g-eL Visses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt W-rlesrr»»d Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Berantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 72. Sonntag den 27. März 1921. 80. Jahrgang. Kleine Leitung für eilige Leser. * Das neue Entwaffnungsgesctz ist mit Wirkung vom 22. März in Kraft getreten. * über die Provinz Sachsen sowie Hamburg und Altona ist der Ausnahmezustand verhängt worden. * Der bekannte Mordbrenner Max Hölz ist in Quedlinburg verhaftet worden. * Von Magdeburg aus sind starke Reichswehrtruppen in das mitteldeutsche Aufstandsgebiet abgerückt. * Die in Berlin verhafteten Kommunisten hatten die Absicht, am Karfreitag eine Anzahl Verlagshäuser der bürgerlichen Presse in die Luft zu sprengen. * Die Offensive der griechischen Armee gegen die Türken hat ihren Anfang genommen. Deutscher Osterfrühling. Frühlingswehen zieht durch das Land, an Baum und Strauch prangen die ersten Blattknospen im zartesten Grün und die Vögelein beginnen wieder zu singen im Walde. Die Natur wenigstens hat in allen Wirren dieser Zeiten ihre Ordnung und ihre Besinnlichkeit noch nicht verloren. Während des Krieges freilich, da schien es zu weilen, als fände auch sie sich nicht mehr auf dieser Erde zurecht. Da gab es manchmal Wintertage mitten im Sommer und, Sommertage im Winter; da gab es Trocken heit, während wir den Himmel um Regen anflehten, und Straßen und Felder litten unter Überschwemmungen, als uns nichts so sehr nottat wie trockene Wärme. Damals war alles außer Rand und Band geraten, und so schienen auch die Naturgesetze ihre Geltung verloren zu haben. In soweit aber wenigstens hat die Welt mittlerweile ihr Gleichgewicht wiedergefunden. Die Jahreszeiten wechseln wieder getreu dem regelmäßigen Ablauf der Dinge, und so pünktlich wie diesmal Frühlingserwachcn sich bei uns eingestellt hat, so sehnsuchtserfüllt sind die Herzen der Menschen von dem Verlangen nach Auferstehung aus der Nacht des Hasses und der Verzweiflung, in der wir vom rechten Wege so weit, so weit uns verirrt haben. Könnten wir die Erinnerung an die unsäglichen Verwirrungen der letzten Jahre, an das furchtbare Leid, doch von uns ab tun und wie mit neuerstandenen Sinnen uns den Schön heiten der Schöpfung, den Beseligungen unseres Glaubens hingeben, mit denen gerade das Osterfest die unüberseh bare Reihe der Geschlechter vor uns erbaut und. immer wieder aufgerichtet hat aus Not und Trauer, aus Kum mer und Elend. Nur wenn wir wieder fähig werden der Rückkehr zur Einfachheit der Natur wie zur Selbstauf opferung im Dienste jener ewigen Gesetze, die von Ur- väters Zeiten her die Welt zufammngehalten haben, wer den wir wieder des inneren Friedens teilhaftig werden, ohne den auch angestrengteste Arbeit nicht gedeihen kann. Wer uns mit gutem Beispiel vorangeht auf diesem Wege, das ist die Jugend. Sie hat sich mit Begeisterung dem Vaterlande geopfert, als das Erbe unserer Väter in Gefahr geraten war, und sie ist durch ein Meer von Un rast und Irrtum, von Halt- und Hoffnungslosigkeit hin- dnrchgegangen, nachdem alle ihre Ideale zusammenge brochen waren. Aber der Drang nach Auferstehung er faßte sie bald wieder mit himmelstürmender Gewalt. Von ihren ungesunden Instinkten geleitet, schloß sie sich zu Jugendbünden aller Art zusammen, ergab sich dem Wan dertrieb- und der Naturfreude, wehrte ab, was sie auf den ausgetretenen Pfaden der Parteiwirtschaft festhalten oder zu neuen unfruchtbaren Experimenten im Dienste ihr fremder Zwecke verlocken wollte, und baute sich allmählich ein Haus zusammen, das von allem anderen durchweht ist, nur nicht