Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940205024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894020502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894020502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-05
- Monat1894-02
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-PreiS Haupt expedino» oder den km SWR» b«»trk and den Vororten errichteten Äus- qabestellen abgeholt: vierteljährlich4L0, bei zweimaliger täglicher Zustellung >nS Huu« öchü. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliäbrlich >4 S—. Direct» tägliche tkreuzbandiendung in< Autilaud: monatlich 7.50. Die Morgeu-Au-gabe erscheint täglich '/,7 Uhr, dt« Adeud-Au-gabe Wochentag« b Uhr. Le-artio» vn- Expedition: IahauneSgafse 8. Dielkrvedition ist Wochentags ununterbrochen gedgnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Filialen: Vtt» Nlemm's Lortiiu. (Alfred Hahn), Universitätssttaße 1, Lauts Lösche, Katharinenslr. 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgail fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Aazergea»PrriS die 8 gespaltene Petitzeile 2<1 Psg. , Reklamen unter demRedactionsurich <4gv- spalteui bO>^, vor de» Aamilirauachrichten (6grspaltra) 40-H. Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnitz. Tabellarischer und Zifsernjus nach höherem Taris. Rrtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postdesörderuag SO—, mit Posibesdrderuag 70.—. Jinaadmeschlnß für Änzeigev: Abend-Ausgabe: Vormittags tO Uhr. Morgen-Ausgabe: Rachmitlag« 4Uhr. Tonn- und Festtags früh '/,S Uhr Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-«5. Montag den 5. Februar 1894. 88. Jahrgang. politische Lagcsschau. * Leipzig, 5. Februar. Der russische Haudrlsverckrag wird voraussichtlich noch in dieser Woche die Erörterung über dir Steuervorlagen und die Finanzresorm ablösen. Bei unseren widersinnigen innervolilischen Zuständen bcdeulet dieser Wandel zugleich eine völlige Uni Gestaltung des parlamentarische» BildcS. Ein großer Theil der Männer, welche einer Existenzfrage des Reiches mit kaltem Hohn und gehässigen Angriffen auf die Regierungen gegenüberstanden, wird sich im Nu in Lobredner der leitenden Persönlichkeiten im Reiche und ihrer sorgenvollen Thäligkeit verwandeln. Uni den Wechsel einigermaßen zu erleichtern, hat man sich schon bisher die Minister Miguel und v. Riedel zu Zielscheiben auScrseben und die Reichsangclegenheit der Deckung der Kosten der Mililairvorlage gewissermaßen als eine Sache der Einzel- slaaten behandelt. Der Reichskanzler und Verursacher derKosten, GrasCaprivi,hal diese Taktik unlerstützt, indem er während der Beratbung der Steuervorlagen ein beschaulich zurück gezogenes Leben südrle, als ob die Finanrnolh des Reiches ihn nicht berührte und die Handelspolitik seine einzige Aus gabe wäre. Der Zusammenhang zwischen der Handelspolitik und der Finanznolh dürfte in den Erörterungen des Reichstags eine Helle Beleuchtung erfahren, und wir kosten, Laß cs nicht allein den Eonservativen und ihren Anhängseln überlaste» bleibt, die Gleichgiltigkeit gegen die eine mit der lodernden Leidenschaft für die andere zu contra- sliren. Was die Ausnahme des russischen Handelsvertrags in der Dessenllich kcit betrifft, so scheinen von den „NichtS- alSsreihändlcrn" und von anderer Seite bereits alle Vorberei tungen getroffen zu sein, um ihn als einen unerhörten Triumph unserer Diplomatie auszuposauneil und eine Glanzära für die deutsche Industrie von seinem Inkrafttreten vorherzusagen. Wir haben Grund zu der Annahme, baß die Reclame sehr geschickt in Scene gesetzt worden und geeignet sein wird, die objective Presse und selbst Interessenten zu täuschen. ES