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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931106025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893110602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893110602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-06
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MH« Henptrxpeditto» «« de, k» Gtdd». b»irk u«d den Bororte» errichteten Au«, gabesteven abgeholt: vierteljährliche« 4.50. bei zweimaliger täglicher Snftellnng ta« Ha»» >l LchO. Durch di» Post be^e» fttr Deatschinnd und Oesterreich: viertrljLdriich e« L—. Direct« täglich» Areu-dandmuua, i>O mouLÜtch ^ 7.Ü0. DleMigru-NnSgob« erscheint täglich'/,? Uhr, dt» >h«»d-Ao4gabr Wochentags 5 Uhr. LeLntio« uu- Lr-editiou: AoHannesgasse 8. Dir Expedition tfiSachratag» »nantrrbrochr, geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: vtt» «e»»'s Tertt». <«lsre» Hahn), Unidersitätsstraße 1. Laut» Lüsche, Rachartnenstr. 14, pari, und KSnichtpla» 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschSstsverkehr. Anzeigen-Prei» dir 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem Redactionestrich <4ge» spalten) 50^Z, vor den Aamiliennachrichten (k gespalten) 40 Größere Tchristen laut unserem Preis» vcrzrichniß. Tabellarischer und Zisfrrnsatz nach höherem Tarif. türtra-Beilagen tgefalztl, nur mit der Morgen - Au-aad«, ohne Postdesürdernng 60—, mit Posibesörderung e« 7V.—. Anuahmeschluk für Anzeigen: Adend-An-gabe: Bormittag« 10 Uhr. Morge u-Ausgab«: Nachmittags 4Uhr. Soun- und Festtag» früh ',,S Uhr. Bei den Filialen und Ännahmestellea je eine halbe Lluude früher. Nnzeiseu sind siet« an di« Ertzesitia» zu richten. Druck und Verlag von E. Polt in Leipzig. ^°5K7 » Mvntag den 6. November 1893. 87. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig. 6. November. Bei der strengen Geheimhaltung, die über die dentsch- russischen Anllvertzandlungen in Berlin bewahrt wird, kan» es nicht befremden, daß einzelne schiefe und unrichtige Mil- theilungen von besonders sensationslüsternen Blättern zu den kühnsten Combinationen verwendet werden. Daß aber da» „Berl. Tagrbl." glauben machen will, die Verhandlungen, soweit die Tarifsragen dabei in Betracht kommen, seien bereit- „:u einem gedeiblichen Ende gelangt", die russischen Unterhändler hätten namentlich in Bezug auf die Eisen« und Textilbranche wesentliche Zu- grständnissc gemacht, während die deutschen Eoncessionen in dem Verzicht auf die sernere Erhebung von Diffe renzialzöllen für Getreide rc. gipfelten — da- geht denn doch über daS Maß erlaubter Eonjecturalpolitik hinaus. Wie der »Franks. Zig." von einer Seite, die wir als zu verlässig kennen, uiiigetheilt wird, ist nicht einmal die PeterS- durger Meldung, daß von 70 seiten-Deutschland- ausgestellten Punkten bereits 60 erledig« seien, richtig. Ebenso unrichtig ist die von anderer Seite aufgestellte Behauptung, die Verhandlungen seien unterbrochen gewesen. E- konnte nur, solange der deutsche Zollbcirath und die Sachverständigen nach der ersten Lesung arbeiteten, und zwar sehr angestreugt arbeiteten, keine Eonserenzsitzung der russischen und deutschen Delegirten stattfinden, denn dazu mußte erst da« Resultat der Berathungrn der Sachverständigen und de« Zollbeirath« ab gewartet werden. Durch die Einsetzung des Zollbeirath- und die weitgehende Berufung von Sachverständigen der Jn- dustrie und de» Handels hat dir Regierung gewissermaßen zeitweise die Leitung der Verhandlungen aus der Hand gegeben und in die der Sachverständigen gelegt, wa» an gesichts der schwierigen Situation, der gegenüber sie sich unter allen Umständen mit dem Handelsverträge im Reichstage befinden wird, begreiflich ist. Im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen haben die deutschen Delegirten eigentlich nur die Ausgabe, das vom Zollbeirathe mit den Sachverständigen als da« Mindestmaß der Forderungen der deutschen Industrie und de« deutschea Handel« nach sorg fältige« Erwägungen gormulirtr den russischer Delegier«, vorzulegrn und e« später ihnen gegenüber' zu begründe» uud zu vertreten. Diese Vorlegung hat bereit« ,» zwei Sitzungen begonnen und wird voraussichtlich heute beendigt werden. Dann sind die russische» Delegirten im Besitz besten, wa« die drutsche Industrie und der deutsche Handel mindesten« beim Abschluß eine« Handelsvertrages verlangen zu muffen glauben. ES wird versichert, daß unter dem Eindruck der Hanen Erfahrungen de« Zollkriege« die deutschen Industriellen ihre ursprüng lichen Forderungen sehr stark hrrabgemindert haben und im Interesse de« Zustandekommens eine« Vertrage« eine weitgehende patriotische Mäßigung bethätigen. Jetzt bängt Alle« davon ab, wann und was die russischen Drlr- girten auf die ihnen unterbreiteten Forderungen antworten werden, und wa« den Zeitpunct anbelrifft, so isi eS natürlich von Wichtigkeit, ob die Delegirten erst neue Instructionen in Petersburg einholen müssen, oder ob ihre Vollmachten au»reichrn, die deutschen Vorschläge ohne Weiteres zu beant worten. E« bestehen zwischen den jetzigen deutschen Forde rungen and dem, wa« die Rüsten in der ersten Lesung an- grbolen baden, noch erhebliche Differenzen, und wenn auch deren Beseitigung zu hoffen ist, so wird der Abschluß doch nicht, wie man es gewünscht hätte, vor dem Schluffe der Schifffahrt in der Ostsee erjolgen, wa« im Interesse der deutschen Rbederei und andererseits auch im Interesse de« russischen Getreidehandel« gelegen hätte. Wie über die deutsch-russischen Zollverhandlungen, so werden über die „russisch-französische Verständigung" in der stresse noch fortwährend die seltsamsten und schiefsten Ansichten laut. E« ist daher von Werth, daß officiöse Blätter einen diese- Thema behandelnden Artikel der „Köln. Ztg" wirder- gebeu und damit bekunden, daß er den Ansichten der leitenden Berliner Kreise entspricht. Er weist darauf hin, daß russische und deutsche Interessen an keinem Punkte einander widerstreiten und daß daher die Gründe, vie den Zaren trotz der Unnatürlichkeit einer rusflsch- sranzösischen Entente veranlaßt haben, der französischen Republik den Arm zu Arm zu reichen, auf einem anderen Gebiete zu suchen seien, und zwar auf dem de« gemeinsamen Antagonismus gegen England. .Im Orient, in Asien und mit rückwirkender Kraft auch in Europa findet Rußland überall Großbritannien als Vorposten seiner Gegner, in allen Weluheilen stößt Frankreich auf den Widerstand England-, und im Mittelmeer bat es ihm dir Tbore seines eigenen Hause« besetzt. Die Verständigung Rußland« und Frank reichs zur Brechung des englischen Einflüsse« datirt nicht von gestern, von Toulon. Seit Jahren bereit« arbeitet Frankreich in den Balkanstaaten und in Konstantinopel zu Gunsten Rußland-, und der Zar lohnt diese uneigennützige Hilfe um so lieber durch eine Unterstützung der französischen Ansprüche gegen England, al« es ihn nicht wie Frankreich die Verleugnung seiner bisherigen Politik und die Hintan setzung eigener Interessen kostet . . . Deutschland berührt der Kampf um die Macht im Mittrlmeer nicht mrhr als die orientalische Frage. Eine Erstarkung de« französischen Einflüsse« kann ihm freilich nicht gleichgiltig sein, weil sie am Ende auch auf sein eigene- Vrrhältniß zu Frank reich empfindlich einwirken würde, aber deshalb würde e« ihm doch nie einfallrn, durch die Hinrinziehuug England« in den Dreibund die britischen Wrltinteressen