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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940906021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894090602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894090602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-06
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Ztg." heute selbst ein, >a sie rühmt sich besten am Schlüsse eines Artikels, der zunächst abermals den Versuch macht, die unlängst gegen den Finanzminister vr. Miguel gerichteten Angriffe als lediglich gegen den „Ucbereifer einiger publicistischer Parteigänger des Herrn vr. Miguel" gerichtet hiazustellen, und dann diesen „Partei gängern" den Text liest, weil sie gewagt haben, der ossiciösen Presse und den hinter ihr Stehenden den Rath zu erthcilen, in wichtigen Fragen nicht früher Stellung zu nehmen, als bis da- preußische «taatSministerium für sich eine bestimmte Linie deS Verhaltens gewählt habe. Diesen „Parteigängern" redet die „Norddeutsche" folgendermaßen ins Gewissen: „Die streift dieser Blätter haben zu den von den Freunden dftser Revision (des Verein«, und versammlungsrechtes) vorgetragenen Gedanke» bi-her nicht ihren Consens gegeben, und darum soll e« am besten sein, die Ditcussion vorläufig — ruhen zu lassen. Al« hätten sie selbst nicht wiederholt sich in verständiger Weise über den Nutzen einer vorbereitenden und das Terrain sondirenden Preß- actio» ausgelassen, al« hätten sie selbst nicht wiederholt — wenn der Fall ihnen lag — die verständige Theorie in eine überaus eifrige Praxi« übersetzt, treten diese Zeitungen jetzt plötzlich mit dem Lehrsatz aus, daß Erörterungen in der Presse, und zumal der osficiösen Presse, nicht eher am Platz wären, als bis ein förmlicher SlaatSministerialbeschluß ihnen «ine feste Grundlage gebe. Es wird also, bi« man die Regie mehr nach seinen Wünschen findet und mit seinem Placct zu versehen geneigt ist, „abgeklopft", sehr zur Freude der Gegner aller Störungen der Socialrevolutiontpartei in ihre,» Behagen, die sich so der Mühe von Entgegnungen überhoben finden. Und um der Taktik, deren durchsichtige Motive bedauerlich und deren materielle Wirkungen schädlich sind, einen Schein von sachlicher Berechtigung zu geben, bestätigt man sich gegenseitig in die Runde, daß den Er- örterunaen über Abänderung des BereinSgesetze« „wenig oder gar nicht- Thatsächliche« zu Grunde liege". Es dürfte sich doch empfehlen, in einer so geringschätzigen Art, von den An. regnugen zu den gegenwärtigen Erwägungen und Pr«ßdite»sfto»«n zu sprechen, sich nur dann zu ergehen, wenn man seiner Sache ganz sicher ist — und, wie wir alt frenndschaftlichen Rath hinzufllge», nicht in den verdacht gerathra kann, trotz besseren Wissen« sich so „unbefangen" zu geben." Also Respect, „Parteigänger" de- Herrn vr Miguel und vr. Miguel selbst, vor den Kundgebungen der „Nordd. Allgem. Zeitung"; e« steckt hinter diesen Kundgebungen mehr, als Privat arbeit! Die Annahme, daß dieses Mehr auf den Herrn Reichs- kanzler zurück,uführen wäre, ist nach den wiederholten Versicherungen de« „Hamb. Eorr.", Graf Caprivi habe die Initiative zn einem Vorgehen Preußens in Sachen deS Verein«- und VersammlungSrechtS nicht ergriffen, und nach der ganzen Haltung dieses Staatsmannes gegenüber der Bewegung zu Gunsten verschärfter Abwehrmaßregeln gegen die Umstürzler ausgeschlossen. Jedenfalls aber ist der Inspirator der „Nordd. Allgem. Ztg." kein Freund der vermeintlichen „Parteigänger" MiquebS. Vielleicht bietet da« einen AnhaltSpunct, um den großen Unbekannten heraus- zufinden, der in der „Nordd. Allgem. Ztg." dem preußischen Ministerium vordcnkt und es sehr übel nimmt, daß die an geblichen „Parteigänger" Miguel'S ihm anrathen, nicht laut zu denken. AuS Baden geht der „Nat.-Lib. Corr." eine Zuschrift zu, die besondere Beachtung verdient, da sie wieder einmal beweist, wie eng der Zusammenhang der Ultramontaneu mit den Demokraten und Socialdemokraten ist. Tie Führer des CcntrumS gehen nur darum mit einer bisher ver miedenen Offenheit vor,weil sie sich deS Rückhalt- der Freiburger Curie sicber wissen. Darum bleibt aber doch die katboliscke Kirche das festeste Bollwerk gegen den Umsturz. Ter Correspoudent chrcibt: Der badischen C cntrumSpartci sind am Sonntag aus einer Versammlung in Baden die Verhaltungsmaßregeln für die nächsten Landtagswahlen in sechs „GesicktS- puncten" durch Herrn Geistlichen Rath Wacker bekannt gegeben worden. Höchstes Gebot ist: Unter allen Um standen Verdrängung deS Nationalliberalen, weites Gebot: Für einen Demokraten gegen einen onservativen so lange, „bis sich die Conservativen in Baden gebessert haben." Bietet aber der Demokrat keine Aussicht auf Verdrängung des Nationalliberalen, dann „nimmt man sogar einen Conservativen, wenn die Umstände eS räthlich erscheinen lassen." Kommt neben einem nationallibcralen ein social demokratischer Bewerber in Frage, so werden dieCentrum«- leute ruhig zusebeu und die „Brüder" den Kampf unter sich auSmachcn lassen, denn daß der badische Nationallibera- liSmuS sich bessere, erscheine Wohl ausgeschlossen. Es ist kein Zweifel, daß dieser Parole blindlings Folge geleistet, d. h. daß thatsächlich überall für den Sveialdemokraten ge stimmt wird; wissen die Ultramontanen doch, daß hinter Wacker die Curie siebt. Charakteristisch ist die wegwerfende Behandlung der Conservativen. die um so auffallender ist, al« bei diesen die centrumsfreundliche Richtung seit einigen Jahren die Oberband gewonnen hat, nachdem Freiherr v. Göler dem Herrn v. Stockborner in der Führung hat weichen müssen. Herr v. Stockborner hat in der zweiten Kammer für die Missionen ge stimmt, während Herr v. Göler in der ersten Kammer dagegen stimmte. Herr von Stockborner war „zur Zeit" allerdings für die Orden noch nicht zu haben. Inzwischen ist man auch in der conservativen Bevölkerung infolge der fortgesetzten ultramontanen Uebergriffe unwillig geworden und da Herr Wacker fühlt, daß die ceutrumSseindliche Richtung Oberwasser gewinnt, so verläßt er sich zuerst auf seine Demokraten und dann erst auf die Conservativen. Daß der CentrumSsllhrer die Socialdemokraten und die National- liberalen „Brüder" nennt, entspricht seiner Praxis, obwohl gerade im Wacker'schcn LaodtagSwahlkreise bei der letzten ReichStagSwahl die Ultramontanen für den Socialdemokraten Rütt in der Stichwahl Mann für Mann — etwa 3000 an Zahl — gestimmt haben. Die „Badiscke LandeSzeitung" bat das >m letzten und in diesem Jahr für jeden einzelnen Ort in schlagenden Ziffern nacbgcwicsen. Aber heute noch schweigt das Centrum dazu und der Centrumssührcr spricht von den „liberalen und socialdemokratischen Brüdern." Der österreichische Handelsminister Graf Wurm brand bat dieser Tage bei Eröffnung einer Motoren-Aus stellung in Graz eine bemcrkenSwertbe Rede gehalten, in welcher er ankündigte, daß er im Herbste eine Novelle zum Gewerbegesetze im Rcichsrathe einzubringen beab sichtige. Die Vorarbeiten