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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931127010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893112701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893112701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-27
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Brenzstraße 2 (garantirt von der Stadt Leipzig). Wegen Zinsenberechnung und Abschluß der Conlen werden Spar bücher in der Leit »am 18. -t» mit 81. Tecember d. As. mcht rrprvirt. Pom 2. Januar 1891 ab ist die Expedition wieder regelmäßig »glich von icilh 8 Uhr bis Mittags l Uhr geöffnet »nd werden während dieser Zeit Spareinlagen angenommen und Rückzahlungen geleistet Hhpothekeazinsen werden auch Nachmittag« von 3 bi« 6 Uhr ^genommen. Leipzig-Reudnitz, 23. November 1893. Modert Liedert, Director. Die Ochlokraten an -er Arbeit. A Ochlokraten oder Pöbelbrrrscher nannte man bekannt lich im alten Griechenland, da« an diesem Unwesen zn Grunde ging, die Herrschaft der untersten Claffen im StaatSwrsen. iZar so schlimm ist e« in Deutschland noch nicht, aber auch bei an« sind dir Ochlokraten rüstig an der Arbeit. So haben jetzt die Männer der Freisinnigen Volk-Partei und der Social- demokratie dir Wahl frage im Reichstag mit aller Macht in Angriff genommen. Die Freisinnige VolkSpartri (die Mitglieder der „Vereinigung" sind nicht dabei) hat den Antrag einaebracht, durch di« Verfassung »orzaschreive», daß i» jedem Bundes staat eine auS allgrmeiarn, gleich«» »nd directen Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorgegangen« konstitutionelle Ver tretung bestehen muß. sowie ferner die verbündeten Regie rungen zu ersuchen, daS verheißene ReichSgesetz über die Ab grenzung der Wahlkreise vorzulegen und bei der Neueinlhei- lung der Wahlkreise dir veränderten BevölkerungSverbältnisse zu berücksichtigen. Mit denselben Gegenstände» beschäftigen lick soeialdrmokratische Anträge; von dieser Seite wirb nur noch die ungeheuerliche, fast lächerliche Forderung erhoben, daß alle über zwanzig Jahre alten ReichSanaebörigcn ob ne Unterschied de-Geschlechts nicht nur wahlfähig, sondern auch wählbar sein sollen. Wenn kaS Alle- zur ernstlichen Berathung kommt, baben wir interessante Debatten zu erwarten. An einen Erfolg dieser Forderungen ist Wohl auch in dem gegenwärtigen Reichstag nicht zu denken. Für die Ausdehnung beS Reich-- lagswahlrechtS auf dir Bundesstaaten dürfte außerhalb der radikalen Linken wenig Stimmung sein. Die neue Ab grenzung der ReichStagSwablkreise im Einklang mit den heutigen Bevölkerung-Verhältnissen ist eine Forderung, die auf die schweiften Bedenken stoßen muß. ES ist schon oft genug lervorgehoben worden, daß die rohe brutale Menschenzabl nickt »och mehr, als e- jetzt schon der Fall ist, und allein aus schlaggebend bei der Zusammensetzung der Volksvertretung sei» darf, daß die Wahlkreise eine gewisse individuelle Eigen art besitzen, die nicht blo- in der Mrnschenniasse zum Aus druck kommt, sondern in ihrer ganzen Bedeutung für ein ge ordnetes Staat-- und GesellschaftSlebe»; daß weile, für eine gesunde, staatliche, wirthschaflliche und sociale Ordnung höchst werlbvolle Volksschichten eine angemessene Vertretung bean spruchen dürfen, auch wenn sie an Kopfzahl von den gädrrnden Massen der großen Industriestädte übertroffen werden. DaS Forksckreitea aus einem Wege, der nur noch die plumpe