mit seinem Scbwerte zu decken. Sie find ihm thatsächlich nicht die Knochen eine- pommerschr» Grenadier« Werth. Darum also handelt eS sich hier nicht, sondern lediglich um die Wahr» nrhmung, daß dir bisherige Vereinigung der Macht in de« Händen Englands eine bessere Bürgschaft für die Erhaltung de« Frieden« ist» als dieselbe Machtsülle zur Verfügung Frankreich«" In Defterreich stellt e« sich immer mehr heraus, daß die Bildung eine« EoalitionSministerium S ein überaus schweres Stück Arbeit ist. Haben auch die Führer der drei in Betracht kommenden Parteien sich bereit- über die Haupl- vuncte eine« Programm«, aus Grund besten die Ge schäfte im Parlament zu führen wären, geeinigt, so wird sich erst zu zeigen haben, ob diese« Pro gramm auch dem künftigen Premier entspricht. Und dann kommt erst die vielleicht noch schwierigere Per sonenfrage zur Lösung. Einerseits sollen alle drei ver einigten Parteien in gleicher Stärke und durch ausgesprochene politische Persönlichkeiten im neuen Eabinek vertreten sein. Unbeschadet dessen aber sollen da« UnterrichtSportefeuillc und das Ministerium de« Innern möglichst neutralen Per sönlichkeiten au« deui Beamtenstande zugetheilt werden, denn wie dir Klerikalen einen liberalen, so würden die Liberalen einen au-grsprochrn Nerikalen Unier- richtSminister nicht dulden wollen. Dasselbe gilt für den Minister de« Innern, der den Einen nicht zu föderalistisch, den Andern nicht zu centralistisch gesinnt sein darf. Man steht, e« giebt der Schwierigkeiten noch genug zu lösen, und man wirb sich daher wohl noch mehrere Tage in Geduld fassen müssen, ebe da« neue Ministerium im Amtsblatte das Licht der Welt erblicken wird. Inzwischen richtet dir ,N. Fr. Pr." an die Evnsrrvalivrn und dir Polen die dc- berzigenswrrtde, aber auch von ernsten Besorgnissen zeugende Mahnung: ..Eben weil wir zugebea müssen, daß das LoalitionS-Miuiste» riuin, um welche- Fürst Wiridischgrätz zur Stunde sich bemüht, ein gebrechliche- Ding sein wird, und daß, wenn die Parteien selbst daraus an-gehen, e« unmöglich zu machen, nicht« leichter ist, als seinen baldigen Sturz herdeizusübren, eben detwegen sei denjenigen Gegnern, die an der projectirlen Regierung nicht« au-zusetzen haben, al« daß di» Linke in derselben vertreten sein wird, empfohlen, die Ge schichte Le» gegenwärtigen Abgeordnetenhauses von diesem Gesicht-- puncte au- genau anzusehen. Die deutsch-liberale Partei bescheidet sich gern in dem Bewußtsein, daß sie allein keine Majorität zu bilden vermag, den Bestandtheil einer Loalitionr-Mojorilät zu bilden und alle Rücksichten zu nehmen und alle Opfer zu bringen, di, eine solche Stellung erheischt. Abrranderrrseit» ist sie sich auch bewußt, daß sie die alriche» Rücksichten zu fordern berechtigt ist, weil ohne sie gleichfalls keine Majorität zu bilden ist. Sollten die Uiiglückspropheleu Recht be halten und dar Eoalitioa-ministerium nach kurzem Bestand« zu seine» Vorgängern versammelt werden, so werden luvrriüssig die Herren Widersacher desselben neuerding- vor der Thalsache stehen, daß di» Linke nicht zu umgehen ist. Ob die Formel des Ministerium- lautet, »- siede über den Parteien, oder ob eS sich eine au« den Parteien hervorgegangene Regierung nennt, da« ändert nicht» an dieser harten Noikweadigkeit. Gras Taaffe machte den Versuch, sich derselben zu entziehen, indem er die Wahl- rrsorm-Vorlage einbrachte, die allerding- geeignet war, die Linke in die Lust zu sprenge», allein dieses heroische Mittel hatte die unan genehme Eigenschaft, dir Eonservativeu mit anssliegen zu lassen — so entstand die Eoalition und der Ruf nach dein Eoalitio»-- ministerium. Nach Beseiligung desselben muh sonach unvermeiLiich dir Verlegenheit Wiederkehr«», au- der e« geboren wurde. Sollte et da nicht selbst für die geschworenen Feinde der Linken vorthril- haster erscheinen, es doch lieber mit der Unterstützung dieser Regierung zu versuchen ?" beten werden sollen, gefälligst aus einen Rachekrieg und auf die Wiedergewinnung Elsaß Lothringens zu verzichten. Ja, cS fehlt sogar in Paris nicht an böswillige» Leuten, die nicht mehr daran zweifeln, daß das Endresultat der großen Verbrüderung-feste die Auflegung einer neuen russischen Anleihe sein wird. Erscheint also der ErnüchterungSproceß unausbleiblich, so wird eS auch kaum noch verfangen, daß die „MoSk. Wed." den Mund eininal wieder sehr voll nehmen und von der Zeit „der französisch-russischen Hegemonie" prechen, die nach Kronstadt und Toulon für Europa an gebrochen sei, zumal sie hinzufügen, daß »nninehr der einzige oberste Richter uud FriedenShüler der Z a r sei, der über allen selbstsüchtigen Ansprüchen und Bestic.bu»gen stehe. In Italien ist der 23. d. M. als Termin für die Wieder» ausnabme der Arbeiten im Parlament in Aussicht genommen. Der Sturm, der auf dem internationalen Markte gegen den italienischen Eredit tobte, macht begreiflicherweise die Position dcS Ministeriums Giolitli besonder« schwierig, und Gerüchte über eine EabinetSkrisis tauchten täglich in neuer Gestalt aus. Die Forderung, weitere Ersparnisse ,,n Budget berdeizusühren, wird mit verstärktem Nachdruck erhoben, seitdem bekannt ge worden, daß in der Civilverwaltung 32 Mill. mehr veraus gabt worden sind, als vor sieben Jahren. Andererseits bofsl man, daß durch den Eintritt Zanardelli'S in da« Eabinet eine geeignete Kraft gewonnen sei, um im Verein mit Giolitti die finanziellen Schwierigkeiten auf Grund von Ersparnissen in der Verwaltung beseitigen zu können. Der parlamentarische SicbenerauSschuß hat an gestrengt gearbeitet, um beim Wirkerzusammentritt der Deputirtenkaininer seinen Bericht über die parlamentarische Verantwortlichkeit im Bankproceß vorlegen zn können. In Frankreich mehren sich die Stimmen der Unzufriedenen, die e« der eignen und der russischen Regierung in gleichem Maße verübeln, daß sie die Welt nock immer im Unklaren darüber lassen, ob e« zwischen ihnen zu dem Abschluß eine» förmlichen Bündnisses gekommen ist, oder ob e« sich immer nur noch um ein sreundschastiicheS Einvernehmen bandelt. Der Forderung LockroyS, daß die französische Regierung wemgsten« in den Hauptzügen den angeblichen Bündniß- vertrag veröffentlich«, schließen sich immer zahlreichere Blätter an. In den, vorsichtige» „Figaro" giebt sich Herr de Valfrey iWbist) den Anschein, al« ob er nicht im Geringsten mehr an dem formellen Abschlüsse de« Bündnisse« zweifle. Ja, er überhäuft den russischen Botschafter in Pari-, den Baron von Mohrenheim, mit Lobsprüchen über den unermüdlichen Eifer, womit er seit Jahren für die Förderung de« nunmrbr mit dem glänzend sten Erfolge gekrönten Werke- gearbeitet habe, wenn er auch gleichzeitig die Verdienste anerkennt, die sich der französische Botschafter in Petersburg, Herr de Laboulaye, um dieselbe Sache erworben bade. Ob indessen die französische Regierung durch diele directen oder indirekten Anzapfungen zu irgend einer positiven Erklärung sich drängen lassen wird, ist zweifelhaft genug. Sie sieht jedenfalls schon mit Besvraniß den Anfragen entgegen, di« deshalb in der Kammer sofort nach deren Eröffnung an sie gerichtet werden dürsten, und e« wird ihre schwankende Stellung nickt gerade befestigen, wenn sie nach aller Wahrscheinlichkeit den von vielen Seiten gehegten VorauSsetzunarn nicht in genügender Weise wird entsprechen können. Hier und da wagt sick schon Jemand mit der Meinung heran-, baß der Zar und seine Vertreter während der Kenlichkeiten nicht so oft und entschieden von der Aufrrchterhattung de« allgemeinen Frieden- gesprochen haben würden, wenn die Franzosen nicht damit hätten ge- Ueber die Ortentpolitik Lev'S XHl. liegt ans katholischer Feder wieder einmal ein kochst eiaenthümlicheS Zeugniß vor. In dem letzte» Hefte der „Münchener histor.-polit. Blätter" stellt der ultramontane vr. Edin. Jörg fest, daß Frankreich in Nordafrika seine politische Propaganda vorzugsweise und tendcntiöS durch Mako me da» er betreibt, ia, die Ausbreitung des Islam« systematisch br» fördert. In einem parlamentarischen Bericht des französischen Senator« Pauliat wird sogar ausdrücklich hervorgehoben, daß die früher christlich gewesenen uud nock an verschiedenen christlichen Gebräuchen hängenden Urringeborenen oder Kabplcnstämme durch die franzö sische Regierung systematisch zu vollendeten Mohame- danern gemacht worden sind, und zwar mit Hilfe von an- Arabien herbeigeholteii Ulema», die von der französischen Regierung bezahlt werden. Durch diese Taktik Frankreichs ist jetzt zwei Menschcnalter »ach der französische» Eroberung Algeriens niohaniedanischcr als jemals. DaS ist schon vor drei Jahren in deutsche» EentrumSblättern ftstgeslellt worden und Or. Jörg hebt cs jetzt ohne Rücksicht auf die Schlußfolgerung bezüglich der päpst lichen Orientpolitik aufs Neue hervor. Jene französische Orientpolitik aber wird noch immer von der Eurie unterstützt. So ist zum großen Verdruß de« Propaganda- präsecten EardinalS LedochowSki kürzlich Tunis einfach der gewöhnlichen vatikanischen Oberaufsicht unterstellt worden, weil eS nicht mehr als orientalische« Land, sondern al« französischer und also europäischer Besitz zu betrachten sei. Ebenso soll der Nachfolger de« EardinalS Lavigerir im Erzbisthiiin Karthago, Msgr. EombeS, demnächst den Ear- dinal-but erhalten. <S. k. 0. Rom.) Bezeichnenderweise ersährt iiidrß diese vaticanische Orient-Politik Gegenwirkungen au« dem eigenen Kreise der OrdenSgeistlickkeit. So wird jetzt gemeldet, daß in Ober-Egypten die italir- FeiriHrtsir. Leben um Leben. 1f Roman in zwei Bänden von M Gerhardt. N»»druä rertoten. Erster Band. — Erste« Tapitel. Schließt die Tbür zu! Ist da- ein Betragen! Fort- zulaufrn mitten in der Partie — Bitte, Herr Markwald — Nicht« da! — Die Karlen in der Hand, die grauen Haare wirr um da« runde rolhr» urgrmülhlichc Gesicht aus- einanderstrrbend, sprang Herr Markwald aus und vertrat Waldemar von Götz den Weg AmtSrath Bernhagen, der breit und fest am Spieltisch saß, brummte etwa- Feierliche», da» wie: Verdorbene Jugend! Gesunkene« Geschlecht! Nang, und langte hinter sich nach der Bordeauzflaschc auf dem Sritentisch. Toctor Nöst gähnte. Lasten Sie ihn, Markwald. Er bat heute noch schweren Dienst. Unsere Rautenburger Dragoner trinken nur Rothspon. Aha, LiedeSmahl heute Abend. Dann soll er entschuldigt sein, meinte der AmtSratb. Wa« gehen un« die Rauteoburger an? Steckt denn der Götz noch in Uniform? schrie der Hausherr dazwischen. Wa«, Doetor! Kennen Tie den Dannenbrrger Götz nicht? Diesen Knaben hat die Kinderfrau schon au- der Saugflaschr mit Rothspon aufgepäppelt. Der — der trinkt die Dragoner alle mit einander untern Tisch. Danke für da« rbrenvollr Zeugniß, Herr Nachbar, er widerte Götz, in da- Gelächter der Uebrigen bald unfreiwillig einstimmend. DaS trifft aber heute nicht mehr zu. Der alte wilde Götz ist zahm geworden, seit er auf Dannenberg haust, trinkt Milch und rührt L'Hvmbrekarten nur unter autoritativem Zwang an. Dreistimmige« Hohngelächter antwortete. Uebrigen« kam ich nicht her, um >u spielen, Herr Mark wald, wie Sie wissen, sondern um den Damen meine Auf wartung z» macken, fuhr Götz in seinem Protest fort, den hübschen, eneraisch geformten blonden Kopf in den Nacken werfend. Die Damen haben mich nicht empfange» — Sind jedenfalls nicht benachrichtigt worden — Doch, da« Hab» ich selbst besorgt. Ra, da soll doch! — Rehmen Sie'« nur nicht Übel, lieber «tz. ich will gleich «al selbst - Nicht doch, bemühen Sie sich nicht, Herr Markwald, lehnte Götz kühl ad, die Damen sind anderweitig in Anspruch genommen. Ich will keineusall« stören. Ia, Donnerwetter, die Schneiderei, gab der Hausherr zu, und fuhr sich verlegen durch da« graue Haar. Da« werden Sie noch kennen lernen, Götz, wenn Sie mal verheiratbet sein werden. Ist die Schneiderin im Hause, so kann draußen die Welt nntergehen oder der König selbst mit Sechsen Vor fahren — Ia der Ball, der verwünschte Ball! siel der An.t«rath an- dem Hintergrund mit seiner heiseren Stimme ein. Geht » Ihnen auch so, Markwald? Bei mir stellen die Frauenzimmer daS HauS auf den Kopf — ich danke Gott, wenn ich'S im Rücken habe. Der König bin ich nicht, erwiderte Götz hochmütbig, antickambriren ist aber trotzdem meine Sach« nicht. Meine Empfehlung der gnädigen Frau — und bitte, geben Sie mir dir Thür frei, Herr Markwald. Adieu, Ihr Herren! Da dir breite Gestalt de« Hausherrn jedock, al« hörte oder verstände er nicht, schwerfällig gegen di« Thür grlednl stand, während er Waldemar mit feuchten, ausdruckslos zwinkernden Augen vergnügt anstarrte, wandte sich dieser nach dem zweiten AuSgang. Hören Sie, Götz! rief ihm der AmtSrath. nach. Kommen die Ofsiciere zum Ball? Weiß nicht. Herr AmtSrath. Na, bringen Sie dir Leute zur Raison! Unsere Mädel« wollen doch tanzen! Meine Herren, meine Herr»», die Zeit ist edel! mahnte der Toctor uud stopfte mit dem Kartenspiel aus den Tisch Ob der Ulte wohl drei Tag« in der Doch» gauz nüchtern ist? dachte Götz, indem er di« Thür de« Überbeinen, von Tabalquali» erfüllten Zimmer« hinter sich schloß, «eit vor gestern treffe ich ihn nun so — impier un Schümm, immer über dem vertrackten L'Hombrr, da« er nicht spielen kann, immer unter Assistenz seine« HauSarzSr«, der ihm da« Geld adnimml. Wa« der wohl sagen würde, wen« der Alte plötzlich am Spieltisch umfiel« — heut« steht er ganz »ach Schlagsluß an« Teufel — die Gesichter, die die Kerl« dazu schneiden würden. „Ted ist Matador, «ei», Herren!" — Wahrhaftig, ich wunder« mich, »aß die Fra», die doch ein« kluge Frau ist, >d» nicht «msperrt. Was »an Gravelischs»» mal für die Familie übrig bleibe» wird — mein« Mutter hat Recht, ich bin eia Narr — »der wo war er hingerathen? — Er glaubt« ia da« Eßzimmer, dann durch den Gartensaal i» den HauSflnr zu gelangen, hoffentlich ohne Jemand zn begegnen — oder hoffte er eigentlich daS Gegenthcil? — Der gnädigen Frau oder Fräulein Bertha für die im leeren Besuchszimmer verpaßte halbe Stunde eine galante Nichtswürdigkeit in« Gesicht zu wrrfen — er war gerade in der Laune dazu! Verzwickter alter Rumpelkasten von einem Wohngebäude! — Waldemar befand sich in einem engen, Halbdunkeln, nach Schmierstiefela riechenden Gelaß, au dessen mit Spinneweben überzogenen Wänden Jagdgewehre und Reitzeug« hingen, Grtreideproben, Ehenilkalie».Gläser mitVieharzneien aus eiuein Waudbret standen. Er tappte weiter in einen engen Durchgang mit steinen erblindeten, vergitterten Fenstern und mehreren Thüren. Dir erst«, deren verrostete« Schloß er öffnete, führt« zwischen den Hintermauera iweier langer niederrrNebengebäude, wahrscheinlich dem Milchkeller und dem GrwächShau« in« Freie. Waldemar batte aber nicht Lust, seine eleganten Kleider und Stiefel dem von beiden -usammrnstoßendrn Dächern tropfenden Schneewafler preiSzugeben, er schloß di« Thür und öfftiete die gegenüber liegende. Ein ziemlich ge räumige«, anscheinend menschenleere« Zimmer tbat sich auf. Durch die oberen Scheiben de« einzigen Fenster« wurden di« winterlich kahlen Baumkrone» de« Garten« sichtbar, dahinter der weißlich-graue, von der BormittagSsonnr durchleuchtete März Himmel. Die unteren Scheiben waren besrorcn, und dichte, gelbliche Vorhänge ließen wenig Licht ein, so daß Waldemar »ur allmälig die Gegenstände drinnen unterschied. Ein paar Kinderbetten — rin paar riesige Schränke von gebeiztem Eichenholz, wahrscheinlich Wäsche und Kleider enthaltend — rin Plättbrrt über ein paar Stühle gelegt, darüber eine Wolke dlaßgrünrn Stoffe«. Auf einem großen Tisch in der Mitte Schulbücher und Schieftrtäseln, aus der einen Ecke zusammeuarschvbrn, auf der anderen Seil« Wäschestücke, ein Korb mit »»gerollter Wäsche daneben aus dem Fußboden. Dann weiter am Fenster — ja wahrhaftia, rme weibliche Gestalt! Sie kauerte aus einem niederen Schemel und stützte beide Ellenbogen aus ein Kmdrr- tischchen mit zwei Seitenbänkrn. Rur der schlanke Rücken, Schultern und Arme, mit eiuem rothgewürfelrrn Tartanstoff dekleidet, waren sichtbar, darüber eine Fülle lockigen braunen Haare«, von beiden, de» Kopf stützenden Händen in di« Hobe geschoben, und unten seitwärts im tiefen Schatten ein unter den Rocksalten hervorgestreckter schmaler Fuß im derben Leder stieselchen. Si« llesi l dacht« Waldemar, »ft seinen scharfen lugen da« Halbdunkel durchspäbend. Sie ist so über Kopf und Ohren in ihren Schmöker vertieft, daß sie nichts sieht und hört. Kein dienstbarer Geist, scheint'- — vcrmuthlich ein« von den jüngeren Fräulein» Die Situation belustigte den jungen Mann, und in seinem, vom Wein mäßig erhitzten Kops entstände» nbermütbige kecke Vorstellungen. Wenn er näher schliche, die ahnungslose Kleine von hinten umfaßte — er konnte sie abküssen, bevor sie nur zur Besinnung kam — Ein paar geräuschlose Schritte — plötzlich fuhr daS Mädchen herum und »n die Höhe und starrte den Eindring ling au« großen braunen verträuinten Kinderaugen ver wundert, aber keineswegs erschreckt an. Bitte tausendmal »m Vergebung, gnädige» Fräulein, ent schuldigte sich Götz, schnell gefaßt. Ich bade mich verirrt. Ihr Hau« ist ja rin wahre« Labyrinth Die alten Herren wollten mir nicht Urlaub geben, ich krack durch und glaubte, da« Gartenzimmer läge hier krrau« Ich kann mich sonst sehr gut orientiren — war freilich erst zweimal in Grave- jischken Und als ick hier kereinlappte, sah ick Niemand. Sie sind mir doch nicht böse? fragte er treuherzig und bot ihr nährrtretend die Hand. Von Götz-Dannendera. Aber ich bade wohl die Ehre, mit Ihnen bekannt zn sein. Fräulein Hildegard, wie? Sie nickte, legte unbesangen ihre kleine braune Hand in die seine »nd schaute ihn stumm mit glänzenden Augen an, wie einen aus den Seiten ihre- Bucke» vor ihr empor- grstiegenen Romanprinzen. Daß sie idn nicht kommen ge kört! Freilich, über einem interessanten Puch wäre sie im Stande gewesen, Kanonendonner in nächster Nabe zu über hören. Wie oft batte sie dafür Schelte bekommen und konnte sich» dock nicht adgewöbnen. — Sie war koch und schlank aiisgeschoffe», noch hager »nd eckig von Gliedern. Der kleine Kops mit ziemlich regelmäßige», Profil neigte sich leicht vor, Nase und Mund waren etwa- zu groß für da« schmale anziehende, fast noch kindliche Gefickt mit den feinen dunkeln Braunen und vom eifrigen Lesen geröthetrn Wangen. Ich kenne Sie sehr gut. Ach, und schon sehr lange, Herr von Götz. Wahrhaftig, erwiderte er, belustigt über da« naive Ge- ständniß Von kleinen Mädchen und großen Damen gekannt zu sein, war ihm gerade nickt« Neue«. (Fortsetzung s»l«t.)
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