dazu sind bereits beendet. Soviel man über den Inhalt der Novelle hört, wird sie sich zum größten Thcil auf dem Gebiete des weiteren Ausbaus der Arbciterschutzgesetzgebung bewegen; doch soll, wie officio- mit- getheilt wird, auch dem Genossenschaftswesen und den Verhält nissen deS Gewerbestandes die gebührende Aufmerksamkeit zu gewendet und auch den berechtigten Wünschen der Großindustrie thunlichst Rechnung getragen werden. Der Befürchtung, daß die Vorlage die ausschweifenden Forderungen der reaktionären Gruppen deSRcich-rathSbefriedigen und sogar einenBesähizunzS- nacbwei« für daSHandelSgewerbe bringen werde, tritt die „Neue Freie Presse" entgegen; indessen nimmt auch sie an, daß der Entwurf die ohnehin stark gekürzte Gewerbcfreiheit noch mehr beschränken werbt, indem er die Befugnisse einzelner Gewcrbe- ;weiae näher abgrenze und schärfer sondere. So sollen die Conscctionaire gezwungen werden, bei Annicldungen ihres Gewerbes anzugebcn, ob sie die Herstellung oder de» Handel mit Kleidern betreiben wollen; sie müßtcn im erstercn Falle den Befähigungsnachweis für das Schneidergcwerbe erbringen, wobei ihnen auch das Kleidermachen nach Maß gestattet sein soll. In der Gewerbe - Enquete wurde von verschiedenen Seiten angeregt, für jede« einzelne Gewerbe Normalien hcrauSzugeben, worin die Befug nisse diese- Gewerbes aufgezählt sein sollen. Auch diesem Wunswe soll die Novelle keine Rechnung tragen. vielmehr steht die Regierung auf dem Standpunkte, daß die Abgrenzung der GewerbSbefugniffc nach wie vor der Iudicatur im einzelnen Falle überlassen bleiben soll. Hierdurch soll die Möglichkeit gewahrt werden, den localen Verhältnissen, namentlich in der Provinz und auf dem Lande, Rechnung zu tragen und die Befugnisse einzelner Gewerbe dort weiter zu bemessen, wo dies die geringere Concurrenz anderer ähnlicher Gewerbe er fordert. Die bisherigen Wirren auf diesem Gebiete werden also sortdauern. Da das von unS schon wiederholt gekennzeichnete Be streben, die angebliche Aussöhnung Frankreichs mit den Ergebnissen de« letzten Krieges und eine merkliche „ilötooto" nicht nur in den amtlichen Beziehungen zwischen Paris und Berlin, sondern auch in dem Urtheil und dem Verhalten der französischen Volksmassen gegenüber dem Sieger von >870 zu constatiren, bei einem gewissen Theile der deutschen Presse immer deutlicher zu Tage tritt, und da aus diesem vermeint lichen Schwinden der alten Feindschaft die optimistischsten Schlüsse gezogen werden, so müssen gegentheilige Wahr nehmungen mit um so größerem Nachdruck betont werden. Sv erzählt der Schweizer Schriftsteller I. V. Wcdmann im Feuilleton deS Berner „Bund" von einem Ausflug, den er inS Savoyische unternommen, und von den Beobachtungen, die er bei dieser Gelegenheit hinsichtlich der Volksstimmung gemacht hat. Zn St. Gingolph war Kirchweih, und auf dieser wurden, wie er berichte!, riesige Placate mit patriotischen, d. h. chauvinistischen Bildern und Versen ausgeboten. Ihr Gegenstand war di« russische Freundschaft und der Rcvanchekricg gegen Deutschland. In einem der Lieder: ^biotro m,»volle >n»öe", hieß es z. B.: „Oourous «un sux ^llemnnäs, Lies »wi», eu avant, Lxterwiooiu ce» drig^vä», ^vsc uräeur! Llaooons onus, en cdoenr, 8ur Is ekomill (jui ecnnkuit ä Lvrlin." Weiterhin wird dann gegen die „verbrecherischen Preußen" gewettert und der ,oour clos represiaillez" in nahe Aussicht gestellt. Der Schweizer Schriftsteller bemerkt dazu: „ES ist überaus betrübend, daß in einer so