Meuschenmaffe anerkennt, würve unsere Volks vertretungen unrettbar den äußersten radikalen und um- ßürzendcn Bestrebungen auSliefern. Nicht einmal die Frei sinnigen hätten einen Gewinn davon; sie machen bei dem gepriesenen ReichStagSwablrecht, wie die Erfahrung lehrt, genau edcnso schlechte Geschäfte wie bei den „elenden" LandtagSwahl- rechten; wa- sie auf der einen Seite vielleicht gewinnen würben, verlieren sie reichlich aus der andern an die Sorialdemokraien. Da« Bischen, wa« sie jetzt im preußischen Landtag noch ge- rettet haben, verdanken sie ausschließlich der „vlutokratiscben" Elassenwahl. Die versuche, unser demokratische« Wahlrecht zu verpöbela, könnten leicht einen gefährliche» Gegcnschlag Hervorrufen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. November. „Prüfen wir in der Commission und lehnen wir ab". Mit diesen Worten schloß in der gestrigen Sitzung de« ArichSta»» der consrrvative Abg. v. Hammer st ein seine Rede über die Handelsverträge. Da er im Namen »nt Auftrag seiner Fraktion sprach, so kann man sich rin Bild von der „Prüfung" machen, welch« die Eonservativrn in der Commission an den Verträgen üben werden. Trotzdem herrschte gestern im Reichstag die Ansicht, daß dir Anna dme der vertrage nicht mehr zu bezweifeln sei. Der „Magdeb. Zlg." wirv denn auch an- Berlin telrgraphirt: „Nachdem auch der dritte Tag der ersten Lesung der Handels, vertrüge vorüber und diese Lesung beendet ist, steht fest, daß nur die Deutschconservativen und die Anttsemtle«, zusammen 82 Abgeordnete, erklärte Gegner der Handelsverträge, namentlich de« rumänischen, sind. All» übrigen Fractionea, m» vereinzelte, Ausnahmen, billigen dt« Verträge oder stehen ihnen doch nicht «ruadiävilch abiehnend gegenüder. Da« llentrum ha» sich nicht «ssen erklärt, doch weiß man, daß höchste»« »in« Zahl von etwa >0-35 Mitgliedern möglicher- aber nicht wahricheinlicherweise gegen de» rumänisch»» Vertrag stimmen wird. Di« Annahme der Han- hchchertrig« dnrch ein« Part» Mehrheit st^t daher »»hl „ßer Und der ultramontanen .Köln. VolkSztg." wird geschrieben: Die Mehrheit de« Reichstages wird wahricheinllch bezüglich der Handelsverträge zu einem zustinimenden Volum kommen. Tie gesammte Linke summt ohne Zweifel dafür. Tie „Wirth- schastliche Bereinigung", welche z» einer Besprechung der Verträge zusammentral, hat sich die kndgillige Stellungnahme wegen der lLoinmiisionSberoihiliig Vorbehalten. Ti, ihr angehörrnden Nationalliberalrn sind sich aber sicher über die Annahme schon klar. Die ReichSpartri schein! ebenfalls dahi» zu neigen. Wenigste»« mahnt die „Post", den Bogen nichi zn überivaniien. Ein Mal, meint sie, wäre es vom taktischen Ärsichl-puncie rin zweiseihastes Manöver, wenn die agrarüche Bewegung die erste parlamentarische Kraftprobe aus einem Gebiete machen wollte, wo kein Ersolg in Aussicht stehe. Soda,», liege dir Gefahr nahe, daß man durch »inen zu hesiigen Vorstoß die wirih- schasiliche Bereinigung lockere oder spreng». Endlich könnte leicht der sür die Politik de« Schutzes der nationalen Arbeit so ivirkjaine Gedanke der Harmonie oller Zweige der heimischen Production in die Brüche gehe». Manche Abgeordnete, die über den Werth der Verträge zweifelhaft sind, werden wohl auch dafür stimmen aus Bcsorgiiiß. daß wir ohne sie in »ine schlimme Lage kommen könnlen, und die Regierung vor dein Auslände bei der Ablehnung bloß- gestellt wäre. Ter Correspondent