empfiehlt sich daher, ruhig Blut und jenes Mißtrauen zu be wahre», das sich die Unterhändler des Grafen Eaprivi bei früheren Vertragsabschlüssen reichlich verdient haben. Ein Zwang, die Prüfung zu übereilen, ist nicht vorhanden, da der Zollkricgszusland, dessen Schrecken bei de» anderen Vertragsverhandlungeu auSgematt wurden, bereits besteht. Es verlautet allerdings, die Kampszölle würden gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Vertrags aufgehoben, für die Dauer der parlamentarischen Verhandlungen also der Status guo kiut>> bergestellt werden. Diese Meldung erscheint aber wenig glaubwürdig. Mit lebhaftem Interesse sieht die deutsche Social- demokratie dem Verlauf des österreichischen Parteitages, der für den 25. März einberufen ist, entgegen. Mehrere Vertreter der deutschen socialdemokratischcn Fraktion werden dem Parteitage beiwohnen, um die engen Beziehungen, welche zwischen den .Genosten" der beiden Reiche bestehen, auck äußerlich zum Ausdruck zu bringen. Betaiintlich war auf dem vor Monatsfrist abgehalteiien österreichischen Gewcrk- schaftscongreß auch der deutsche socialdemokratischc Abgeord nete Legien anwesend, besten Bemühungen es gelang, daß die österreichische Gewerkschaftsorganisation der deutschen genau nachgebildet wurde. Ueberdies ist die Tagesordnung des österreichischen Parteitags diesmal eine so wichtige, daß auch die deutsche Socialtcmokralie Stellung zu ihr nehmen muß. Punct 3 der Tagesordnung lautet: „Das allgemeine Wahlrecht und derGeneralstreik". Die österreichischen „Genossen" sind mit diesem Puncte oer Tagesordnung den Belgiern nachgcsolgt, die bekannllich mit der Androhung des Generalstreiks, sofern ihnen das allgemeine Wahlrecht vorentbalten werden sollte, nicht ganz unglücklich operirt baden. Nun kann eS ja selbstverständlich für die deutsche Social- demokratie nicht ganz gleickgiltig sein, ob eS in Oesterreich zu einem Generalstreik kommt; denn einerseits wird in jolchem Falle die deutsche Sociaidemokratie um pecu- niäre Hilfe angegangen werden, und andcrerseilS werden eventuell zahlreiche österreichische „Genossen" »ach Deutschland kommen, um Arbeit zu erkalten. Unter diese» Umständen dürsten die deutschen socialdcmokratischen ReickS- tagSabgeordnetcn wobt alle« Mögliche tbun, um Wasser in de» gäbrcndcn Most der Lcstcrreicbcr zu gießen; einGcneral- treik in Oesterreich, der verloren gehen müßte, wäre eine schwere Niederlage auch für die deutsche Social- demvkratie. Aebnlich steht eS mit der von den öster reichischen Genossen angestrebtcn allgemeinen Maifeier durch vollständige Arbcitörube, um den Achtstunden tag durchzusetzcn. Werden aus dem Parteitage derartige Beschlüsse gefaßt, so ist die Rückwirkung auf Deutschland un auSbleiblich. In Frankreich ist wieder ein entscheidender Schlag gegen den Anarchismus gefallen. Vaillant, der teuflische Atten täter aus die Dcputirtenkammer, ist beute Morgen thal- sächlich hingerichtet worden. Er starb, wie uns tele graphisch berichtet wird, mit dem Ruf: „Tod der bürger lichen Gesellschaft. eS lebe die Anarchie!" Dieser wird nun allerdings der Ruf des Sterbenden nickt zni» Leben ver helfen, weil sie überhaupt nicht lebenSsähg ist, aber an wahnwitzigen Versuchen, das Bestehende zu zertrümmern, wird es auch in Zukunft nickt fehlen. Diese gänzlich zu ver hindern, liegt in der Macht keiner Regierung, aber sie zu vermindern durch Wachsamkeit und furchtlose Strenge, vermag eine jede, und daß die französische in dieser Beziehung mit »ackahmenswcrthem Beispiel conseguent vorangeht, ist um so mehr anzuerkeunen, als gerade sie mit unbegreiflichen, aber tbatsäcklich vorhandenen Sympathien zu kämpfen hat, die in weiten Kreisen des