intelligenten und liebenswürdigen Nation, wie die Franzosen eS sind, dieses Revanche- geschrei nicht verstummen will, sondern 24 Jahre »ach dem Kriege immer noch mit solcher Heftigkeit zum Vorschein kommt. Ich hatte mir die Sache nicht jo schlimm vorgestellt. Diese« Blatt macht mich nachdenklich. Ohne Zweifel werden solche Publikationen, wie hier aus der harmlosen Kirchweih deS kleinen savoyische» Dorfe«, in ganz Frankreich in Millionen Exemplaren unters Volk und in die Armee gebracht. Es mag die« zunächst nur Speculation gewinnsüchtiger Privaten sein. Aber jedensall- thut die Regierung nichts gegen die Verbreitung dieses unter dem Vonvand de« PatriotiSmu« überall eindringenden chauvinistischen Giftstoffe«." Der Schweizer Widmann ist gewiß ein objektiver, unver dächtiger Zeuge. DaS portugiesische Cabioet hat eine Umgestaltung insofern erfahre», als, wie mitgetbcilt wurde, der Finaiiz- »littistcr Fuschini ausschied, der Ministerpräsident Hintzc Ribeiro daS Finanzportcseuille übernahm und dafür das des Auswärtigen an Carlos Lobo Avila abgab, und an Stelle deS bereits früher auSgcschiedenen Ministers für öffentliche Arbeiten und Handel vr. Mackado CampoS Hen- rigueS eintrat. FuSchini, der Italiener von Geburt ist, bat stark socialistische Neigungen und hat sich selbst in einer Rede in dem Verein Liga liberal geradezu als Socialislen bezeichnet. Seine Finanzpolitik erschöpfte sch in der Formel: Neue Steuern. AIS solche schlug er eine Steuer aus den Großgrundbesitz, eine Besteuerung der heimischen Industrien und eine Stempelsteuer aus die HandelSbüchcr vor. Als diese Projecte im Lande auf heftigen Widerspruch stießen, und die Einigkeit im Cabinet io Frage stellten, leitete Fuschini eine für einen Minister bcsrcmdliche Action ein. Er berieth sich mit dem Director der Liga liberal, und sie kamen dahin überein, daß die CorleS aufgelöst und durch Neuwahlen unter dem Einfluß Fusckini'S „weniger anstößig" gemacht werden müßten. Inzwischen trat Machadv zurück, und nun beschlossen die beiden Vertrauten, Fuschini müßte zu seinem Portefeuille das der Arbeiten übernehme». Dem widerstrebten die übrigen Minister, und nun trat auch Fuschini zurück, weil eS ihm nicht gelinge» wollte, sich zur leitenden Person im Cabiuet auszuschiviiigeii. Da Hintze Ribeiro die oberste Leitung der Geschäfte bcbält, ist eine durchgreifende Aendcrung der Gesamuitpolitik Portugals wohl nicht be absichtigt, vielmehr scheint man eö bei einem bloßeu Personenwechsel bewenden lassen zu wollen, vielleicht io der Hoffnung, ans diese Weise mit den CortcS zu einem besseren Einvernehmen, namentlich in Steucrsragen, zu kommen. Ein neuer Courö in der inneren und äußeren Politik hätte freilich Portugal sehr notbgclban, man denke nur an die finanzielle Lage des Lande«, das sein-n Gläubigern ungefähr ebenso gegenüberstchl wie Griechenland, an das Scheitern aller deutscherseits unternommenen Versuche, auf diplomatischem Wege den berechtigten Ansprüchen der geschädigte» ReichSangchörigen Geltung zu verschaffen, man denke an die Zerwürfnisse mit Brasilien und Uruguay anläßlich de« letzten brasilianischen Aufstandes, Zer würfnisse, die mit Brasilien, noch nicht zu einem friedlichen AuStrag gebracht wurden und man denke endlich an de» Zerfall des portugiesischen Colonialbesitzeö in Siit-Lstasrika. wo jetzt erst wieder am Tajo ein Ausstand der Eingeborenen England Gelegenheit bieten dürfte, soine angrenzenden Ge bieter weiter zn „arrondircn". Kurz, Portugal ist in der inner», wie in der äußern Politik arg in der Decadence, und eS ist leider keine Aussicht, daß ei» baldiger Einhalt geschieht. AnS fiirirchenkand liegen jetzt »ädere Meldungen über die Verheerungen vor, welche dicOssicicre der Athener Garnison im Geschäftshaus« der Zeitung „Akropolis" an- gcrichtct haben. Danach waren am Sonnabend Nachmittag etwa 150 Officiere, begleitet von einer Anzahl Soldaten, die mit Revolvern und -texten bewaffnet waren, in das Geschäftshaus der genannten Zeitung ein» gedrungen. Tie Möbel und Bücher sowohl in den Redaktion«-, alt in den Geschäftsräumen wurden zerstört oder durch die Fenster ge worfen; in der Druckerei, wo Lre> große Presse» standen und eine Schrift- gießcrei in Betrieb war, blieb auch nicht ein Stück ganz. Bis in die Wohnung deS Herausgebers Gabrielidis, der sich gegenwärtig in Antwerpen befindet, während seine Familie in Kephisfia weilt, drangen die Officiere, und auch dort, aus dem zweiten Stock, Ferrilletsii» -°i Zein Weid. Roman frei nach dem Englischen vou Emil Bernseld. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Jane saß schweigend und zitterte leise. „Sprechen Sie, Jane; wollen Sie mir Näheres über dieses Päckchen sagen?" fragte er nach einer langen Pause. Jane schüttelte stumm uno bleich den Kopf. Sie gehörte wieder den barten Wirklichkeiten dieser Welt an, und ihre schreckliche Aufgabe lag noch ungelöst vor ihr. Das Gebet ihre« Herzen«, ihu noch einmal zu sehen, hatte Erhörung gefunden und damit war ihr die alte Bereitwilligkeit deS geduldigen Leidens zurückgekehrt. „Sie stehen so verlassen, so vereinsamt da, Jane — vereinsamter als selbst ich", sagte Falconer mit leiser Stimme, „und ich kenne — Sir müssen mir verzeihen, wenn ich eS berühre — ich kenne Ihre Gefühle. Ich fürchte, daß ich in dieser Hinsicht sehr zu tadeln gewesen bin, daß ick unreckt und selbstsüchtig gebandelt habe. Ich weiß, welch' herbes Leid dadurch auf Ihr reines junge« Herz gehäuft wurde, und ick verstehe, was Sie zu diesem schrecklichen Schritt hierher trieb. Zu der Bürde, die schon durch meine unselige Person aus Ihrem Gemütb lastete, kamen noch die Nachrichten, die Sie neuerdings über mich vernahmen, und Sie glaubten mich Ihrer unwertb, glaubten mich verdammen zu müssen. Es war zu viel, um von Ihnen ertragen zu werden, Sie wollten e« zugleich mit dem Leben von sich werfen." Jane saß bewegungslos, über den See hin in'« Weite starrend, während sie seinen Worten lauschte, mit denen er ihren Weg zu diesem VcrzweiflungSschritte zu erklären suchte — eine Erklärung, die, ach, soweit, so weit von der Wahrheit fiel! Er erschien ihr bei seiner Rede wie ein Kind in der Kcnntniß deS weiblichen Herzen«, unkundig, unerfahren deS Verständnisses Dessen, was in der Liebe deS WcibeS spricht und wie sie handelt! »Sie haben die neuesten Vorkommnisse vernommen — daß Newbott unterrichtet ist, von meiner Heirath weiß — ?' fragte er nach einem kurzen Stillschweigen. Jane nickte stumm mit dem Kopse und wendete sich rin Wenig von ihm ab. „Sie begreifen", fuhr er fort, „daß, was Sam nicht thun wollte und Evcrett nicht zu thun wagte und womit selbst der Doctor bisher intrigant zurückhielt, dieser Letztere jetzt in'S Werk zu setzen beabsichtigt. Er wird mit seiner Anklage, seinem Beweisstücke auftreten. Die nächste Folge ist leicht abzusehen. Ich werde verkästet werden. Die zweite Folge wird sein, daß Everett, jetzt durch weitere Beweise gestützt, mit seinem eigenen Wissen und mit Sam'» Geständniß gleichfalls hervortretcn und sich Newbott anschließen wird." Jane stöhnte und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. „Sie sehen, ich vermag Ihnen nur zu zeigen, wie bitter der Kelch ist, den um meinetwillen zu leeren Sie sich ent schlossen hatten", sagte er leise und sanft. „Jndeß, da die Lage nun einmal so ist, wie eS der Fall — wollen Sie mich in diesem Moment im Stiche lassen? Soll ich nicht hoffen dürfen, daß Sie stark genug sein werden, zu mir zu stehe» und mit mir zu dulden?" Sie senkte in stummer Bejahung zustimmend den Kopf und preßte wie betheuernd ihre reckte Hand auf ihr Herz. „Sic werden leben aus Erden so lange wie ich, nicht wahr, Jane? — Nicht mit mir freilich", fügte er hastig hinzu: „irgendwo — gleichviel — aber leben, Jane!" „Ich glaube, eS wird besser für Sie sein, AlderSwah zu verlassen", fuhr er nach einer längeren Pause ruhiger fort. „Ick wünsche, daß Sie es thun. Sie dürfen nicht hier bleiben, um den ganzen Verlaus, den Ausgang zu sehen. Nur ein Versprechen geben Sie mir, ein heiliges Berspreckcn: daß —", er streckte ernst und feierlich die Hand nach dem See hin zeigend au« — „daß nie wieder ein solcher Gedanke wie beute Macht über Sie gewinnen kann!" „Ich verspreche e»!" flüsterte sie. „Haben Sie Dank! Und nun kehren Sie nach Hause zurück. Wir sind schon zulange beisammen gewesen. Wissen Sie nicht, daß ich bewacht werde, daß man mir aus jedem Gange folgt? Ich möchte Welten, daß auch jetzt uns Jemand umschleicht und beobacktet. Kehren Sie nach Haust zurück!" Sie erhob sich und blickte sinnend auf den See hinaus und dann aus die Gestalt deS Manne« zurück, den zu seben ihr Herz so heiß verlangt batte. Sie fühlte, al« sei die Todesangst, der Schrecken vor dem Moment deS Sterben«, die sie erlitten, nicht so bitter gewesen, al« die Furcht vor Dem, wa« jetzt zu erdulden vor ihnen lag. „So bleibt denn nicht», nicht« Andere» mehr, al» zu er tragen und den Kamps durchzukämpfeu?" fragte sie plötzlich. „Nichts Anderes!" entgcgnete er fest. „Neichen Sie mir Ihre Hand, Jane, und nehmen Sie die meine." Sie gehorchte. „Ist meine Hand, die Sie halten, die eine« Feigling«, Jane?" fragte er. „Zittert sie. ist sie kalt von Furcht?" „Nein!" hauchte sie, als der warme Truck seiner Hand einen Wonneschauer durch ihren Körper riesen ließ. „Sv seien Sie stark mit mir! Ich würde diese meine reckte Hand darum gegeben baben, Ibr reine«, unschuldiges Leben vor dem Elend bewahrt zu sehen, in mein Schicksal mit verflochten zu werden. Aber da eS nun so ist, seien Sie stark, Jane, — stark mit nur und um meinetwillen! Und so leben Sie wohl! Kehren Sie heim und meiden Sie mich, versuchen Sie nicht, mich wiedcrzusehen." „Die« Eine verspreche ich nicht!" versetzte sie fest. „Ich will den Tod nickt suchen, ich will, will leben bleiben — weiter geht mein Versprechen nicht!" Sie wendete sich bastig ab und verschwand hinter den Büschen, in denen sich der Pfad verlor, Falconer auf der Höhe am Ufer des SceS allein lassend. XXVM. Doctor Newbott'S Krankheit, in einen Rückfall überge- gangen, währte fort, und er mußte die Katastrophe, die er in Falconer « Schicksal herbeizusühren gedachte, wenigsten« noch für einige Tage ausschieben. Jane hatte nach dem Vorfall am weißen See Annetten auf » Neue ihren Beistand ange boren, und diese ihn mit-Eifer angenommen. Tie Folge davon war, daß Jane aus Annetten « Bitten ihr kleine« Zimmer bei MrS. Brown verließ und in Newbott'S Hause bei der Freundin Ouartier nahm, sowohl um sie in der Pflege de« Kranken und den Angelegenheiten der Wirthschast zu unterstützen, als auch um sie in der beängstigenden Situation, in der nian keinen Augenblick wissen konnte, welche Wendung die Krankheit deS unheimlichen Patienten nehmen werde, nicht allein stehen zu lassen. Für die Empfindungen Falconer'» war dieser Aufschub der drohenden Katastrophe und deS zunächst erwarteten Schritte» seiner Verbastung, dem er bereit« mit Bestimmtheit ent- gegengesehen, eher bedrückend als erleichternd. Er würde eS im Gegenthcil als eine Erleichterung em pfunden haben, von dieser verbängnißvollen. beständigen Un gewißheit durck den endlichen Beginn de« Kampfe- befreit zu werden, dem AuSgang der Dinge voll in » Gesicht sehen und, wenn selbst auf der Anklagebank, seine Sache offen vor der Welt führen zn können. Und dennoch sollte ihm durch ein unerwartete» Ereigniß dieser Aufschub von ungeahntem, vielleicht selbst für die bevorstehende Untersuchung bedeutsamem Nutzen werden. Er machte in der Zeit, die er durch kiese» Aufschub gewonnen, eine Entdeckung, weiche seine ganzen Ansichten von seiner Situation ändern und die niederdruckende Meinung, welche er selbst sich von dem Tode seines Vaters gebildet, auf da» Wirksamste erschüttern sollte. Eines TagcS in, Arbeitszimmer düster aus- und ab- schreitend trat er vor sei» in der Wand angebrachte- Por trait auS seiner Knabenzcit und betrachtete cs gedankenvoll. „Wärest Du leblos geblieben damals, als der Rappe aus der Fuchsjagd mit Dir stürzte und man Dick verloren gab", murmclle er, wie zn dem Bilde sprechend, vor sich bin, „eS wäre besser gewesen! Es war eine schöne Zeit, um unschuldig und uuvcrbittert aus diesem Lebe» zn gehen! Sie kehrt nickt wieder! Du glücklicher Falconer von damals — Du hättest sterben sollen, mein Junge!" Mit wchmüthigem Lächeln be rührte er da« Bild und klopfte freundlich mit der Hand daraus wie aus die Gestalt eine« lieben Gefährten. Dabei stutzte er plötzlich. DaS war nicht der Schall der festen Wand, in welche daS Bild eingelassen was, klang das nickt bobl hinter den bunten Scheiben aus der Holzplatte? Er wiederholte sei» Klopfen etwa« stärker und überzeugte sich, daß er nicht geirrt: Der Sckall deutete auf einen hohlen Raum hinter dem Gemälde. Falconer gedachte deS Geheim nisse- der durch den Bücherstand verborgene» Thür mit dem gebeimen Gange in'S Freie hier in demselben Gemach — sollte bei diesem Bilde etwas AehnlichcS obwalten? In solchen alten Schlössern aus der dunklen Zeit des Mittel- alter« waren derlei verborgene Vorrichtungen nichts Unge wöhnliche», wie er wußte und wie der geheime AuSgang in seinem eigenen Vaterbamc, in diesem selbe» Zimmer bewies — war er hier auf etwa« Weiteres dieser Art gestoßen — vielleicht auf die Thür zu einem versteckten Cabinet, das eine Lösung der vielen Geheimnisse enthielt, die ib» noch immer umgaben — mindestens die besonderen, vertraulicheren Papiere seine« Vater« enthielt, deren gänzliches Fehlen unter all seinem übrigen Nachlaß so sehr hatte auffallen müsse»? Er unter suchte den Rahmen des Bilde« mit großer Sorgfalt nach einem Anzeichen eines Verschlusses in der Weise desjenigen an der Thür deS BUcherständerS, wobei ihm die Kcnntniß de» GeheimnisseS diese» letztcreu und seiner Construction zu Hiffe kam. Bald entdeckte er an der Seite de- Nahmen« in einer Reihe von knopfartigen Nägelknöpfe«'» die scheinbar zur Ver-
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