nennt das Centrum nicht; aber da ohue eine erhebliche Stimmenzabl an« demselben schwerlich eine Mehrheit für die Verträge zusaminenkoninien würde, so kann nicht zweifelhaft sein, waS er vom Cenlrum erwartet. Die Folgen der schlechte» Finanzlage der tStnzrlstaaten. die im Falle de« Sckciterns der ReichSsteuerrrforin sich noch weit bedenklicher gestalten würde, treten auch in Mecklenburg zu Tage. Der Landtag wurde bei seiner Eröffnung mit der Kunde überrascht, daß statt der bisher üblichen 7 oder 8 Zehntel der LaadeSsteuer (de- „EdicteS") 13 Zehntel erhoben werden müßten wegen teS starken An wachsen- der Matricularbeiträge und der zweifelhaften Aus sichten der NeichSsteuerrcform. Au» denselben Gesichtspunkten hat bekanntlich in unserer sächsischen Zweiten Kammer Staat-minister von Tbllmmel die Nokb- wendigkeit der ReichSsteuerreform beleuchtet. Die au« einem negativen oder ungenügenden Ergebniß der letzteren folgenden Zustände stellen sich überall unerwartet rasch und klar dar. Im -fterreschtsche« ReichSrathe ist, nachdem der Polenclub sich für die Unterstützung der Politik des CoalitionSministerium ausgesprochen hat, die NegierungS- majvrität gesichert. Sehr schmerzlich wird im Hohenwartelub der Austritt der Süvslawen empfunden. Da« klerikale „Balerland" beklagt, daß uunmebr die Linke allein im Stande sei, dem Hohrnwariclub unv den Polen die Waagschale zn ballen. Mit dem Coroniniclub und den anderen Verbündeten verfüge die Linke über 110 Stimmen, währenv durch den Abfall der mährische» Czechcn und Sllvslawen da« bisherige Gegengewicht um mehr als ein Drittel verringert werde. Falls die Spaltung nur noch geringe Fortschritte mache, werte die Linke die Lage ganz und gar beherrschen und die Neuwahlen der Abgeordneten zum Abgeordnetenhansr durchführen, wobei von de» süvslawen und den mäbriscken Czechen kaum die Halste wiedergewälill würde. DaS Vorgehen der Abgefallenen sei geradezu selbst mörderisch. Auch im Herrenbause ist eine Umivandlung der Parteien im Zuge. Seit Beginn der parlamentarische» Aera bestanden nach der Februar-Verfassung b,S zum InS- lebenlreken der Regierung de« Grasen Taassc >m öster reichischen Herrenhaus« nur zwei Parteien. Die Linke umfaßte alle Mitglieder der verfasiungSpartei, die Reckte alle Mitglieder der ehemaligen Rechtspartei. Bei Beginn der Aera Taaffe befand sich die Linke noch in über wiegender Majorität. Diese« verhälnnß wußte G»af Taassc durch mehrere rasch aufeinanderfolgciide PairSschübe »ni- zustoßen, aber er entzog der Linken auch dadurch dir Majorität, daß eS ihm gelang, nnler Führung de« Fürsten Metternich eine Mitrelpartei z» gründen, welcher alle jene Mitglieder dc« Herrenhauses sich anschlesscii, die sich de» Principien der Rechten nicht anschließen wollten, aber bereit waren, die Negierung zu niiterstützen. ES ist nu» der Vorschlag ansgelauch«, die Mittelpartei keS Herrenhauses, angesichl« der neuen politischen Lage, welche es auch der Linken des Herrenhauses gestattet, dein Coalition« Ministerium mit vertrauen entgegenziikvinnien, wieder aufzulösen, da die Mehrzahl der in der Milielpartei per einigten HcrrenbauSmitglieder eS nun vorzieht, sich per Linke» anzuschließcn. Unter diesen Umständen dürste die Linke des Herrenhauses einen starke» Zuwachs erhallen. Auch vo» einem neuen PairSschub ist die Neve. Unter de» zwölf neuen PairS sollen sich auch vie früheren Minister Gautsch und