vom Modergeruch einer versunkenen Zeit. Allerdings, von Spaltungen und Trennungen, von feind seligen Grenzziehungen hat sie sich auch nicht sreigehalten, die Eic schalen des inneren Unfriedens, der uns so tief in Ohnmacht und Mutlosigkeit verstrickt hat, nicht völlig abgestreift. Aber tausendmal wichtiger ist, daß sie das Leben bejaht mit der ganzen lachenden Selbstverständlich keit ihrer jungen Jahre, und daß sie ihre ganze geistige Arbeit auf neues Wachsen und Werden einstellt. Weder ist ihr mit dem Untergang unseres Kaiserreiches das Ende aller Dinge gekommen, noch traut sie unseren Widersachern die Kraft zu, deutsches Wesen und Wollen für immer zu unterdrücken, die Unverfälschtheit dieses Wesens so rein wie möglich zu erhalten, sich stark zu machen zum Kampfe gegen alle Mächte der Finsternis, der Knechtung, der Ver führung, das ist die Aufgabe, die sie sich gestellt hat. So dürfen wir hoffen, ein neues Geschlecht heranwachsen zu sehen, das den Gefahren der Zukunft in böhercm Grade standzuhaltcn vermag, als wir es, gegenüber den schweren Prüfungen der jüngsten Vergangenheit, von uns sagen dürfen. Diese Jugend wird sich durch keine wie immer gearteten „Sanktionen" entmannen lassen. Doch fehlt es auch sonst nicht an tröstlichen Anzeichen für den Wiederbeginn einer freundlicheren Entwicklung nach den unendlichen Zerstörungen der Kriegs- und Um sturzjahre. An erster Stelle verdient da die Ordnung und Pünktlichkeit genannt zu werden, die unser öffentliches Verkehrswesen, seitdem der frühere Chef der Feldeisen bahnen, General Groener, von ihm Besitz ergriffen hat, auszeichnet. Mit vollem Recht ist jetzt, in den oberschle- sischcn Abstimmungstagen, gesagt worden, daß unseren Eisenbahnern mit ein Hauptverdienst daran zukommt, daß der deutsche Charakter des Landes zu so überzeugendem Ausdruck gelangt ist. Rund zweimalhunderttausend Men schen aus allen Teilen des Reiches in wenigen Tagen einem bestimmten Ziele zuzuführen, das ist selbst für eine durch schwere Heimsuchungen eines Weltkrieges nicht tausendfach gelähmte Verwaltung eine Aufgabe ersten Ranges. Unsere Eisenbahner haben sie gelöst mit der fabelhaften Zuverlässigkeit und Diensthingabe, die immer zu ihren hervorragendsten Eigenschaften gehört haben. Hier ist Wiederaufbauarbeit geleistet worden, die dem ganzen deutschen Volke zum. Segen gereichen wird. Und wenn böse Beispiele gute Sitten verderben, so wird man von guten hoffen dürfen, daß sie allenthalben Lust und Liebe zu redlicher Pflichterfüllung wieder haben wer' den. Wir gehen, aller Wahrscheinlichkeit nach, sehr drücken den wirtschaftlichen Verhältnissen entgegen; wenn wir ihnen unsere alterprobten moralischen Güter wieder ent- gegenstellen können, dann werden wir auch neuen Ein schränkungen und Entbehrungen gewachsen sein. Noch ist unsere Welt nicht bis auf den Grund zerstört, noch dürfen wir hoffen, sie neu wieder auszubauen, noch dürfen wir deshalb jeden frischen Keim mit Freuden be grüßen, der im Wehen des Frühlingswindes, im Erstarken deutschen Glaubens und deutschen Wesens zu kraftvollem Leben emporsprießen will. In solchem Sinne wollen wir diesmal das Osterfest begehen. Briands Bericht über London. Flüssigmachung von 20 Milliarden Goldmark. Briand erstattete den unter dem Vorsitz von Poincare gemeinsam tagenden Senatsausschüssen für auswärtige Angelegenheiten und für Finanzen Bericht über die durch die in London sanktionierten Maßnahmen dor Alliierten gegen Deutschland geschaffene Sachlage. Er erklärte u. a„ man müsse sich auf neue Vorschläge Deutschlands, die ja besonders von der deutschen Industrie gewünscht