französischen Radikalismus und darüber hinaus, bis hinein in die Salons der Regierungsrepublikaner, den anarchistischen Bestrebungen und den „Märtyrern der neuen Religion" offen cutgcgengebracht werben. Präsident Carnot konnte sich, als er daö Todcsurtheil Unterzeichnete, nicht verhehlen, daß er nicht bloS die Rachgier der Anarchisten entfesseln, sondern auch von Neuem den unversöbnlicyei- Haß der Socialistcn und der radikalen Republikaner, der ihm bei der nächsten Präsidenlenwabl vielleicht gefährlich werden kann, gegen sich heraufbeschwören würde. Er that, wie die Ge schworenen, dir den Todesspruch fällten, ohne nack recklS oder nach links zu blicken, seine Pflicht unter den denkbar schwierigsten Verhältnissen, und dessen wird die Geschicht schreibung jederzeit ehrend gedenken müssen. Daß die Hinrichtung sich so lauge hinzögerte, darf nicht aufsalle». Es ist bekannt, daß der Präsident sich in derartige» Fällen nicht sofort entschließt. Wenn daS Actenniaterial über einen z»m Tote Verurtheilten nach dem Elysöe gelangt, wird zunächst ein besonderer Secrctair mit der Abfassung einer Gesammtübersicht beauftragt und daS VegiiadigungSdeerct vor bereitet. Dann erst wird das Actenmaterial aus dem Schreib tische des Staatöckef'S niedergelegt. Carnot prüft cs und läßt sich über dunkle Puncte in ausführlicher Weise unter richten. Nachdem dies geschehen ist, wird der Vertkcibiger deS Verurtbeilten empfangen. Und nun unterzeichnet der Prä sident erst nach wiederholter cingcbender Prüfung daS Decrct. Die Hinrichtung ging, wie unS weiter durch den Draht be richtet wird, obne jeden Zwischenfall von statten, was den umfassenden Vorsichtsmaßregeln der Polizei, die von anarchistischen Anschlägen Kunde hatte, zu verdanken ist. Um den fortwährenden bedrohlichen Ansammlungen der Pariser Rowdies auf dem La Roqucltc-Platz ei» Ende zu macken und da- Publicum irre zu führen, war in den letzte» Tagen osficiöS verbreitet worden, die Hinrichtung sei sehr zweifelhaft geworden, Carnot neige persönlich einer Begnadigung und der Umwandlung der Todesstrafe in Deportation zu. Paris glaubte der Meldung, und während sie noch eifrig diScutirt wurde, fiel daS Haupt Vaillant'S. Heute athmct die Hauptstadt Frankreichs cclcichtert aus — dis zur nächsten Panik, für die die Bomben wohl schon gefüllt sind. DaS französische Abenteuer i» Taboiury bat plötz lich einen unerwartetcn Abschluß gesunken. König Beb an- zin bat sich, verfolgt von den französischen Truppen und der Bevölkerung, die sich dem neuen König angeschlossen batte, und verlassen von allen Mitgliedern der königlichen Familie. a»S Furcht, entführt zu werden, am 25. Januar bedingungslos Oberst ToddS unterworfen und sich in dessen Gewalt begeben. Er wird nach Senegal gebracht werten »ud dort sein Leben, daö eine Kette der scheußlichsten Grausam keiten gewesen, im Genüsse einer französischen Pension be schließen. Ein solcher AuSgang der durch Jahre sich bin- schtcppcudkii Aktion tonnte nach den Nachrichten der letzte» Wochen nicht vorausgesetzt werden, denn nichts sprach dagegen, daß Bebanzi», noch nicht von allen Strcil- krästcn verlassen, sich noch geraume Zeit in dem Sumpsland des Uöme halten würde. Allein cs scheint, als ob der Zwic spalt, den vie Franzosen in die königliche Familie selbst zu tragen verstanden, indem sic einen Bruder Behauzin'S aus den Thron erbeben, der Herrlichkeit deS „Menscheufressers" den letzten Stoß gegeben habe. Behauzin hatte seil einem Jahre schon nördlich vom Uöniesluffc, also in fremdem Lande, unter einer ihm feindlich gesinnten Bevölkerung sich hcrum- drückend, offenbar die Fühlung mit den HäupUiiigc» und seinen Verwandten verloren; diese gaben ibn schlictzlick ver loren und wandten sich deni neuen Herrscher, den DoddS abermals i» Abomey iiistallirle, huldigend zu. Frank reich wird nun an die wirtbschasltiche Ausbeulung des Landes geben und, indem es dort ldalsächkich regiert, dasselbe der Cuttur zuzuführen versuche». Die Erhaltung der königlichen Würde ist nur nominell, denn es wird den Fran zosen nicht einsallen, mit dem Herrscher auch die Amazonen- rrii'ec, die jährlichen blutige» Menschenopfer, den grauenbastcn .rrlisch« und Schlangendienst und die Sklaverei wieder aufleben zu lassen. Daß man den Königsthron abermals in Abomey ans richtete, ist e,n Zugeständnis an den Volksglaube», daß ein dahomitischer Herrscher nie daS Meer sehen darf und daß er deS Thrones verlustig wird, wenn er dieses Verbot Übertritt. Darum bat keiner der Könige je seine Haupthantcls- und Hafenstadt Whyda gesehen. Wird Bcbanzin nach dem Senegal gebracht, so muß er über daö Meer, und seine Herrschaft ist in den Auge» seines Volkes für alle Zeiten dabin. — Der Krieg gegen Behauzin bat den Franzosc» etwa 30 Millionen Francs gekostet, die volle Abrechnung wird noch so manche Million mebr koste», zumal da eine starke Besatzung im Lande bleiben muß. Es wird lange dauern, bis Frankreich in dem verwilderten Schutzgebiet auf seine Rechnung kommt, vor läufig bringt eS gar nichts rin. Die Rede», welche die Führer der vier Stände Finn lands — deS Adels, der Geistlichkeit, deS Bürgertbums und der Bauern — in dem kürzlich eröstncten finnländischen Landtage gehalten haben, dürsten in Petersburg großes Mißvergnügen Hervorrufen, denn sie bilde» einen scharfen Protest gegen die Russisicirungs-Politik Rußlands im Großsürstenthuitte. Der Führer der Bauern, Börry, sagte: „Tie Finnländer sind dem Volke Israel zu vergleichen; als daS auSerwäblte Volk Gott den Herrn verlassen und fremden Göttern zu diene» begonnen batte, da mußte eS sich unter daS Iock seiner Unterdrücker beuge». Die Finnländer müstc» diese Wabrbcil beherzigen und ikrc Existenz vrrlhcitigc». Unser kostbarer Glaube, nnscre verfassungsmäßigen SlaatS- eiiirichlunaen, welche wir als Erbthcil von unseren Vor fahren erhalten baden, miissen wir erhalte» und vertheidigen um Frommen unseres geliebten Vaterlandes." Noch schärfer prach der Führer des BürgcrlkumS, Psabler, welcher sagte: „Die Gegenwart stellt große Forderungen an die Vertreter des finnländische» Volkes. Die düsteren Wolken, welche unseren politischen Horizont während deö letzten Landtages umnebelt haben, sind nock nicht verschwunden; im Gegentheile, noch drohendere Wolken haben sich ziisamiiicilgcbaUt, welche unser staatliches Dasein bedrohen." Der Führer der Geistlichkeit. Kuston, sagte: „Der jetzige Landtag ist unter nicht erfreu lichen Aussichten zusammengetreten. Die Zukunft unseres Vaterlandes ist voll Gefahren und dickt umwötkt." Bekannt lich handelt eS sich in der Hauptsache um die Einsübrung eines neuen Strafgesetzbuches für Finnland. Daß die selbe eine Nolkwciltigkeit ist, muß zugegeben werden. Denn das gegegenwärtig geltende stammt noch aus dem Mittel- aller; cs kennt noch den Pranger, Verbrennen, Abhauen der Hand ». s. w. Ans alle diese Strafen wurde bisher erkannt, und nur die persönliche Entschließung deö Zaren wandelte sic i» civilisirtc Formen um. Was also die formal- juristische Seite der Revision deS sinnländischen Straf gesetzbuches anlangr, so braucht mau in den Kreisen der dortige» Volksvertretung um so weniger in Bcsorgniß zu sein, als die russische Iustizgcsctzgebuiig aus der Höhe der Gegen wart steht. Etwas Anderes freilich ist cs mit den natio nalen Gefahre», die Finnland durch die Neubearbeitung seines den LandcSvcrhältnisseii und Volkscigciithümlichkciten angepaßlcn ReckitSbucheS drohen; die sind vorhanden und wobt kaum abzuwciiden. — Ter gegenwärtig tagende Landtag ist der zwölfte seit der Vereinigung Finnlands mit Rußland. Der erste Landtag wurde vom Kaiser Alexander I. im Iabre 180!» in Borgo einberusc». Unter Nikolaus l. sind keine Landtage einbernfeii worden. Unter Alexander II. hat der si»»>ä»dische Landtag sechsmal, unter der gegenwärtigen Negierung bis jetzt sünfmal getagt. Der brasilianische Präsident Peixoto erlebt an seinen Minister» wenig Freude. Bald reicht der Kriegs-, bald der Finanzminister seine Entlastung ein, und so hat erst vor wenigen Tagen wieder der neue .Kriegsminister in Folge von Mei- iiung-verichietknkcilci, mit den übrige» Mitgliedern des CabmctS betreffs Verlängerung des Belagerungszustandes von Rio de Janeiro sein Portefeuille dem Präsidenten zurückgegebcn. Daß dieser fortwährende Wechsel das Ver trauen zur Negierung nicht stärken kann, liegt aus der Hand. Unterdessen mache» im Süden deS Landes die Aufständischen Fortschritte. Tic „Times" melkeien, sie seien in Begriff, in die Provinz Sao Paulo cinznsalle», eine starke Streitmacht sei für Len Vormarsch auf Rio in Bereitschaft, »nt nach den jüngsten Nachrichten schlug Admiral Mcllv die Regicruiigötruppc» bei Curitiba, ei» blutiges Ge fecht, das den letzteren nicht weniger als 200 Man» kostete. — Der Zwischenfall mit dem am erika »iscken Geschwader i» der Bai von Rio hat sich in Wohlgefallen ausgelöst. Der Marinesecretair Herber! sandte von Washington aus folgende Drahlmeldung an AdmiralBenham: „Wir sind völlig befriedigt, wie Sie Ihren Anweisungen iiachgckommcn sind und de» amerikanische» Schiffsahrlsvcrkcbr beschützt bade». Wir er warte» nur von Ihnen weise Unterscheidung." Zugleich ist er ersucht worden, einige Puncte seines Berichtes näher aus Feuillstsir. Lllida Zilftröm. 7 Roman von H. Palmö-Paysen. Nachdruck «ertöten. (Fortsetzung.) Sie hatte bei den Proben, wenn sie inmitten der Mädchen- schraren gestanden, immer das Gefühl, als müsse sie aus einen Punct starren, um nur nicht- zu sehen und zu hören, als sei die Lust ansteckend, in der sie dort athme, wenn sie sich die unruhigen, lackenden, erhitzten Gesichter der Mädchen ins Gedächtniß zurückries, uno wie sic Alle die Kunst so trickst nähme», nicht- weniger als ernst, oder gar ideal, so als ob sie mit Lber- mütdigen Gebärden waghalsige Kunststücke auSfübrten, dann überkam sie daS Bewußtsein, wie schaal, wie gering daS Alles sei, und daß unter iknen sich eine echte Künstlerin und Kunst- genossin schwerlich finden würde. — Reue nach so kurzer Zeit! Wie schwach erschien sie sich plötzlich mit ihrem himmelhohen Streben. Stand nickt die Kunst — welche, daS blieb sich gleich — über Allem und Jedem, hatte sie sich nicht auS tiefster Seele gelobt, derselben Alles zum Opfer zu bringen, jede Anstrengung, jede Enttäuschung, jedes Weh? Am Zügel ernstesten Willens und ganzer Seelenkrast wollte sie ihr Thun unterordnen der Kunst, deren Wege ja alle mit Dornen bestreut waren, sollten die ersten blutigen Ritzen, die sie davongetragen, ihr gleich den Muth rauben? üllida blickte zu dem sternengesckmücklcn Himmel auf. So viel Er- babenheit und Größe neben der so kleinlichen Alltäglichkeit, lieber diese hinweg sehen und hinauf den Blick richten, von wo Muth und Krast kam, das wollte sie hinfort. — Als sie endlich das Auge wieder zur Erde senkte, bemerkte sie eine sich im Hintergrund deS Gartens bewegende Gestalt und glaubte nach schärferem Hinschauen die schon oft gesuchte Person deS Gelehrten zu erkenne». Er war eS In einen Kragenmantel gebullt, einen schwarzen Scklappbut ans da« lang nicdersallenke Haar gedrückt, sah