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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940921025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894092102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894092102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-09
- Tag1894-09-21
- Monat1894-09
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Wir müssen uns deshalb, sehr gegen unsere Neigung und nicht ohne die Leser Wege» der Behelligung uni Entschuldigung zu bitten, mit dem niit jedem Tage mehr Unverstand uud Unredlichkeit bekundenden „Kaiizlerklatt" etwas eingehen der beschäftigten. Die „N. A. Z." citirt unseren Satz: „Folgen der Königsberger Rede nickt Thaten. so wird daS dort so stark betonte monarchische Ansehen Einbuße statt Kräfttguiia erfahren", um diesem Urtheil zuzustimmen, aber die Schuld an einer etwaigen Tbalenlosigkeit — uns, der mittelparteilichen Presse und wer weiß sonst »och wem aus zubürden. Um möglichst kur; zu sein: das Blatt spricht die nackte Unwahrheit, indem es seinen Lesern erzählt, daS „Leipziger Tageblatt" Kälte dem „Bürgerthum die Vor stellung eingercdel, daß cö sich in der KönigSbergcr Rede nur um eine Zusage bandele, die ihm, dem Bürger- thum, gemacht worden ist" Zn Wahrheit haben wir, nach dem wir allerdings die Ertbeilunz einer Zusage seitens teö Kaisers sestgestcllt, auf den Reichstag biugewiescn, der denn dock imWescntlichcn daSBUrgertbum repräsenlirt.auS dcrKönigS- berger Rede also nicht „nur" eine Verpflichtung der Regierung, sondern auch eine solche deSB ürg e rt h umS abgeleitet. Ausdrück lich war an dieser Stelle gesagt worden, die Regierung müsse eine „Quittung" vomReichstag fordern: damit war also dieMöglichkeit »gegeben worden,daß, „wenn derKönigSbergerRcdc nicht Thaten otgen", der Borwurf auch den Reichstag treffen könne. Aber den Reichstag natürlich nur dann, wenn die Regierung ver gebens die gesetzgeberische Initiative ergriffen hat. Diesen Angelpunct der Frage ist die „Rordd. AUg. Ztg." noch immer zu verschieden beauftragt. Sie schreibt: „Vorwürfe aus Grund der Kaiserrcde könnten an die Adresse der Regierung nur gemacht werde», wen» das Bürgerthum leistet, wozu es aufgesordert ist, wenn es sich in Acten der Abwehr und der positiven Bekämpfung der socialrevolutionairen Richtung energisch rührt, nnd wenn eS dann von der Regierung ohne Unterstützung gelassen wird." Was das Bürgerthum leisten soll, ist ein Kleinkrieg" gegen die Unisturzparleien. von dem die ,,Nordd. Allg. Zkg." täglich spricht, von dem sic aber eben sowenig eine Vorstellung hat, wie irgend ein Anderer. Mit diesem Kleinkrieg soll „der Anfang gemacht werden". Wir geben natürlich aus diese Verkehrtheiten nicht Weiler ein und bleiben dabei: der Kaiser hat staatliche Maßnahmen gegen Len Umsturz verheißen, und seine verantwortlichen Diener würden sich an der preußischen Monarchie und dem Reiche ver sündigen, wenn sie nicht Alles tbäten, was sie verfassungs mäßig thun können, um die kaiserliche Zusage zu erfüllen. Wenn die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" unterstellt, wir wären zu diesem Schluffe nur deshalb gekommen, „um ein Recht zu der Anschuldigung zusammenzudringcn, das monarchische Anseben habe durch die in Rede stehende Action eine Einbuße statt eine Kräftigung erfahren", so wird sie wohl selbst nicht erwarte», daß wir über kiese, beiläufig bemerkt, eine grobe Fälschung unserer Aeußerung ciilbaltcnde Insinuation in Entrüstung gerathcn. lieber die Hauskatze tcS ReichSkanzlerpalaiö echaussirt man sich nicht. Wir wundern unS böchslenS, daß das Blatt sich eifrig heflissen zeigt, von der Regierung die Schuld wegen rwaiger übler Folgen der KönigSbergcr Rede im Borhincin abzuwälzen. Für daS Brod, das sie zur Zeit ißt, braucht die „Nordd. Allg. Ztg." dieses Lied gar nicht zu singen, denn — wie oft muß man ihr daS noch sagen? — ihre Herren hatten mit der KönigSbergcr Rede nicht daS Mindeste zu thun. Man wird erwarten dürfen, daß der am 30. Sep tember in Frankfurt a. M. stattsindende gesainmtdeutsche »ationallibrralc Tclrgirtrntag neben ankeren wichtigen Zeit- sragcn auch mit der jetzt ganz besonders im Vordergrund stehende» Frage der Abwehr der Umsturzbestrebungen sich beschäftigen wird. Es hat bisher an Kundgebungen in dieser Hinsicht aus dem Volk berauS gefehlt. Es war eben noch kein rechter Anhalt zu Besprechungen vorhanden. Die Er örterungen beschränkten sich fastnur aufdie Presse. Die parlamen tarische» Führer der Parteien sind noch nirgends bervorgctreten. ES ist aber sebr wünschenöwcrth, daß die gesetzgebenden Körperschaften, wenn sie wieder zusammentrete», über die Stimmung weiterer Volkskreise unterrichtet sind und ihre Stellung zu etwaige» Vorschlägen der Regierung danach nehmen. Vielleicht bessern sich auch die parlamentarischen Aussichten neuer gesetzgeberischer Maßregeln, wenn erst weitere Schichten des BllrgerthumS sich haben vernehmen lassen. In dieser Beziehung können große Parteitage oder Delegirtenversammlungcn, welche einen Meinungs austausch zwischen Vertretern der verschiedensten Gegenden des Reichs berbeisühren, viel nützen. Andere Parteien, ins besondere die Freisinnige Volkspartei und daS Centrum, mögen Gründe haben, der Erörterung dieser Frage aus dem Wege zu gehen. Tie Nationalliberalen brauchen eine offene Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Wir bezweifeln nicht, daß Uebereinstimmung in ibren Reihen darüber herrscht, daß unter Schonung aller berechtigten frei heitlichen Bestrebungen der -Staatsgewalt die Mittel nicht verweigert werden dürfen, die sie zum Schutz der öffent lichen Ordnung und Zucht nöthig hat. Der „Frei sinnigen Zeitung" graut allerdings vor dem Gedanken, daß die Rcichöregicrung aus den Weg energischen Vorgehens gegen die Umsturzbewcgung sich drängen lassen könne. In seiner Einladung zum neuen Vierteljahre bemerkt dieses Blatt: „Wird dieser Weg beschulten, so treiben wir einer neuen Reichstagsauslösung mit derselben Sicherheit entgegen, wie im Herbst ti>02 angesichts- der Heercsvorlage." Das >st allerdings nicht unwahrscheinlich. Aber die ReichStagsaif- lösung von damals hat doch zu der, wenn auch nur knappen, Annahme der Militairvorlage geführt. Neuwahlen unter der Parole: Abwehr der Umsturrbestrebungen. könnten aber leicht einen noch besseren Erfolg haben. Dieser Aufruf ist noch weit volkSthümlichcr als die Hceresreform mit ihren großen sinanzicllcn Ansprüchen cS gewesen. Die Bcrathung des auswärtige»Ausschusses der ungarische» Delegation ist abgeschlossen. Sie endigte zwar, wie schon telegraphisch gemeldet, mit einem Vertrauensvotum sür Kalnokn, doch wurde beschlossen, im Anschluß hieran zu betonen, daß die vor zwei Jahren im Ausschußberichte ausgesprochene Er wartung, die rumänische Agitation werde eingestellt werden, sich bedauerlicher Weise nicht erfüllt habe. Ferner will der Ausschuß die Erwartung aussprechen, Kalnoky werde kraftvoll den Umtrieben eiitgcgenlrcle», die gegen den inneren Frieden Ungarns ge richtet seien und sich schlecht mit den freundlichen Beziehungen zu dem osficicllen Rumänien vertrügen. Bei der Be- rathung wurde mehrfach betont, daß nur darum eine so milde Fassung dieser Resolution beliebt werde, um nicht die Bedeutung deS Vertrauensvotums abzuschwächen. Im Namen der Opposition erhob Appvnyi mehrfach Be denken gegen den beschlossenen Text deS Berichts; eS wird in Folge dessen der Gegenstand im Plenum der un garischen Delegation nochmals zur Sprache kommen, jedoch voraussichtlich in demselben versönlichen Tone wie im Ausschüsse. Damit ist Kalnoky über die schwierigste Klippe der heurigen Delegation heil hinweggekommen. Weitere Kritik wollte die liberale Partei nicht üben, weil die klerikale Oppo sition ohnehin verkündete, der ganze Widerstand in der rumä nischen Frage sei nur eine maSkirte Vergeltung für die Haltung Kalnokh'S in der Kirchenpolitik. Die liberale Partei wollte, so wird in einer Pcster Corrcspondenz der „Voss. Ztg." aus- gesührl, den Anschein vermeiden, als wäre die Besprechung der rumänischen Frage ein parteipolitisches Manöver, und ließ darum alle weiteren Erörterungen bei Seite. Es bedurfte aber des wiederholten persönlichen Eingreifens Wekerle'S, um die Einstimmigkeit des Vertrauensvotums sichcrzustellen. Kvloman Tisza unterstützte hierbei Wekcrle auf das Lebhafteste. Die Betonung der Anhänglichkeit an den Dreibund wurde im Ausschuß einstimmig auch von der Opposition angenommen. Ter AlerikallsmuS hat in der Sitzung des ungarischen Delegations-Ausschusses vom lS. d. M. einen schweren Schlag erlitten. Wer hätte geglaubt, daß eS in unserer Zeit, in dem heutigen, vom Kampfe gegen daS Civilehe-Gcsetz auf gewühlten Ungarn einen katholischen Erzbischof giebt, welcher findet, daß die Rechte deS Staate« gegenüber der Kirche nicht genügend gewahrt werden, und darüber unverhohlen seine Unzufriedenheit kundgiebt? Ein solcher weißer Rabe existirt aber.eS istderErzbischofSamassa von Erlau. Graf Kalnoky, der, wenn ein Erzbischof sich erhebt, gewohnt ist, eine Gardinenpredigt darüber zu kören, daß er nicht schon längst dafür gesorgt habe, daß der Papst das Patrimonium Petri zurückerhalte, mag nicht wenig er staunt gewesen sein, als der Erzbischof von Erlau das Wort nahm, um zuerst die Wiedereinführung des RotbbuchcS, dann aber mit allem Nachdruck zu verlangen, daß die Regie rung erstens bei Zeiten darauf bedacht sei, bei der nächsten PapstWahl das Oesterreich-Ungarn zustchende Recht der Exclusive auSzuübcn, sodann aber, daß die Monarchie beim Vatican durch einen aus der Höhe seines Berufes und seiner Pflicht stehenden Mann vertreten sei. Man glaubt einen Richelieu oder Mazarin zu hören, nicht einen Erzbischof aus der Zeit der Katholikentage! Und niit welcher starken Empfindung sür die staatlichen Interessen begründete er seine Forderung! DaS Papstthum sei zwar eine kirchliche Institution, aber cS habe auch eine staatliche Bedeutung, der Papst sei heute mächtiger als ;u der Zeit, da er noch Kronen zu vergeben hatte, man könne Oester reich daS Reckt der Exclusive nicht bestreiten, eS sei Pflicht, gegenüber mißliebigen Cardinälen den berechtigten Einfluß geltend zu »lachen. Für den Vertreter der Monarchie beim Papste, sagte der Kirchensürst, genügen eine gewisse Oberflächlichkeit und blcßer Sin» sür äußeres Cercmonicll nicht, ein richtiger Vcr tretcr Oesterreich-Ungarns beim Vatican hätte die gegen wärtige» Complicationen vermeiden können. Ter ganze ungarische Episkopat klagt in allen Tonarten, die Kirche werde vom Staate verfolgt, bedrückt, ihrer Rechte beraubt, und nun ermahnt der Erzbischof von Erlau den Minister des Aeußern, er möge sorgen, daß der Staat der Kirche gegenüber nicht zu kurz komme Dieses Auftreten deS Erzbischofs gewinnt an Tragweite, wenn man deS hartnäckig sich behauptenden Gerücktes gedenkt, man werde bei der nächsten Papstwahl versuchen, einen dem deutsch-österreichischen Bündnisse freundlich gesinnten Eardinal mit der Tiara zu kröne», jedenfalls aber trachten, daß lein mit Frankreich sympathisireuLer Kirchensürst den Stuhl Petri besteige. Aufsehen und Widerspruch erregt in der Tchwelz das diesjährige „BettagSmandat" der schweizerischen Bischöfe, durch welches ein „Beutezug" zu Gunsten der Freiburger Universität angeordnet wird. Die Pfarrgeistlichkeit der gesammten katholischen Schweiz wird angewiesen, nicht nur daS BettagSmandat einfach von den Kanzeln zu verlese», wie dies üblich ist, sondern auch darüber hinaus die Sammlung sür die Universität Freiburg den Gläubigen besonders anzu- eiiipschlcn „und innerhalb zweier Monate in der ilme» geeignet scheinenden Weise (Kirchenopser oder Collecte) Bei träge enlgegcnzunchmeii." Daß die katholische Universität zu wenig Geld habe, war längst bekannt, auch die zu ihren Gunsten inS Werk gesetzte Lotterie scheint den erwarteten Mammon nicht gebracht zu haben. Unter diesen Umständen begreift ma», daß ein klerikaler Freiburger, Herr Paul Aeby, im Nationalrath den Antrag auf Abgabe von sechs Millionen aus den Zolleinnahinen an die Eantone stellte. Wie eS scheint, trauen aber die Ultramontanen der Ab- limmung des SchweizervolkcS über den Beutezug nicht recht, :a sie eS sür nöthig gesunden haben, auch noch den gesammten chweizerischcn Episkopat zu Gunsten der Freiburger Univer- ität in Bewegung zu setzen. Diese Universität ist eine Pflanz- 'chule des UltramontaniSiiius, der Baum sozujazen, an welchem die künftigen Führer und Bcratber der schweizerischen ultramontanen Partei wachsen solle» In dem bischöflichen Mandat wird dies auch offen zugegeben. Selbstverständlich ist darin zwar »ur von „dem Glauben der Väter, von reli giösen und kirchlichen Interessen" die Rede, zu deren Hock haltung und Wahrung die Universität Freiburg bestimmt sei. Unter diesem GcsichlSpuiicte könnte man allenfalls die Gründung einer centralen theologischen Anstalt be greifen; daß aber selbst InriSprudcuz und Medlcin von „katholischem" Geiste durchtränkt, daß die gcsamntt« Wissenschaft in daS Prokrustesbett deS EonfcssionatismuS gezwängt und nach consessionelleiii Ledürsniß zugeschnittci, werde» solli, zeigt auacnscheinjich, daß die Universität Freiburg einfach zum geistigen Brenupulicl des UltraniontaniSmuS i» der Schweiz erhoben werden soll. Unter den Protestanten der sogcwanntcn positiven Richtung giebt c» auch viele glaubenScisri^e und opferwillige Leute; aber noch »jemals ist eS Liesen eiugesallen, eine volle Universität mit allen Facultäte», die specicll. ihren confcssionellen Bedürfnissen zu bienen hätte, grünten zu wollen, ^o etwas, bemerkt die „N. Zürch. Ztg." sehr richtig, bringen nur die Ultramontanen zu Stande. Auch den. Blindesten sollte cs nachgerade klar werken, daß eS sich gegenwärtig in der Schweiz um einen colzfessionellen Vorstoß des UltraniontaniSmuS auf der gesammten Linie handelt. Die Betonung des confcssionctlen Elementes bei der jüngst erfolgten Gründung der „katholischen" Volkspartci geschah durchaus nicht von ungefähr, und auch die Erkennt nis; sollte allgemach durchdringen, daß der „Beutezug" mit jenem Vorstoß in einem inneren Zusainincnbang steht. Der Weizen des UltramontaniSmuS kann eben nur in einem schwachen Bunde zum Blühen kommen, und die Schwächung der Ecntralgewalt durch den ihr zugcdachtcn sinc«nzieücn Aderlaß ist daher einfach Mittel zum Zweck. Sultan Abd»l-hamid-8t>an, der Kalis der Rechtgläubigen, feiert heute seinen .'>2 Geburtstag Es sind nun, wie die „Münch. N. N." in Erinnerung bringe», 18 Jahre her, seit tic Türkei von dicscni Herrscher regiert wird; die Umstände, unter denen er 1876 den Thron bestieg, schienen weder sür ihn, noch sür sein Reich günstig zu sei», aber er übcrstaiid die schweren Kriezszciten und ihre für sei» Volk so vcrbängnißvoUen Folgen und erfreut sich seither eines verbältnißmäßig friedlichen Daseins. Im Lande herrscht Ruhe, die inneren Zustände consolidiren sich FeuiUetoii. Der goldene Mittelweg. 7? Roman von Erich Rott. Na-tru« »erboic». (Fortsetzung.) VIl. Am nächsten Morgen durchschwirrte freilich eine unheim liche Kunde das Dorf. Man hatte im Walde, unweit des Mühlenbaches, die Leiche eines Iagdthcilnebmcrs gründen, und zwar war dies, wie die sofort gcrichtSscitig vorgeuoinmene RccognoScirung ergeben, ein Herr Liepinan» aus Berlin, Bankier seine» Zeichens, welcher schon seit einigen Wochen HauSgast aus dem Schlöffe des Barons v. Tbumar gewesen war. ES stellte sich alsbald heran-, daß es sich hier um ein geschehenes Verbrechen, keineswegs um einen Selbstmord oder einen UnglückSsall bandelte, denn die neben dem Tobten auf gefundene Büchse war noch mit R-bpostcn in beiden Läusen geladen. Der Unglückliche war getödtet durch einen aus allernächster Näbc aus ilm abgeseucrten Büchsenschuß, dessen Spitzkuzelgcscheß das Herz durchbohrt batte. Seit Menschengedenkcn war dergleichen nicht im Dorfe vorgekommcn, und daS allgemeine Entsetzen vermehrte sich noch, als cS rucbbar wurde, daß cs sich um eine» schnöden Raubmord bandle, da der Leichnam auSgeplündert war. DaS Entsetzen verwandelte sich aber in maßlose Entrüstung, als noch an demselben Tage Gendarmen den bisherigen Forstwart Wittmer als den miill»,läßlichen Thätcr einbrachlcn; eS hätte nickt viel gefehlt, so batten die erregten Bauern den vbnehin nicht beliebten Forslwort gelyncht. Wie nian sich im „Dorskruge" Abends erzählte, wollte der Forstwart allerdings hartnäckig leugnen, aber es sollten bereits unwiderlegliche Beweise für seine Schuld an den Tag gekommen sein; in seinem Gewahrsam war die Ubr und daS Portemonnaie de- Todtcn aufgcsuntcn worden. Der sofort ebenfalls verhörte Baron Thiimar batte freilich auSgesagt, daß der Ermordete auch noch eine Brieftasche besessen habe, welche ebenfalls ver schwunden war, aber eine solche hatte trotz allen SuchcnS nicht aufgefunden werden können. Lebrecht Winkler hatte in seiner Eigenschaft als Bürger meister des LrteS den Gerichtsbehörden hilfreich zur Hand gehen müssen. Er kam nun am Abend erst ganz verstört nach Hause. Ihn ergriff die Möglichkeit, daß ein solches Verbrechen in der Umgebung seines Hcimatbdorses hatte geschehen könne», ganz gewaltig. Es war immer sein Stolz gewesen, daß unter seiner Amtsführung die Ordnung nicht gestört worden war, »un war solch' schreckliche Thal von einem Orts eingesessenen verübt worden! Frau Barbara theilte ihm flüsternd mit, was der kleine Erich am Abend vorher erzählt hatte. „Ja, ich babe so 'was läuten bören, der Müller Fröschner will ja auch so 'was von dem Buben gekört baben. Es ist ein Kreuz, was solche Kinder in ibrem Unverstand nit Alles schwatze». Daraus kann man kein Gewicht legen. Die Herren vom Gericht haben nur gelacht; der Baron ist ganz verzweifelt. Er verliert in dem Tobten einen intimen Freund, der schon seit Wochen ans dem Schlöffe seine Gastfreundschaft genossen hatte." Dabei blieb cs. Zwar wurde Erich am folgenden Tage durch den Untersuchungsrichter einem Verhör untcrworsen, aber der kleine, kaum fünfjährige Bursche wagte cS kaum, in Gegenwart des ibn so scharf durch seine goldumränderte Brille anschauendcn Herrn auch nur ein Wort laut werden zu lassen. So »ahm man an, daß der Knabe wahrscheinlich allerdings Zeuge deS Mordes gewesen sei, daß aber Phantasie und Wirklichkeit in seinem Kopse durcheinander gekommen, so daß Erich als cin klassischer Zeuge nicht zu betrachten sei. Als Erich einige Tage später zur Trudel wollte, mußte er diese erst in der Hütte aufsuchcn, denn auf der Wiese batte er sic nicht gefunden. Trudel'S Vater war nach dem Gefängniß in der Kreisstadt abgesührt worden; die Land jäger batten übel in der Hütte gehaust, dieselbe von oben bis unten durckstöbert und Alles, waS nicht niet- und nagelsest gewesen war, mitgenommen. „Nun ischt das Verhungern da", barmte die alte Franz, „wie soll ich armes Weib sorge könne sür den arme Wurm, die Trudel?" Dann aber im nächsten Augenblick nahm sie den kleinen Erich bei der Hand und drückte ihn enger an sich Und dann ließ sic sich nock einmal Alles genau er zählen, was dieser gesehen hatte. „Merk' Dir gut, was Du weischt, merk' Dir gut!" schrie sie auf, „der Tag wird kommen, an dem man Dich frage wird. Jetzt ischt alles Recht gegen uns. wir sind ja nur arme, arme Leut' . . . O mein armer Sohn, er muß d ran glaube, denn gegen so eine» gnädigen Herrn richtet Niemand etwa- au«I" Da und dort im Dorfe lag man sich wegen der Wahr nehmung, die der kleine Erich gemacht hatte, in den Ohren, und Biele trieb die Neugierde so weit, daß sie nach dem Gehöft Winklcr'S kamen und de» Knaben auSzuborchen ver suchten. Es hätte indessen nicht deS strengen Verbotes des Großvaters bedurft, um Erich zum Schweigen zu veranlassen, verschüchtert wich er vor den Zudringlichen zurück und hielt sich lieber, um den Schlaf der Kleinen nicht zu stören, lautlos oben in der Wohnstube auf, als daß er unten Antwort ge geben hätte. Winkler hatte auch regelmäßig ein hartes Wort sür ihn, wenn er ihm gerade in den Wurs kam; er mußte viel über daS unheimliche Vorkommniß, sowohl im Torskruge als auch tcs Tages über von den Dorfbewohnern hören, und es gab immer einige, die geneigt waren, der Wahrnebmung deS KmdeS Gewicht bcizulegen, obwohl die Gcrichtobcrrcn gar nicht daran gedacht hatten, diese auch nur zu Protokoll zu nehmen. Ausfällig blieb cS freilich, daß Baron von Dhumar seinen ersten Entschluß, dauernden Auscnthalt auf dem Schlosse zu nehmen, inzwischen wieder geändert und eS vorgezogcn halte, mit Frau und Sohn alsbald abzureisen. Niemand wußte eigentlich, wohin er gegangen war. Einige meinten, wieder »ach Berlin zurück, Andere, die sür besser unterrichtet galten, wollten aber wissen, daß er dem sonnigen Süden zugestrebt und irgendwo an einem der poetischen oberitalienischen Seen ein stilles Landhäuschen sür sich und die Seinen gemiethct hatte. „WaS ist denn dabei, ich war' an seiner Stelle auch ab- gcreist", pflegte der Bürgermeister all' den Einwänden, die am Biertische gemacht wurden, zu begegnen. „DaS Büble ist kalb im Schlas gewesen und hat im Dämmerlichte etwa- gesehen. Der Wittmer hat auch einen großen Bart. Ob blond oder schwarz, das mag sich anders ausgenommen haben in dem Augenblicke. Die Sache ist doch klar, wir der Helle Tag. die Uhr und das Geld sind bei Wittmer gefunken worden, und wenn er auch zehnmal leugnet, deswegen wird er koch verurtheilt. So ein seiner Herr, wie der Baron, mag wegen so was nit angeschaut werten und wenn er kurz entschlossen wieder sortgercist ist, so bin ich der Letzte, der ihm dies verdenken könnt'!" Insgeheim aber ballte er dem kleinen Erich eine Faust und nannte ihn einen unverbesserlichen Schwätzer. „Wart', wir kommen noch aneinander", pflegte er dann zu sagen, und die Folge davon war, daß Erich »hu nur noch in einem weiten Bogen umschlich und schon zitterte, wenn er nur seine raube Stimme körte. Der Sonnenschein, der den Sommer über auf dem Leben uud Treiben deS Kleinen gelagert, schien überbaupt wieder verschwunden zu sein. Dasselbe Frösteln, welches die Natur umstrick, dieselbe dämmernde Schlasmüdigkeit, welche Hain und Feld, Wald und Strauch übcrkam, schien wicecr Eiukchr in den« Seelenleben des Kleinen halten zu wolle». Die Hellen, endlosen Späloctobernächte waren eben an der Reihe. Mit blassem, vollem Gefickt schaute der Mond durch die Fensterscheiben ins stille Zimmer, wo Erick's Lagerstatt sich befand. Der Mond war diesem eigentlich ein vertrauter Geselle — er halte ei» so freundliches Gesicht, und dem Kleinen war cS oft zu Mutke, als ob dieses ihn liebreich an- lächle und dann »lugte er auch wobl wieder an den Mann mit der Holzlast denken, von dem die Lene ihm erzählt hatte, der nun bis in alle Ewigkeit im Monte gebannt stehen muffe, und cS wollte ibni zuweilen auch scheinen, als er ganz deutlich die Rcisigwellcn zu erkennen vermöge, nur ganz silbern verklärt. Aber etwas Anderes war eS, an daS sich Erich nicht gewöhnen konnte. Nicht daS Weinen der bei der Len« schlafenden Schwester, die gar anspruchsvoll austrat und gar eine bcsontere Wartung für sich verlangte, auch nickt daS Schluchzen der Mutter, das ab und zu zu ibm herüberdrang; daran hatte er fick allmählich gewöhnt. Aber wen» Frau ElSbetb, die tagsüber das Lager wieder verlassen durfle, regelmäßig des Nachts, kaum daß die Sckwarzwäldcr Uhr unten im Hausflur mit metallenen, lang gezogene» Schlägen die Mitternacht verkündet batte, ausstand und »nt gerungenen Händen in der Stube aus- und nicdersch^itt, übcrkam cin seltsam beklommenes Gefühl den Knaben, sein Herz schlug heftig, er wußte nickt warum. Die Mutter, aus die der Mond eine magische AnzicbuuaKkrast zu besitzen schien, ging kann aus der Diele lautlos tz« und der, ebenso rubeloS und unausgesetzt wie der schwere Ubrpendcl mit der blanken Metallscheibe, der unten in seinem Kasten aus- und nietcrtickte. Und dann sprach sie auch oft mit balblautcr Stimme, die Erich gar schaurig anniutbctc, mil einem Anderen, der im Zimmer weilen mußte, den der Knabe aber nicht zu sehen vermochte. Dann lauschte sie wieder, als ob sic eine Antwort hören wolle, dann gab sie wiederum Bescheid, und so ging eS in wechselnder Folge durch die Stunden, bi- der Morgen
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