Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940526029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894052602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894052602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-26
- Monat1894-05
- Jahr1894
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VeM-D-Vret- tz t» -anptqpedttto» oder den im Stadt» t^rk «ad dar Lororte» errichteten Au«. A^ftellkn «bgeholt: vierteljLhrlich^lt.üo. tyzweimaliger täglicher Zustellung in« n«l > Schü. Durch die Post bezogen für x»,lschla»d und Oesterreich: vierteljährlich a tz.—. Direkte tägliche Areuzbandieudung i»1 Au«laud: mouatlich ?ckü. xie Morgen.Au«gabe erscheint täglich'/,? Uhr, di« Abend'Au-gab« Wochentag« b Uhr. Lrdarttoa und ErpeLitio«: z»tzan»e««afse 8. Ne Lrpedtti»» ist Wochentag« auunterbroche» geöffnet »»» früh 8 bi« Abeud« 7 Uhr. Filiale« r cit, Me»»'« e-rti«. «Alfred 0«tz»x Universitätsstrahe 1, S«qi» LSsche, fkatharinenstr. 1«, part. und «änigdplatz 7. ALend-Ansgabe. LMM TagMall Anzeiger. Lrgan siir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. AnzetgenPreiA die 6 gespaltene Petitzeile 2? Psg. Reklamen unter dem Redactiontstrich (4ga» Wallen) 50^, vor den Fainlliennuchrichtea jggeipaltrn) 40 Gröbere Schriften laut unfern» Preis» «erznchnig. TabeNarifcher und Mernfa, nach hvhernn Tarif. krrtra-ve,lagen «gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, obne Postbeförderuag 60.—, mit Posibeförderung ^l 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgade: Bormittag« 10 Uhr. Marge n-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh ",S Uhr. Lei den Filialen und Äniialimestellea je ein» halbe Stunde früher. Anreißen find stris an die Grtzrvttt«» zu richten. Druck und Derlag von E. Pol» t» Leipzig. Sonnabend den 26. Mai 1894. 88. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung * Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den ÄV. Mai, Vormittags nnr bis VsO Uhr geöffnet. LxpeiUllon ües L-elprlxer l'axedlatteZ. Politische Tagesfchan. * Leipzig. 26. Mai. Nachdem das prruszifche Abgeordnetenhaus das Gesetz über die L a n d w i r t h s ch a f t s k a m m e r n »ach zahl reichen, drei Monate währenden und bitweise recht erregten Debatten in der Cominissio», in den Fractioncn und im Plenum endlich zu einem Abschluß gebracht hatte, ist das Herrenhaus in knappen vier Stunden mit der Borlagc fertig geworden, wenigstens die mit der Vorberalkung beauf- tragie Commission. Daö Oberhaus hat damit dem anderen Hause ein günstiges Zeugniß ausgestellt. Die Commission des Herrenhauses hat allerdings zwei Lesungen vorgenominen, wozu zwei Sitzungen erforderlich waren. Aber die erste Sitzung wäbrte nnr drei Stunden, die zweite kaum eine Stunde. Einerseits wurde dem durch den LandwirthschastSininister v. Heyden betonten Umstande Rechnung getragen, daß die Regierung auf das Zustandekommen des Gesetzes den größten Werth lege, dies aber in Frage gestellt sei, wenn vom Hcrrenhause irgend welche Abänderungen beliebt würden. Anderseits muß auch anerkannt werde», daß der Vorsitzende der Commission, der frühere Minister des Innern und jetzige Oberpräsident von Pommern, Herr v. Putlkamcr, diesen Ltandpunct mit Nachdruck vertrat, nachdem er vorher wiederbolt den Plenarsitzungen des Abgeordnetenhauses von der Tribüne aus beigewohnt und ausserdem in mündlicher Rücksprache mit hervorragenden Parlamentariern sich über zeugt hatte, wie viele Schwierigkeiten zu überwinden und gegenseitige Zugeständnisse zu machen waren, um die vor liegende Fassung durchzusctzen. DaS Gesetz kommt am Mittwoch auf die Tagesordnung des Plenums und wie ver lautet, wird sich auch die Plenarverhandlung recht kurz abwickcln. E« liegen aber außerdem nur noch wenige Gegenstände, zudem von untergeordneter Bedeutung vor, welche bequem am DienStag und am Donnerstag erledigt werden können. Der Gesetz entwurf über die Adjacenten-Fischerei in Westfalen macht sicherlich keine Schwierigkeiten und eine von conservativer Seite vorgeschlagene Novelle zur Kreisordnung ist gestern im Ab- geortnetcnhause „begraben" worden, indem man sie zu aber maliger Berichterstattung an die Commission zurückverwies. Hier liegt überhaupt gar kein wichtiger Berathungöftosf mebr ror, so daß heute die „Reste" ausgearbeitct werden, näm lich eine Reihe von Conimissionsberichten. Unter diesen Um ständen ist der Schluß der LandtagSsessiou mit Be stimmtheit am Donnerstag zu erwarten; schon heute tursle in einer Sitzung des Staatsministeriums darüber Beschluß gefaßt werden. — Für die nächste Woche sind sodann die Berathungen der von der Regierung zusainmenberufcnen l andwirthschaftlichen Sachver- Iiändigcn-Commission in Aussicht genommen, während am Montag bereits der Ausschuß Zusammentritt, dem die Untersuchung der Verhältnisse der von Hochwaffer- gcfahren beimgesuchten Flußgebiete obliegt. Tie Mitglieder des Ausschusses sollen auch die Elbe von der sächsischen Grenze bis Magdeburg bcfabren; für ihre Arbeiten sind üns Tage, für die Bcrathunzen der landwirthschaftlichcn Commission ist eine Woche in Aussicht genommen. Die Minister Graf Culcnburg, Or. Miqucl, v. Heyden und Thielen ind durch beide Commissionen in Anspruch genommen, wesbalb ebenfalls der vorherige Schluß des Landtages erwünscht erscheint. Die deutschen Dclegirten zum internationalen Berg arbeitereonssres; scheinen cü mit ihrer Berichterstattung nicht ehr eilig zu haben, obgleich sie einen sofortigen Bericht in Aussicht gestellt hatten. Erst morgen werden, halb gezwungen, die ersten Dclegirten sich vernehmen lassen. Beim besten Willen und trotz aller Kunst der Schönfärberei werden sie nichts zu melden wissen, was die Genossen erbaut. Besonder« schwer wird cs ibnen werden, über die „Verbrüderung" mit den Engländern zu berichten. Nachdem diese erfahren batten, daß von den 26 Dclegirten a»S Rheinland und West falen 25 keine Bergleute mehr waren, verwandelte sich die Stimmung der englischen Dclegirten, die eine besonder- freundliche niemals war, auch im privaten Verkehr in eine recht frostige. Mit socialdcmokratischen Budikern, Flasckenbier-Händlern und ähnlichen „Sachverständigen" die Bergarbeiter-Verhältnisse zu besprechen, batte für die Engländer etwas Komische«. Einen Renommir-Bcrg- inann batten sich die Herren Sckrocder und Genossen aller dings mitgebrackt; jetzt aber soll auch dieser abgelegt sein. Dies betrübend war cS ferner für die Deutschen, daß sie die Engländer nicht veranlassen konnten, eine Spende für die auSgesperrtcn österreichischen Bergleute zu geben. Die Deutschen opferten, was sie entbehren konnten (250.4), aber die Engländer blieben kühl und hielten die Taschen zu. Die noch zur Fabne des Herrn Schrecdcr und Genossen schwörenden Bergleute sind daher mit dem AuSgang dcö CongrcsseS böchff unzufrieden; für Paris werten sie schwerlich einen Pfennig ausbringc», und wenn die Geschickte mit dem Berg arbeiter-Verband so fortgcbt, wie in der letzten Zeit, so dürfte er sich wohl bald ganz verflüchtigt haben. Von den 8000 eingeschriebenen Mitgliedern sollen nur noch 5000 Bei träge leisten; jetzt, nach dem Verlaus des Berliner CongresseS, wird voraussichtlich überhaupt kein Geld mebr cingehcn. So gewinnt cS den Anschein, als habe der Eongrcß die Bcrg- arbeitcrbcwegung, die schon lange in den lcyten Zügen ge legen, ganz todt gemacht. Seit gestern weilt der ungarische Ministerpräsident Or. Wckcrle in Wien, um dem Kaiser Bericht zu er statten über die Aussichten der Ehe gcsetz-Bor tage und nötigenfalls von der Krone die Garantien zu erbitten, welche eine Annahme deS Gesetzentwurfs im Oberl,ansc, dem derselbe in Kürze zum zweiten Male vorgelcgt werden wird, sicher stellen, nachdem daö Unterhaus sich wiederholt mit überwältigender Mehrheit dafür ausgesprochen hat. Wie aus einer an anderer Stelle zu findenden zuver lässigen Wiener Privatmeldung hervorgcbt, beabsichtigt Wekcrlc, erst im Falle der äußersten Netkwendigkeit dein Menarchen die Ernennung einer kleinen Anzahl von Obcr- bausmitgliedern vorznschlagen, von denen man sicher ist, daß sie nickt zu den konservativ-klerikalen Gegnern deSGcsetzeö gehören. Wir können dieser ebenso klugcn wie gewissenhaften Zurückhaltung deS Ministerpräsidenten nur durchaus zuslimmen, denn wenn auch die Ernennung neuer zeitlicher oder lebenslänglicher Obcr- bauSmitglieder durchaus dem Geist und dem Wortlaut der Verfassung entspricht und in ähnlich kritischen Lagen schon wiederholt Anwendung gefunden hat, so ist sic doch eine Maß rcgcl, von der inan lieber so lange als möglich absicht, da die Gegner der Vorlage nicht verfehlen werde», ihr das Odium einer „Vergewaltigung" deS Oberhauses anzu- hängeu. Achnlich verhält cS sich mit bcr Abcoinniandirung der oppositionellen Hosbcainlcn, die das erste Mal im Magnaten Hause mit den Römlingen siiinnitcn. Es ist die Pflicht dcö Ministerpräsidenten, den König in erster Linie z» einer un- iweidcutigcn Aussprache darüdcr zu vcrantasse», dass Die- lenigcn im Unrecht sind, welche glauben, der Krone emen Gefallen zu thu», wenn sie gegen die Eivilebe stimmen. Es muß klar werden, daß in der Stellung, welche der Monarch zur Ebegcfctzrefvrm einnahi», als er der Re gierung seine Zustimmung zu deren Inauaurirung a»S- prach, eine Aenderung nicht eiiigetreten ist. Mit solch einem unzweideutigen Königsworte muß Wekerle nach Pest zurück- kchrcn und die Wirkung abwarten, welche cS aus Die>enige» übt, die bisher aus „KönigSlreuc" die oppositionelle Majorität deS Oberhauses bilden halse». Entspricht dieselbe nickt den Erwartungen der Negierung, dann ist immer noch Zeit zu einem PecrSsckub oder dergleichen. Daß Fra»; Iosepb seinen Minister in einer Sache von so eminenter Bedeutung, bintcr welcher die große Mehrbeit der Nativ» steht, im Stich lassen sollte, wäre eine für die Krone selbst höchst beleidigende Annahme, denn das büße, ihr den Vor Wurf machen, daß sie die Regierung zu einer legislatorische» Actien erst ermuthigt habe, ui» ihr hinterher ein Bein zu stellen und sie zu stürzen, daß sie eine ihr widerstrebende Vorlage nicht aus eigener Krafl zu Falle bringen könne, sonder» dazu daS Mag»atcl>ha»ö »öthig habe. Das Ministerium Wekcrlc steht und fällt mit der EberechtS- vorlage; mit ibr siebt und fällt auch die liberale Partei, jene Partei, die bis jetzt die cinzicze starke Stütze deS Ausgleichs gewesen ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein anderes Ministerium, cö mag nun klcrikal-rcactionär oder dissi- dentisck unabhängig sei», mit dem gegenwärtigen Abgeordneten Hause keinen Tag Zusammenleben kann; bei einer Neu wahl aber werden die Radicalen und Republikaner, die Acht undvierziger und die Kosfuthiancr die Oberhand bekommen, nachdem ibnen das Oberhaus ein so zugkräftiges Agitation-mittel wie die Ablehnung einer Achtundvierziger liberalen Fordcruna geliefert bat. Welches Schicksal dann der Ausgleich der Interessen beider Reich-Hälften haben, und wie sich LaS neue Ungarn z»ni Dreibund stelle» wird, sind Fragen, die sich nnr in einem Sinne beantworte» lasten, der nickt nur den Kaiser und König von Oesterreich-Ungarn mit schwerer Vesorgniß erfüllen muss. Diesen Erwägungen wird man sich in der Wiener Hofburg kaum entziehen können. Bei der letzter Tage begangenen Feier der norwegischen Verfassung zeigte sich leider wieder der scharfe politische Zwiespalt, der das Land zerklüftet. Die RcgierungS- anbänger, die Oppositionellen »nd die Socialdcinokrale» hatten sich in CKristiania verschiedene Festplätze anS- gewählt »nd bewegten sich in drei besonderen Zügen durch die Straßen. Die Zahl der Thcilnehmcr dürste sich auf ungesädr 12 000 beziffert Haben. Der Zug der RcgierungSanhänqer war unstreitig der bei Weitem zahl reichste, er setzie sich ungefähr aus «>000 Personen t»sa»imcn, während an demjenigen der Oppositionellen etwa 58oo und an demjenigen der «ocialdemokraten gegen 5000 Personen theilgcnoininen habe» mögen. Die Straßen, durch welche sich die Auszüge bewegten, waren von Zuschauern dicht besetzt, an deren Reihen wiederholt politische Kundgebungen laut wurden. An manchen Stellen bekamen die RegierungSanbänger un angenehme Zurufe zu hören. Sie wurden von verschiedenen Seiten mit Spott und mit den Worten empfangen: „Da kommen die Schweden!" An der Spitze dieses Zuge-, in welchem zahlreiche UnionSslaggcn getragen wurden, ging der Advoeat des höchsten Gerichtshofes, Johannes Berg. Der Zug der Oppositionellen, welchem sich viele Frauen und Kinder angeschlossen halten, wurde vom früheren Minister Wczelsc» geführt: die Flaggen waren „rein norwegische", d. h. ohne da« llnionSabzeichen. Auf großen Standarten, welckc dem Zuge vorangctragcn wurden, las man die Aus- chriflc»: „Allgemeines Wahlrecht!" „Norwegischer Minister dcö Auswärtigen!" „Norwegen! uns gehörst Du!" jund AchnIickeS. Der Zug der Socialdemokratcn machte vor dem Stortbinggehäudc Halt, um durch eine Deputation eine Adresse überreichen zu lasse», welche vom Prä- sidciilen lltlinaim in Empfang genommen wurde. In dieser Adresse wird daS allgemeine Wahlrecht gefordert, und diesem Verlangen wird für den Fall, daß dasselbe unbeacknet bleiben sollte, die Androhung von Gewaltmitteln binzu- gcsüzt. DaS Stortbing hat bereits beschlossen, die Adresse wegen dieser bcrauSforkerndcn Sprache unberücksichtigt zu lassen. In Folge eines Zufalls trafen die Züge der Regierungsanhänger und der Socialdemokratcn an einer Stelle zusammen, und eine» Augenblick sab es au-, als sollte cS zu einem Handgeinengc kommen; glücklicher Weise wurde dies indessen durch das besonnene Auftreten der beiderseitigen Führer vermiede». Die russische Hauptstadt ist mit nncontrolirbarcn Gerüchten über die noch andauernden Verhastunge» niKilistischerVer - schwörer erfüllt. So sollte schon vor einigen Tagen der bekannte seil Iabren in London lebende Agitator F ü rstKrapotli» nebst seiner Geliebten ans Wassili-Ostrow verbastet sein, nachdem beide dort mehrere Monate gelebt hätten. Nach anderer Lesart ent puppte sich daS vcrmcinllich Krapoikin'sche Paar als zwei franzö sische Anarchisten, in deren O.uarlicr die Polizei auch Dynamit fand. In diesem Falle würde man es dann hier mit eine», geineinsainen nihilistisch-anarchistische» Anschlag zu tbu» haben Am Mittwoch wurde nebst einigen höheren Beamten auch ein Arzt verbastet. der sich bisher zahlreicher hoher Gönnerschaft erfreute. Daß der Bahndamm ans der Strecke WitcbSk-Orel in der Näbc von Smolensk »nterniinirl gesunden wurde, ist richtig. Dagegen wird eine angeblich in Pclerbos entdeckte Mine für eine Fabel erklärt. Die Be hörden baeen aus den Dynaniitschiiniggcl besonder« scharfe« Augenmerk gerichtet, und cS gelang, in der Nähe der deutsch-russischen Grenze eine größere für SmolcnSk be stimmte Waarenscntung, in der Dynamit verborgen war. abzuf'angcn DaS gleiche soll an der finnischen Zollgrenze geglückt sein. Vor großen Festlichkeiten im Kaiserkausc, wie die geplante Hochzeit der Großfürstin Kenia, ist cö in Rußland üblick, unsichere Elemente unter verschärfte Polizei» Aufsicht z» nehmen »nd politisch Verdächtige gleichzeitig in Gewahrsam z» bringe». Als man v^r einigen Wochen be gann. kam die Polizei den ersten Fäden de« schändlichen, für die Manöver geplanten Anschlags aus die Spur. Anderer seits wird erzählt, der allererste Wink sei schon früher durch die Berliner Polizei nach Petersburg gelangt. Die russische Polizei ließ infolge der damals bevorstehenden Reise de« russischen Thronfolgers nach Coburg alle in Deutschland lebenden Russen besonders überwachen unk fand dabei An- hallSpunclc für den besagten Wink. Wie verlautet, wird der Zar an den Manövern bei Smolensk nunmehr nicht theit» nehmen. In der letzten Zeit wurde mehrfach berichtet, daß der Beherrscher der Türkei, Abdul Hamid, eine Reise an die hanptfächllchstcn europäischen Höfe antretcn, speciell, daß er der Hochzeit deS russischen Thronfolgers beiwohnen wolle. Feuilletsir. Ver Liebe und des Glückes Wellen. Roman von M. v. Eschen. «Nachdruck verboicn.) (Fortsetzung.) Der Baron hat entschieden Unglück mit diesem „Frauen zimmer", würde er bei einer Anderen gesagt baben — mit diesem eigenthümlichen „Geschöpf", so bezeichnet er eben das fiter freie und doch so zurückhaltend keusche Wesen dieses Mädchens. Auch mit diesem Scherz hat er Hilde nur von Neuem gekränkt. „Dort liegt Ihr Weg" — des MädckenS Hand weist die Richtung — „und hier der meine", ist die ganze Antwort. Ein ärgerliches Roth fliegt über Danach'« Gesicht; er ver beugt sich kurz: „Gut denn" — dann aber klingt sein Ton, wie wenn man mit einem Kinde spricht, das inan crst be ruhigen muß, ebe man ibi» etwas klar machen kann: „Sie haben mir etwas zu verzeihen, ich gehorche. Dafür aber, aus Wiedersehen." Er bietet ibr die Hand. Hat sie etwas gesagt'? Ihre Lippen haben sich bewegt, er hat nichts verstanden. Seine Hand bat sie nicht genom men, natürlich: aber sie hat doch den Kopf geneigt, als sic sich wandte zum Gehen. „Herb wie eine Schlehe, stachlig wie ein Dornbusch, aber hübsch und frisch wie die Rose daran," murmelt der Baron, Ireurt die Arme über der breiten Brust und folgt mit seinen Blicken der immer schlanker, immer zierlicher scheinenden Gestalt. Ta, mit eins, ist sic bei der Biegung des Weges hinter ten Bergen verschwunden, gerate, als der letzte Soniienstrahl um deren Gipfel gespielt und nun Dvnach, wie neckend, die Augen blendet. Er reibt sich die Lider; er besinnt sich, daß dieser Weg ursprünglich zu seinem Gang gekörte und daß er lange genug Rücksicht auf ein paar Zöpfe geübt hat. Schnell entschlossen setzt er den Fuß zum Gehen an. Tie Sonne war abermals um ein gutes Stück weiter an dem Horizont hinunter gesunken. Golden sluthen ibre Lichter eben durch dir braunen Stämme, spielen über dem GraS, da Blütheu, den welken Blattern hier. Nein, sie wird sich nicht länger ärgern und kümmern, Hilde schüttelt den Kopf, schaut fest und fröhlich in die flimmernde Pracht. Und liegt doch ein Zauber in dem Wald, dem gcbeiinniß- vollen Weben der Natur ? Plötzlich unter den golduniflulhctcn Stämmen tauckt eS aus wie eine Gestalt. — Noch scheinen ihre Linien zerflossen wie bei einem Bild in der Ferne; mit jedem Schritt aber scheint es näher zu rücken, löst cS sich ab von dem flimmernden Grund, fest und licht, als babc» die tausend und abertausend leuchtenden Tbeilchcn an seiner Ge staltung gewirkt. Und doch ist es diesmal nur die Netzhaut des eigene» Auges, welche noch einmal die empfangenen Strahlen widerspiegelt, eine Erinnerung von Dem, WaS die Seele behalten, ob auch unbewußt und ungewollt. Hilde batte kaum darauf geachtet, wie der Mann auSsab, mit dem sie, so besinnt sich daS Mädchen, sich doch reckt aut unterhalten hat! Er ist nicht mehr in der ersten Bliithe, aber er sah gut aus, wirklich sehr gut! — Seine Figur war hoch, mebr stattlich als elegant; seine Art vornehm durch und durch, wie denn überhaupt seine Er scheinung und sein Wesen den Aristokraten nickt verleugnctcn, nur daß bier abermals die modische Eleganz und müßige Nonchalance weit bintcr dem stolzen UnabkängigkeitSgcsübl, wie cS der eigenen Tbatlraft entspringt, zurückzublciben schien. Aus dem kräftigen Hals, ten ein Tuch von unbestimmter Farbe unter dem kleinen Hemdkragen umschloß, saß ein gut geformter Kops mit leicht lockigem Haar, dunkelblond, wo cS an den Sckläfen zurückgestrichcn war, mit einem bräunlichen Ton, wo cs von links nach rechts in einem Weichen Bogen über die Stirn siel. Die Stirn war hoch, die Nase gebogen, der Mund von einem in der Mitte kur» gehaltenen Barte nur leicht überschattet, dessen goldbraune Enten leicht an den Wangen hinunlerspiclten. Die Augen waren nickt gerate groß, aber sebr glänzend, kühl oder warm in ihrem Blau, je nachdem ibr Blick einen barmloscn Scherz, einen pikante», auch mal einen schlechten Witz oder ein ernste- Wort zu be gleite» schien. Alles da« steht dem Baron von Donach zu Gebote; man kann so leicht keinen Menschen finden, der besser zu nnler- balten versteht. — Daran erinnert sich Hilde eben, und cS thut ihr leib, daß cS zu einem solchen Ende zwischen ihnen gekommen ist. Ob er etwas mehr als zu unterhalten versteht? Ihr kann cS einerlei sein, sie werden sich niemals Wieder sehen, trotz seinem sirgrSsichern Wort. Als gelte eS jeder Möglichkeit zu wehren, fest setzt sie da« Füßchen auf. „Schake", ägt sic dann plötzlich, daß cs laut in den stillen Abend klingt, „eS wäre doch interessant zu wissen . . Und staunend ertappt sich Hilde auf einem Wunsche, den man so cknell wie möglich verbannen muß! Glücklicherweise Weichen ba die lichtuniflulheten Stämme zurück, die sich öffnende Landschaft nimmt den Blick und den Sinn deS Mädchens in Anspruch. Weithin zur Neckten bis zu den die Runde abschließende» Höhen dehnt sich das Feld; Stoppeln decken de» Boden, die Halme stehen zu Haufen gerichtet. Zur Linken aus den Wiesen mähen sie den zweiten Schnitt; sie wollen den feuchten Abend, die Mondnacht benutzen. Uebcr den Kronen der nächsten Bäume am Wege kräuselt sich ein leichter Hauch; mehr und mehr durch daS Grün schauen erst die rothcn Dächer, dann die kleinen, gelbe» Häuschen dcö Torfes heraus. Heiinkcbrend ziehen die Landleutc vorüber; ein paar Mädchen, die Sichel in der Hand, einen Korb mit grünem Futter auf dem Kopf; eine Familie um den Karren gcschaart, der die Frühkartoffeln cinbringt. Jetzt lause» schon die Gänse über die Straße; ein paar Enten schnattern da zwischen; ungestört in der Stille entwickeln die Düngerhaufen vor den Häusern ihren kräftige» Atbcin in die Lust — ibre lärmenden Herrscher babc» längst die Ruhe gesucht. Dafür sitzt Alles vor de» Tbüren, Männer, Frauen, Mätchc» und Kinder; sie schälen Kartoffeln oder lesen Salat zum Abend brot. Kläffend und bellend, je »ach Vermögen, konimen die Spitze und andere Köter des Dorfes, Lord Prctector ihre Huldigungen zu bezeigen, der sich baS von seinen Kameraden, die, um nach einem berühmten Muster z» reden, keine Ge borciien sind, gefallen läßt mit einer Miene, wie sic »ngesähr eine Dame der Garde-Cavallerie anfsctzen mag, wenn sic einmal den Arm eines Lieutenants von der Linie jür den Tisch oder den Eotillon ncbmcn muß. Hilde ist überall bekannt; doch nur an dem letzten Häuschen der langen Straße, welche sich an dem Fluß vorüber um das Dorf siebt, bleibt sic stehen, spricht in das Fenster — die Thür öffnet sich und Hilde tritt ein. Um ein wenig später nur macht Donach vor demselben Häuschen Halt; fast in dciiif'clbc» Moment, als Hilde durch den Hof und den GraSgarten binauö da- Gelände beschreitet, daS aus seiner Höbe ein Häuschen trägt, welches wohl in Anbetracht seiner Umgebung den Namen einer Billa be kommen hat. Auch Donach klopft drunten an die Scheiben; keine Ant wort erfolgt. Dafür aber tritt ein Mann aus der offen gebliebenen Thür. Er mag vielleicht so groß sein wie der Baron; Alter, Arbeit und Sorge» aber haben seinen Rücken gebeugt, daß er »in Vieles kleiner erscheint als Der, der sich zu ihm nieder» bückt. Spärlich, dock lang noch bängt das graue Haar um beS Mannes hochgcwölbte» Kops. Seine Augen zeigen einen An-dr»ck, de» c>» cbcrslächlicher Beobachter vielleicht für Stumpfsinn nehme» könnte, den, ein ausmerksainer aber viel mehr das ehrende Prädical von »othwcndiger Ergebung in daö Unabänderliche zuqestcken muß. Donach legt dem Manne beide Hände ans die Schulter, siebt ibm forschend in daS Gesicht. Ei» weicher Zug spielt um die gewöhnlich ironisch gesenkten Lippe», und doch launig nur klingt cS: „Na, aber Alter, schämst Du Dich kenn nicht'?" Da tcucktcl cS aus in den farblosen Augen, eS zuckt i» de» barten Züge», alle Fältchen und Runzeln in dem braunen Antlitz zucken mit. „Der gnädige Herr!" ruft der alte Mann und seine Stimme zitiert, ebenso die Hände, die er Jenem entgcgcnstrcckt. „Der gnädige Herr. Wer bätte daS gedacht! Gott z»in Gruß!" „Und cS ist der Hartinann. »icin alter, treuer Hartman» doch", gicbt der Baron zurück. „Beinahe aber doch hättest Du mich nickt mebr gekannt." „'S ist ä lange Zeit", meint der alte Mann und siebt den Baron an, als koste cS ibi» Müli«, die Erinnerung zu belebe», was vergangen, i» dem Gegcnweirtüzc» wieder z» sinken. „'S iS ä lang Zeit bcr, seit ich dem Herr» da« letzt Gepäck in kce, Wage» gereicht." „Denken wir nicht daran" — Hilbert webrt der Erinnerung. „Ick bin wieder da, und damit ist Alle- gut." Der alte Hartinann nickt, als ob daS selbstverständlich sei. Dabei bält er »inner »och die Hände deS BaronS zwischen seinen Fingern fest. „ES that mir leid, daß ich Dick, als ich zuletzt — und zuerst wieder bier war, nickt sebcn konnte Seit ein paar Tagen bin ich bencr wieder bier. Du siebst, alter Hartmann, ich kabe Dich nicht vergessen — wie nickt-, WaS ru der Hcimatb gehört — selbst nicht die Sonimeräpscl in Deinem Garten. Guter aller Apfelbaum, guter alter Garten!" Beifällig nickt Hartinann mit dem grauen Kops: „Sie wollen bier bleiben, daS Gut übernehmen?" fragt er nach einer Weile, nachdem sie Beite wahrscheinlich, die Erinnerung durchwandernd, bei dem Heute wieder angelanat sind, ,2-.«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite