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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931003020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893100302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893100302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-10
- Tag1893-10-03
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VezUgs-Vre» «, s« houpttrpedttto, «tzer de, st» «tad» tzeatrk «ld de» Vororte» errichteten >ut» oadestrll«» atzgehelt: vteneti«hriich^l4^0, dei zweüoalia« täglicher Zustellung in« Hau» » bchL Durch die Post bezogen sür Deutschlaud oud Oesterreich: vieriestahrlich g—. Direkte tägliche Kreuzbaiidieuduug tu« Aullaud: monaUich ?chli. rieMorgen-Autgab« erscheint täglich die Lbeud-AuSgab« Wochentag« ä Uhr. Ledictt*» »«L Ln»edittou: A»tzau»r«,asse 8. Die Expedition ist Wochentag« nnnnterbroche» geützuet »oa früh 8 bi« LbeudS 7 Uhr. /Male»: vtt< «e»»'« «artt». (Akfre» Universitätlstrab» 1. Laut« LS,»«. paHartseufir. 1t. part. und Kö«tarvlatz 7. Abend-Ausgabe KipMer.Tltgeblalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeigenpreis die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfg. Reclemea »ater demRedactiouSstrich st«« spalten) SO-H. vor den Familienuachrichio» lk gespalten) «O-H. Gröber, Cchristea laut unserem Prei«» Verzeichnis. Tabellarischer und LtgerHsgtz »ach höherem Tarif. Erer« »Beilagen lgesalzt), aar mU de« Vtorgra «Ausgabe, ohu« Postbeförderuaa »tl 60.—. mit Postbesörderuog 70.-^ ^auahmeschluß für Anreize»: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 lltzeI Margea-Au»gab«: Nachmittag« «UhL So»»- and Festtag« früh '/»> Uhr. ^ Bat deu Ailialea uud Annahmestelle» M eint halb« Sttwd« früher. U»»et,e» fiad stet« „ hi, GzDetzM«» zu richte». Drnck and Verlag vo, «. P»l, h> Leiptzj» ^5«5. Dienstag den 3. Oktober 1893. N. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Oktober. Ob in Berlin die Handclsvcrtragsverhandlungen mit Russland schon gestern formell begonnen haben, oder erst heute beginnen, ist aus den uns vorliegenden Berichten nicht klar zu ersehen. Jedenfalls haben Vorbesprechungen der Delegieren bereits stattgefunden. Die öffentliche Meinung hat derartige Verhandlungen kaum jemals zuvor mit einem so lebhaften Interesse begleitet. Wir lassen dahingestellt, wie weit dasselbe künstlich hinausgeschraubt ist, und meinen, daß, »achtem die Bevollmächtigten der beiden Staaten nunmehr an ihre Auf gabe herangctrcten sind, cS an der Zeit wäre, auch in der Oeffenllichkeit die Frage ruhig und rein sachlich zu erörtern. Eine agitatorische Behandlung derselben würde auf den Gang der Besprechungen gar keinen Einfluß haben können. Unseres Erachtens thul man, wie die Dinge jetzt liegen, überhaupt am besten, das Ergebniß der Verhandlungen abzuwarten. Nachdem die deutsche Regierung sich mit einem Sachverständigen-Beiralh umgeben hat, braucht man nicht zu befürchten, daß die diesmaligen Ab machungen in wichtigen Puncten so ohne genügende Berück sichtigung der thatsächlicheu Verhältnisse getroffen werden könnten, wie eS wohl früher der Fall gewesen ist. Ferner halten wir für sicher, daß der Reichstag, wenn eS über haupt zum Abschluß eine« Vertrage« zwischen den Regie- rungen kommt, nicht wieder in den Fehler erner überstürzten Annahme desselben verfallen