Sleinbach befinden. AuS Frankreich. wo es gestern den Anschein gewann, als werde da- Ministerium Dupuy durch Ausscheidung der drei radikalen Mitglieder Pcytral, Terrier und Vielte sich einheitlicher gestalten und dadurch befestigen, kommt beute dir überraschende Nachricht, daß da« Gcsainint- ministerium zurücktreten wolle oder gar schon zurück getreten sei. Volle Klarheit läßt sich darüber an« den bis letzt vorliegenden Depeschen nickt gewinnen, ebensowenig über den wabren Grund der angeblichen CabinetSkrisiS. Wahr scheinlich will Herr Dupuy die sich ihn« bei der Ausmerzung der radikalen Elemente darbietende Gelegenheit zu einer Auffrischung des ganzen Ministeriums nickt cnigebcn lassen. Gelingt ihm dieser Plan, so wird der Wunsch rer großen Mehrzahl der Franzosen nach einem homogenen ge mäßigt republikanischen Cadinel erfüllt werden, da« mit den radikalen Umstürzlern nicht viel FercrlefenS macht. Daß Herr Dupuy vor allem daraus bedacht ist, den Umsturzpläne» einen festen Damm entgegenzusctzen, gebt daran« hervor, daß er in seinem Cabinet und in der Direktion de- ösientlichcn Sicherheitsdienste« in der letzten Zeit mit großem Eifer an einem Reorganisationsplan sür die Polizei arbeiten lieg, vo» dem in seiner Declaration die Rede war und den er den Kammern so bald alS möglich unterbreiten wollte. Tiefe« neue Gesetz soll sich bauptjächlich ans die Vermehrung der vom Minister de- Inner» abhängigen Speeialpolizei er strecken. Diese soll so verstärkt werten, daß sich ihre Agenten nach allen Punkten Frankreich« begeben können, um, wenn »S »otßwanhjg »ird, im allgemeinen Interesse der Spur der Verbrecher z» folgen. Außerdem soll diese« Gesetz, wie eS beißt, auch eine wichtige Aentcrung im politischen Dienst der Polizeipräscctur bringen. In Summa bezweckt c«, die Fäden des allgemeinen öffentlichen Sicherheitsdienste« noch mehr i» den Hanken de- Minister« zu vereinigen und damit besser zu centralisiren. Hoffentlich kommt dieser Plan trotz der CabinetSkrisiS zur Durchführung. In Italien ist ein Nachfolger für Herrn Giolitti noch nickt getunten und wirb sich wahrscheinlich auch so rasch nicht finden lassen. Unter den mannigfachen Schwierigkeiten, die sich der Neubildung de« CabinetS eiitgegcnstellen, ist nickt die geringste die, daß c« an jedem Fingerzeig gebricht, i» welchem Sinne die Volksvertretung diele Lösung wünscht. DaS Cabinel Giolitti ist abgetreten, ebne einen Kaininer- beschluß abzuwarten, der den Ausgangspunkt sür die Ver handlungen wegen Erneuerung de« Ministerin»!- bilden könnte, ja sogar ebne Angabe der Gründe, die eS zn seinem Entschlüsse gebracht haben. Der von der äußersten Linken inö Werk gesetzte Tumult sühne zuin jähen Abbruch der Kammersitzung; dadurch wurden Crispi, Nw»,»,, unk Rutini verhindert, »ach den NücklritlSgründc» Gwlilti'ö zu fragen und einen die Lage klärenden Kammerbeschluß bcrvor- zuriifen. In Folge dessen herrscht in Montecilorio wie im Ouirinal völlige Ratlosigkeit. Wer immer in diesem Augenblicke die CabinetSbilvung übernähme, wagle eine» Sprung ins Ungewisse und tbäle cS aus die Gesabr hin, in der Volksvertretung keine Mehrheit zn sinken. Die vielfach verbreitete Annahme, daß CriSpi sofort in die Bresche springen werde, ist schwerlich zutreffend, denn dem Franzosensreunde Imbriani paßt die Rückkehr CriSpi ö auf den Posten de« Miniiterpräsideiilen ebensowenig wie dem Marquis di Rutini. Der Letztere wird