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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950530022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-30
- Monat1895-05
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Größere Schriften laut uuserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherent Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbeförderlmg 60.—, mit Postbeförderung .T 70.--. Annahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentag») Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 263. Donnerstag den 30. Mai 1895. 89. IahrgcmK Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Mai. DaS Cent rum ist, zumeist mit Unterstützung der kon servativen Partei, die Jahre hindurch mit Erfolg bemüht gewesen, gesunde wirtbschaftliche Gedanken durch übertreibende Erweiterungen oder Verquickung mit Fremdartigem all ad- surämo zu führen. Diese mit dem Schein des Positivismus umgebene Form ves ObstructionismuS ist namentlich der Lösung von Fragen, die die Interessen des mittleren Ge werbes berühren, hinderlicher gewesen, als die abgehauste Lehre deS Gehen- und Geschehenlassens. Vernünftige Neform- vorschläge sind dadurch nicht allein bisher ihrer gesetzgeberischen Verwirklichung entrückt, sondern dermaßen unpopulär geworden, daß sie der Unwille des mit der Befürchtung einer lästigen Beschränkung des Verkehrs erfüllten Publikums zu ersticken droht. Diese Wahrnehmung läßt sich auch an der Äewcrbc- orpnungsnovelle machen, insbesondere soweit sie den Ge werbebetrieb im Umherzieben betrifft. Bei ihrem Erscheinen von der öffentlichen Meinung wohlwollend aus genommen, wenn auch nicht in allen Puncten acceptirt, ist sie durch die klerikal-cvnservativeBearbeitung in Mißkredit gerathen. Unüberwindlichen Bedenken begegnete die Regierungsvorlage eigentlich nur bei der Bestimmung über das Aufsuchen von Bestellungen bei Privatpersonen, weil sie sich gegen eine wirthschaftlich und kulturell sehr wichtige Form des Buchhandels richtet. Hier hat die Commission einer seits eine Milderung angebracht, während sie andererseits dieses Gewerbe aus eigener Initiative mit schweren und un berechtigten Belästigungen bedachte. Die am weitesten gehen den klerikalen Anträge sind zwar nicht angenommen worden, aber ihre Diskussion reichte aus. um eine der ganzen Vorlage ungünstige Stimmung zu erzeugen, die bis zu der künftigen Session auszubreiten und zu vertiefen die Manchesterpresse alle An strengungen macht. Gegenüber diesen Versuchen, die Excesse von rechts zur Verdunkelung der Sachlage auSzubeuten, muß doch darauf hingewiesen werden, daß der Hausirhandel sehr bedenkliche, das solide Gewerbe und das kaufende Publicum gleichmäßig schädigende Auswüchse zeigt. Vor allen Dingen ist auf die Thatsache hinzuwrisen, daß eine Industrie lediglich zu dem Zwecke sich gebildet hat, um sich ihrer minderwerthigen Erzeugnisse durch Vermittelung des HaustrhandelS, des „AuSverkaufS"-Geschäftes und verwandter Betriebsformen zu entledigen. Die Wahrnehmung, daß der Hausirhandel keines wegs von Elementen frei ist, für die die unsolide Bedienung ihrer Kunden Geschäftsprincip ist, wird also durch eine Schlußfolgerung bestätigt. Wir haben keine so hohe Meinung von der wirthschaftlichen Bildung und derWaarenkenntnitz der Landbewohner, daß wir uns den Trost der „Freisinnigen Zeitung" aneignen könnten, welche meint, ein schwindel hafter Hausirer werde nicht zum zweiten Male dieselbe Gegend besuchen können. Vielmehr glauben wir in dem steigenden Zudrang namentlich weiblicher Käufer, dessen sich m jeder cstadt einige „billige" Geschäfte zu erfreuen haben, den Beweis erblicken zu dürfen, daß sogar bei der städtischen Bevölkerung Deutschlands die Ausbildung des geschäftskritischen Geistes noch recht viel zu wünschen übrig läßt. Der Hausirer aber ist der stärkere unv gefährlichere Versucher, weil er sich an das unerfahrenste Publicum wendet und auf die Eitelkeit und den Leichtsinn unmittelbarer ein zuwirken vermag, als der unsolide städtische Ladenbesitzer, mit dem sich übrigens ja der Gesetzentwurf über den unlauteren Wettbewerb beschäftigen wird. Sind wir auch keineswegs mit sämmtlichen Vorschriften der in der Commission be schlossenen Fassung einverstanden , so müssen wir uns doch gegen eine Agitation verwahren, in der der gesammte Hausir handel, wie der fromme Knecht Fridolin, der Huld der Gesetz gebung empfohlen wird. Nachdem nun auch die beiden Nachtragsetats zum Reichshaushalt für l895/96 in Kraft getreten sind, gestatten sich die Schlußziffern des gesummten Etats in folgender Weise: Die ordentlichen eigenen Einnahmen des Reiches sind mit Einrechnung der Aequivalente-Zahlungen der süddeutschen Reservatstaaten auf rund 768,2 Millionen bemessen, der eigentliche Ausgabebedarf des Reiches beziffert sich im Ordentlichen Etat auf rund 792,7 Millionen Mark. (Die durchlaufenden Posten des Reichsinvalidenfonds sind hierbei außer Betracht gelassen.) Das bedeutet einen, durch eigene Einnahmen des Reiches nicht gedeckten Ausgabebedarf in Höbe von 24,5 Millionen. Zu dessen Befriedigung steht sür 1895/96 zunächst noch der Ueberschuß aus 1893/9l mit rund l4,5 Millionen zur Verfügung. Den Rest von lo Mill. haben die Einzelstaaten beizusteuern. Man vergleiche damit dieselben Ziffern von 1892/93: Ausgabe-Bedarf im Ordentlichen Etat rund 693 Millionen, eigene Einnahmen des Reiches 729 Millionen, also zu Gunsten der Einzelstaalen verfügbarer Ueberschuß 36 Millionen. Tie beredte Einfachheit dieser Ziffern läßt sich zwar verschleiern, wenn man durchlaufende Posten aller Art, Matrikularbeiträge bei den Einnahmen, Ueberweisungen bei den Ausgaben rc. mit anrechnet. Aber mit alledem kann die Thatsache nicht aus der Weit geschafft werden, daß wir 1895 96 einen Betrag von 24,5 Millionen aus dauernden eigenen Einnahmen des Reiches nicht zu decken vermögen, während wir noch i» dem ungünstigen Jahre 1892/93 den Einzelstaalen 36 Millionen zuu. enden konnten. Diese Thatsache mit in das „Massengrab" zu versenken, in dem die ReichSfinanzreform sammt allen Deckungsvorschlägen vorläufig noch einmal verschwinden mußte, war auch dem besten Willen der demokratischen Finanzkünstier nicht möglich. Sie wird ihr Dasein gebieterisch genug wieder fühlbar machen, wenn der nächste Reichshaushalt und, was fast noch wichtiger ist, wenn in den Einzelstaaten inzwischen auch die Landesetats zur Vorberathung gestellt werden müssen. Als in Sachjen-Weimar eine Erhöhung der direkten Steuern als unumgänglich bezeichnet wurve, wenn der Reichstag nicht für Mittel zur Deckung der Reichsbedürfnisse sorgen sollte, sprach die „Freisinnige Zeitung" von einem „Schreckschuß". Die Steuerzahler des Großberzogthums haben sich mittlerweile von der scharfen Labung des Regierung« gewehreS Überzeugt. Nach den letzten Feststellungen haben die italienischen Kammerwahlen für Crispi zwar eine gegen die ersten Meldungen eine wenig reducirte, aber immer noch ganz be deutende Mehrheit ergeben: 298 Ministeriellen stehen 124 Oppositionelle gegenüber, von l6 Abgeordneten ist die Partei stellung noch unbestimmt, aus 12 Wahlkreisen ist das Ergebniß noch nicht bekannt und in 58 Wahlkreisen finden Stichwahlen statt. Nimmt man den für die Opposition günstigsten Fall an und theilt von den 16 parteilosen Abgeordneten und den 70 noch unermittelten Mandaten je die Hälfte den Ministeriellen und den Oppositionellen zu, so entfielen auf jene bei vollbesetzter Kammer 341, auf diese 167 Stimmen, d. h. die Regierung verfügt über eine Zweidrittel-Mebrbeit. Die Mehrzahl der Abgeordneten ist auf den Namen Crispi'S gewählt, Crispi selbst ist in zehn Wahlkreisen aus der Urne als Sieger her vorgegangen. Das Wahlergebniß stellt sich also als eine Vertrauenskundgebung der italienischen Nation für Crispi dar, und beweist u. A., daß das italienische Volk entschlossen ist, zu der von Crispi getragenen Dreibundspolitik zu halten und es bietet somit eine bei den italienischen Verhält nissen nicht zu unterschätzende Garantie, daß Italien unter L° I.?n-r D-ck- s»,ck>. l.ist.. D,n -n°-, w-»» A seiner Seite bleibt, immer »och gute Dienste. Die 'Idr zeaen die der Dreibund errichtet ist, Wird so lange )rEa abzuwenden sein, als die Politik richtig geleitet w'rd- Dabe ist, wie die „Hamb. Nachr." aussühren, vorausg setz » daß Deutschland auf die Unterstützung der vollen ^lei" ch ungarischen Armee rechnen kann. Diese Bedingung c , »„wes fällt fort wenn sich Oesterreich in Folge der Wallung Italiens genöthigt sähe, seine kalbe Arm-e zur Dcckungsemer italienischen Grenze zu verwenden. Das Ziel einer rer tänbiacn DreibundS-Politik muß also daraus gerichtet sein, den Verbleib Italiens im Dreibünde möglichst Zu sichern und wenn Italien in der Versuchung „t. aus in dieser Beziehung zu schwanken, ihm seine Entschließung zu Gunsten des Dreibundes zu erleichtern. Es Ware P°Utisch unrichtig gebandelt, wenn man Italien im Namen des D" Hundes zur Erhöhung seiner militairischen i.e>,lungen nothigen wollte und eS wäre dies auch insofern unberechtigt, «ls Italien keine Dreibunds-Verpflichtung zu irgend einer bestimmten Armeeziffer hat. Jede italienische Armee, die zur Versugung der Dreibunds-Politik stebt, muß dieser willkonimeii sein und eS wäre nicht klug gehandelt, eine Pression auf Iialien dahin auszuüben, daß es mehr Soldaten stellen solle, als seine Finanzen ihm erlauben. Mit aufrichtigem Bedauern ist überall die Nachricht von dem Ableben des Chefs des Auswärtigen Amtes der Bereinigten Staaten, W. O. Gresham, vernommen worden. Es wird ihm übereinstimmend nachgerühint, daß er mit Klugheit, Besonnenheit und — Zurückhaltung die inter nationalen Beziehungen der Vereinigten Staaten geleitet hat und daß er politischen Abenteuern grundsätzlich abhold ge wesen ist. In der Thal sind während Gresham's Verwaltung des auswärtigen Ressorts die Vereinigten Staaten auf inter nationalem Gebiete möglichst wenig hervorgelreten, unv wo dies ja nolbwendig wurde, immer mit dem Streben nach Ausgleichung und Versöhnung. Nack dem Gcschmacke der amerikanischen Chauvinisten, der Monroe-Heißsporne und Natwisten war die besonnene, conflictsabholde Führung der auswärtigen Ge schäfte unter Gresham nun eben nicht; ihrem Geschmacks hätte eS mehr entsprochen, wenn die Washingtoner Politik bei Gelegenheiten wie die hawaiischen Wirren, die Behrings meerfraqe, der Conflict zwischen England und Nicaragua, ein kräftig Wörtchen mit dem Londoner Foreign Office ge sprochen hätte, und sie haben das dem Leiter der auswärtigen Politik auch bei jeder Gelegenheit zu verstehen gegeben. Indeß da Präsident Cleveland mit der Haltung seines Staatssecretairs in allen wesentlichen Punkten überein stimmte, so mußten die Heißsporne sich wohl oder übe fügen. WaS nun die schwebenden Probleme der inter nationalen Politik anlangt, so sind es hauptsächlich zwei, an denen die amerikanische Union ein auf der Hand liegendes Interesse hat: die oft asiatische Frage und der Ausstand auf Cuba. Auch bei der Behandlung dieser Materien bat sich daS friedfertige, maßvolle Wesen des verstorbenen Staatssecretairs nicht verleugnet, und seinen Bemühungen dürfte eS wesentlich mit zuzuschreiben sein, wenn Amerika, officiell wenigstens, besonders in der cubaniscken An gelegenheit eine an Gleichgiltigkeit streifende Zurückhaltung an den Tag gelegt hat. Allerdings vermochte Gresham nicht zu hindern, daß unter der Hand zwischrn den kubanischen Insurgenten und der amerikanischen ActionS- partei intime Beziehungen Platz griffen und die Sache des Aufstandes von Amerika her mancherlei Förderung in Gestalt von Waffen-, Munition- und Freiwilligentransporlen, ja selbst von Geldzusendungen erhielt. Daß die Union sich nun unter dem Nachfolger des Verstorbenen in der vstasiatischen Assaire mehr herauöwagen werde, ist vorerst wenigstens kaum anzu- nehme»; etwas anders liegen die Dinge hinsichtlich Cubas, wo der Tod Greshams große Hoffnungen erweckt hat, die ich ehebaldigst in einer erneuten Zunahme der Thätigkeil im Insurgentenlager bemerkbar machen dürften. Deutsches Reich. ^ Berlin, 29. Mai. Der „Vorwärts" behauptet, bei der Stichwahl in Köln seien dem socialdemvkratischen Kandidaten nationalliberale Stimmen zugefallen, und weiß sogar die Ziffer anzugeben. Dieselbe Wissenschaft gab das Blatt nach der Stichwahl in Weimar-Apolda zu besitzen vor, und zwar noch ehe es das Wahlergebniß kannte und die alsche Nachricht von einem socialdemokratischen Sieg glaubte. Selbstverständlich beruhen solche Behauptungen aus dem Reclamebedürfniß. Was die Kölner Stichwahl betrifft, so >at der „Vorwärts" gleichfalls ohne genaue Kenulniß der Wahlziffern seine „Feststellung" gemacht, und die „Germania", der diese in den Kram paßte, die aber andere Ziffern hatte, gestattete sich, um beide Zahlen in Einklang zu bringen, eine kleine Fälschung der Angabe ihres social demvkratischen Gewährsmannes. Leider war auch das leitende Anticartell-OrHan zu voreilig, denn der Social- demokrat hat nach späteren Berichten kaum halb so viel Stimmen mehr gegenüber der Hauptwahl erhalten, als ihm nach der „Germania" allein von nationalliberaler Seite zu gewachsen sein sollen. Wir ratben dem klerikalen Blatt, mit der Fortsetzung seiner Schlußfolgerungen aus der von ihm „corrigirten" Behauptung des „Vorwärts" zu warten, bis das Kölner Wahlergebniß amtlich mitgetheilt ist. Nach den bisherigen Berichten verzeichnet der svcialdemvkratische Can- didat einen Zuwachs von noch nickt 200 Stimmen, während ihm die „Germania" gestern 549 und der „Vorwärts" 900 nationalliberale Wähler zugeeignet hat. jsi Berlin, 29. Mai. Von Zeit zu Zeit veröffentlicht der „Neichsanzeiger" Bekanntmachungen, wonach eingeschrie benen Hilfscassen die Bescheinigung ertheilt wird, daß sie den im 8 75 des Krankenversichcrungsgesetzcs enthaltenen Anforderungen genügen. Solche Bekanntmachungen befanden sich im „Reichsanzciger" recht zahlreich vor dem Inkrafttreten der Krankenversicherungsnovelle, sie haben aber auch nach dem 1. Januar 1893 nicht nachgelassen und finden sich noch in allerletzter Zeit vor. Hunderten von eingeschriebenen Hilfs cassen ist auf diese Weise die Anerkennung einer In stitution im Sinne des Krankenversicherungs - Gesetzes zu Theil geworden, und dabei sind diejenigen Cassen, deren Bezirk über die Grenzen eines Bundesstaates nicht hinaus geht, in dieser Zahl noch nicht einmal enthalten. Man wird sich erinnern, daß, als die Krankenversicherungsnovelle im Reichstage zur Berathung stand und durch sie Licht und Schatten zwischen den durch das Krankenversicherungsgesetz und den durch das Gesetz über die eingeschriebenen Hilfs- cassen geschaffenen Krankenkassen etwas weniger ungleich als bis dahin vertheilt werden sollten, die Freunde der einge schriebenen Hilfscassen den Ruin der letzteren in Aussicht stellten. Man behauptete, daß die Forderungen der Ge währung freier ärztlicher Behandlung und der Berechnung des Krankengeldes nach dem ortsüblichen Tagelohn des Wohnortes des Versicherten die freien Cassen ver- Fai»Nl«toir. Die Erbin von Abbot-Castle. Llf Original-Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verbot?». (Fortsetzung.) Für die nächsten Tage war Violet-Valley der Wallfahrts ort der gesammten Gray'schen Familien-Mitglieder. Sie waren von Lady Rosa telegraphisch herbeigerufen worden, um sich an dem Begräbnisse zu betheiligen. Die Cottage War überfüllt. Mary Connor hatte ihr Zimmer räume» und an zwei Töchter Lady Rosa'S abtreten müssen. Einer diesbezüglich an sie ergangenen Aufforderung war sie schweigend nachge- kvmmen, sie war viel zu sehr mit dem traurigen EreigNiß an und für sich beschäftigt, uiü über das Schickliche oder Un schickliche, welches darin lag, ihr eine Giebelstube anzuweisen, nachzudenken. Dazu traten ernste persönliche Fragen an sie heran. Sie wußte zwar von MrS. Gray's letztwilligen Ver fügungen, und Doctor Donald hatte ibr gesagt, daß eS ihr ganz überlassen sei, ob sie in Violet-Valley bleiben und fortan in der Cottage ihre Wohnung nehmen wolle, aber sie dachte doch nicht daran von diesem Vorrecht Gebrauch zu machen. Sie war fest entschlossen, MrS. Gray'S Nachlaß den rechtmäßigen Erben zu überlassen. Sie würde eS getbaü haben, auch wenn sie noch die arme Mary Connör gewesen wäre, welche sich mit harten Kämpfen durch das Leben würde ringen müssen. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit der Frage, wohin sie jetzt gehen solle, und da fand sich nur eine Antwort: Nach Abbot Castle. So hatten denn die schönsten, ruhigen Tage ihres Lebens sehr bald ein Ende gefunden. Sie konnte nur mit einem leisen Grauen an da» alte einsaNte Schloß denken, daß nur einigen Dienstboten, einer alten Haushälterin, im Uebriaen aber lichtscheue« Nachtvögeln und zahlreichen Dohlen zum Aufent haltsort diente. Der beglückende Verkehr mit Harry Ruth bert würde aber seinen vollständigen Abschluß gefunden haben Zuw Begtäbniß war auch Lord Ruthbert nach Violet- Valley gekommen. Die respektvolle Art. mit welcher er Mary Connor begegnete, Nöthigte Lady Rosa und ihren beiden ältesten Töcktern, die von dem Stande der Dinge unterrichtet waren, ein impertinente- Lächeln ab. Es war weder Harry Ruthbert noch Mary entgangen. Während aber Ersterer daSLächeln mit einem verachtungsvollen Achselzucken beantwortete, war letztere erblaßt und der Schmerz füllte ihre Augen mit Thränen. Wo war die hoffnungs freudige Stimmung der letzten Zeit geblieben? Von dem Begräbnis zurückgekehrt, bat Lord Ruthbert Mary um eine kurze Unterredung. Der Lage gegenüber glaubte er nicht mehr mit den ihm von Mr. Primrose gewordenen Nach richten zurückhalten zu sollen, obwohl er der Meinung war, daß sie dieselben sehr ernst aufnehmen würde. Er bereute bitter, dem Verlangen, ihr eine vollkommene Rechtfertigung zu verschaffe», nachgegeben zu haben. Durch den kläglich gescheiter ten Versuch war die Sache viel schlimmer geworden. MrS. Gray'S Tod, der trotz ihres Alters sehr unerwartet gekommen war, drängte gleichfalls zu einer Entscheidung in Bezug auf Mary'S Zukunft. Auch Lord Ruthbert waren die Bestimmungen der alten Dame bekannt, aber er dachte nicht daran, daß das junge Mädchen in Biolet-Valley bleiben würde, er selbst würde von der Durchführung einer solchen Absicht abrathen müssen. Wenn sie seinem Rathe folgen wollte, dann mußte sie in die Stadt zürüa, vielleicht zu Lady Wilkie oder in irgend eine andere Familie. Ihm war die feindselige Haltung, welche die Gray's dem jungen Mädchen gegenüber angenommen hatten, keineswegs entgangen, wie ihm denn auch die Ursache derselben nicht fremd war. So würde ihres Bleibens in der Cottage kaum sein, wenn Lord Ruthbert auch nicht daran denken konnte, daß sie von irgend einer Seite beeinflußt werden würde, sie sofort zu verlassen. Allem indessen vorzubeugrn, war er noch einmal in das TrauerhauS zurückgekehrt, um mit Mary zu berath schlagen. Sollte sein Name nicht Klang genug haben, um feige Verleumdungen siegreich aus dem Felde schlagen zu können? Sechzehntes Capitel. Die Haushälterin hate Lord Ruthbert direct in die Giebel stube hinausgeführt, wo er Mary mit dem Ordnen ihrer Sachen beschäftigt fand. Seitwärts bei einem alten Schränk chen stand «in neuer Lederkoffer, in welchen sie einige Wäsche gegenstände gelegt hatte. Auf dem Tische lagen andere, daneben einige Etuis, Schrribtnapprn, Bücher u. s. w. Alles deutete darauf hin, daß sie mit Vorbereitungen für ihre Ab reise beschäftigt sei. „Sie wollen fort, Mary?" „Ja, Lord Ruthbert, hier im Hause kann Meine» Bleiben» nicht sein. Man betrachtet mich mit scheelen Augen. Mr». Gray hat sehr großmüthig an mir gehandelt, aber — ich glaube ihre Handlungsweise läßt mich, in den Augen ihrer Familie in einem sehr zweifelhaften Lichte erscheinen." Sie sprach ziemlich ruhig, obwohl doch ein leises Beben ihrer Stimme verrieth, daß sie nicht ganz so ruhig war, als sie sich den Anschein zu geben versuchte. „Ich fühle mich selbst geneigt, Ihnen den Rath zu ertheilen, die Cottage zu verlassen. Haben Sie eine Absicht, wohin Sie Ihre Schritte zu lenken gedenken?" „Nach Abbot-Castle", entgegnet« sie ohne Besinnen. Auf den erstaunten Ausdruck seines Gesichtes fügte sie noch hinzu: „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, Lord Ruthbert?" „Ja, Mary, ich habe etwas dagegen", sagte er mit fester Stimme. „Abbot-Castle ist kein Aufenthalt für Sie. Allein die Erinnerungen in dem alten, traurigen Schlosse würden Sie tödten." „Ich glaube nicht, Lord Ruthbert. Ich bin sogar der Meinung, daß ich mich sehr befriedigt dort fühlen werde. Nur der Gedanke, daß ich Sie vielleicht nur fetten sehen werde, quält mich." E» gefiel ihm durchaus nicht, daß sie diese Worte in einem sehr ruhigen Tone sprack. Ihr Benehmen ihm gegenüber erschwerte ,hm außerordentlich seine Absicht, die ihn hergebracht, aus,»führen. Aber die Zeit und die Verhältnisse drängten. Er durfte diese« Zimmer nicht verlassen, ohne ihr dieselbe Frage vorgelegt zu haben, die er im Laufe der letzten Tage ernstlich erwogen. ° »Miß Connor, lassen Sie mich ein ernste» Wort mit Ihnen brauche Ihnen nicht erst zu sagen, daß der Gedanke, ,hr Glück zu sichern, mir hoher steht als das eigene. Obwohl ich weiß, daß niemals eine andere Frau mein Herz besitzen kann, so wurde ich doch nicht daran denken, Ihr Schicksal mit de», mtlNen zu verbinden» wenn ich glauben könnte, Sie an der Seite eines anderen Mannes glücklich zu sehen. Blicken Sie nicht m.t diesem erschreckten Ausdruck auf mich, sondern der- suchen Sie meinen Worten ruhig zu folgen, sic sind das Er gebnis einer fthr ernsten Prüfung meiner und Ihrer Lage, d'e mich seit dem Tode Mr«. Gray's beschäftigt hat. Sie »st i?""9Uickliche kann sie nicht anders nennen, während 'ch Mich gle.chreitig rage, ob sie eS nicht nur in unserer Ein- lnlduna ist. Ich habe Sie von Herzen lieb Mary ick würde der glücklichste Mensch in Ihrem s-sitz- gewesen s .n wenn ^ * gefunden haben, wa« eine liebende unv zärtlich geliebte Frau zu finden erwarten darf. Sie sind zu cillig reich geworden — so reich, daß viele angesehene und pachtete Männer die Hand nach Ihrem Besitze ausstrecken werden, aber gewiß nicht nur um eines materiellen Vortheiles willen. Der Versuch des Grafen SaunderS, eine Versöhnung mit Ihnen anzubabnen, mag Ihnen als ein Beweis dienen, wie weit die Bemühungen um Ihre Gunst gehen werden. In dem Augenblick, in welchem Sie jetzt aus der Verborgen heit hervortreten, sind Sie umworben, bewundert — geliebt. Wenn ich Sie nicht so abgeneigt wüßte, in den Kreis zurück zutreten, in welchem Sie sich einst beglückt gefühlt, so würde ich Sie gebeten haben, zu Lady Wilkie zurückzukehren, um dort die Freuden der Welt zu genießen und sich zu prüfen, ob Sie sich nicht über Ihr Herz getäuscht. Sie wollen nach Abbot- Castle? Ich kann es nicht zugeben. Was wollen Sie dort ? Sie müssen einen Lebenszweck, ein Ziel haben. Was ist der Mensch ohne ein solches? Wie wollen Sie sich Ihr Leben dort einrichten?" Sie konnte keine Antwort darauf geben, sie hatte keinen Zweck, kein Ziel. Unbestimmt hatte ihr der Gedanke vorge schwebt, daß sie auf Abbot-Castle anderen Menschen helfen wollte. Aber wem? Sie dachte an das benachbarte Dorf, aber sie wußte nichts von den Bewohnern desselben. Sir Lionel hatte niemals gut von ihnen geredet, sondern sie eine habgierige Gesellsckaft genannt, die nicht genug kriegen könne. „Haben Sie sick ein Bild von dem Leben gemacht, dem Sie sich auf Abbot-Castle hingeben wollen ? Nein, ich glaube nicht. Sie könnten sonst nicht die Idee gefaßt haben dort binzugehen", fuhr Lord Ruthbert fort, als sie noch immer sckwieg. Mary, ich glaube, für uns Beide giebt es nur einen Weg, den wir gehen können — zusammen gehen." Sie schrak leicht zusammen, die feine Rothe ihrer Wangen verdunkelte sich. Wie ihr Herz klopfte! Zum Zerspringen. Wenn es möglich wäre, wenn er ihr gute d!achrichten brachte! Sie würde die rechten Worte finde», seine Bedenken zu be seitigen. „Wir beide 'gehören zusammen, Mary", fuhr er, ihre beiden Händen ergreifend, fort, und es würde eine große Thorheit sein, wollten wir, um da» Urtheil übelwollender Menschen willen, auseinander gehen. Ich will ihm trotzen. Noch nie hat ein Ruthbert aus Eigennutz einen Schritt gethan, der sich nicht mit der Ehre vereinigen laßt, ich hoffe, man wird auch meine Liebe zu Ihnen nicht atS einen solchen betrachten. Denn man eS aber trotzdem thun sollte", fuhr er aufflammendrn Blickes fort, während seine Stimme leiser wurde, „nun wohl, eS wird mir leichter werden, als — Ihnen entsagen."
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