wird, wie cS im December 189l mit den Handelsverträgen geschah, wo die Nationallibcralcn und die Eonservativen durch Eentrum. Freisinnige und Socialdemokraten, unter dem schärfsten Hochdrücke von oben, in eine Zwangslage versetzt wurden. Diesmal dürfte das Eentrum cö mit der Bewilligung des Vertrages durchaus nicht so eilig haben. Auch daS Gewicht politischer Gründe, welches vor zwei Jahren mit ausschlaggebender Wirkung ins Feld geführt wurde, wird diesmal die Stellungnahme des Parlaments nicht beeinflussen können; wenigstens ist eS un wahrscheinlich, daß Gras Eaprivi den kübnen Ausspruch des Oberbürgermeisters vou Danzig, ein Handelsvertrag mit Rußland würde eine Armee Werth sein, bestätigen werde. ES ist demnach anzunebmcn, daß der Reichstag und die öffentliche Meinung gegebenen Falls vollauf Zeit haben werden, de» abgeschlossenen Vertrag vor der parlamentarischen Ent scheidungin allerRuhezuprüfen. Bis dabin sind alle Erörterungen über diese Sache ohne praktischen Werth, eS sei denn, daß man jetzt bereits von der Verwerflichkeit eines Handelsvertrags mit Rußland fest überzeugt wäre. Ein Handelsvertrag mit Deutschland hat sür Rußland nur Werth, wenn unser Differenzialzoll auf sein Getreide beseitigt wird. Wer nun der Ueberzcugung ist, daß die Beseitigung dieses Differenzial zolls der „Untergang der deutschen Landwirthfckast" sein würde, wie man das beute ja vielfach behaupten hören kann, der wird die Abschließung eines solchen Vertrags allerdings auf Leben und Tod bekämpfen müssen. Ist aber jene Be hauptung wirklich begründet? Wir sind weit davon entfernt, der Beseitigung des Differenzialzolls für unsere Landwirth- sckaft keine Bedeutung beizulegen; aber daß sie von ver nichtender Wirkung für dieselbe werden würde, halten wir ftir eine agitatorische Uebcrtrcibung, welche, wie bei den NeichStagSwahlen, nunmebr, da man im Kreuzzcilungslager eine andere genügende Wahlparole schlechterdings nicht zu finden weiß, auch bei den preußischen Landtagowabtcn ihre Dienste thun soll. Eine sachliche Behandlung der HandelS- vertragSfraze wird man darin aber nicht erblicken können. Trotz Allem, was von russisch-officieller Seite geschehen ist, um den Touloner Alottenbesuch in den Nahmen einer höflichen Erwiderung des Kronstädler Besuches zu bannen, einer Gegcnvisitc, von deren Nothwendigkeit man seit zwei Jahren überzeugst war und deren Abstattung seit der Ab sendung des russischen Geschwaders nach Amerika mit Sicher heit für den lausenden Herbst angckündigt worden — bekarrt die „Nowoje Wremja" dennoch dabei, die unter Theil- nahme deS italienischen Kronprinzen abgeialtcnen Manöver in Elsaß-Lothringen in die nächste Be gebung zu diesem Besuche von Toulon zu skyen. Erst diese Manöver hätten, freilich sehr gegen den Wunsch Deutschland«, „die einfache Gegenvisitc der russischen Seeleute in ein euro päisches Ereigniß ersten Ranges verwandelt." „Wären die Manöver bei Metz nicht auf die Tage der Sedaner Katastrophe angesetzt worden und hätte an ihnen nicht der italienische Kronprinz theilqenommen, jo hätte die Touloner Begegnung in den Augen ganz Europas nur die Bedeutung einer einfache» und sclbst- veriländtichen Erwiderung der Kronnädter Visite gehabt. Auch den äußeren Arrangements dieser Begegnung wäre wobl ein anderer Charakter gegeben worden. Dem Gefühle der Freude, de» herzlichen Empfang der französischen Seeleute in Kronstadt jetzt würdig erwidern zu können, hätten sich bei den Franzosen dann keinerlei störende politische Erwägungen beigemengt. Es ist sogar möglich, daß die osficiclle Anmeldung von der Ankunst des russilchen Geschwaders in Toulon erheblich später wäre gemacht worden, hätte es nicht im Interesse deS europäischen Friedens als unbedingt notdwendig sich erwiesen, de» schweren und tiefen Eindruck, den die Ankunft des Sohnes und Nachfolgers d»S Königs Humbert in Metz bei den Franzosen hervorbrachte, durch diese Benachrichtigung zu paralysiren Als Resultat alles deS Vorausgegangenen ergab sich die allgemeine europäische Bedeutung, die man dem Touloner Flot'cnbesuch, auf den sich die Aufmerksam- keit ganz Europas concentrirt, überall zuschreibt." Vielleicht ist diese Auslassung ossiciösen Ursprungs und bat den Zweck, der in Frankreich sich bemerkbar machenden Abkühlung entgezenzuwirken. Viel wird dieser Versuch aller dings nickt nützen, aber man glaube auch nicht, daß die Ab kühlung so weit gehen werde, Frankreich zu einem Verzicht auf die Vorbereitungen zu einem Revanchekriege zu ver anlassen. Selbst wenn man in Paris auf den Zaren ebenso schimpft, wie man ihn kürzlich verherrlichte, wird man in der Stille weiter rüsten, um bereit zu sein, wenn Rußland die Zeit zum Handeln sür gekommen erachtet, Die militairischen Verhältnisse an der französisch-italicntschen Alpcngrenze haben bekanntlich zur beiderseitigen Auf stellung von SpecialcorpS geführt, die für de» Hoch- gebirgsdienst im Kriegsfälle bestimmt sind und eine dem entsprechende besonders sorgfältige Ausbildung erhalten. Ihr Hauptzweck besteht darin, sich nach erhaltener Ordre möglichst schnell längs der Grenze auszubrcitcn, etwaigen seindlickcn Vorstößen den Weg zu verlegen, selbst aber, wenn irgend tbunlich, aus feindliches Gebiet überzutrcten und eventuell sich besonders wichtiger Tcrrainabschnitte zu bemächtigen. Zur be friedigenden Durchführung all dieser Ausgaben bedürfen die Spccialtruppen gewisser Eigenschaften und Fertigkeiten, deren Erlangung eine sorgfältige Schulung voraussctzt. Um nun das Vermögen der Alpcntruppen im Ertragen von Hoch- acbirgsstrapazcn selbst unter den denkbar erschwerendsten Umständen zu erproben, hat daö Ressort der französischen Alpenverlhcidigung beschlossen, daß im Lause diese« Winters ein außerordentlicher Ueberwinterungsversuch bei den Mann schaften de« Postens aus dem Frejusjoche vorgenommen werden soll. Der zu diesem Versuche erkorene Punct liegt in der Höhe von 3000 Metern, zwischen Modane und Bardon- nüche, senkrecht über dem Montcenis-Tunnel, nur auf Flinlen- schußweite von der italienischen Grenze entfernt, in besonders rauher und unwirthlicber Umgebung. Die Verproviautirung und Ausstattung der Winterstation hat bereits stattgesunde», auch eine telephonische Verbindung mit Modane ist hergcstcllt. Man ist in militairischen Kreisen Frankreichs auf das Er- gebniß des Versuchs um so gespannter, als ein analoges, vor etlichen Jahren von Len italienischen Alpenjägern gemachtes Experiment zu wünschen übrig gelassen habe» soll. Hinzu- zusügen möchte noch sein, daß daS französische KriegSministcrium eine letzthin von verschiedenen Pariser Blättern