freilich von vornherein von einer Combination wegen Zusammen setzung des neuen CabinetS auszuschließen sein und es bliebe nur Zanardelli übrig, dem man nicht« weiter nachsagen kann, al« daß ihm die Zustände bei der Banca Roman« bekannt waren. Aber wem von den hervorragenden poiinichen Persönlichkeiten Rom- waren sie da» nicht? Herr Crispi darf koch nicht zu den ^Nicht- wissenden" gerechnet werten. Dir Schwierigkeiten bei Neu bildung de« CabinetS werden um so großer werden, je mehr man bei der Prüfung der zu wählenden Personen immer auf den Bericht der UntersuchuiigScommission ;n- rückgreist. Sichere Zustände sind crst dann zu schaffe», wen» die öffentliche Meinung und die Deputirtenkamiucr zu der Ueberzeugung gelangt, daß der Bankscandal vor dem großen Ukbelsiante de« wirthschastlichen und finanzielle» Rückgang« Italien- verschwinden muß. Givlitti war als ehrlicher und kluger Mann bestrebt, die Hauplursackc der schwierigen Lage zu beseitigen, und wenn er dabc, de» Bank- scandal nebensächlich behandelte, so kann ihm daran« kein Vorwurf gemachl werden. Wer auch immer sein Nachfolger werten niag, er wird doch die von Giolitti ringeschlazenen Wege beschreilrn müssen, wenn er eine» Umschwung der finanziellen und wirthschastlichen Lage Italien- mit Ersolg herbeisührcn will. Tie Vcrbandlunzen zwischen Spanien und Marokko sind, wie schon gestern »ntgeiheiit. zunächst gescheitert. Heute er fährt man. daß de» spanische Ministerratb beschloß, die von General Maria« dem Brnvrr de« Sultan« vo» Marokko, Araas, rrtheilte Antwort z» billigen und Araaf mit;u- tbeilen, daß die spamfche Regierung jedwede Unter brechung der defensiven Operationen verweigere und entschlossen sei, von dem Sultan die unbedingte und sofortige Ausführung des Artikels 7 deS Vertrage« von Wakra« zu ver langen. Die Regierung hat gleichzeitig General MaciaS angewiesen, den Betuch Araas« »»derücksichlizt zu lasse» und seinen Feldzug-plan mit denjenigen Truppen, über welche er verfügt, kurckzuf ükren. Dieser Beschluß ist aber nickt mit Eiiisliinniigkeil gefaßt worden Anscheinend wirk er sogar zn einer MinisterlrisiS führen. Wenigste»« meldet daS Wolss'sche Bureau, infolge des Schwanken de« KricgSmiuistcr«, die Operationen in Melilla zu be ginnen. sei ein Zwiespalt cntiiaiite». Der Finanzministcr Gimaza habe die Lage für unhaltbar erklärt unk de» Vor schlag gemachl, da» da« gcsammte Ministerium sei» E» t l a ssung-gesuch einreiche, »in dem Ministe»Präsidenten Sagasta Gelegenheit zn geben, da« Cabiiiel nach dem Wunsche der öffentlichen Meinung neu zu bilden. Wie überall ans dem Festlands, so werden jetzt auch in <fiinl»»0 Sliininen laut, die den Wunsch an«sprcchk», daß die Regierungen aller Länder eine Vereinbarung Ir«ffe» möchten, um dem Unwesen der Anarchist,» ein Ende ;» bereite». So sagt der „Standard" in einem Leitartikel: „Anarchismus ist gleicht edentend mit Mort, Brantttisiiiiig »nt jeder offenen und heimliche» Form von Gcwallthätigkcit. Anarchisten sind die Pell kor Gesellschaft, wenn Civilisalion be siebe» soll, kann inüssc» die Anarchisten entweder gezähmt oder a»«gerotiet werden Es steht nicht z» befürchten, daß eine englische Regierung je sich soweit erniedrigen wird, das Werkzeug von DeSpotcn zu werten, und den politischen Flüchtlingen anderer Lander ein Asyl zn versagen. Die Anarchisten bade» sich aber al« Feinde eer Menschen-Naffe bewiese». Sie erklären öffentlich, daß der Zweck ihrer inler nationalen Verbindung darin bestell«, die Ordnung der Obrig teil i» jedem Lande, gleichviel ob Monarchie oder Republik, zu stürzen und in EhaoS zu verwandeln, und bis ihnen bicS gelungen ist, von Zeit zu Zeit ikre Gegner in die Lust zu fprengen. Die Regierungen würden in der Thal schwach sein, wenn sic nicht Maßregel» vereinbaren, der allen gleich Probenden Gefahr mit alle» zu Gebote stehenden Mitteln vorzubeugen." Wenn die englische Regierung kiese Mabnung beherzige» wollte, kann würde man wenig mehr vcu anarchistischen Verbrechen hören. Deutsches Reich. sf Berlin, 20. November. Ter drin Reichstage unter breitete Ziiilialioanlrag aus Aenderung de« Artikel« 61 des Handelsgesetzbuches hat der Volksvertretung schon zwei Male Vorgelegen. In der Tagung von 1890 91 bezweckte er nur, gesetzlich daS Neckt der Handlungsgehilfen aus die Erlang»,ig eines Zeugnisse« über die Art und Weise ihrer Beschäftigung, sowie die Führung undibrrLristungen festzustellen. In der Session 1892 03 halte er insofern eine Erweiterung erfahren, alS nach ilin auch festgesetzt werden sollte, daß, wen» zwischen Principal »nd HantluugSdiener eine andere als die sech-wöchentliche Knndigiing-srist vereinbart ist, diese ür beite Thcilc gleich sein mutz. In der erweiterten Gestalt sl der Antrag auch dieses Mal eingcbrachl worden. WaS einen ersten ^hcil betrifft, so haben fick in der Session 'on 1890 0t säniintliche Parteien de« Reichstag« sür den- clben erklärt; der zweite Thcil würde nur einer Neuerung entsprechen, welche durch die Novelle vvin l. Juni 1891 in die Gewerbeordnung eingesügt ist. Nach dem tz. 122 der Gewerbeordnung ist dasselbe Berhältniß für die Gesellen oder Gehilfen »»d »ach de», tz. 131 sür die Fabrikarbeiter sestgesleUi. Nachdem B»nbe«rath und Reichstag sich für eine vlckie Regelung der Kündigungsfrist bei den Angestellten in de» Gewerbebetrieben ausgesprochen haben, liegt kein Grund vor, sie den Angestellten im HandelSgewerde vorzuenthalten. Es dürfte desbalb gegründete A»«sicht vorhanden sein, daß nicht nur der Reichstag den Antrag auf Abänderung de« Artikel« 61 deS Handelsgesetzbuches aiinebmeii, sondern dckß diese Novelle auch durch Zustimmung deS Bunde-rathS Gesetz werden wird. * Berlin, 26. November. Der Crntralrath der deutschen Gewerkvereine hat in seiner letzten Sitzung einen Antrag, die Reichsrcgicrung zn ersuchen, in den Be trieben de« Reichs und der Bundesstaaten zEisenbahnwerk- tätten zc.) die achtstündige Arbrit-zeit einzusührcn, mit allen gegen dir Stimme des Antragsteller« adgrlrhnt und darauf nach langer Besprechung unler Ablehnung aller übrigen Anträge beschlösse», nachstehende Petition an den Reichstag- zn richten: Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dahi» zu wirken, daß in den Betrieben de« Reiche« und der Bundesstaaten l) eine Statistik über die gesammtrn Arbeiterdältnisse, namentlich über die Dauer der täglichen Arbeitszeit nack Arbeitcrkatraorirn, mit besonderer Berücksichtigung der Uebcrstunten, der Nacht- »iit Eoiiiitajzsarbcil, über die gezahlten Iiidividuallöhnr, die Fristen und a.age der Lohnzahlung hczw. Abschlagszahlung und Abrechnung, über Zahl »nt Alter der neu bezw. wieder ein gestellten und der entlassenen Arbeiter, nebst den Gründen der Entlassung, nack, gleichartige» Formularen schleunigst und alS- tanii »r regelmäßiger Wiederkehr erhoben und dem Reichs tage vorgclegt werde; 2) eine tägliche Arbeitszeit von höchste»« neu» Stunden, sür Bergwerke und andere gesuiidheusschädlichc Betriebe bezw. Beschäftigungen von höchsten« acht Stunden, sowie wöchentliche Lohnzahlung, mindesten« aber AbfchlagSzaklung eingeführt werde; 3) bei der zeitlichen E»ilheil»ng der Arbeiten wesentlich daraus Rücksicht genommen werde, daß die Arbeiter dauernd daß ganze Jahr l»»d»rck> beschäftigt und in Zeiten der ArdritS» losigkcit nickit Verminderung, sondern, soweit irgend mög lich, Vermehrung der Arbeiierzam erfolge. — Wie die „V. Z." vernimmt, will die Rrich-regi«run- Endc November emen höheren Osficier oa^ Suvwefl» asrika senden, der sich persönlich von der dortigen Lage überzeugen soll. — Wie gemeldet wird, werden demnächst die Verhand lungen wegen tesHiiitcrlandcs von staiuerun zwischen Deutschland und Frankreich in Berlin beginnen. — Bei den Christlich-Socialen kam e« vorgestern in Marte» S Salon zn einer Aussprache zwilchen Hofprediger a. D. Stöcker und dem svc>aldemokral>fcyen Theologen Theodor v. Wächter. DaS Thema de« Abend« lautete: „Schall und Wächter, Chrislenthuin r»iv Socialdemokratie". Hofprediger Stöcke» äußerte u. A.: „Ich halte e« sür einen v»rrthuin, wenn ei» Geistlicher Soeialdeniokrat wird, ich glaube aber a»dcrerse>is nicht, daß die Kirche da« Recht hat, eine» Geistlichen ob seiner Zugehörigkeit zur Scc>atbeniokral>e aus tcnl Amt z» entlassen, sie schließt ja auch Die nicht aus. die zur Forlschiillsparlei gehören, die doch zum gröglen Tbeil auch anliinonarchisch ist unv deren Stellung zuin Christc'iiibnm nicht viel ander« ist, wie die der Social- reinokraiie; ja, ich halte die Aussübinngen in der liberalen Presse oft noch für gehässiger, als die i» der socialdemo- tratische». Der Kirche ka»» eS a» sich gleich sein, ob die Welt eme soeialisiische oder eine eapilalistuche ist; ja, sollten im soeialistüchen Staat die Mensche» frommer werde», so müßte ihr dieser sogar »och lieber sei»." Er führte dann weiter aus, daß freilich die bcinige Sociatdrinokratir keine Sympalüic verdiene, da sie «ine atheistische und revoiulionaire Bourgeois- »>»d Iuvenpartei sei. — Der Congreß der Tabakar beiter Deutsch land« wuidc gestern »inler den üblichen Hoch« auf dir inter nationale rcvolulionaire Socialdeinokiatie geschloffen. Be schlossen wurde noch, in Zukunft auch die Tadakardeiterinnea z»r Agitation, namentlich bei der Einberufung von Versamm lungen, mit beranzuziebkn, für die Abickaffnna der Prämien- ardcit cinzutrelcii und die AuSdcbnniig de« CoalitionSrechleS auf die Arbeiterinnen, sowie die Vermehrung der Fabrik- inipecioren und Wahl derselben durch die Arbeiter und Arbeiterinnen zu sordern. — Tic „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" erklärt officio«, daß ein HaiidioerlSina»». für de» in den Blätter» al< sür ein Opfer uiischnldig vcibüßter Slraslbat gesammelt werde, auch im Wictcra»i»abinevrrf'ahren wegen Urkunden» sälschnng unk Betrugs verurtbrill und m» von einigen An klagen sreigeiprochen, datier auch mil einem Entschädigung«» anfpriich adgewiesc» worden sei. — Tie A> beiten bei der Zusammenstellung der Nach messungen über die Rechnnngse rgeb nifse der BerusS- grno Isen schäften für 1892 sind »» Reich» V«rsick>erungS- amte soweit gefördert, daß die im tz. 77 de« Unsallver» sicherungSgeseyrl vom Juli 1881 vorgeschriebe»« Vorlag«
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