sic ihn langsam in einem Laubgang aus und nieder geben. Ellida hatte sich impulsiv erhoben. Ihr Entschluß war gefaßt. Wollte die Dame keS Hause- ihr nicht Rede »nv Antwort stehen, so vielleicht dieser. Sie hüllte sich in ein warme« Pelzmäntelchen, zog eine dunkle Kapuze über den Kopf und schlüpfte hinaus, nicht ahnend, daß ikr aus dem Fenster deö Erdgeschosses zwei scharfe Augen gespannt nachblicktcn. lO. Capitrl. Der Laubgang, welcher die ganze Länge der einen Garten seite einnahm, barg durch sein gewölbtes, künstliches Gesüge, sein krauses, dichtverzwciatcs Geäst tiefere« Dunkel, als die sich abseits biiiziebenden Wege. Im Sommer bot derselbe vollkommen Schutz gegen die sengenden Sonnenstrahlen, im Winter eine Wcbr gegen den Andrang von Wind und Weiter. Professor Tclponka, der selten die Straße betrat, pflegte bier seine Spaziergänge zu machen, im rastlosen Ans- »i»b Nieder schreiten. Er schaute dann nickt rechts, »och links, hielt den Blick meist aus die Erde gerichtet und bing seinen Gekauten nach, die sich selten auf anderem Gebiete bewegten, als ans dem der Wissenschaft. So bemerkte der Gelehrte heule nicht sogleich die sich ibm nähernde Gestalt. Erst als er wiederum dicht an seiner Eremitage angclangt, sich dort unigcwandt batte, um abermals den dunklen Gang biuabzuschreilei,, stutzte er beim Anblick der zögernd Daberkommenden und blieb stehen. „Friederike?" fragte er zerstreut, in der Meinung, seine Schwägerin vor sich zu seben. Eine ihm fremde, schüchterne Stimme antwortete. „Darf ick Sie um eine kurze Unterredung bitten, Herr — Herr Delponda?" fragte Ellida Cilström. Daß sic da einen gelehrte» Professor und Philosophen vor sich habe, davon hatte sie natürlich keine Ahnung. „Ick bin gern bereit dazu", erwiderte der Nngeredete, nicht wenig überrascht, an diesem Ort und zu dieser Stunde von einer Unbekannte» ausgesucht zu werde». „Habe ick das Vergnügen, Sie zu kennen, meine Dame?" „Ich bin Ihre HauSgenossin, Ellida Silström." „Ab", machte der Professor, indem ihn ein unbehagliche- Gefühl beschlich. „Aber wollen wir nicht in« Hau« gehen zu meiner Schwägerin —" ,Kann ich Sie nicht allein sprechen?" bat Ellida be scheiden. „Wenn Sie cs besonder« wünschen, Fräulein. Haben Sie eine Beschwerde, eine Klage an mich zu richten?" fragte er in gütigem Ton, mit einer weichen, säst leisen Stimme, die ibm eigen war und Ellida « Okr angenehm berührte. „Aber treten Sie erst näher — hier draußen läßt es sich schleckt reden." Dabei öffnete er die niedrige Thür de« Gartenhauses und ließ Sllida in seine Klause treten. Die war bereits von einer mir gefaltetem grünen Papier beschirmten Lampe erbcllt, welche aus dem mit Büchern und Papieren überfüllten Tisch stand neben einer kleine» gläsernen Retorte, in der anscheinend zwischen Grünwerk sich ein Insect bewegte. Der große Kachel ofen strömte bcbagliche Wärme auS, die, vereinigt mit dem gedämpften Licht, das mit dicken Strohmatten belegte Zimmer- chcn unendlich behaglich und traulich machte. „Womit kann ich dienen?" fragte der Gelehrte, nachdem Ellida Platz genommen, er aber unweit von ihr sieben geblieben war. Er hatte Hut und Mantel abgcworsen und sein Helles, un merklich vorgcbeugtcS Gesicht schimmerte ihr freundlich entgegen. Sonderbar, daß sie trotz des größten Vertrauens plötzlich besangen ward. Zögernd begann sie, dann flüchtig ausscbei.d und erst allmählich sicherer werdend unter dein sanften Blick seines milLtn Auges: „Ich wohne, wie Sie wissen, schon mehrere Wochen bei Ihnen —" „Ab, es betrifft die Wohnung", warf er ein, da sie bereits steckte, „wünschen Sie dieselbe zu wechseln — eS siebt Ibncn nichts im Wege; Sie brauchen sich gar nicht an de» Contract