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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940427020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894042702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894042702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-27
- Monat1894-04
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»7.1» 103.- 119« ^ 11I.7S 31H0 SZ.L0 113.- 107« 187^- 97.- 37S« 1«- IS4.- 137« 306»0 70- 198,- 140 — I33.ro 106.- «,— 826 — 109.— »M^- 192.— ISS.— 1^- ss»0 330.— SS.— «so 92^0 Mo. 337-, 164 40 143.S0 11S.30 130.71 135.90 189.70 143 — »7.40 389-, 1SS.30 13480 63.20 131.L0 117.— 138.90 148L0 r»ajr»c0«ll rä»o —. Lk»«> ISS.— 143.80 136.80 143.80 139,70 133,30 7S.6S 136 3» SS.»» llcdso —. > »78» 95.15 81.15 9.92-A 13S.7S 318.7» 348.7» < l«r»48» 1 2990- 343.3S 281.— 108.— 338.— 198.— 72 7» 31S.K0 103.33 61.14 134.80 4S.S3-i„ 0,92 öl.14 1.34 133.—k 100, I«edt »d- 1b>9 84-!. »I 1»'!. 88-, 40-1. S7 >886 !tt>» 8»»vNit- ! »»».SO > 84.43 , 38».— 23.— »« 88.1(7 .1I>. r.7«otoiuc', ko»t<1»mpf,t xt 8t»r 1,u>» r ti»v VoeW orSä. l,t»xck- ,8pr««- vo» ko»t>1»o>k>t4r »»»». «te. »te. mit ,t t>,ar» o» >»3l»»or I» 0><U>»w' vo» S«ol. .I-id»o7 >cl> griwidx, l» Uo«»r<i»m. Vez«g-Pre1- W tz« Hanptexpeditioa oder de» kn Stadt» tqkt and den Bororten errichteten Au«. Akstrllea abgeholt: viertrljätirlich ^14.50. ki zweknattger täglicher Zustellung in« h«r > ückä. Durch die Pos« bezogen für leLtschland und Oesterreich: vierteljährlich » 8—. Direkte tägliche »reuzbandiendung tu« Ausland: monatlich -<4 7 SO. rieMorgeu-Ausgabe erscheint täglich'/,? Uhr, die Adend-Aurgab« Wochentags b Uhr. Ledarlio« und LrpeLitio«: IutzunneSgusse 8. kleTevedition ist Wochentag« ununterbroche» geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filiale«: ktt» airmm's s-rtim. («Ifrrtz Ilniversitätsstraffe 1, L»,tS Lösche. keHarinenstr. 14, pari, und «Suig-platz 7. Abend-Ausgabe. 2l3. KWMr.TaMalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschSstsverkehr. Freitag den 27. April 1894. Anzeige«.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile re Pfg. Reklamen unter dem Redacttonsstrich (4g«. spalten) 50-^, vor den Familieunachrichtea (6 gespalten) 40-^. Größere Schriften laut unserem Preis- perzeichniß. Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. ^nnatsmrschlub für Änlkiqeu: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Ukr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags srüd ' -9 Udr. Bet den Filialen und Annahmestellen ,e eia« halbe Stunde früher. U»«ei>rn sind stet« an die Erprtzitts» zu richten. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig. 88. Jahrgang. politische Tagesschau. * Lripzig, 27. April. In der letzten RcichStagSsession ist mehr als ein halbes Hundert Anttiativanträgr unerledigt geblieben. Tarüber wird in einem Tbcile der Presse Beschwerde geführt, und man bört allerlei Vorschläge, wie einem solchen Uebel- slande i» Zukunft vorgebeugt werden könnte. Bekanntlich hat die Geschäftsordnung des Reichstags für die Berathung derartiger Anträge einen Tag in der Woche, den sogenannten Schwerinslag, Vorbehalten, an welchem dieselben der Reihen folge ihrer Einbringung nach Anspruch auf Erörterung baden. Für eine solche Fülle von Initiativanträgen aber, wie sie in der abgelaufenen Tagung vorlag, würde das Äcr- und Fünssache der in einer Session zur Bersügung siebenden SchwcrinSlage nicht auSrcickc». Hätte man die im November begonnene Session, abgesehen von der EtatS- beralhung, ausschließlich diesen Initiativanträgen gewidmet, so würde man heute noch bei Weitem nicht am Abschlüsse an- gklaiigt sein. Ta fragt sich den» doch, ob das als ein ge sunder Zustand zu betrachten sei. Das Recht der gesetz geberischen Initiative ist zweifellos ein sebr wichtiges Recht der Volksvertretung, aber seine praktische Ausübung wird in consiinitionellen Verhältnissen immer nur ausnahmsweise ein- Irelen, wenigstens soweit cs sich um ivirkliche Gesetzentwürfe han delt. Auch zu förmlichen Resolutionen wird eine Volksvertretung, die mit der Regierung über die wesentlichsten Ausgaben im Sinklauge ist, nur selten Veranlassung haben. Wenn bei uns die Iniativanträge sich in den letzten Jahren ins Un geheuerliche vermehrt haben, so ist das zum Tbeil die Folge des Mangels einer solchen Uebercinstimmung, ja überhaupt eines eigentlichen Zusammenhangs zwischen Regierung und Parlament, sowie dcS Mangels einer compacten Majorität. Zum anderen und vielleicht größeren Theile aber erklärt sich die Erscheinung daraus, daß die Initiativanträge einfach zum Agitationswerk- zeng geworden sind. Ten meisten Urhebern derartiger An träge ist cs um eine parlamentarische Verhandlung über dieselben gar nicht zu thun, sie kommen sogar, wie sich bei dem Antrag Kanitz gezeigt hat. in niHl geringe Verlegenheit, wenn man sie ernstlich beim Worte nimmt. Die Hauptsache ist ihnen, daß ihre agitatorischen Ideen mit dem Nimbus eines im Reichstage eingcbrachten Antrages ins Land hinaus gebe», welche Absicht dann noch dadurch unterstützt wird, daß die ReickStagsverwaltung neuerdings die Gefälligkeit hat, die Motive der Herren Antragsteller mit drucken und vcr- theilen zu lassen. Nach diesen Vorgängen können wir ja dem nächst noch eine recht nette Entwickelung des Instituts der Initiativanträge erleben. Um so weniger ist irgend eine Veranlassung, sich über neue Vorschriften zu Gunsten der Initiativanträge den Kops zu zerbrechen, namentlich auch nicht über eine Maßregel, wie der tolle Wettkampf um die Priorität zu regeln sei. Uebcr Initiativanträge von wirklich praktischer Bedeutung kan» die Mehrheit des Reichstages jederzeit an einem anderen Wochentage die Berathung herbei- sührc»; die übrigen mögen getrost ihres Schwerinstages darren — wahrscheinlich immer mit gleichem Ersolge wie diesmal. Mit der viclberusenen „Klatzveradatsch-Assatre" beschäftigt sich beute Maximilian Harden in einem „Ordalien" überschriebcncn Artikel seiner „Zukunst". Zunächst zieht er eine satirisch-humoristische Darstellung der historischen Ent wickelung des Zweikampfes, die er mit den Worten schließt: „Wer auf öffentlich ausgesprochene beleidigende Behauptungen mit einer Herausforderung zum Zweikampf antwortet, beweist erstens, daß er die Person des Beleidigers als untadelhast und satisfaclionSsähiq anerkennen muß, und zweiten-, daß er die conventionelle Reinigung durch den Zufall des Waffenglücks einer öffentlichen Aufhellung des TbatbestandcS verzieht." Sodann geht Harden zur Sache selbst über, indem er schreibt: „In den Zeiiungen wird jetzt über die Frage gestritten, welcher Privatbries des RedacteurS Polstorff den äußerlichen Anlaß zum Duell gegeben bat. Die Beantwortung dieser Frage ist aber ganz gleichgillig, denn dem Suchenden bietet sich in solchen Dingen immer ein Anlaß. Die Veröffent lichung des Polstorfssche» PrivatbricfeS war ein bemerkens- werthcS Stück publicistischcr Unanständigkeit; de» geärgerten Herren der Wilhelmstraße wurde damit ein jedes Dankes werther Dienst geleistet. Ganz schlau begann man die von den Gegnern leider vernachlässigte Taktik dcS Jsolirens. Nicht Polstorff nur, sondern auch sein bekannterer College Trojan riesen laut und anhaltend nach einem Gerichtsverfahren, das ihnen die Möglichkeit geben sollte, für ihre Behaup tungen den Beweis zu erbringen, aber die Batterien wurden nur gegen Polstorff gerichtet, und ein großer Tbeil unserer Eaprwiprcffe erschöpfte sich in Schmähungen gegen einen Mann, der vielleicht unvorsichtig und ungeschickt, aber sicher nicht unebrenhaft gehandelt halte. Es ist interessant, sich jetzt zu erinnern, daß Polstorff von den officiöscsten Blättern zum erbärmlichsten Verleumder und Abschaum der Mensch heit geworfen wurde, während der Dirigent deS osfi- ciösen Eorps, Herr von Kiderlcn, den Beschimpften dock einer persönlichen SatiSsaction für fähig hielt. Nur die wüste Preßketze konnte Polstorff hindert., sich nach der gericht lichen Erledigung der Sacke der Forderung deS schwäbischen Herrn zu entziehen. Hätten die ZenungSleute sich objcctiv verhallen und, wie es ihre Pflicht war, ohne für den Einen oder Anderen Partei zu ergreifen, den Wunsch nach unzwei deutiger Klärung des TbatbestandeS auSgcsvrochen, dann wäre der Zweikampf unnöthig gewesen. Ein Beamter bat sich, ohne dazu genöthigt zu sein, eines eclatanten Rechtsbruches schuldig gemacht und einen Familienvater, der ihn öffentlich unter Anbietung dcS Beweises in seiner AmtSthätigkeit an gegriffen, wahrscheinlich für Monate seinem Berus entzogen. Wenn man bedenkt, welche Coramirungen, welche einstweilen nur an gewiss:» Symptomen erkennbaren Vorgänge schon vorher sich abgespielt hatten, dann wird der Zweikamps erst recht inter essant. Das Replilienorckester hatte das ihm vorgeschrirbcne Programm tapfer heruntergespielt und durch dreiste und dumme Lügen den Sachverhalt so wirksam entstellt, daß man noch jetzt in russischen Blättern, die mitunter noch lhörichter und schlechter bedient sind, als unsere, die allerliebste Behauptung lesen kann, den ganzen Unfug habe der bösartige Bismarck angestistet und der Kaiser ein gerichtliches Vorgehen verboten, um den Mann in Fricdrichsruh vor einer schmählichen Ver- urtheilung zubewahren. Mil dem Knalleffect aber, der diese lieb liche Weise jetzt unterbrochen hat, ist die Sache durchaus nicht beendet. Es kann uns gleichgillig sein, wie Herr v. Kiderlcn seine amtliche Thäligkcit gegen Angriffe schützen zu müssen glaubt, wichtig ist nur, daß er durch die Art dieses Schutzes die Ebrenhasligkeit des Angreifers über allen Zweisel sestgcstellt hat! Damit gewinnen diese Angriffe eine wesentlich erhöhte Be deutung, und es wird nölhig sein, nun namentlich von der Thätigkeit des Hauptbeschuldigten, dcS Herrn v. Holstein, jeden befleckenden Berdacht zu cntscrnen." — Einstweilen wird man sich schon damit begnügen müssen, daß Herr von Kiderlcn» Wächter sich aus Anlaß seiner Ducllangclcgenheit nach Be nachrichtigung der Gegenpartei der Staatsanwaltschaft dcS Landgerichts Berlin II zur Bersügung gestellt hat, und daß die gerichtliche Untersuchung hieraus cingeleilet worden ist. Der Stein ist damit ins Rollen gekommen und wird nicht aufzuhalten sein. Entgegen der allgemeinen Erwartung und der bestimmten Hoffnung der uiederlänttschrn Regierung sind die Wab len zur Zweiten Kammer für das Ministerium ungünstig aus gefallen und bedeuten vor Allem eine Niederlage des Minister präsidenten Tak van Poortvliet und seines Gesetzentwurfs, dctr. die Erweiterung des Wahlrechts: es wurden, wie nunmehr cnt- giltig scststebt, 44 Anhänger und .°»«'< Gegner dcS minislcricUc» Entwurfs gewählt. Nach den am t2. April vorgenommene» "auplwahlen, bei denen 33 Anhänger und 37 Gegner der ak'schcn Wahlreform gewählt worden waren, wurde allseitig vcrmuthct, dag die Stichwahlen dem Cabinel eine Mehrheit von zwei bis vier Stimmen ver- chaffcn würden, wenn auch die Fahnenflucht zahl reicher Liberaler inS radikale Lager die Reihen der Freunde der spccifisch Tak'schen Reform nicht so vermehrt batte, wie eS anfangs den Anschein hatte und Alttiberatc, Ultra montane und Antircvolutionaire sich zu ernsthaftem Widcr- tandc vereinigt hatten. Der eigentliche Umsang der Nieder lage läßt sich bis zur Stunde noch nicht übersehen, denn noch liegen keinerlei Nachrichten über die Zusammensetzung der oppositionellen Mehrheit vor. Unter den Gegnern Tak'S befinden sich auch die Altliberalen, die keineswegs grund sätzlich Widersacher einer weitgehenden Ausdehnung des Stimmrechts sind; haben sie sich eine größere Zahl von Sitzen zu sichern gewußt, dann ist trotz der Niederlage des Tak'schen Wahlreformcntwurss doch die Schaffung eines beinahe allgemeinen Wahlrechts zu erwarten. Die Altliberalen halten an der Bcrsaffungsbcstimmung fest, wonach da- Wahlrecht an „Kennzeichen eines gcwinen gesellschaftlichen Wohlstandes" gebunden sein soll, und wollen das Stimmrecht erst mit dem vollendeten 25. Lebensjahre beginnen taffen. Der Tak'sche Entwurf vernachlässigte jene VersassungSbestimmuna und wollte daS Stimmrecht schon mit dem vollendeten 23. Lebens jahre eintrelcn lasten. Es liegen Anzeichen vor, daß cs, zumal wenn Herr Tak gehen sollte, zu einer Einigung über diese beiden Streitpunkte kommt. Die bulgartsche Regierung bat in dem Conslict mit der Pforte wegen der bulgarischen Schulen in Make donien einen vollständigen und bedeutungsvollen Erfolg er rungen. Ein Irade dcS Sultans gewährt nicht bloS weit gehende Eoncessioncn in der Cchulfragc, sondern gestattet auch die Errichtung zweier neuer bulgarischer Bischofssitze, nämlich in Nevrekop und Leres in Makedonien, sowie den Bau eines bulgarischen Seminars in Konstantinopel, wozu der Sultan sogar das Grundstück hersckcnkt. Die Freude über diese, die weitestgehenden Hoffnungen der Bulgaren übertreffende günstige Lösung der Streitfrage hat in Sofia zu spontanen Kund gebungen sür Stambutow und den Sultan geführt, auS denen hcrvorgeht, welch' hohe Bedeutung man dem errungenen Erfolg bcimißt. Wenn man freilich in Sofia im Ueberschwang des ersten Jubels so weit geht, den Tieg der bulgarischen Diplomatie als einen Sieg des Dreibünde-über den russischen Einfluß anzu sehen, so schießt man über das Ziel hinaus. Der Dreibund als sol cher bat mit der Sache gar nichts zu thun. Immerhin müssen mächtige Einflüsse im Spiel gewesen sein, um den Sultan zu einem so auffallenden Abwcichen von der bisherigen, zweisel los von Rußland beeinflußten Haltung der türkischen Diplomatie und zu einem endlichen Entschlüsse in der Jahre lang durch leere Versprechungen hingezögerten Schulfragc zu bestimmen. Man gehl wohl nicht fehl in der Voraussetzung daß österreichische und englische Vorstellungen zur Herbe, führung der Verständigung bcigctragcn haben, die durch ein augenblickliches Ucbcrwiegcn des russischcn Einflusses noch vor wenigen Tagen in Frage gestellt schien. Vom GesichtSpuncte der internationalen Politik ist das Ende des SchulstrcitS mit großer Genugthuung zu begrüßen, da cS die Herzlichkeit de« Ler bältnisscS zwischen der Türkei und Bulgarien, die eine der zuver lässigste» Schutzwebrcn gegen da- Eindringen dcS russischen Ein- liisscs ausdieBalkanhalbiiiselbildet.wesentlichstcigernwird. Der Sache dcS Friedens ist durch die Begleichung jenes Streites ei» nicht zu unterschätzender Dienst geleistet worden, für den dem klugen Sinn des Sultans und der Staatskunst Slam butow'S volle Anerkennung gebührt. Mit dem Erfolg Stain- bulow'S werten nun wobl auch die Gerüchte verschwinden, welche von einer nabe bevorstehenden Demission des in Petersburg nickt genehmen Ministerpräsidenten, von einer Opferung desselben durch Fürst Ferdinand um de» Preis der russischen Freundschast wiffcn wollten. Daß die Person des Fürsten Ferdinand noch weit mehr anstößig in den Augen dcö Zaren ist, als die seines Ministers, und daß Rußland auch beute noch nicht a» die Anerkennung des Fürsten denkt, hat ja erst vor wenigen Tagen sein Fernbleiben von den Cvburger HochzcitSsestlich- kcitc» erkennen lassen. Es war der Versuch gemacht worden, in Coburg eine Begegnung des Fürsten i»il dein Großfürsten- Tkronsolger berbcizusührcn, derselbe scheiterte aber an dem Widerspruch des Petersburger Hofes. Dafür nun, daß man im Ralhe der gekrönte» Häupter Europas den Bulgaren um Rußlands Willen nicht für voll «»siebt, mag derselbe in der Anerkennung des Sultans ebenso reichliche Entschädigung finden wie in den stets im Wachsen begriffenen Eympatbien seiner Untcrtbanen. Was die Schiitsrage selbst anbelangt, so sei zum Vcrsläntniß der Sacke Folgendes wiederbolt. Ob wohl die Bulgaren in dem türkischen Makedonien de» anderen VolkSelementcn, Türken,Albanesen, Serben, Griechen, Rumäne», zusammen nur um etwa 2t)tt«»»i» Seelen »ackstcbe». batte die Pforte denselben bisher nur zwei Metropoliten, in Ursküb »nk Ockrida gewährt. Alle übrigen bulgarischen Diöccscn, in denen die bulgarische Bevölkerung die Mehrheit bildet, blieben verwaist, was insofern von großem Belang ist, als nur den Melropolitan-Diöcesen die Möglichkeit gegeben ist. Schulen nach Belieben zu gründen und mit Lehrkräften zu versehen: der Metropolit ist die höchste Behörde in Lchul- angelegenbeitcn. I» kc» verwaisten Diöcesen gestattete die Pforte den bulgarischen Gemeinde» nicht. Schulen zu uutcrbaltcn, sondern verlangte, daß Privatpersonen als Concessionaire zu er richtender Schulen auflrälen. Ties hätte die Vernichtung des bulgarische»Schulwesens bedeutet, denn abgesehen davon,daß cS ganz von dem Belieben der türkischen Behörden abhängt, solche Concessioncn zu verweigern, könnten bereits rrtheillc wieder zurückzcnommcn werden, wofür die griechische und die serbische Propaganda sorgen. Diesen Ungleichheiten, und man darf wohl sagen, diesen Ungerechtigkeiten gegenüber Bulgarien hat nun der Sultan durch seine Zugeständnisse ein Ende gemacht, indem er nicht nur die Erhaltung der bulgarischen schulen, sondern auch die Errichtung zweier neuer Bischofssitze. Feuillrtsn. Im feindlichen Leben. Roman von I. Schwabe. t. iNachtruck verboten.) Sie sangen fortissimo: „Was blasen die Trompeten? — Husaren heraus!" und „Wer will unter die Soldaten?" und „Ich bi» ein Preuße" und „Tic Wacht am Rhein" und andere Soldaten- und BaterlantSlieder, und sie sangen mit solcher Begeisterung, mit solcher Ausdauer, mit solcher Sclbstvcrgessenkcit, daß man hätte denken können, es sei — eine Schaar Rccruten etwa, die eben neu gedrillt und, unter Absingung jener schönen Lieder, aus etwas angenehmere Art mit dem Marschtact vertraut gemacht werde. — Aber man börle kein Commando, kein „Rechts!" und kein „Links!", kein „Gerade auö?", kein dröhnendes Auftreten eiscnsestcr Eommiß stiesel wie hätten sie auck wobl an die feinen Füßchen gepaßt, die da so graziös vorsichtig zwischen all den Kostbar keiten sich bewegten, wie könnten sich rauhe Soldatenkehlen mit den köstlich frischen Mädchenstimmen messen, die da so lustig dem Tag entgcgenjubelten! Nicht daß cS ein besonderer Tag gewesen wäre! Ein einfacher Wochentag nur war es, und er wird ihnen Mühe unk Arbeit und Schelte — ja, gewiß auch mancherlei Schelte wird er ihnen bringen; aber sie begrüßen ihn doch mit heiterem Gesang; denn sie sind ja jung und gesund und fröhlich, und sie müssen irgend etwas thun, diese ersten und einzigen, unbedingt freien Stunden deS Tages zu feiern, die einzigen, in denen kein gestrenger Ehcs polternd und brummend umbergcht, säst die einzigen, in denen „Madame" nicht mit geringschätzigem Achselzucken und bochmüthiger Miene jede ihrer Bewegungen überwacht, die einzigen Stunden de» Tages, in denen sic unbefangen jung und fröhlich sein dürfen, sich selbst überlassen und sich selbst angehörend, frischer, freier als am späten Abend, wo der Sandmann oft gar so schnell seine einschläfernden Körner in die schönen Augen streut. Schöne Augen! Als ob sie alle schöne Augen hätten! — Aber diese klaren, süßen Braunaugcn, die so frisch und un befangen in die Welt hineinseheu — sind sic nicht entzückend? Und leur tirsdunklen, mit dem madounrnhastra Blick, deren Besitzerin die lustigen Lieder so sentimental singt, als seien es Stcrbcarien einer großen Oper! — Unweit davon schauen freilich ein paar sehr Helle, etwas vorstehende, echt westfälische Gespensteraugen hervor — wer wird sie schön nennen? Aber das Gesichtchen, dem sie angehörcn, ist in solch' süße Schwärmerei getaucht, die Gespcnsteraugen schauen in eine ganz andere Welt, die feinen Nasenflügel beben nervös und von dem kurzen, sebr krausen und dunkeln Haar scheint ein jedes Spitzchen in fieberhafter Bewegung, während die bräun lichen Wangen krankhafte Röthe überhaucht und die blaffen Lippen sehr tapfer und laut in die heitern Weisen mit ein stimmen. Fast am lustigsten sogar, denn ihre Nachbarin, mit den ebenfalls sehr hellblauen und entschieden falschen und neidischen Augen schaut sie zuweilen ganz zürnend von der Seite an, als empöre sic sich über die allzu große Fröhlichkeit, an welcher sie selbst nur in sehr bescheidener, gemessener Weise theilnimmt, denn sie versucht nur etwa- ungeschickt und mit krampfhaft verzogenem Munde, sich der kräftigen Alt stimme zuzugesellen, welche vollkommen auSreicht, die zehn oder elf Hellen Soprane auf das Harmonischste zu begleiten. Diese Altstimme gehört einer prächtigen Blondine, die, bochaufgerichtet, den schönen Kops mit der schimmernden Flechtenkrone gar stolz emporgehobcn, neben einer mit kost baren Fayencen beladenen GlaSpvramide steht, deren Vasen und Schalen und Leuchter und Tafelaufsätze sie rifrigst von jedem Staubflöckchen zu befreien sich bemüht. Ebenso eifrig aber ist sic beim Gesang; sie hört jeden falschen Ton der Soprane, rügt und corrigirt, als sei sie der Musikdirector einer großen Oper und benutzt ihren eleganten, langfiedrigeu Stäuber so gewandt als Tactstock, als habe sie ihr Lebtag die großartigsten Chöre einzustudiren gehabt. Das ist Rose Müller, die erste Verkäuferin des weit bekannten Geschäftsbause- von Conrad HaSpe in A. und der Abgott der meisten ihrer Collcginnen. — Ah, Rose Müller — darüber geht so leicht nicht-! Der Chef schätzt sie als tüchtige Kraft, denn sic ist eine gar gewandte Ver käuferin, welche immer ganz genau weiß, wa- die Leute kaufen sollen; sie spricht französisch und englisch wie ihre Muttersprache und sie — verrechnet sich niemals. Seiner blaffen, blonden Gemahlin aber imponirt sie durch ein schier fabelhafte- Wissen, da- Madame keineswegs erreicht, durch graziöse Manieren, die Madame nie gehabt hat, durch ein sichere- und stolze- Auftreten, da- Madame nie lernen wird und durch sehr geschickte Hände, unter welchen reizende, fast künstlerische Gebilde entstehen, mit welch«, Madame gar zu ;crn ihren Salon schmückt. — Ihre Colleginnen aber — die üßen Kinder! Wie schön sie ist diese Rose! Wie geschmack voll sie sich anzuziehcn weiß! Und diese Stimme! Und die reizenden Verse, welche sie machen kann, viel, viel schöner als Aline Winter, welche immer den Mond ansingt, und die wundervollen Geschichten, welche sie zu erzählen weiß, manch mal Abends in der Halbdunkeln Ecke hinter der großen Bronzcpyramide! Ah, sie sind wirklich prachtvoll diele Ge schichten! — Rose aber lächelt zu diesen Lobeserhebungen ein wenig belustigt, ein wenig spöttisch, ein wenig melancholisch und doch auch dankbar, denn die Anbetung der guten Kinder tbut ihr wobl in einer Atmosphäre, in welcher sie sich sonst nicht allzu wohl fühlt und die sie gerne mit einer andern ver tauschen würde, wenn eS nur ginge! Es ging aber eben nicht, so ost sie eS auch versuchte. ES glaubte ihr ja Niemand nur so aufs Wort hin, daß sie tüchtig etwas gelernt habe; sic hatte ja keinerlei Zeugnisse, keine Empfehlungen, und sie hatte kein Eramcn gemacht, auch spielte sie nicht Clavier! Ah, und sie war auch so schön! Es wollte sie Niemand als Gesellschafterin, als Erzieherin haben und so blieb sie, was sie seit ihrem sechzehnten Jahre war — Verkäuferin in kleineren und größeren und größten Geschäften. In diesem Bereiche wurde eS ihr nie schwer, einen neuen Platz zu finden, wenn eS ihr aus irgend einem Grunde nickt mehr bchagtc am alten Orte und so war sie gewandert von Ort zu Ort gleich einem Handwerksburschen und nur fünf Monate war es her, seit sie bei Conrad HaSpe eingetrelen. Und die Stutzer der Stadt erzählten sich gar bald von der neuen glänzenden Erscheinung in dem wohlbekannten, meist nur vom vornehmen Publicum der Stadt besuchten GeschästShause, auch sie rühmten ihre Schönheit, ihre Ge wandtheit, ihren Geist, ja, sie rühmten sogar ihren Geist und bedauerten nur das eine, daß sic gar so stolz und spröde sei und sich nicht ein einzige- Mal verleiten lasse mit ihnen ins Theater zu geben, oder in ein Conccrt, oder doch wenigsten- in eine Conditorei! DaS war einfach albern von dem Mädchen. Sie könnte wirklich ihr Glück machen! Aber wenn sie solch ein Tugcndrachc war! — Die gestrenge Frau HaSpe aber hatte sehr gelacht über den „Tugenddracken" und batte die Bezeichnung außerordentlich schmeichelhaft gesunden, und Rose lachte auch, hell und lustig wa- gmgen sie die Stutzer von A. an?! „Aber Rose", sagte Aline Winter, da- Mädchen mit dem Madonnengesickt und den sentimentalen Augen, — „e- könnte doch Einem cinfallcn, Sie heirathen zu wollnlt" Deutsches Reich. Berlin, 26. April. Der BundeSratb, der in dieser Woche bereits eine Sitzung, am Dienstag, abgehalten hat. tritt morgen wieder zu einer Plenarsitzung zusammen. Er hat fick bereits in zwei Sitzungen niit Beschlüssen deS Reichs tag-, die ihm überwiesen sind, beschäftigt, ist aber noch nickt fertig geworden. Morgen stehen die Gesetze über den Schutz der Brieftauben, über die Abzahlungsgeschäfte, über den Schutz der Waarenbczeichnungen und die Novelle zum Vichseuchengesetz auf der Tagesordnung. Außerdem wird sich morgen der Bundcöratb über die AuS sübruiigsbcsliiumungen zu dem Gesetz über die Aushebung des Identitätsnachweises schlüssig zu machen baben, welche die damit beauftragten Ausschüsse in Vorschlag bringen. Neue Vorlagen siuo dem BundeSrath in der letzten Zeit „Nein, Aline", cntgegncle Rose sebr bestimmt, „cS wird keineni cinfallen, mich heirathen zu wollen. „Aber, Rose, — Herr Ferdinand Meyer —" „Gott soll mich bewahren!" wehrte sie ab. „Und der Cassirer bei Wcndlcr und Enke —" „Wenn Sie Lust dazu haben —" „Rose, Rose, Sie können doch unmöglich eine alte Jungfer werden!" „Warum nicht? DaS wäre doch noch kein Unglück." Sie sagt eS ganz scelcnruhig und gelassen — ihre sämmtlichcn Colleginnen erstarrten säst in Verwunderung. „Aber Rose!" riefen endlich, schier entsetzt mehr als zehn paar frische Lippen zugleich. „Und bis an ihr Lebensende wollen Sic verkaufen — Fayencen und Likörkastcn und Fächer und all das Zeug?" ließ sich klein Lulu, der bildbüdschc, dunkeläugige Backfisch ganz ängstlich vernehmen. „Ich hoffe nicht; aber, wenn cs sein muß, auch daS — lieber, als Ferdinand Meyer heirathen, oder Herrn Weber, oder sonst Jemand —" „Der Ihnen nickt gut genug ist", sagte Fräulein Hubert, die blaffe Blondine, mit den neidischen Augen, etwas boShast. „Ganz reckt, mein Fräulein— der mir nicht gut genug ist", bestätigte Rose trocken und stäubte mit solcher Energie an einer Vase herum, daß cS fast auSsab, als habe sie in Ge danken eine ihr unliebsame Persönlichkeit unter den Händen, an welcher sic ihren Zorn auSlassc. „Aber Rose, Sie werden sie zerschlagen!" ries die kleine Westfälin i»it den Gcspenster- augen, auss Höchste beunruhigt. „Keine Sorge. Miezchen, ich zerschlage nie etwas", entgegnet Rose und stellt die Vase ge lassen an ihren Platz zurück. Run greift sie nach der nächsten Schale — da fällt ein dunkler Schatten über ihre Hand. Verwundert schaut sie auf und ihre großen meerblauen Augen öffnen sich weil vor Erstaune» — unweit von ihr» im Rahmen der offenen Thür steht eine hohe — schwarze, vor nehme Gestalt. Alles ist schwarz an ihr, die tiefe Traucr- kleidung, daS nackitdiinkle Haar und — die Augen! Ticsc Stille legt sich über die lustige Gesellschaft und Rose beeilt sich, von ibrer Pyramide der, um ein balde» Dutzend Tischchen herum, an Blumenständern und Arbeit»- körben vorbei, möglichst geräuschlos hinter den Ladentisch zu kommen, von wo aus sie die schwarze Dame bescheiden fragt: „Womit kann ich Ihnen dienen ?" Die Dame aber tritt nur ein paar Schritte näher, mustert ihre Umgebung mit einem raschen prüfenden Blick
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