würden, gefaßt machen. Auf die Frage eines Senators, wie sich Frankreich zu der Frage der von Deutschland zum 1. Mai Zu leistenden Zahlung von 20 Milliarden und der diesbe züglichen Note des Wiedergutmachungsausschusses an die deutsche Regierung stelle, erwiderte der französische Mi nisterpräsident, daß jetzt nur noch die Bestimmungen des Versailler Vertrages in Geltung seien, daß demzufolge die Regelung dieser Frage ausschließlich dem Wiedergut machungsausschuß zustehe, und daß selbstverständlich die von Deutschland bereits gemachten Leistungen von dem Betrage von 20 Milliarden in Abzug gebracht werden wür den. Auf eine weitere Frage entgegnete Briand, die Frist für die Räumung der kürzlich besetzten Gebiete beginne von dem Augenblick an zu laufen, indem den Alliierten volle Genugtuung geleistet sei. Briand fügte hinzu: Wir wer den uns nicht mit einer Scheinleistung zufrieden geben. Was die Flüssigmachung der 20 Milliarden Goldmark be trifft, so hätten die Alliierten durch eingehende Ermittlun gen feststellen können, daß sich heute ungefähr 1600 Millio nen Goldmark in der deutschen Staatskasse befänden. Die Entente-Zollverwaltung am Rhein. Die Rheinlandskommission der Entente gibt folgendes bekannt: Durch Artikel 3 der Verordnung 77 der Inter alliierten Rheinlandkommission sind bekanntlich die Zoll verwaltung und der Ein- und Ausfuhrdienst im besetzten Gebiet unter Befehl der Interalliierten Rheinlandkom mission gestellt worden. Diese Rheinlandkommission hat für sich in Anspruch genommen, diesen deutschen Dienststellen alle Anweisungen bezüglich ihres Dienstes zu erteilen. Mit der obersten Leitung d,es Zolldienstes hat sie ein Komitee unter Leitung des Kommandanten Carte- ron und je eines belgischen und eines britischen Mitgliedes betraut. Zur Vermittlung der Anweisungen dieses Komi tees an die deutschen Zollbehörden des besetzten Gebietes wurde Oberregierungsrat Seybel von der Abteilung für Zölle und Verbrauchssteuern des Landesfinänzamtes Köln bestimmt. Auch Belgien erhebt 50 Prozent Aufschlag. In der belgischen Kammer wurde das Gesetz über dis 50prozentige Abgabe vom Verkaufspreis aller aus Deutsch land eingeführten Waren beraten. Der Finanzminisier war der Meinung, daß die Londoner Sanktionen eine gute Wirkung haben und Deutschland zur Besinnung bringen würden. Daß Deutschland seine Schulden bezahle, sei eins Existenzfrage für Belgien. Die Londoner Sanktionen wür den auch ihre moralische Wirkung nicht verfehlen. Die Kammer hat daraufhin das Gesetz mit 129 gegen 2 Stim men bei 17 Stimmenthaltungen angenommen.. Der Terror in OSerschlesien Hilferuf an die Kulturwelt. Die deutschen Parteien und Gewerkschaften Ober schlesiens haben folgenden Funkspruch „An alle" abgesandt: Nachdem die Polen in der oberschlesischen Volksab stimmung unterlegen sind, üben sie, von der polnischen Grenze ausgehend, gegenüber der deutschen Bevölkerung in den Landgemeinden den ungeheuerlichsten Terror aus. Mehrere Deutsche sind seit der Abstimmung ermordet worden, Hunderte von Arbeitern sind von ihren Arbeits stätten vertrieben. Die Bevölkerung strömt zu Tausenden in die überfüllten Städte. Hunderte von Verwundeten suchen Schutz und Hilfe. Die Interalliierte Kommission trifft ebensowenig wie im August 1920 Maßnahmen gegen den Aufruhr. Die deutsche Bevölkerung ist völlig hilflos dem verbrecherischen Treiben der Polen ausgeliefert. Wir fordern von der ganzen Kulturwelt die Einwirkung auf die Interalliierte Kommission, damit diese barbarischen Zustände sofort beseitigt werden. Gewalttätigkeiten überall. Die verbrecherischen Handlungen der Polen im süd lichen nnd südwestlichen Teile des Kreises Kattowitz dau ern an. In Maczelkowitz wurden die Deutschen aus der Ort schaft Vertrieben. Aus Myslowitz werden Terrorakte ge meldet. Die dort liegenden Franzosen sind angeblich ge gen den Terror machtlos. Gieschewald ist für einen Dentscin gesinnten nicht mehr betretbar. Der Terror hat aber amp bereits auf die übrigen Gebiete übergegrisfen. So mußten in Rybuik-S-tadt die Italiener und die Apo den Markt platz von polnischen Banden räumen. In Kobielitz und in Dielmitz wurden Reichsoberschlesier verwundet. In Koschentin im Kreise Oppeln wurden in einer Unterkuntt für Reichsoberschlesier drei Sprengkapseln geworfen, die Sachschaden anrichteten. In Stollarzowitz, Kreis Tarno- witz, wurde die Frau eines deutschen Vertrauensmannes von fünf Polen überfallen und mit Eisenstäben mißhan delt. In Makoschan, Kreis Hindenburg, mußte der Ge meindevorsteher mit seiner Familie flüchten. Aus Nuda sind zahlreiche Einwohner nach Hindenburg geflüchtet. Aus fast sämtlichen Teilen des Kreises Benthen kommen ebenfalls Nachrichten, daß die dortigen Deutschen ven'olgt werden. Teilweiser Belagerungszustand. Die Interalliierte Kommission hat den nachstehenden Aufruf erlassen: „Die Bevölkerung Oberschlesiens hat wäh rend der Abstimmungsperiode Ruhe und Ordnung in mustergültiger Weise gehalten. Gewisse Bevölkerungs elemente aber haben sich in den östlichen Kreisen zu Aus schreitungen verleiten lassen, durch welche die Ordnung ge fährdet werden könnte. Die Interalliierte Kommission, fest entschlossen, die Ordnung unbedingt aufrecht zu erhalten, verhängt den Belagerungszustand in den Kreisen Be-u- then-Stadt und -Land, Kattowitz-Stadt und -Land und Pleß." Sechs Landjäger ermordet. In Karf, Kreis Beuthen, sind acht Landjäger, also Beamte, die im Dienste der Interalliierten Kommission standen, von polnischen Banden getötet oder verwundet worden. Jetzt hat der Kreiskontrolleur den Ort militä risch besetzet! lassen und bestimmt, daß auf Gruppen von mehr als vier männlichen Personen sofort und ohne War nung das Feuer eröffnet wird. Alle Versammlungen, mit Ausnahme der religiösen, sind verboten. Von 8 Uhr abends bis 4 Uhr morgens wird auf Gruppen von mehr als zwei Personen beiderlei Geschlechts ohne Warnung gefeuert. Auch der Geschäftsverkehr ist an bestimmte Stunden gebunden. Der blutige Vorfall in Karf entwickelte sich, als acht Landjäger eiutrafen. Sie wurden von einer Polenbande bedrängt und flüchteten in ein Haus, das die Menge un unterbrochen von 11 Uhr abends bis 5 Uhr morgens be lagerte. Als die Landjäger im Feuergefecht mit der Menge ihrs Munition vcrschossssen hatten, zeigten sie durch ein weißes Tuch au, daß sie sich ergeben wollten, und es wurde ihnen freies Geleit zugesichert. Als sie jedoch das Haus verließen, wurden vier von ihnen sofort bestialisch ermor det und zwei so schwer verwundet, daß sie inzwischen ge storben sind. Die beiden übrigen wurden schwer verletzt. Während der Beschießung des Hauses wurde ein Dreher erschossen. PoLLMebe Kunälckau. Drohung mit weiteren Besetzungen. Der „Chicago Tribune" wird aus Koblenz gemeldet, daß unrer amerikanischen und französischen Autoritäten die Ansicht vorherrsche, daß weitere Zwangsmaßnahmen in folge der Weigerung Deutschlands zur Zahlung der einen Milliarde Goldmark zu erwarten feien. Man werde nun mehr das Ruhrgebiet, einschließlich Essen besetzen. Es sei damit zu rechnen, daß diese Truppenbewegung bereits heute einsetzen werde, die alliierten Truppen im Brücken kopfgebiete von Köln und im neubesetzten Gebiete seien ent sprechend verständigt worden.