zu binden." Er sprach eS scbr rasch, denn er mulbmaßte, obne darüber z» erstaunen, daß es zwischen ihr »nd seiner heftigen Schwägerin bereits zu eine», Zerwürfniß gcioiumc» sei. Ellida anlwortcle mit einem traurigen Kopfschlitteln. „Nickis könnte ich weniger wünschen", sagte sie. „meine trau lichen Ziuimcr sind niir schon lieb geworden. Trotzdem siible ick mich beengt und traurig darin, weit — weit —", sie zögerte, mußte aber vollenden, da er schweigsam blieb, „weil", tuhr sie zögernd fort. ,,»ia» mir in Ihrem Hause mit so offen barer Abneigung begegnet, für die ick gar keine Erklärung finde, auch solche trotz ,»einer Bitte von Ihrer Schwägerin nicht erkalten werde Da babc ich Sie ausgesucht und bitte nun recht herzlich, mir zu sagen, womit kann ich niir Ibrer aller Zufriedenheit, womit kann ich mir ein ganz klein bischen Liebe erwerben?" DaS klang so unschuldig und rührend, als wenn ein Kind für ein Unrecht um Verzeihung bat. Und der Gclcbiic wußte ja, daß dies Mädchen dort mit dem liebliche» an ziehenden Gesichte — er bemerkte cs zum zweite» Male - kein ankere« Unrecht begangen, als daß cs zufällig — Tänzerin war. War dies den» wirtlich etwas Schlimmes? Nach seinem Fühlen niackle nickt der Berns den Menschen, viel mehr der Cbarakter, der Geist, daS Gemiitk, znsammengc- nommen: die Individualität. Er stank zwar auf anderem Grund und Boden mit seinen Lebenserfahrungen und Lebens ansichtcn als seine Schwägerin. Tic Welt war real, nickt ideal, wie er sic anschaule, und er beschied sich schnell, wen» die praktische, nüchterne Frau daraus hinziciende Meinungen geltend machte. Gleichwohl Kälte er hier gern gczweifelt und er that eS auch. Wenn so reine Augen wie diese trogen, welchem Mcnschcugesichtc sollte man dann noch glauben? Warum also ohne Weitere« dieses Mädchen, cbc man eS kannte, ehe an ihm etwas auszuscycn war» verdammen, warum an seinem Ruse zweifeln und eS der großen Mehr zahl seiner Genossinnen anreiben, die möglicherweise, darin konnte ja die erfahrene Frau Recht hüben, durchweg einen leichtsinnigen Wandel führe»! Trotz dieser humanen Empsindungcn befand sich der im Umgang mit Menschen, besonder« mit Frauen ungelenke Mann augenblicklich in großer Verlegenheit. Jede wisse» schastlichc Abhandlung schriftlich oder mündlich wäre ibm leichter geworden, als jetzt die Antwort aus veS Mädchens einfache Worte. Phrase» zu mache», das verstand er nickt und war auch nickt geschickt genug, die Sache zu umgeben, wollte dies auch nicht, den» er fühlte Thcitnabmc für das junge Geschöpf. Peinlich aufrichtig, wie er war, sagte er: „Sie habe» leider Reckt, meine Schwägerin, eine sonst brave, aber clwaö vorurtheilSvolle Frau, bat eine gewisse — wie soll ich sagen — eine gewisse", er suchte den Ausdruck abzu- schwäcken — „keine besondere Sumpatbie für Sie, bat eine Antipathie gegen Sie", verbesserte er sich, „vcrstcben Sie mich recht, für Ihren Berus Es liegt nichts Persönliches vor." „Für meinen Beruf?" „So ist eS." „Ist den» mein Beruf ein schlechter, niedriger, vcrachtung«- werlber?" „Gewiß nicht!" „Ist mein Beruf nicht eine Kunst?" Ter Proscfsor wiegte den Kops. „Tic Griechen erachteten den Tanz als eine solche — die Griechen." Sie verstand die bedächtige Antwort und erglühte im Eifer ihrerUcbcrzeugnng »ud sprach auS, wie kürzlich beider bochmüthigcii Frau aus Illenstei», was sie über ihre Kunst backte und fühlte. Der Professor merkte bald genug, daß er kein gewöhnliche-, daß er ein feingebildetcS, eigenartiges Mädchen vor sich habe. Um so mebr bedauerte er daher, daß sie nach außen bin und nicht in der Familie ihr Glück zu suchen ge willt war. ^Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite