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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950525028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895052502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895052502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-25
- Monat1895-05
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Aber die Conservat iven hatten beschlossen, diese Tagung ihrem ganzen Charakter gemäß, d. h. in agitatorischen Reden, auS- klingen zu lassen. Insofern war die gestrige Sitzung „stilvoll". Der Zweck der Rede des Grafen Kanitz ist ganz klar. Sie entsprang der Besorgniß, die Annahme deS Zucker- und deS Branntweinsteuergesetzes könnte einige Beruhigung in den landwirthschafttichen Kreisen Hervorrufen. Dem zu begegnen, scheint man ein um so dringenderes Bedürfniß gehabt zu haben, als die steigenden Getreidepreise die Lehre von dem unaufhaltsamen Ruin des deutschen KörnerbaueS in das Reich der Täuschung verweisen und damit die xiöoe äs resistauce des hochconservativen Agitations- menuS unter den Küchenabfall werfen. Graf Kaniy also batte die Aufgabe, die beiden agrarischen Gesetze als Baga tellen hinzustellen und der Regierung vorzurechnen, was sie nicht in Vorschlag gebracht. Cr war hierin wenig glücklich; denn abgesehen davon, daß das Vermißte hauptsächlich im Interesse deS gewerblichen Mittelstandes unterblieben ist, hat er den Vorwurf über die Nichteinbringung der Börsen steu er in eine recht bedenkliche Form gebracht. Er meinte: „Hätte Herr v. Boetticher auch nur ein leeres Blatt vorgelegt mit der Aufschrift „Börsengesetz", den Text halten wir schön selbst gemacht." Jawohl, aber wie? Der von sechs Con- servativen beantragte Margarine-Gesetzentwurf giebt die Antwort. Er verräth die erstaunlichste Unfähigkeit, ein Gesetz zu formuliren, und macht der kleinen Butter- production, also der Mehrzahl der Landwirthe, völlig den Garaus. Diese Antwort hat die Regierung nicht zu geben gewagt, aber der Hinweis auf die Unthäligkeit des Reichs tags, der zahlreiche, längst an ihn gebrachte Gegenstände un erledigt ließ, reichte aus, um daS Unsachliche der con- servativen Angriffe zu kennzeichnen. Die Verzögerung der Börsenreform bleibt höchst bedauerlich, und die Erklärung mit einem Referentenwechsel im ReichSjustizamte ist ein schlechter Trost; aber dieser Reichstag ist nicht berechtigt, einen Vorwurf zu erheben, am allerwenigsten sind es die Cou- servativeu, die wenige Tage vorher durch Masse.i-AbsentiSmu- das Zustandekommen des „agrarischen" Zuckersteuergesetzes ver- zögert, wo nicht gefährdet batten. Freilich, Graf Kanitz entkleidete rm Interesse deS „FortschrittselemenkS" der Unzufriedenheit dieses wie daS Branntweingesetz fast jeder Bedeutung, nament lich für die kleineren Landwirthe. Aber daS geschah wohlweis lich in dritter Lesung, nachdem die Annahme durch rin Ueberein- kommen der drei größten Parteien gesichert war. Der Herr sprach auch von „seinem" Anträge, merkwürdigerweise ohne sich gegen daS Centrum zu wenden, aus dessen Mitte heraus der Plan der Getreideeinfuhr-Verstaatlichung soeben dem „alten Eisen" überwiesen worden ist. DaS Bemerkenswertbest« an der gestrigen Sitzung ist übrigen- keineswegs die Agitationsrede des Grafen Kanitz, sondern die ängstliche Scheu, mit der di« Negierung einer einigermaßen energischen Zurückweisung auS dem Wege ging. Gras PosadowSky antwortete so, daß Nie mand im Hause den Eindruck eines ungeheuerlichen UrtheilS hatte, als auf der Linken die Ansicht laut wurde, die heftigen conservativen Angriffe seien bestellte Arbeit gewesen. Jeden falls zeigte sich die Regierung nicht „touchirt", und der Ab geordnete vr. Paasche war mit deren lebhafter Vertheidigung, ohne es zu wollen, gouvernrmentaler als daS Gouvernement gewesen. Der „feste Thurm" der Ecntrnmspartei ist daS Thema unaufhörlicher Lobpreisungen in der klerikalen Presse; die Einigkeit und Geschlossenheit der Partei wird in allen Ton arten gefeiert. Sieht man näher zu, so liegt die Sache doch anders. Richtig ist, daß alle confessionellen Machtfragen wie mit eisernen Banden die Quadern dieses ThurmS zusammen schließen; darum auch die eifrige Agitation, immer neues Bindematerial durch Anträge und Interpellationen in Bezug auf die Zeluiten, die Wiederherstellung der auf gehobenen Versaffungsartikel, den Religionsunterricht in der Schule, die Parität rc. derbeizuschaffcn. Sowie aber diese Klammern fehlen, fällt daS Centrum jeden Augenblick aus einander. In der Umsturzvorlage sah eS hinter den Couliffen ganz anders aus als auf der Bühne — das bat ein bayeri sches Centrumsblatt jüngst, ohne Widerspruch zu erfahren, aus der Schule geschwatzt. In der Commission für den Antrag Kanitz bekämpften sich die Centrumsmitglieder aufs Heftigste: einzelne süddeutsche und schlesische Abgeordnete begeisterten sich förmlich für das Projecr, während die meisten Parteiführer eS schroff ablebnten und die „Germania" einen bissigen Kampf mit den rheinischen Agrariern klerikaler Observanz führte. In der WährungSdebatte deS preußischen Abgeordnetenhauses hielt der Abgeordnete Imwalle eine scharfe Rede gegen den BimetalliSmuS, gleich darauf stand sein ultramontaner Fractionscollege Fuchs auf und ging für das weiße Metall iuS Zeug, während Abgeordneter Lieber, wie gewöhnlich, verniiltrln wollte. Auch in der zweiten Berathung über die Branntweinsterernovelle zeigten sich Gegensätze oder doch wenigstens starke Differenzen in den Forderungen, die einen Moment daS Schicksal deS Entwurfes ernsthaft in Frage stellten. Sogar bei einer Frage, die sonst als besondere Domäne der Partei gilt, in den Bestrebungen, den Hausier- und Colportagehandel in alle» Formen ohne Unter schied zu stranguliren, trat die Zwiespältigkeit der Ansichten hervor. Es ließen sich unschwer diese Beispiele noch ver mehren, aber die aufgcführten zeigen schon deutlich genug, wo die Nisse und Sprünge im „festen Thurme" sind, dessen Geschlossenheit nur in confessioneUen Dingen begründet ist. In Belgien ist wegen der vongoangelegenhett plötzlich eine Ministerkrise ausgebrochen, die sich aber auf den Minister des Aeußeren Graf de Merode zu beschränken scheint. Die erste Ursache zu dieser überraschenden Wendung ist in dem Beschluß der Congo-Commission der Kammer zu suchen, die Beratbung der Annexionsfrage bis zum nächsten Jahr zu vertagen und mittlerweile die für den Congostaat erforder lichen Mittel als provisorische Crebite zu bewilligen; ausschlag gebend war aber für den Minister die Erklärung des Königs, daß er sich persönlich dem Commissionsbeschluß nicht widersetze. Graf de Merode wirb also gehen und, wie unS beule gemeldet wird, Ministerpräsident de Burlet unter Bei behaltung deS Vorsitzes das Ministerium des Auswärtigen übernehmen, das deS Innern aber an Liebart abgeben de Merode war der Ueberzeugung, baß die Regierung in der Congoangelegenheit sich bereits zu sehr engagirt habe, als daß sie auf die sofortige Beratbung verzichte» könnte, ohne zurückzutreten. König Leopold sagte sich dagegen, daß, wenn die Vorlage jetzt zur Abstimmung gelangte, sie unrettbar verloren sei. Denn trotz der lebhaftesten Agitation der an der Entwickelung der wirthsckafttichen und kommerziellen Interessen in erster Linie betbeiligten Kreise war eS nicht I gelungen, eine Mehrheit für die Uebernahme der hochherzigen I Schöpfung deS König- durch den Staat sickerzustellen. Alle einsichtigen belgischen si"o ^jeßsich dock aniiecliren mullen. Belgien auserlegen L" LtLnmLn rm° ?l- »-mmfW-..-N »°n n°«. malS Gelegenheit haben. reist, »zu u^n',ahme kommen boffent.ich noch zu der ^ ' d°b d U°ten.ay eines Ländercomplex-S, welcher, Belgien . >11 die Neibe der ersten Coloinalmachte ruttreten rav, rer verbällnißmäßig großen damit v"knupsten ustven ung aus Staatsmitteln werlh -st, ju-nal da der Ko"g ,ur Millionen die er in den Congostaat 2°''^ ^ Eulschädigniig beansprucht. Nimm, em Staatswesen das m ver Voraussicht späterer erheblicher Ertrage 2* 2 Capital,en aus Jahr« hinaus zinslos anlegen kann, dw V mattlnia in die Hand — und Belgien ist wohl >m ^„lanoe, die Mittel aufzubringen —, dann werden auch nicht ausoleibe», und das Land ->n vor restUches Geschäft gemacht, während, wenn man ^ ^ brechen läßt, nicht blos Frankreich der lachende Erbe , onvern auch all' d.e bedeutenden Summen welche d belgischen Capitalisten und der belgische Staat an LaS Unter nehmen gewendet haben, fruchtlos verloren sind. Die vorgestrige Wahlrede CriSPt's kann für einen glücklichen Schachzug des leitenden "al'-n.schen S aatS. uianneö in der zwischen ihm und lem°n Widerlachern engagirten Partie um den Einsatz der künftigen Kammer- mehrbeit gelten. Getreu dem taktischen Grundsätze, daß der Hieb die beste Deckung ist. hielt sich Crisp, nicht erst lange bei Widerlegung der von seinen Feinden gegen w" hobenen sinnlosen, jetzt in der französischen Presse wieder- gekauten Anschuldigungen auf, sondern zeichnete in großen Umriffen ein Bild der inneren und anderen Gesammtlage Italiens, verglich die Anstände von jetzt mit denen zu Anfang seiner Geschaflsübernabme und befähigte so zeden Hörer oder Leser seiner AuSemander- ietzilngen, sich ein Unheil zu bilden, waS auS Italien ge worden sein würde, wenn es in die Hände der gegen Crispi verbündeten, aber unter einander gespaltenen und zu positiven Leistungen schlechterdings unfähigen Coalition gefallen wäre. Es waren nicht eben die schmeichelhaftesten Wahrheiten, die Crispi dem modernen italienischen Parlamentarismus ins Gesichr schleuderte, aber so scharf und bitter seine Krtti ausfiel, so sicher traf sie den Kern der Sache. Nament- sich was Crispi von der Rolle sagte, welche die an Stelle des mittelalterlichen Verfahrens mittels Dolches und Giftes in den demokratischen Ländern getretene Verleum dung spielt, gilt keineswegs nur für demokratische Länder bezw. VertrelungSkörPerschaften allein. Auch in Deutsch land z. B. macht sich Verleumdung, Verdächtigung und per sönliche Beschimpfung politisch Andersdenkender seitens der auS dem Hinterhalte der parlamentarischen Immuniiät operirenden berufsmäßige» Volksverhetzer täglich breiter und würde vielleicht schon zu ähnlich unerträglichen Zuständen, wie die von Crispi gegeißelten sind, geführt haben, wen» nicht der monarchische Gedanke und der Sinn für Autorität in unserem Volke zur Zeit noch hinreichende Starke besäßen, um daS Gift demokratischer Verleumdung im nationalen Orga nismus einigermaßen zu paralysiren. WaS Crispi für die Hebung der internationalen Stellung seines Landes ge leistet, gehört den allbekannten Thatsachen der Geschichte an, welche zu leugnen für seine Widersacher unmöglich und daher nutzlos ist. DaS Dilemma aber, vor welches CriSpi am Schluß seiner Programmrede die italienische Nation stellte: Gegensatzes sämmtliche Strömungen unserer von unklaren Köpfen vielfach so wenig verstandenen oder sogar völlig miß verstandenen Zeit. Die günstige Aufnahme, welche das Plai- doyer Crispi'S bei allen politisch zurechnungsfähigen und lttlich vollwichtigen BevölkerungSclementen gesunden hat, be rechtigt zu rer Hoffnung auf einen großen Wahlerfolg der Regierungspolitik. Bekanntlich ist die Meldung der „Times", nach welcher Teutschlani» gemeinsam mit Rußland und Frankreich an Japan daS Verlangen gestellt habe, seine Entschädigungs ansprüche für die Räumung und die dauernde Aufgabe der Halbinsel Liao-Tong sestzustellen, von der „Nordd. Allg. Zta." bestritten worden; gleichzeitig aber gab das in dieser An- zelegenheit wohl officiöS bediente Blatt zu, eS sei nicht aus geschlossen, daß Verhandlungen über diesen Gegenstand bevor- stehen. Der Theil der deutschen Presse, welcher der Theilnahme Deutschlands an der Intervention in Ostasien von vornherein abgeneigt war, erhebt ein Geschrei über dieses Zugeständniß, weil aus demselben bervorgehe, daß Deutschland an der Fortsetzung des Druckes aus Japan betbeiligt bleibe. Als ob das nicht so lange selbstverständlich wäre, als nicht volle Garantien dafür vorliegen, daß der Hauptzweck der Inter vention, die Räumung der Liao-Tong-Halbinsel, thatsächlick erreicht ist! Daß Deutschland damit zugleich fortfährt, die ostasiatische Politik Rußlands zu unterstützen, unv sich so bestrebt zeigt, mit Rußland die Fühlung immer mehr wieder zu gewinnen, finden wir ebenso selbstverständ lich. Zur großen Befriedigung aller Freunde einer wirklich nationalen Politik hat die Reichsregierung end lich den vom alten Kaiser Wilhelm als allein richtig gekennzeichneten und vom Altreichskanzler erst vor wenigen Tagen beim Empfang seiner Leipziger Verehrer neu gewiesenen Weg guter Beziehungen zu unserem östlichen Nachbar wieder eingeschlagen, und nun sollte sie plötzlich und unvermittelt auf ver gangbaren Straße sieben bleiben, oder gar — denn etwas Anderes hieße eine solche Thvrheit nicht — den Curs von Neuem ändern? Auch die „Hamb. Nachr.", welche nur mit dem Vorbehalt, daß die Theilnahme Deutschlands an der Action gegen Japan „verfrüht" sei, sich ru dem Standpunct der deutschen Betheiligung bekannt haben, schreiben: „Darüber sind wir außer Zweifel, daß die deutsche Politik Schaden leiden wird, wenn sie die Bahn, die sie betreten hat, ohne erkennbare und zwingende Gründe wieder wechselt. Wir haben den Eindruck, daß wir nur empfehlen können, die Hand Rußlands, nach dem wir sie einmal ergriffe» haben, auch weiter fest zu ballen in Fragen, wo uns unsere Interessen dabei nicht im Wege stehen. Wir glauben, daß es richtig ist, daß die Re gierung, nachdem sie den Sprung ins Dunkle (?) einmal ge- than hat, auch fest mit Rußland durchhält. Wenn das Gegentbeil geschähe, wenn z. B. englische Ein flüsse in unserer Politik wieder die Oberhand ge wännen, so würde das den Erfolg haben, daß wir Rußland ebenso verletzten, wie wir Japan durch unsere Einmischung verletzt haben. Unter dem allen CurS wäre die Betbeiligung an der Einmischung gegen Japan wahrscheinlich überhaupt nicht erfolgt (?) oder doch nur gegen sichere Vortheile für Deutschland; aber nun sie einmal vorliegl, sind wir der Ueberzeugung, daß jedes Schwanken schädlich wäre und Deutschland nichts Besseres thun kann, als aus dem einmal beschrittenen Wege weiter zu gehen." Die Erbin von Äbbot-Caftle. 171 Original-Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck vnbdtr». (Fortsetzung.) Versuchen Sie eS, mit Liebe an ihn zu denken, Miß Connor. Sir Lionel war nicht der harte, unbarmherzige Mann, als welcher er in ihrer Erinnerung lebt. Ich will nicht heute mit Ihnen davon sprechen, aber ich glaube, die Stunde wird kommen, in welcher sie seiner mit milderen Gefühlen gedenken werden." „Da-^gen Sie, Lord Ruthbrrt?" „Ja, Miß Connor; ich habe die Ueberzeugung. Sir Lionel bat nicht auS Kaltherzigkeit gehandelt, wie es Ihnen jetzt noch scheinen mag. Er hat Sie sehr gesiebt, an Beweisen für diese Wahrheit wird eS Ihnen nicht fehlen." Mary rrröthete. Es lag etwas KühleS, Zurückhaltendes in Lord Ruthbert'S ganzer Art, die ihr erst jetzt auffiel. Er war offenbar nicht mit ihr zufrieden. War ihr Urtheil über den Grpßvater rin falsches gewesen und er zürnte ihr darum? „Ich habe eS nickt geglaubt", entgegnet« sie schüchtern. „Er hat nie nach mir gefragt und die Mutter litt nicht, daß ich seine Zimmer betrat, weil er mich nicht würde sehen mögen/' „Wir sprechen wohl noch später einmal über all diese Dinge. Vorläufig führte mich nur die Absicht zu Ihnen, mit Ihnen Ihre nächste Zukunft ,u besprechen. ES ist also Ihr Wille, einstweilen bei MrS. Gray zu bleiben?" „Ja, so lange sie mich gebraucht." „Fassen Sie einmal die Thatsache in- Auge, Miß Connor, daß ein ungewöhnliches große« Vermögen Sie in den Stand setzt, rin glänzende-, unabhängiges Leben zu führen, daß Sie sich keinen Genuß, keine Freude versagen dürfen." Ihr Gesicht, da- gewöhnlich einen sehr ernsten Ausdruck zeigte, hatte beinahe etwa- Finstere«. „Was soll mir ein große- Vermögen? Ich werde niemal- Gebrauch davon machen können", sagte sie bitter. „O, Miß Connor! Sie baben den Werth deS Reich- thumS nickt kennen gelernt! Bedenken Sic, welch' ein Segen wohl angewendeter Reichthum ist. Wie Vielen können Sie Gute- thuu." Ibr Gesicht erhellte sich nicht. „Ich will hier bleiben. MrS. Gray kann mich nicht ent behren. ES würde undankbar und grausam von mir sein, wollte ich sie ihrem Schicksale überlassen." Er konnte hier nichts mehr thun. In ihrer ganzen Art war etwa«, daS ihn befremdete, und er wußte nicht, daß sie nur eine Rückwirkung eigener Zurückhaltung war, welche er der Erbin gegenüber beobachtete. Vielleicht — nein, gewiß war es auch am besten so, wenn sie den Uebergang in den Verhältnissen, die ihr scheinbar lieb geworden'waren, er wartete. MrS. Grav war eine alte Dame, und er batte nicht angenommen, baß Mary Connor den Entschluß fassen würde, sie zu verlassen. Ihre Festigkeit erfreute ihn mehr, als er sich selbst gestehen wollte. Lord Ruthbert hatte aber auch noch eine Unterredung mit Mrs. Gray, um die alte Dame von Mary'S veränderten Verhältnissen in Kenntniß zu setzen. Sie war sehr aufgeregt und unruhig, so daß Lord Ruthbert sich gezwungen sah, daS junge Mädchen berbeizurufen, damit dasselbe Mrs. Gray die Versicherung geben konnte, daß sie nicht daran denke, sie zu verlassen. Erst dann wurde sie ruhiger. „Sie werden mir nur gestatten müssen, Mrs. Gray, bisweilen nach Violet-Valley zu kommen, da ich vermulhe, daß mancherlei Fälle eintreten werden, welche mich zwingen, mit Miß Connor über Diese- und Jenes Rücksprache zu nehmen", sagte Lord Ruthbert, nachdem Mary wieder ge gangen war, zu der alten Dame. „Ja", entgegnete diese nur. Sie war noch außer Fassung von dem Gekörten und blickte mit einem ganz besonderen Respect auf ihren Nachbar, von dem sie seither nicht einmal hatte sprechen hören wollen, weil er ihr zuwider gewesen war. Wenn der alte Sir Lionel viel Geld hinterlassen hatte, sehr viel mehr als sie selbst besaß, und das war nach dem Gehörten mit ziemlicher Gewißheit anzunebmen, dann handelte Lord Rutbbert gewiß sehr klug, als er darauf bestand. Miß Connor ihren rechten Namen annrhmen zu lassen. Sie war ja immerhin freigesprocheo, und dem reichen Mädchen gegen über würde man eher geneigt sein, einen Richterspruch al« einen gerechten anzuerkennen. Mary Connor sah Lord Rutbbert da- HauS verlassen. An der Pforte angelangt, blickte er auch nicht mehr nach den Fenstern brr Cottage zurück, wie er sonst wohl gethan. Sie seufzte tief auf. Der heutige Tag war wieder voll Schmerz und Unruhe gewesen, nachdem sie eine Zeit deS Frieden- an sich hatte vorüberzirhrn sehen. MrS. Gray überließ sie nicht lange ihren trüben Gedanke». Die nur schwer bewirkte Beruhigung der alten Dame hatte nicht vor neuen sich herandrängenden Sorgen Stand ge halten. Die Vorstellung, daß die seither ganz und gar von ihr abhängige junge Dame sich plötzlich in eine reiche Erbin verwandelt haben sollte, reizte sie immer wieder aus. Sie war überzeugt, daß das seitherige gute Verhältniß noth- wendig eine Äenderung erfahren müsse. Mary würde nicht mehr dir Dienende sein wollen. Sie mußle sich erst im Verkehr mit ihr überzeugen, daß sie die Alte geblieben war. Beruhigt entließ sie das junge Mädchen, das zwar des NachlS im Nebenzimmer schlief, aber nach dem Abendessen »och auf ein oder zwei Stunden in ihr eigenes kleines Gemach sich zurückziehen konnte. Mary war es am heutigen Tage eine Erlösung, als sie auf eine kurze Spanne Zeit daran denken konnte, daS am heutigen Tage Erlebte noch einmal an ihrem inneren Auge vorüberziehen zu lassen. Sie bedurfte in der Thal der Sammlung, sie war vollständig verwirrt, sie hatte nickt Alles erfassen können, was Lord Rutbbert ihr mitgetheilt, ein Gedanke jagte den anderen, aber sie dachte, daß es besser gewesen sein würde, sie hätte nie mehr etwas von der Außenwelt gehört. Was sie noch von der Welt erhofft, war der Friede dieses TbaleS gewesen. Immer hier bleiben zu können, MrS. Gray dienen, bisweilen den Mann sehen, dem sie mit unendlicher Liebe zugelhan war, das würde für sie Glück sein, ein anderes gab es für ein« Mary Connor nicht. Allein in dem kleinen traulichen Raume, in welchem sie die ersten friedvollen Stunden ihres Lebens verbracht batte, ließ sie am heutigen Abend noch einmal alle Einzelheiten der Botschaft, welche ,hr Lord Rutbbert llberbracht, ,m Geist an sich vorüberriehen. Nicht ein Punct derselben beglückte sie nicht einen Gedanken widmete sie dem Reichthum, der ihr so unerwartet in den Schooß gefallen sein sollte. Sie sab nur Schatten. Sie beschäftigte sich mit dem Tod de« aUrn Mannes, der e.nsam gelebt hatte und einsam gestorben war »E-d - weinenden Mutter erinnerte di, b/ ^ "er d?e Ne m von ibren Kämpfen gesprochen. u—L U°L,°'7,LÄ: von Sir Lionel Connor macken, als sie seither gethan. Aber Lord Rutbbert hatte ihr gesagt, daß der alte Mann seiner Enkelin zärtlich zugethan gewesen war, und — er würde niemals eine Unwahrheit aussprecken. Mit wenigen Worten halte dieser Mann ein Werk ins Wanken gebracht, daß eine innig geliebte Mutter, die in Mary'S Augen keinen Fehler gehabt, sondern nur schwach und hilfsbedürftig und den Launen eines hartherzigen Vaters auSgesctzt gewesen war, im Laufe einer langen Reihe von Jahren errichtet hatte. An die Vorstellungen, welche mit dieser Thatsache verknüpft waren, reihten sich andere, die schwere Vorwürfe für sie enthielten und die sie mit Lord Ruthbert'S verändertem Benebmen in Zusammenhang brachte. Mary Connor glaubte in diesen beiden einsamen Stunden, daß sie nie mehr im Lebe» sich zurecht finden werde, bis ihr Lord Ruthbert'S Worte einfielen, die er zuletzt zu ibr ge sprochen, daß der Reichlbuni sie in den Stand setze, Vielen Gutes zu thun. Im ersten Augenblick, als er diese Worte geäußert, hatte das trotzige Blut sich in ihr aufgebäumt. Sic wollte nicht den Menschen Gutes thun, die schlecht und er bärmlich an ihr gebandelt batten, nur weil sie wehrlos ven hartherzigen Angriffen gegenüber gewesen war. Dann aber batte sie ein Gefühl von Scham. Woher war die plötzliche feindselige Regung gegen Unschuldige ge- kommen? Sie fand ohne Müde eine Beantwortung dieser Frage. Wenn sie reich, unabhängig, wenn sie nicht Mary Connor gewesen wäre, so wäre es ihr gelungen, sich die Liebe eines Mannes, wir Lord Ruthbert, zu erhalten. Nun aber mußte sie Verzicht leisten. ^ Dieser Gedanke batte plötzlich einen Zorn gegen das Lchicksal, gegen die ganze Welt in ihr geweckt, den ihr besseres Selbst nur nach hartem Kampfe überwunden hatte. Dreizehnte- Capitel. Abermals stoffen für Mary Connor die Tage ruhig und friedvoll vorüber. Sie hatte sich im Entsagen üben gelernt, und so war eS auch jetzt wieder still in ihr geworden. Mrs. Gray erholte sich kaum noch von ihrem Erstaunen. Sir war fest überzeugt, daß jeder neue Tag bestimmt die Veränderung zu Tage fördern würde, welche mit Mary Connor vorgegangen sein mußte. Aber jeder neue Tag verging und es blieb, wie eS gewesen war. Mit derselben Geduld, derselben Bescheidenheit unv der rubigeu Freundlich keit, welche daS junge Mädchen seither in dem Verkehr mit der Kranken beobachtet, erfüllte sie die ihr übertragene«
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