gebrachte Meldung dementiren läßt, als sei jemals eine Verringe rung der an der italienischen Alpengrenze dislocirtcn Truppen in Erwägung gekommen; im Gegentheil werde man die Alpenstellnng, das eigenste Werk des verstorbenen Gcncral- tabstchesS de Miribel, in jeder Hinsicht verstärken und die Befestigung der Alpenpässe mit möglichster Beschleunigung zu Ende führen. Der französisch-siamesische Handel, der in der Hauptsache schon in dem Augenblicke crletigt war, in welchem der von England im Stiche gelassene, zur Erkenntniß seiner völligen Isolirnng gelangte Hos von Bangkok daö von Frankreich ge sellte Ultimatum bedingungslos annahm, bat nun auch seinen ormellen Abschluß gefunden. Durch einen zwischen der iamcsischen Regierung und dem französischen Specialconimissar Le Myre de VclcrS vereinbarten Vertrag, dessen Unterzeich nung heute erfolgen wird, sind nicht nur die im Ultimatum Siam angesonnenen Gebietsabtretungen genau bestimmt und die ibm auscrlegten Entschädigung«-, bczw. Bußzahlungrn im Einzelnen festgesetzt worden» sondern eS hat dort auch noch so manche andere Forderung Play gefunden, von der anfänglich nicht die Rede gewesen, mit der im Laufe der Verhandlungen der französische Bevollmächtigte jedoch hcrvorgctreten war. Alles, was er über das Ultimatum hinaus beanspruchte, scheint Hr. Le Myre de VilcrS allerdings nicht durchgcsetzt zu haben, war doch zeitweilig der Unmutk der leitenden siamesischen Kreise gegen die französischen Ueber- forderungcn ein so lebbafter, daß ein vollständige« Mißlingen der Unterhandlungen nickt anSgeschlosse» schien und daß von Frankreich auS zur Verstärkung deS Humann'schen Ge schwaders schleunigst noch ein Panzerkreuzer in die indo chinesischen Gewässer entsandt wurde. In letzter Zeit scheint der französische Eommissar den starken Wein seiner Ansprüche jedoch mit dem Wasser weiser Mäßigung gemischt und dadurch »>cn endlichen Vertragsabschluß ermöglicht zu haben. Wa« Siam dabei zugestehen mußte, ist immerhin nock wesentlich mehr, als was eS mit Annahme des Ultimatums zu tbun, bezw. zu lassen sich bereit erklärt hatte. Besonders peinlich dürfte cS die fortdauernde Besetzung der rechts des Mekong, also in dem ibm verbleibenden Gebiet, gelegene» Hafenstadt t^lianta- boon durch französische Truppen empfinden. Frankreich batte, als die Unterhandlungen begannen, die Auslieferung dieses wichtigen Küstcnorls gefordert, um ein Unterpfand für die friedlichen Absichten de« HofcS von Bangkok in Händen zu haben; sofort nach Unterzeichnung des Vertrag« sollte Ebantaboon aber geräumt werden. Jetzt erklären die Fran zosen, daß sie in Ebantaboon, da« sie inzwischen wobl befestigt haben, so lange bleiben würden, bis der Vertrag in allen seinen Theilen zur Ausführung gebracht sei, und die siamesische Re gierung hat sich diesem Bekehren wobl oder übel fügen müssen. Natürlich wird cs den Machthabern in Paris und Saigon nicht einfallcn, Ebantaboon, von dem auS Bangkok selber in wenigen Taacmärschen sich erreichen läßt, je wieder herauszugcden; Vorwände sür die spätere Weigerung werden unschwer zn finden sei». Frankreich gebt ohne Zweifel mit dem Gedanken um, ganz Siam seiner Oberhoheit ebenso zu unterwerfen, wie Anam und Kambodscha, »nd da cS au die Position bei Ehantaboon sich stützt, so wird cS im geeigneten Augenblick diese Absicht unschwer zur Ausführung bringen können. Der Bankproceß in Ro« tritt, wie e« scheint, wieder in ein neues Stadium. E» ist bekannt, daß einige Angeklagte, z. B. Tanlongo Sohn, Mickele Lazzaroni und Monzrlli, der frühere AbtheilungSchcf im Handelsministerium, au« der Hast entlassen waren. Der Letztere hat nun seine Caution im Stiche gelassen und ist nach der Schweiz geflohcu. Monzllli wurde beschuldigt, daß er als Vertreter der Regierung bei der Inspektion der verschiedenen Banken, und namentlich der Bauen Romaua, im Einverständnisse mit dem Gouverneur dieser Bank. Bernardo Tanlongo, und dem ebenfalls an- geklaglen Eassirer Lazzaroni gestanden, seiner Regierung den Zustand dieser Bank verheimlicht und von Tanlongo bestochen, diesem mit seinem Rathe und Einflüsse bei den von ihm ver übten Uiiterschleifen geholfen habe. Natürlicher Weise giebt diese Flucht zu mannigfachen Eommentaren Anlaß, und c« cblt nicht an Meinungen, welche behaupten, daß man Monzilli absichtlich babe entfliehen lassen, um dessen für mehrere hochgestellte Personen sehr compromittircnbe Aussagen zu verhindern. Unterstützt wirv diese Meinung durch die Kritik, welche Cavallotti an einem Briese de« Ministers Grimaldi übt und in welchem er aus daS Actenbünbel aufmerksam macht, welches nicht consiScirt, sondern von Tanlongo'« Sohn dem Notar Bertcralli übergeben wurde. Diese« Packet soll eine Menge daS Ministerium compromittireuder Schrift stücke enthalten und cS soll daraus hcrvorgehen, daß die Banca Roinana allen Ministerien geholfen habe und ihre Millionen besonders zur Ausrcchterhaltung deS Renten- curjeS zugcsctzt habe. Jetzt ist nun dieses Actenbünbel von der Regierung cingefordcrt und an sie ausgeliefert worden. Der Inhalt desselben ist indeß nicht be kannter geworden. Alles das hat dazu heigetragen» daß der Geucral-StaatSanwalt Senator Bartoli gegen- deu Beschluß der Anklagckammer in dem Processe der Banca Romana RecurS erhoben hat. Dieser RecurS ist ein höchst merkwürdiges Aktenstück und erregt das allergrößte Aussehen. Man nennt cS >n Rom einen Anltage-Acl gegen die Anklage» laiiimcr. Senator Bartoli weist zuerst nach, daß die ganze Untersuchung unregelmäßig und im Widerspruch mit den bestehenden gesetzliche» Vorschriften geführt wurde. Dann beweist der General - Staatsanwalt die Ungesetz lichkeit des EntlassuiigSbeschlusses gegen Michele Lazzaroni und Angela Mortcra. Es sei ,n demselben nicht ein mal bemerkt, daß die den beiden GcnanntSK zugeschriebenen Handlungen keine strafbaren gewesen seien. Sie hätten genau das Nämliche gcthan wie Bernardo Tanlongo und Ecsarc Lazzaroni, die ans der Anklagebank erscheinen mußten. Nie mand könne begreife», warum die gleichen Handlungen bei dcni Einen strafbar, bei dem Andern unsträflich seien. DaS Allerscltsamstc in dem Rccnrse ist aber die Mittheilung, ein Theil des EntlassungSbeschlusseS sei von einer nicht zu den Mitgliedern der Aiiklagekammcr gehörigen Persönlichkeit „auS GewisscnSrücksichten" rcdigirt worden. Die „Opinione" uriheilt über den RecurS, er decke eine eiternde Wunde der italienischen Rechtspflege auf und seine natürliche Folge müsse die sein, siimmtlichc Richter, welche de» Entlassiingöbeschluß gefaßt hätte», vor dem EassationShose zu belangen. Uebcr 2 Monate dauert jetzt in England der Berg- arbcitcrstreik, und obwohl gerade in ver letzten Woche in verschiedenen Gebiete» der Kohlenbecken eine theilweise Wiederausnabmc der Arbeit stattfand, so sind die Hoffnungen aus ein baldiges Ende des ganze Zweige der englischen Industrie lahmlegcnden RiescnstrcikS besonders angesichts des Beschlüsse« der Generalversammlung der Delegirtcn der Mincnsöderation völlig geschwunden. ES ist schwer, vorauS- zusagcn, wie lange dieser Beschluß, sich mit den Mincnbesitzern aus keinerlei Unterhandlungen cinzulassen, so lange die letztere» /onillrton. Die quade Foelke. Roman aus der Emsgau. Ls Von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verbot«!. (Fortsetzung.) „Den Wilhelm laß lausen, wenn Du gedacht hast, daß e« mit Dem und Dir 'was werden könnte. Nie. Ich habe nickt so viel an Dick gewendet, damit Du den ersten besten Bauern beirathest. Es ist schlimm, daß ich Dir das erst sagen muß. Es giebt nur Einen, mit dem Du aus- kommen kannst." „Und dieser Eine, Vater?" „Du thust ja gewaltig dumm mit dieser Frage. Wer anders soll'« sein, als Bernd BrunS? Ich habe bei ihm Vaterstelle vertreten und weiß als sein ehemaliger Vormund, was er hat. Sein Platz ist der beste im Dorfe. Zweiund- siebenziz Milchkühe, zwanzig Stück Jungvieh, vierzehn Pferde, dazu Kälber und Schweine, hat kein Zweiter. Außerdem begrenzt ein großer Theil seiner Ländereien die unseren, und — er hat 'was gelernt. Mil dem kannst Du Dich sehen lasten." „Gelernt? Ja, Vater — das Trinken, das hat er gelernt. Beim Trinken nimmt « kein Zweiter mit ihm auf", versetzte Foclke ruhig, die Worte nur mit einem bestätigenden Kopf- nickeu begleitend. „WaS hat er sonst noch gelernt? Meint Ihr, weil er zwei oder drei Jahre in eine städtische Schule ging, babe er etwas gelernt? Dummheiten freilich genug, um nicht zu sagen <Lchlechtigkeiten. Habt Ihr deun nur ganz und gar den vielen Acrger vergessen, den er Euch gerade in den Jahren gemacht? Ich aber weiß noch, wie manchen Verdruß Bernd Brun'S in unser Hau« getragen, wie von seinen Lehrern eine Klage über die andere gekommen, bis er endlich mit Schimpf und Schande weggejagt worden ist!" „Hast ja das Sündenregister deS Bernd BrunS merk würdig gut behalten; bei anderen jungen Leuten ist « nicht minder lang, eS bekommt nur nicht ein Jeder z» Gesicht. Bernd s schlimmster Fehler ist, daß er nicht versiebt, den Leuten Saud in die Augen zu streuen. Und was da« Trinken «ubelangt — so sorg' Dich darum nicht. Wer einmal in anderer Gesellschaft lustig gewesen, ist darum noch lange lein Trinker. Einen solchen hätte ich mir gerade als Schwieger sohn ausgesucht!" „Ich denke, wir streiten uns um Dinge, die nicht deS Streitens werth sind. Bernd und ich haben uns nie ver tragen. Wenn er mich nehmen wollte, würde er dieselbe Rechnung machen wie Du, das heißt, er würde mich umS Geld nehmen." „Der Wilhelm nicht? Der braucht'S noch um ein gut Theil eher, er müßte sonst schon willens sein, sich über kurz ober lang als Knecht zu verdingen. Daß er lieber den Herrn machen möchte, wer will'« ibm verargen? Wärst Du aber nicht deS reichen Uffe AtjeS Meinhardi Kind, er würde nicht viel nach Dir fragen. Daß der dem „Tader" der schwarzen Wolberich nachläuft, weiß ein Jedes ebenso gut, als daß er sic nicht beiratbcn kann, weil Nullen keine Zahl geben, auf die ein ostsriesischer Bauer loSheirathet." Foelke war ausgestanden, ihre Wangen hatten etwas von ihrer rosigen Frische verloren. Die Worte de« VaterS ver fehlten nicht, wenigstens einen Theil der beabsichtigten Wirkung bervorzurufcn. Trug auch ihr Gesicht ein Gepräge großer Gleichgiltigkeit, so verrietb doch die zitternde Hast ihrer Hände, mit welcher sie die Näharbeit zusammenlegle, ihre Aufregung. Sie warf einen Blick auf die englische Standuhr am Eingänge der Küche. „Es ist zcbn Ukr", sagte sie mit etwas unsicherer Stimme, die jedoch schon wieder bei den dann folgenden Worten: „Ich will noch einmal im Hause Nachsehen", an Festigkeit gewonnen hatte. Sie nahm die große Stalllaterne, und nachdem sie dieselbe durch das Anblasen einer Torfkohle entzündet hatte, trat sie ihren gewohnten abendlichen Rund- gang durch da« Ha»S an. Sie ging über die große Diele an dem Heufach vorüber, welche«, geleert, einen öden Ein druck machte, in den Pserdrstall. Hier verweilte sie länger als gewöhnlich. Die acht wohlgenährten Braunen, die in den letzten Wochen wenig Arbeit gehabt, aber an Hafer keinen Mangel gelitten, kamen ihr merkwürdig unruhig vor. Sie untersuchte die Krippen und Halfter und sprach mit den Thieren, um sie zu beruhigen. Dann schloß sie die Tbürcn, um in die Küche zurückzukehren und dem Vater „gute Nackt" zu sagen. Bevor sie hier eintrat, wandte sie sich noch einmal um. Ihr bäuchte, als habe sie ein leise- Kickern gehört. Sie mußte fick Wohl getäuscht haben. Da« Licht durchslutbete voll den Raum, den sie zu verlaffm im Begriff stand, «nd sie sah in demselben nicht-, daS ihre Aufmerksamkeit hätte erregen können. Uffe AtjeS hatte schon selbst bie Thüre» de« Wandbettes geöffnet und die Hellen Kattunvorkänzc zurückgeschlagcn, auch daS spitzenbesetztc Ucbcrtuch zusammcngelegt, so daß Foelke nichts mehr zu tbun vorfand und sich gleich nach der Aus- kammer, die ihr als Schlafstube biente, begebe» konnte. Sie batte kein Licht »litgcnommc». Der Mond erhellte daS kleine Zimmer, zu welchem einige Stufe» aus dem Raum führte», der im Hause „die gute Stube" vertrat. Die Ein richtung der Auskammer gehörte zu denjenigen Eigenheiten Meinhardi'S, die im Dorsc und im weiteste» Umkreise deS selben ein Gegenstand der Spöttelei waren und ihn in den Geruch dcö HvchmuthcS und der Eingebildetheit gebracht hatten. Der Tisck und die Stühle mit dem Sitz von Binscn- geflecht, die Kupferstiche an den weißgetünchlen Wänden, «eenen au« den, Leben der heiligen Genoscva, darstellend, waren nicht ander« als die, welche man gleich oder ähnlich in jedem anderen ostfricsischcn Bauernhause fand. Aber zwei Gegenstände enthielt der kleine Raum, die entschieden den Eindruck machten, als gehörten sic nickt hierher, schon weil sie denselben ungebührlich verengten. Da war zunächst ein Harmonium, dessen stilvolle« schwarze« Gehäuft in seiner Umgebung aufsallen mußte, ferner ciiz» elegant gearbeiteter Bücherschrank, von oben bis unten mit Büchern gefüllt, deren glänzendes Aeußcre jedem Salon zur Zierde gereicht haben würde. Auf dem Schrank breitete ein großer auSaeslopfter Seeadler seine Flügel auS, so eine Verbindung de« SckrantcS mit der Zimmerdecke berstellcnd, die förmlich ans die Niedrig keit und Gedrücktheit des Raumes hinwicS. In dieser Auskammer verbrachte die Tochter des Hause« jede freie Stunde, deren eS in dem großen Hauswesen aller dings nicht viele gab. Hier war Foelke allein — sich selbst überlassen. Kein anderer Fuß, als der ihre betrat da« Stübchen, dessen drei Schiebefenster von alten Obstbäumcn de« Garten« beschattet wurden. DaS junge Mädchen war an eins der Fenster getreten, da« geöffnet der kühlen Nacktluft freien Einzug gestattete. Obwohl es einen mühevollen Tag zurückgrlegt, fühlte es dock leine Ermüdung. Dir Unterredung mit dem Vater hatte «S mächtig erregt, mehr al« eS sich selbst gestehen wollte. Foelke kannte den Vater. Seine Aeußerungen in Bezug auf Bernd Brun« waren wobl im Stande, sie zu beunruhigen. Er War kein Mann von vielen, noch weniger von unnützen Worten. WaS er gesagt, ließ sie nicht darüber in Zweifel, daß er bereits über ihre Zukunft verfügt habe. Aber nickt dieser Gedanke allein war eS, der sie auS der gewohnten gleichförmigen Ruhe ihre« Dasein« aufgerüttclt und jetzt das Blut stürmisch gegen ihre Schläfen pochen ließ. Sie mußte wieder Willen der Aeußerungen deS VaterS über Wilhelm gedenken. Der Vater war kein Vcrläuindcr, der, gegen seine Ueberzcugung, ein Wort zum Nacktheit eine« Menschen gesagt haben würde, mochte es nun Freund oder Feind sein. Nickt lange gab Foelke sich unfreundlichen Betrachtungen bin. Sie war entschlossen, ruhig abzuwarten. Wilhelm war, obgleich einige Jahre älter, mit ihr ausgewachsen und jede schlechte Eigenschaft ibm fremd. Nie hatte sie ibn eigennützig handeln sehen. Sollte er trotzdem — Sie konnte nicht gleich auSdcnkcn, und noch einmal stieg ikr daS Blut heiß in di: Wangen. WaS war ihr da« Wort Liebe — was fein Begriff? Die kühle, friesische Natur durste nie mit einem solchen rechne», ohne allen Traditionen ihrer Vorfahren treulos zu werden. Sic mußte denselben Weg gehen, den Vater und Mutter, Freunde und Bekannte gegangen waren, wie daS Sitte und Brauch. Wenn durch eine verkehrte Erziehung, die nur zu sehr geeignet gewesen, sic auS dem Rahmen deS Alltäglichen herauszudrängen, an ihr gesündigt worden war, so mußte sie in allen ihre» Handlungen doppelt vorsichtig seien, um nicht dem Fluch zu verfallen, den der Vater ans sich geladen, indem er einer Eharakteranlage einen zu freien Spielraum gewährte. E« batte der Tochter manche heiße, verborgene Thräne gekostet, wenn sie den Vater einen hockmütbigen Narren nennen ge hört, und mit einer gewissen Aengstlickkeit war sie Allem an dern Wege gegangen, da- ihm oder ikr eine» derartigen Bor wurf hätte rinbringeir können. Mehr als eine Stunde hatte Foelke am offenen Fenster stehend zugebrackt »nd versucht, eine ungewohnte Erregung zu bekämpfen. ES war ibr wie immer gelungen. Der starte Dust der Blumen übte eine einschläfernde Wirkung auf sie au«, so daß sic daran dachte, ikr Lager aufzusuchen, al« ein unbestimmte« Geräusch sie plötzlich aufhorchen ließ. Deutlich Hörle sie da« Wicbcrn eine« Hengstes. In demselben Augen blicke erinnerte sie sich, daß sie die Pferde im Stalle unruhig gesunden. Lauschend blieb sie nicht darüber im Zweifel, daß sich eins der Tbiere oder wobt gar mehrere loSgerissen. Sie ging, den Kneckt z» wecken. Al« sie aü« der „gute» Stube" trat, huschft eine Grstalt «« jhr vorüber, eia starker
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